Russland: Bombenanschlag und Aktionen der Spezialeineheiten gegen Anarchisten. Aufruf zur Solidarität.
Die Geheimdienste in Russland bereiten sich aktuell darauf vor, die anarchistische Bewegung zu zerschlagen. Hintergrund ist der Bombenanschlag von jungen Anarchisten.
Aufgrund all der Repressionen und des Staatsterrors wird sich die Generation jüngerer Anarchist*innen darüber bewusst, dass es keinen Unterschied zwischen bewaffnetem Kampf und legalem Protest gibt – du wirst so oder so Terrorist*in genannt und gefoltert.
Wir rufen auf zur Solidarität mit allen von Repression betroffenen Anarchist*innen, in Penza, St. Petersburg, Moskau, Chelyabinsk, Kaliningrad, Irkutsk und der Krim. Die Entwicklung Russlands zu einer terroristischen Diktatur zwingt junge Anarchist*innen dazu, zu den Bomben zu greifen.
Unser Kontakt: media_ns@riseup.net
Die Geheimdienste in Russland bereiten sich aktuell darauf vor, die anarchistische Bewegung zu zerschlagen. Hintergrund ist der Bombenanschlag von jungen Anarchisten.
Am Morgen des 31. Oktober sprengte sich der 17-jährige Anarchist Mikhail Zhlobitsky vor dem Gebäude des FSB in die Luft. Er postete vor der Explosion Nachrichten in den sozialen Medien (VKontakte) und in der Telegram-Chatgruppe "Speeches of the Rebel" (t.me/rebeltalk). In diesen Nachrichten warnte er vor der Aktion und benannte die Gründe: Propaganda der Tat und Rache für die Folter und Repression des FSB (Russischer Geheimdienst) gegen Anarchist*innen.
Am zweiten November wurde ein angeblicher Gefährte von Mikhail von Spezialeinheiten in Moskau festgenommen. Der Geheimdienst beschuldigt den 14-jährigen Kirill Kuzminkin der Vorbereitung eines Bombenanschlags auf einen Neonaziaufmarsch. Kiril bestreitet die Anschuldigungen. Die Polizei behauptet, dass in seinem Haus Materialien zur Herstellung von Sprengstoff gefunden wurden. Kirills Vater meint, dass es sich um Materialien zur Herstellungen von Feuerwerk handelt und die Spezialeinheiten versuchen den Teenager als Terroristen darzustellen.
Zur selben Zeit verhörten Polizei und Geheimdienste landesweit Anarchist*innen, Sozialisten*innen, Antifaschist*innen und sogar Liberale.
Es gab massive Ermittlungen gegen Nutzer*innen von "Narodnaya Samooborona" (Selbstverteidigung des Volkes), der größten russischen anarchistischen Plattform, und der Telegram Chatgruppe "Speeches of the Rebel" in der Mikhail Zhlobitsky die Nachricht über seine bevorstehende Aktion gegen den FSB gepostet hatte. So wurden beispielsweise in Krasnodar rund hundert Personen zu Verhören bei der Polizei vorgeladen. Sie wurden zu ihrer Einstellung zu "Narodnaya Samooborona" und der Aktion von Zhlobitsky befragt. Es wurde berichtet, dass die Polizei und der Geheimdienst plant, alle 26.000 Nutzer*innen von der Social Media Gruppe "Narodnaya Samooborona" zu überprüfen.
Als Ergebnis der Polizeioperation wurden bereits neue Ermittlungsverfahren gegen Anarchist*innen eröffnet. Am 4. November wurde der Anarchist Vyacheslav Lukinev in Kaliningrad inhaftiert. Er war in der anarchistischen Bewegung für seine Aktivitäten für Tierrechte und Antifaschismus bekannt. Vyacheslav wird beschuldigt, öffentlich Terrorismus gerechtfertigt zu haben, indem er mit einem Post auf dem "Prometheus" Telegram-Kanal (t.me/class_war) Mikhail Zhlobitskys Nachricht verbreitete. Ungeachtet dessen, dass diese Nachricht von unzähligen Massenmedien im Land verbreitet wurde, erwarten ihn nun bis zu sieben Jahre Haft.
Es ist offensichtlich, dass diese selektive "Justiz" mit der anarchistischen Einstellung von Vyacheslav und dem Hass der Spezialkräfte auf Anarchist*innen und "Prometheus" zu tun hat. Der FSB versuchte zunächst Vyacheslavs Partnerin für dieses "Verbrechen" anzuklagen. Danach hat er die Schuld dafür übernommen, um sie zu schützen.
Es gibt viele Gründe zu befürchten, dass diese Festnahmen nur der Beginn einer neuen großen Repressionswelle gegen russische Anarchist*innen ist.
Im Februar und März diesen Jahres begann der FSB mit seiner Repression gegen "Narodnaya Samooborona".
