(Rojava) Der deutsche Imperialismus und die Türkei

Der deutsche Imperialismus und die Türkei

Warum es in Berlin am 28./29. um mehr als Erdogan gehen sollte

 

Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen

Am 28/29 September wird der türkische Despot Erdogan nach Berlin kommen um sich dort mit seinen Komplizen des deutschen Staates zu treffen.
Natürlich rufen auch wir, als Internationale Marxisten-Leninisten in Rojava, euch dazu auf gegen dieses Spektakel auf die Straße zugehen, um es zum größtmöglichen Desaster werden zu lassen. Wir hoffen, dass es euch nach dem G20 Gipfel ein weiteres mal gelingt eine Inszenierung der Herrschenden zur Farce werden zu lassen.

Für uns ist es, im Zuge dessen, wichtig auf die tiefen Verbindungen zwischen dem deutschen Staat, den Wirtschaftsinteressen die dieser vertritt und der türkischen Diktatur hinzuweisen da zu oft in der Öffentlichkeit das Bild erscheint Deutschland wäre selbst nur ein Opfer türkischer Politik und der Türkei hilflos ausgeliefert. Auf „links bürgerlicher“ Seite entsteht zudem der Eindruck Treffen, wie der kommende Staatsempfang oder sog. politische Zugeständnisse an die türkische Regierung seien vermeidbare Fehler bestimmter PolitikerInnen und man solle stattdessen dazu übergehen durch einen härteren politischen Kurs die Wahrung von Menschenrechten und demokratischen Errungenschaften zu erzwingen.
Dabei wird der jedoch der tatsächliche Charakter des deutschen Staates übersehen:

Die deutsche Wirtschaft und mit ihr der deutsche Staat zählen zu den mächtigsten der Welt. Bürgerlich ausgedrückt, Deutschland ist eine der führenden Industrienationen.
Infolge dessen spielt auch deutsches Kapital, sowie der mächtige deutsche Warenexport weltweit eine entscheidenden Rolle. Dies trifft auch und besonders auf die Beziehungen zur Türkei zu. „Die  Welt“ schreibt:

"Denn von keinem anderen Land ist die türkische Wirtschaft so abhängig, mit keinem anderen Land der Welt sind die Bande so intensiv.“ (1)

und Murat Çakir von der Rosa-Luxemburg-Stiftung zitiert das „Handesblatt“ wie folgt:

"Inzwischen beläuft sich das bilaterale Handelsvolumen auf rund 33 Mrd. Euro, womit Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner der Türkei ist. Auch bei den ausländischen Investitionen liegt Deutschland mit rund 12 Mrd. Dollar seit 1980 an der Spitze. Mitte der 1990er Jahre gab es etwa 500 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in der Türkei. Heute sind es bereits annähernd 6000 … Für viele ist das Land nicht nur wegen seines großen Binnenmarktes und seiner jungen, konsumfreudigen Bevölkerung interessant, sondern auch als strategisch günstig gelegener Produktionsstandort für Exporte nach Nahost, Asien und Afrika.»(2)

Diese Abhängigkeit der türkischen Wirtschaft verläuft dabei zugunsten des deutschen Kapitals welches ,unter anderm, durch billige Produktionsstandorte von der Ausbeutung der türkischen Arbeiterinnen und Arbeitern profitiert.

Die bürgerliche Welt kommt nicht umhin zuschreiben:

"Auf den ersten Blick sieht der Handel zwischen den beiden Nationen nicht besonders vorteilhaft für die Türken aus. Sie machen im Warenverkehr mit den Deutschen ein dickes Minus von 6,6 Milliarden Euro. Das Land liegt auf Rang 13 der wichtigsten deutschen Handelspartner. Für die deutschen Hersteller ist die Türkei damit durchaus wichtig – aber eben nicht überlebenswichtig.(...). Wichtigster Posten in der Außenhandelsbilanz zwischen der Türkei und Deutschland sind Textilien. Immerhin ist die Türkei der größte Bekleidungsproduzent Europas. Viele Hersteller wie Esprit, Boss oder Addidas lassen ihre T-Shirts, Röcke und Hosen in der Türkei nähen, wo die Herstellungskosten dank niedriger Löhne deutlich geringer ausfallen.“(1)

