[RMK] Zur Kundgebung gegen "Fremdenfeindlichkeit" in Schorndorf - If we‘re united…

Regionen: 

Am heutigen Samstag, den 10. November, fand eine der größten Kundgebungen in der Stadtgeschichte Schorndorf‘s statt. Mehr als 1.500 Menschen beteiligten sich an der Kundgebung unter dem Motto „#aufstehen“ an einer Kundgebung gegen „Fremdenfeindlichkeit“.

Trotz inhaltlicher Unterschiede und einer indirekten Distanzierung der Veranstalter*innen von Antifaschist*innen, beteiligten wir uns an der Kundgebung. Uns war es in diesem Zusammenhang wichtig eine klare Position zu beziehen - Zusammen gegen Rechts. Trotz unterschiedlicher Positionen und Meinungen.

Einen Bericht, sowie Punkte zu Positionierung veröffentlichen wir hier. Zudem sprechen wir unseren Dank an die autonome Gruppe aus, welche die Stadt im Vorfeld verschönerte und u.a. rechte Propaganda am Kundgebungsort einkassierte.

Das von uns, zum Tag, veröffentlichte Flugblatt veröffentlichen wir separat. Wir verurteilen klar die Verwendung des Extremismus-Begriffs und treten für eine breite, solidarische Bewegung gegen Rechts ein.
Zur Diskussion des veröffentlichten Textes sind wir selbstverständlich bereit.

Die Situation im Vorfeld

Als wir das erste Mal von der Kundgebung hörten, hätte die Einladung dazu für uns kaum unsympathischer klingen können. Antifas und Anarchist*innen seien unerwünscht, wurde an uns heran getragen.
Nicht direkt, sondern über Dritte. Ob wir direkt damit gemeint waren oder nicht, bleibt für uns offen. Jedoch fühlten wir uns betroffen. Weshalb man sich von antifaschistischer Arbeit gegen Rechts abgrenzen muss, blieb in der kurzen Passage auch offen.

Erfreulich war an diesem Punkt, dass Gewerkschaften an diesem Punkt nicht mit zogen und sich dagegen stellten. Übrig blieb ein Aufruf in welchem sich von „Extremismus“ distanziert wurde. Was genau die Veranstalter*innen damit meinten war in diesem Fall auch wieder unklar.

Klar für uns war hingegen, dass wir gegen Rechts aufstehen. Dass wir uns gegen Sektierer in der antirassistischen, antifaschistischen Arbeit wenden. Wer ein Problem mit radikalen Antworten auf die radikalen Fragen unserer Zeit hat, kann gerne seinen DeLorean aus der Garage holen und versuchen in eine Zeit zu reisen in der alles schön ist.
Unsere Alltagswelt ist es nicht und der braun-blaue Aufmarsch in Europa macht uns erhebliche Sorgen. Weshalb wir gerne mit allen Menschen auf die Straße gehen, die sich dem in welcher Form auch immer in den Weg stellen.

Aus diesem Grund entschieden wir uns dazu an der Kundgebung teilzunehmen. Zeitgleich jedoch auch eine deutliche Position gegen den Extremismus-Begriff zu beziehen.

The Day before Tomorrow

Nach den uns zugetragenen Berichten und am Tag gesehenen Präsenz, schien der Tag zuvor wohl von Motivierten begleitet worden zu sein. Neben linken Stickern und Plakaten, konnten in der Stadt auch mehrere gedropte Banners entdeckt werden. Zudem sorgten einkassierte rechte Flugblätter zu einer Nachbereitung bei Lagerfeueratmosphäre.

An die Verfasser*innen sei auf ihre Frage, ob ihre Flugblätter rechts seien geantwortet: Ja!
Wer bei einer Kundgebung gegen Rechts, eine Ablehnung sexualisierter Gewalt aufgrund von Passeigenschaften fordert, der hat ein (rassistisches) Problem. Sexualisierte Gewalt ist grundsätzlich abzulehnen und zu verurteilen. Unabhängig von den Eigenschaften der Täter*innen.

Die Kundgebung

war an sich buntes Happening. Mit einer gesellschaftlichen Breite, welche man sich bei vielen Protesten, wie z.B. gegen die AfD nur wünschen kann.

Nachdem wir dort eingetroffen waren, konnten wir in Ruhe unsere Transparente aufspannen und unserer Agitation nachgehen. Entgegen dem Versuch radikalere Positionen im Vorhinein aus zu grenzen, erlebten wir auf der Kundgebung eine eher entspannte Atmosphäre.
Angeblich hatten jedoch Menschen zuvor versucht Aktivist*innen des Bündnisses „Zusammen gegen Rechts“ am Flyer verteilen zu hindern. Selbiges konnten wir nicht erleben, jedoch erschien uns dieses Verhalten eher von den Organisator*innen, statt von den Teilnehmer*innen auszugehen.

Die meisten Menschen erschienen uns gegenüber eher erfreut, dass wir uns nicht hatten ausgrenzen lassen.

Dem entgegen standen zahlreiche komische Typen auf der Kundgebung, welche von „unserem Lebensraum“ und „zu vielen Flüchtlingen“ schwadronierten. Ganz offenbar war eine Abgrenzung von Rechts einigen Ordner*innen (hauptsächlich Männer) ein ziemliches Problem. Dabei sollte es doch logisch erscheinen, dass man gegen Rechts nicht zusammen mit Rechts auf die Straße geht...

