Wohin? Ungewiss. / Varış noktası neresi? Belli değil.
Der Titel ist einem in diesem Jahr erschienen Gedichtband Asiye Müjgans entnommen. Die vor 65 Jahren in der Türkei geborene diplomierte Soziologin und Autorin lebt seit 1997 in der Schweiz, wo sie als Konfliktmanagerin arbeitete.
In ihrem ersten in deutscher Sprache erschienen Buch „Gelächter, das die Mauern überwindet“ (Trikont Dialog Edition, 2020), verarbeitete sie ihre eigenen Erfahrungen während ihrer Gefängniszeit in der Türkei, sowie die Erlebnisse anderer Gefährtinnen und Gefährten. Dort werden das Lachen und der Spott im Gefängnisalltag zur Kraftquelle, die der Brutalität der jeweiligen Gegenwart, sich allmächtig gerierender Staatsmacht damit oftmals mehr entgegen setzten, als es nackte Gewalt vermocht hätte.
Nun stellt sie in einem schmalen zweisprachigen, bebilderten Gedichtband ihre ursprünglich auf Türkisch entstandenen Gedichte vor, welche sie in einer Rohfassung auf Deutsch übersetzte, bevor dann Wolfram Malte Fues „das darin verborgene deutschsprachige Gedicht herauszuarbeiten“ sich bemüht habe, wie der ehemalige Professor und Literaturwissenschaftler in einer Nachbemerkung festhält.
In rund 40, oft sehr zarten, mitunter nur wenige Zeilen umfassenden Gedichten eröffnet die Autorin einen fragilen Zugang zur Welt, zur Sprache, zum spürenden Innengrund. Dabei treten die Fotos von Ömer Kanıpak, einem 1972 in Istanbul geborenen Fotograf, in einen stillen Dialog zu ihren Gedichten. Und so ergibt sich ein berührender und zugleich kraftvoller Einblick in die Gegenwartsdichtung. Gerade die Zweisprachigkeit, der Brückenschlag, macht den Gedichtband so wichtig.
„ Hintereinander / gehen die Gedanken / einer nach dem
anderen / rennend / ohne sich zu berühren. / Ich strecke meine Hand
aus / ach / wenn ich sie mal kurz anfassen dürfte.“
Bibliografische Angaben zu dem rezensierten Buch:
Autorin: Asiye Müjgan Güvenli
Titel: Perdenin Önü / Vor dem Vorhang
Verlag: Edition Howeg (Zürich, Schweiz)
ISBN: 978-3-85736-358-0
Preis: 32,00 €