Weiterhin fällt auch dem militärisch-industriellen Komplex eine zentrale Rolle zu, der neben einem enormem Absatz von Rüstungsgütern, die dann, wie die Leopold II Panzer zur Niederschlagung der demokratischen Revolution in Rojava genutzt werden, auch für deutsche Rüstungsfirmen Möglichkeiten findet ihre Kapitalakkumulation durch die Umgehung von Rüstungsexportrichtlinien zuerhöhen. (vgl.2)

Wir sehen also ein Wirtschaftliches starkes (Deutsch)-Land dessen monopolisierte Wirtschaft mit Hilfe seines im Ausland investieren Kapitals enorme Profite einstreicht. Für uns als Marxisten-Leninisten ist dies eines der Merkmale des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium.
Von solch einem Imperialistischen Land wie es Deutschland ist nun zu verlangen es solle sich in erster Linie um Menschenrechtsbelange kümmern bedeutet dessen Wesen zu verkennen. Ein Blick in die Geschichte zeigt:
Die menschenverachtende Politik des deutschen Imperialismus gegenüber den Minderheiten in der Türkei hat eine lange Tradition. Als Beispiel hierfür das Verhalten des deutschen Reiches gegenüber dem Völkermord an den Armeniern:

"Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg formulierte die deutsche Linie: „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber die Armenier zu Grunde gehen oder nicht."(...) "Über die armenische Frage wird am besten geschwiegen.`" (3)

Seit 1914/1915 hatt sich an der deutschen Außenpolitik nicht viel geändert. Schauen wir nur auf die schändliche Beteilligung der Bundesrepublik bei der Unterdrückung der kurdischen Autonomie und Demokratiebewegung welche ihren Höhepunkt fand als die Türkei im Verbund mit islamistischen Millizien und mit Hilfe deutscher Leopld 2 Panzer in Afrin einmarschierte, während deutsche Behörden jagd auf UnterstützerInnen der demokratischen kurdischen Bewegung machten. Mit dem Einmarsch in Afrin und der stärker werdenden Unterdrückung der Demokratie in Kurdistan und der Türkei verschärfte auch die Bundesrepublik ihr Vorgehen gegen  kurdische und türkische progressive Bewegungen, was sich in Verhaftungen (z.B der ATIK-Prozess), Demonstrations Verboten, Flaggen Verboten und  Hausdurchsuchen, Bücherbeschlagnahmunen etc. äußert.

Dazu hier der Ausschnitt eines Textes des sich bis vorkurzem im Hungerstreik (im griechischen Gefängniss aus Protest gegen seine Abschiebung in die Türkei) befundenem türkischen Genossen Turgut Kaya:

“Diese Angriffe des griechischen Staates sind tatsächlich Angriffe gegen meine kommunistische revolutionäre politische Identität. Dieser Angriff ist eine direkte Fortsetzung der Angriffe gegen TKP/ML und ATIK-Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Jahre 2015, die unter der Führung des deutschen Imperialismus in ganz Europa und in Kollaboration mit der faschistischen Regierung unter Erdoğan und dem türkischen Regime stattgefunden haben.”(4)

Wir können feststellen das sich der oben zitierte Auspruch von Bethmann Hollwegs zum Völkermord an den Armeniern auch noch heute für die Beschreibung deutscher Politik verwenden lässt ändern wir ihn nur minimal:«unser einziges Ziel ist es die Türkei an unserer Seite zuhalten gleichgültig ob darüber die Kurden oder Demokraten in der Türkei zugrunde gehen oder nicht.»

Auch wenn die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sicher vielschichtig und zum Teil von Spannungen geprägt sind, auch wenn sich die deutsche Regierung in ihrem Interesse (und im Interesse des deutschen Kapitals) sicher zuweilen eine andere Regierung in Ankara wünschen dürfte, so geschieht das jedoch nicht aus demokratischen oder menschenrechtsbezogegenen Erwägungen. Was man sich, aus deutscher Sicht, tatsächlich wünscht, wäre höchstens eine handzahmere Regierung in Ankara. Ganz gleich ob demokratisch oder faschistisch. Denn natürlich gilt eine stabile Türkei als Garant für das reibungslose Abschöpfen von Profit.

Der bürgerliche Staat dient in aller erster Linie den Interesse des Kapitals und danach richtet sich auch seine Außenpolitik. Werte wie Menschenrechte, Demokratie oder Frieden bleiben dabei eine (bürgerliche) Illusionen. Die deutsche Außenpolitik seit 1945 (und davor erst recht) liefert selbst den Beweis: der Besuch des Iranischen Schas und die brutale Niederwerfung der Proteste, die Zusammenarbeit mit dem Apartheitsregime in Südafrika, aktueller mit Saudia-Arabien und Katar... die Liste ist lang und hier längst nicht vollständig.

Das nun, trotz der Verschärfung der Lage in der Türkei hinsichtlich der Menschenrechte (Präsidalsystem, Afrin, Inhaftierungen etc.), mit dem Besuch Erdogans der Versuch unternommen wird die Beziehungen zur Türkei wieder zu verbessern, zeigt ums weitere den tatsächichen Charackter des bürgerlichen Staates.

Der bürgerliche Staat ist der Staat der Konzerne und Banken, ihren Intressen ist alles Unterworfen. Dies bedeutet Ausbeutung der arbeitenden Menschen im Inneren und verschärfte Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse im Ausland, durch das Kapital der imperialitischen Staaten. Um diese Interessen durchzusetzten baden selbst die «demokratischsten» kapitalistischen Länder immer wieder im Blut der unterdrückten Völker, zuletzt im Blut der Menschen in Afrin.

Viele Menschen sind, genau wie wir, entsetzt und ehrlich empört über diese schreienden Ungerechtikeiten. Wir sind jedoch der festen Überzeugung das innerhalb des bestehenden kapitalistischen Systemes diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Demokratie kein Ende gesetzt werden wird. Mögen auch bürgerliche Politiker von Zeit zu Zeit, wie im Falle Deniz Yücel, die türkische Politik kritisieren so ändert das gar nichts an ihrer oben beschrieben Zusammenarbeit selbst mit den übelsten Despoten. Die imperialistischen Staaten müssen, bei Drohung ihres eigenen Untergangs, ihre kapitalistischen Interessen, besonders durch ihre Außenpolitik, sichern. Apelle an Menschlichkeit oder Moral werden im bestehendem System wirkungsloss verhallen und von den Schreien der Ungerechtigkeit immer übertönt werden.

Wir rufen euch also auf am 28./29. nicht nur gegen Erdogan sondern gegen «das Ganze» auf die Strasse zugehen, das Ganze, dass ist der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium. Wir als Kommunisten stehen dabei selbstverständlich gemeinsam, Schulter an Schulter, mit allen fortschritlichen und demokratischen Kräften die die Tyranei des türkischen Staates sowie der deutschen Politik, die die Zerschlagung demokratischer Experimente der Unterstüzung von Despoten vorzieht, nicht akzeptieren.

 

 

International-Marxist-Leninists-Rojava

 

Rojava, 08.09.2018

 

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1 Welt.de, Fünf Gründe warum die Türkei von uns abhängig ist.

https://www.welt.de/finanzen/article162571064/Fuenf-Gruende-warum-die-Tu...

10.September 2018

2 Murat Çakir, Erdogan in Deutschland eine unerträgliche Heuchelei

http://www.sozonline.de/2014/06/erdogan-in-deutschland-eine-unertraeglic...

10.September,2018

3 Zeit Online, Völkermord an den Armeniern Deportation ins nichts.

https://www.zeit.de/2015/16/voelkermord-armenier-osmanisches-reich-deuts...

10.September,2018

4 Rote Fahne News, Solidarität mit Turgut Kaya ,"Der deutsche Imperialismus versucht die TKP/ML zu terrorisieren"

https://www.rf-news.de/2018/kw25/jedes-herz-ist-eine-revolutionaere-zelle

10.September, 2018

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