[S] Nicht mal das Mindeste – Aktion gegen Verdrängung von obdachlosen Menschen in Stuttgart
Gestern haben wir „defensive Architektur“ in der Nähe des Hauptbahnhofes entfernt. In der Lautenschlager Str. 2 haben wir auf einer Länge von 15 Metern 60 Eisen-Schienen demontiert. In dem Gebäude befinden sich Büroräume, bis vor Kurzem die der Privatbank „Bankhaus Bauer“ und auch das Restaurant „Amici“ für gut Betuchte befindet sich im Gebäude. Die Eisen-Schienen sollten verhindern, dass sich wohnungslose Menschen dort ausruhen oder übernachten. Wir haben diese menschenfeindliche Architektur entfernt, die allein die Funktion erfüllt, „problematische Personengruppen“ aus dem Stadtbild fern zu halten. Sie soll verhindern, dass Menschen, die sich den Konsum in den überteuerten Cafés nicht leisten können anderweitig niederlassen. Sie soll verhindern, dass die zahlende Kundschaft nicht mit dem Elend, Wohnungslosigkeit und Sucht, die als Kehrseite des Systems, von welchem die Reichen profitieren, konfrontiert wird. Sie soll verhindern, dass jene, und das sind die meisten, welche näher an der Wohnungslosigkeit sind als am „high-society-life“, sich ihrer Situation jederzeit abrutschen zu können, nicht gewahr werden.
Wir denken, dass nicht die Menschen, welche durch diese Architektur verdrängt werden sollen, das Problem sind, sondern die Zustände in denen sie leben müssen, das kapitalistische System, das Wohnungslosigkeit und psychische Erkrankungen wie Suchtmittelabhängigkeit produziert.
VIDEO DER AKTION: https://archive.org/details/hbf-action-yt-1
Diese Form der Architektur ist somit kein Einzelfall, sondern Produkt eines Systems, das Profite und Kommerzialisierung über das Grundbedürfnis nach Wohnen stellt.
Während Immobilienkonzerne wie Vonovia und ihre Aktionäre Rekordgewinne einfahren, müssen Menschen auf Pappkartons auf der Straße schlafen, weil sie sich die Mieten nicht leisten können.
Das Märchen, in Deutschland könne jeder eine Wohnung haben, wenn sie oder er wollte, ist eine glatte Lüge. Der unmittelbare häufigste Grund für Wohnungslosigkeit ist, statistisch belegt, dass Menschen sich die Miete nicht leisten können. Das hat den Ursprung darin, dass Wohnraum – wie alles andere im Kapitalismus – eine Ware ist mit der Profite erwirtschaftet werden kann. Und das Zusammenpferchen in Not- und anderen Massenunterkünften kann kein Ersatz für ein menschenwürdiges Wohnen und Leben sein!
An Geld und Wohnungen mangelt es nicht. Alleine in Stuttgart stehen mehrere tausend Wohnungen leer. Für Aufrüstung, Krieg und Militär können schnell mal 100 Milliarden von unseren Steuergeldern locker gemacht werden. Der sogenannte Sozialstaat weiß eben wo seine Prioritäten liegen.
Solange Konzerne auf unserem Rücken ihre Profite anhäufen können, solange das kapitalistische System besteht, wird sich daran nichts ändern. So lange werden im Winter weiterhin Menschen auf der Straße erfrieren oder durch das Trauma der Wohnungslosigkeit in den physischen und psychischen Ruin getrieben. Die aktuelle Krise zeigt uns noch einmal mehr, dass uns dieses System nichts zu bieten hat. Denn während die Reichen immer reicher werden, müssen wir uns überlegen ob wir lieber heizen oder essen wollen und immer mehr verlieren ihre Wohnung. Abspeisen soll uns dann eine lächerliche Einmalzahlung, die bei den aktuellen Kosten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Und die Politiker:innen verhöhnen uns, indem sie uns diesen Witz als „Wumms“ und „You never walk alone“ verkaufen.
Unsere Aktion wird vermutlich als Sachbeschädigung geahndet, es wird sicher die Behauptung aufgestellt man hätte „fremdes Eigentum“ beschädigt. Doch der eigentliche Skandal ist nicht, dass wir ein paar Eisen-Schienen entfernt haben. Der wirkliche Skandal ist, dass dieser Staat den Schutz von unermesslichem Reichtum Weniger über den Schutz eines würdigen Lebens für alle Menschen stellt. Kriminell ist dieses System, in welchem 21 Menschen, wie voriges Jahr, auf der Straße erfrieren während andere Milliarden scheffeln. Gegen diese Ordnung vorzugehen ist legitim und notwendig. Denn wie es ist, darf es nicht bleiben. Dagegen können wir uns zur Wehr setzen. Schließt euch Initiativen in eurer Stadt an die sich gegen die kapitalistischen Verhältnisse und die unsoziale Politik einsetzen.
Interessanter Artikel zu Defensiver Architektur:
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/obdachlose-staedte-reduzieren-schlafmoeglichkeiten
Aktion gegen klassische Musik in Unterführung am Hauptbahnhof im Januar 2021
https://de.indymedia.org/node/167939
Film zur Hausbesetzung in der Wilhelm-Raabe Str. 4 und der Repression im Nachhinein
https://solidaritaet-und-klassenkampf.org/2021/02/film-mit-interviews-wir-sind-alle-wilhelm-raabe-strasse-4/
Kontaktmöglichkeit:
def-architektur-zurueckbauen@systemli.org