Im Februar wurden in Chelyabinsk einige Anarchist*innen verhaftet. Sie werden verdächtigt, ein Banner mit dem Spruch "Das FSB ist der wahre Terrorist" aufgehängt zu haben. Sie wurden von Spezialeinheiten des Geheimdienstes festgenommen und mit Folter zu einem Geständnis gezwungen, die Aktion durchgeführt zu haben. Der FSB beschuldigt sie, eine lokale Zelle der "Narodnaya Samooborona"zu sein. Ziel ist es, die anarchistische Bewegung als extremistisch darzustellen um damit ein neues, großes Verfahren gegen Anarchist*innen zu beginnen.
Im Februar wurde eine Reihe von Anarchist*innen festgenommen, denen ein Angriff auf Gebäude der "Edinaya Rossiya", der aktuell regierenden Partei, vorgeworfen wird. Im März, genau am Tag der Präsidentschaftswahlen, wurde vom Geheimdienst und der politischen Polizei eine Reihe von Hausdurchsuchungen bei Anarchist*innen durchgeführt. Einer der Betroffenen, Svyatoslav Rechkalov, der verdächtigt wird Administrator von "Narodnaya Samooborona" zu sein, wurde mit Elektroschocks gefoltert. Dabei sollte er sich als "Anführer der Anarchist*innen" identifizieren, als Organisator von "Narodnaya Samooborona" und aller anarchistischen Kampagnen der letzten Zeit in Russland. Während der Folter wurde ihm offen gesagt, die Repressionswelle fände aufgrund der verstärkten Aktivitäten anarchistischer Gruppen in letzter Zeit statt
Das war jedoch bei Weitem nicht die einzige repressive Handlung gegen russische Anarchist*innen dieses Jahr. Früher dieses Jahr gab es eine Aktion des FSB aufgrund von Ermittlungen gegen eine vermutete anarchistische Vereinigung in Penza und St. Petersburg, mit dem Namen "das Netzwerk". Auch hier wurden die Betroffenen gefoltert.
Im Februar und März diesen Jahres gab es auch auf der annektierten Krim-Halbinsel Hausdurchsuchungen. Auch dort gab es Folter. Einer der Betroffenen, Evgeny Karakashev, befindet sich noch immer wegen Terrorismus-Vorwürfen im Knast. Ein anderer anarchistischer Aktivist aus der Krim, Alexander Kolchenko, wurde für eine Aktion gemeinsam mit dem Filmemacher Oleg Sentsov, zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Auch der langjährige anarchistische Aktivist Ilya Romanov wurde wegen eines strafrechtlichen Vorwurfs verurteilt. Romanov startete seine anarchistischen Aktivitäten noch in der UDSSR und wurde mehrmals zu Haftstrafen verurteilt. Aktuell befindet er sich für mehrere Jahre hinter Gittern wegen einer Explosion, die der FSB zu einer terroristischen Attacke aufgeblasen hat. Romanov erklärt, dass im Gefängniscamp, in dem er festgehalten wird, schon weitere Vorwürfe gegen ihn konstruiert werden. Die Gefängnisadministration eröffnete einen facebook-Account unter Romanovs Namen und veröffentlichte dort ein IS-Rekrutierungsvideo. Das reichte aus, um eine weitere Haftstrafe zu bekommen.
In Chelyabinsk wurde gegen fünf Anarchist*innen ein Verfahren eröffnet. Ihnen werden Graffitis gegen die Pensionsreform vorgeworfen.
In Irtkutsk läuft der Prozess gegen den Anarchisten Dmitry Litvin weiter. Er ist wegen der „Herabwürdigung und Verspottung religiöser Lehren“ angeklagt, da er in sozialen Netzwerken ein Foto gepostet haben soll, auf dem ein Mittelfinger mit einer Kirche im Hintergrund zu sehen ist. Letztes Jahr hat es wegen dieses Posts Razzien in Irtkutsk gegeben, bei denen Wohnungen von Anarchist*innen von Spezialeinheiten gestürmt wurden.
Aufgrund all dieser Repressionen und des Staatsterrors wird sich die Generation jüngerer Anarchist*innen darüber bewusst, dass es keinen Unterschied zwischen bewaffnetem Kampf und legalem Protest gibt – du wirst so oder so Terrorist*in genannt und gefoltert.
Das alles bringt junge Anarchist*innen dazu Bomben zu legen. Leider sind wir als Bewegung extrem gespalten, auch wenn es um die Unterstützung untereinander bei Repression geht. Viele Anarchist*innen haben kaum gezögert, sich von den jungen Gefährten abzugrenzen und zu versichern, dass diese keine Verbindungen zur anarchistischen Szene hatten. Die vorhergehende Repression gegen die anarchistische Bewegung wird ebenso ignoriert. Die unrechtmäßige Verfolgung von Anarchist*innen ist offensichtlich. Trotzdem werden die Informationen darüber wegen persönlicher Antipathien oder Gerüchten zunehmend ignoriert.
Wir rufen auf zur Solidarität mit allen von Repression betroffenen Anarchist*innen, in Penza, St. Petersburg, Moskau, Chelyabinsk, Kaliningrad, Irkutsk und der Krim. Die Entwicklung Russlands zu einer terroristischen Diktatur zwingt junge Anarchist*innen dazu, zu den Bomben zu greifen.
Unser Kontakt: media_ns@riseup.net