Dies erlebten wir auch bei dem Versuch einiger Gefährt*innen einen AfD‘ler von der Kundgebung zu verscheuchen. Neben dem AfD‘ler stellte ein Ordner hier eines der Hauptprobleme dar. Ganz offen hielt man die rechten, rassistischen Einstellungen der AfD für kein Problem. Erst nach langem hin und her konnte ein Ausschluss aus der Kundgebung erreicht werden.

In diesem Zusammenhang kam es auch zur einzigen „Anzeige“ des Tages. Einem unserer (handwerklich begabten) Gefährten wurde sein Leatherman durch die Polizei entwendet, was die Polizei selbst als Super-Tool vermerkte, um später gegenüber der Zeitung von einem Messer zu sprechen.

Inhaltliche Kritik

Neben der inhaltlichen Kritik an der Verwendung des Extremismusbegriffs und der insgesamt äußerst unklaren Positionierung des Happenings bleibt uns vor allem ein Punkt. Ein Punkt der gerade auch das Schorndorfer „Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit“ betrifft.
Offen scheint das Bündnis ein Problem mit der Verwendung des Begriffs Rassismus zu haben. Statt sich gegen rassistische Hetze zu wenden, wird der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ verwendet. Dabei grenzt gerade dieser Menschen mit migrantischen Wurzeln aus.

Nehmen wir die Situation eines Menschen, dessen Eltern vor 40 Jahren hier eingewandert ist. Geboren wurde Mensch in der BRD und ist auch hier aufgewachsen. Seine Bezugspersonen stammen aus diesem Land und sein Dreh- und Angelpunkt ist auch hier.

Nun wird er aufgrund seiner Hautfarbe Opfer eines rechten Übergriffs. Wurde dann wirklich ein Fremder angegriffen? Wurde nicht ein Mensch aus unserer Mitte angegriffen?
Mit der Drehung dies als fremdenfeindlich zu bezeichnen, macht man nichts anderes, als den Menschen an den selben Pranger zu stellen wie Rechte. Er ist kein Teil unserer Gesellschaft, sondern ein Fremder der attackiert wurde.

Für uns sind diese Opfer jedoch keine Fremden, sondern Menschen unserer Gesellschaft wie du und ich. Ein Angriff auf sie ist nicht fremdenfeindlich, sondern schlichtweg rassistisch. Etwas das hoffentlich vielleicht auch mal bei den Menschen des Schorndorfer Bündnisses ankommt.

Grenzen wir Menschen die Diskriminierung erfahren nicht noch damit aus, dass wir sie im Moment der Diskriminierung als Fremde bezeichnen. Bezeichnen wir sie doch lieber als Freunde, Vertraute, Kolleg*innen oder Liebhaber*innen.
Aber lassen wir sie doch zumindest schon einmal verbal an unseren Tischen Platz nehmen...

Fazit & Perspektive

Als Fazit bleibt eine der größten Zusammenkünften in Schorndorf. Jedoch auch eine der unklarsten. Ohne jeden weitergehenden praktischen Ansatz wurde ein Happening gegen Rechts gefeiert, welches sich nicht wirklich von Rechts abgrenzte.
Nichtsdestotrotz bleibt die Perspektive, dass ein Teil dieser Menschen sich in den täglichen Kämpfen beteiligen wird. Dass sich ihre Perspektive geschärft hat für die kommenden Aufgaben fortschrittlicher Menschen in diesem Land. Dass sie vielleicht ihre Angst vor der Arbeit der radikalen Linken verloren haben und offener werden für neue Bündnisse.

Ansonsten bleibt die Erkenntnis, dass der Rems-Murr-Kreis einiges an linkem Potential zu bieten hat. Gerade die Aktionen im Vorfeld, ähnlich wie bei der Kundgebung in Backnang, zeigen, dass das antifaschistische Milieu an Breite und Aktionsfähigkeit gewinnt.
Dabei scheinen zentrale Organisationen zweitrangiger zu werden und Menschen in der Lage sich selbst zu emanzipieren. Hierarchien zu hinterfragen, zu kritisieren und eigenständig in die Aktion überzugehen.

Denn am Ende ist die Bereitschaft sich zu wehren nichts, dass man von oben den Menschen ein impfen kann oder sollte. Trotz aller Richtigkeit bleiben die Probleme, der Stress und die Ausgrenzung der Menschen, welcher sich an dieser Rebellion beteiligen. Hierhin wollen wir keinen Menschen bewegen, sondern dass sich die Menschen selbstständig hierhin bewegen.

Nicht die Organisation, sondern das Herz ist die revolutionäre Zelle.

In diesem Sinne begreifen wir uns als Plattform um Wissen und Kenntnisse zu teilen. Gerne unterstützen wir Menschen beim Aufbau eigener Strukturen, der Umsetzung eigener Gedanken, der politischen Orientierung oder auch privat.
Zentral bleibt für uns jedoch, dass ihr auf uns zukommt. Nur ihr selbst entscheidet wohin euch eure Wege führen werden.
Entscheidet ihr euch für uns, dann sprecht uns an.

Wir lassen uns nicht spalten.
Für solidarische Strukturen jenseits von Staat und Kapital!

11.11.18.
Antifaschistische Linke [Antiautoritäre] Rems-Murr
alarm.blogsport.eu

Bilder: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen