Kanada: Indigene im Kampf gegen Öl-Pipeline

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In Kanada planen grosse Öl-Firmen eine Pipeline durch den Westen zu bauen. Die Indigenen der Wetsuwet’en Clans warnen seit Jahren vor den Folgen für ihren Lebensraum und verweigern den Zutritt zu ihrem Land. Nach einem aktuellen Gerichtsentscheid und entsprechenden Warnungen, scheint eine polizeiliche Erstürmung kurz bevor zu stehen.

Etwa 3 Stunden Autofahrt entfernt von Houston (BC), tief in den Wäldern Kanadas Westens, befindet sich das Camp der Unistoten. Rund 8 Jahre ist es mittlerweile her, als Öl-Firmen bekanntgaben, eine Pipeline durch das Wetsuwet’en-Territorium zu bauen. Das leckende Pipelines durch die weiterverzweigten Flüsse nicht nur ihr Trinkwasser, sondern auch z.B. die Lachsvorkommen bedrohen, darüber wurde seitens der Öl-Firmen gerne geschwiegen. Viele der dortigen Bewohner arbeiten bereits für die die Holzindustrie – und kennen westliche Profitsinteressen gut. Wohin das bei der massiven Abholzung ihrer Wälder geführt hat, zeigt sich bei einer Fahrt durch die Weiten Kanadas: vielerorts präsentieren sie die Wälder Kanadas sich immer mehr als Fleckenteppich. Entsprechend vorsichtig sind viele geworden, wenn jetzt auch noch die Öl-Industrie ihr Interesse bekundet. „In Fort Mc Murray und Fort St. John sahen wir bereits welche Schäden (durch die Öl-Industrie) angerichtet wurden, so etwas wollen wir hier nicht erleben.» erklärte Knedebeas, Häuptling des Dark House-Clans. Viele Clans durch deren Land die Pipeline führen soll, versuchte man im Vorfeld mit den üblichen Versprechungen, dass man Arbeitsplätze und Wohlstand schaffe, aber nicht zuletzt auch mit finanziellen „Entschädigungen“ für eine Zustimmung zu gewinnen.
In Wissen um den Wiederstand, den es dagegen geben kann (Bsp. Standing Rock, Oka Crisis), führten Vertreter der Öl-Firma dabei auch zahlreiche „Besprechungen“ mit den Indigenen. Angesprochen darauf sagte Kenedebeas dazu: „Eigentlich gab keine echten «Besprechungen». Sie sagten uns: ‘Unterschreibt hier, tut das was wir euch sagen und dann geben wir euch all das Geld.’ So lief das.“

"Wetsuwet'en Territorium - Kein Zutritt ohne Konsens" steht auf einem angekokelten Tor, was von Brandangriffen herrührt. Mehrmals stand in den letzten Jahren stand die Royal Mounted Canadian Police (kurz: RCMP) vor dem Tor und forderte Einlass. Beschäftigte der Öl-Firmen versuchten zudem immer wieder mittels Helikopter ins Gebiet zu gelangen und Arbeiten vorzunehmen, wurden aber von den Unistoten entdeckt und weggewiesen. Für die Wetsuwet’en-Clans sind die Versuche der Öl-Unternehmen ein klarer Rechtsbruch. Schon 1997 bestätigte das oberste kanadische Gericht (Surpreme Court) das das rund 22'000 km2 umfassende Gebiet von den Clans nicht aufgegeben wurde und in der Folge auch nicht einfach von Kanada als ihres angesehen und darüber verfügt werden kann. Insofern kommt die drohende Erstürmung einer Landenteignung gleich.

Das Camp an sich erfuhr während diesen Jahren grosse Umbauten: grössere Häuser und Zeltlager entstanden, Gärten wurden angelegt, es wurden Workshops zu verschiedensten Themen gegeben. Viele lernten hier, ohne Handyempfang und Computer, wieder traditionell mit und von der Natur zu leben. Mit dem „Healing Center“ entstand zudem ein dringend benötigter Raum, (nicht nur) für Indigene mit sozialen Schwierigkeiten. Probleme die sozusagen ‚hausgemacht‘ waren und auf eine Jahrhunderterlange Unterdrückung zurück gehen. In kanadischen Reservaten gesandte, lebende Kinder leiden bis heute unter schlechter Trinkwasserversorgung – viele kämpfen mit schlechten Bildungsmöglichkeiten und Suizidgedanken.

Als Justin Trudeau letztes Jahr zum Premierminister gewählt wurde, versprach er der indigenen Bevölkerung Versöhnung, Wiedergutmachung und bezeichnete das Verhalten Kanadas in der Vergangenheit als «grosser Schande». Als er nur knapp ein Jahr später den Bau der Pipeline unterschrieb, waren viele Indigene enttäuscht - es schien sich nichts wirklich geändert zu haben.

Nachdem der Trudeau den Öl-Deal unterzeichnet hatte tauchten im Dezember 2018 auch schon Vertreter der Ölfirma am Tor auf und forderten Einlass. Ruhig aber bestimmt wurden sie erneut darauf aufmerksam gemacht, dass sie keine Einwilligung des Clans hätten und sandten sie fort. «Wir haben nie dem Bau über unser Land zugestimmt – wir wollen sie hier nicht und verweigern ihnen den Zugang.», so Freda, Sprecherin des Unistoten-Clans. Man klagte die Unistoten an, zog sie vor ein kanadisches Gericht und forderte sie dort erneut auf den Zugang freizugeben. Würden sie das nicht, drohte man mit der Entsendung von Polizeikräften um den Zugang stürmen.

Die Unistoten verstärkten als Reaktion auf diese Drohung ihr Camp und baten um Unterstützung, welche auch aus allen Ecken Kanadas eintraf. Mehrere benachbarte Clans erklärten in dieser Situation ebenfalls ihre Solidarität und das sie an der Seite der Unistoten kämpfen. Durch diese Clans wurden aktuell weitere Checkpoints und aufgebaut, in welchen sie in bis zu -20 Grad in der Nacht Wache halten. In verschiedenen Städten Kanadas kam es in den letzten Tagen zu Demonstrationen und Aktionen, die sich gegen den Pipeline-Bau und eine drohende Erstürmung der Gebiete stellen. In den letzten Tagen trafen mehrere Bussladungen mit Polizeikräften in den umliegenden Ortschaften ein, so dass davon aufgegangen werden kann das die Checkpoint schon bald angegriffen werden.

Für die beteiligten Clans im Wetsuwet’en-Territorium ist das Camp mehr als Lebensraum: für sie ist es, nach der Oka-Krise und Standing-Rock eines der wichtigen Leuchtfeuer, indigenen Wiederstand auf Turtle Island (a.k.a. Nordamerika) und das sie sich nicht kampflos ergeben.

Für den kommenden Dienstag, 8 Januar 2019, rufen die beteiligten Clans zu einem Aktionstag auf, den ihr wie folgt unterstützen könnt:

- Organisiert Solidaritätsaktionen in euren Orten und Städten, vor Konsulaten/Botschaften, auf der Strasse oder z.B. an Konzerten
- Schreibt solidarische Briefe und Mitteilungen an die Clans (in englisch)
- Unterstützt sie mit Spenden (Links siehe unten)
und ‘last but not least’: Ihr habt die Möglichkeit direkt vor Ort an den Checkpoints oder am Camp zu helfen (Kontakt via Webseite oder FB)

Links und Informationen:
- Unistoten Webseite: https://unistoten.camp/

Facebook-Accounts mit aktuellen Situationsberichten, Bildern und Videos:
- Unistoten Facebook Account https://www.facebook.com/unistoten/
- Checkpoint Gidumt’en: https://www.facebook.com/Wetsuweten-Access-Point-on-Gidumten-Territory-2...

Spenden:
- Unistoten Camp: https://unistoten.camp/support-us/donate/
- Gidumt’en Checkpoint: gf.me/u/puv769

Videos/Filme:
- How To Stop An Oil And Gas Pipeline: The Unist'ot'en Camp Resistance: https://youtu.be/aiVxyLb1hJA
- RESIST: A Unistoten Call to the Land: https://youtu.be/ynR7MlcVCeI

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