Militanz! Nachbereitung vom Workshop zu Theorie und Praxis auf den Chaos- und Diskussionstagen

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Im Zuge der Diskussion und Chaostage 2018 fand am 11.Mai ein Workshop unter dem Titel:

 

„Militanz – Theorie und Praxis Militanter Aktionen“ statt. Generell war die Beteiligung weit größer als von uns erwartet was uns sehr gefreut hat. Nachfolgend ein zusammenfassendes Protokoll der Veranstaltung mit Ausblick auf weitere Diskussionen.

Grundsätzlich hatten wir drei Fragen in den Raum gestellt, die es zusammen und in kleinen Gruppen zu erarbeiten galt und die am Ende zusammen diskutiert worden sind:

1.) Was bedeutet Militanz?

Hier ging es darum Definitionen zu erarbeiten und zu besprechen, die den Begriff der Militanz in allen Facetten wieder geben und die klar machen worüber wir sprechen, wenn wir über Militanz reden.

 2.) Welche sind die Ziele militanten Handelns?

Was kann die Militanz erreichen, wozu dient sie, was ist Teil militanter Strategien?

3.) Welcher Voraussetzungen bedarf militantes Handeln?

Bei dieser Frage dreht sich alles um Taktik und die unterschiedlichen persönlichen, sozialen und politischen Voraussetzungen die nötig sind um Militanz um zu setzten.

 

Nachdem zu allen drei Fragen Stichpunkte und Schlagworte gesammelt worden sind haben sich die Teilnehmer*innen in drei Arbeitsgruppen aufgeteilt um die jeweilige Fragestellung zu erörtern mit dem Ziel am Ende eine klare Definition zu haben.

Militanz, Versuch einer Definition

Eingeleitet wurde die Veranstaltung mit zwei unterschiedlichen Definitionen des Begriffes Militanz.

Aus Wikipedia:

„Der Begriff Militanz bezeichnet eine kriegerische Haltung, ein aggressives Auftreten, eine physische Gewaltbereitschaft von Personen und Gruppen im Kampf für bzw. gegen politische oder religiöse Überzeugungen als auch eine aggressive, gewaltsame Vorgehensweise. “1

Aus Prisma:

„... Wir wollen hier für militante Aktionen plädieren, die gezielt, gut geplant und wohl dosiert sind; die keine Menschenleben gefährden, kein Eigentum Unbeteiligter unnötig in Mitleidenschaft ziehen und natürlich kein Terror, d.h. ungezielt Angst und Schrecken, verbreiten. Linksradikale militante Praxis heißt für uns zum Beispiel direkte Aktionen gegen staatliche Institutionen, rechte Strukturen, Verantwortliche für gesellschaftlichen Rassismus, Sexismus oder kapitalistische Ausbeutung. Sie sollten immer für unser Selbstverständnis und unser Ziel einer Gesellschaft ohne Hierarchien, Gewalt und Ausbeutung stehen. Wir intervenieren mit den Mitteln, die wir für richtig halten, unabhängig davon, wo der Staat seine Grenzen zieht. Dies verändert nicht den Inhalt, sondern nur die Bedingungen unseres Handelns. Aus Repressionsgründen ziehen wir es vor, unerkannt nachts (oder auch mal tagsüber) militant zu agieren, auch wenn offenes militantes Vorgehen den Vorteil haben kann, eine größere Öffentlichkeit und mehr Sympathie zu erzielen. ...“2

Zu erst einmal Muss festgehalten werden, dass es in der Kürze der Workshop zeit nicht möglich war eine allgemeine Definition des Militanzbegriffs zu erarbeiten.Auch ganz klar wurde gemacht, dass der Begriff der Militanz keineswegs nur auf radikale Linke anzuwenden ist. Auch nicht die Ergänzung der Anarchist*innen und sonstiger progressiver Strömungen wird dem gerecht. Militante Nazis sind als Beispiel im vorgebrachten Verständnis leider auch nicht von der Hand zu weisen.

Irgendwie waren die Vorstellungen darüber, was mensch sich unter dem Begriff vorstellt, die ganz konkreten Grenzen des Begriffs Militanz sind jedoch ziemlich individuell gesetzt. Trotzdem war es möglich Eckpunkte fest zu halten. Militanz ist ein Werkzeug der politischen Arbeit und somit einer politischen Strategie untergeordnet. Auch stehen sich klassisch zwei Punkte etwas gegenüber und zwar die Militanz als „Lebenseinstellung“ und somit durch alltägliches Handeln bestimmt und die Militanz als aktionistische Taktik. Auch haben wir fest gestellt, dass unser Verständnis von Militanz von Staatlicher Propaganda geprägt ist, so sind es meist illegale Aktionen die auch bei uns primär mit der Begrifflichkeit verbunden sind. Ein weiterer Punkt ist das eine Definition militantem Handelns nicht nur den „Zerstörerischen Akt“ fokussieren dar sondern auch konstruktiv verstanden sein muss. Hier hätten wir uns ein bisschen mehr Zeit für eine genauere Betrachtung gewünscht, eine Aufgabe für die Zukunft also.

Zur Frage der Zielsetzung:

Ziele militanten Handelns sind eben so vielfältig wie individuell. Auch hier haben sich jedoch ein paar Punkte heraus kristallisiert die wir euch nicht vorenthalten möchten. Zum ersten ist die Zielsetzungsfrage in zwei temporäre Abschnitte eingeteilt worden. Dabei steht als Langfristiges Ziel militanten Handels die Abschaffung /Zerstörung bzw. das Überwinden des Systems, als eine Art großes Ziel. Mittelfristig ist neben dem hinarbeiten auf dieses Ziel der Widerstand gegen die Unterdrückungsmechanismen des aktuellen Systems in all ihren Vielschichtigkeit strategisches Ziel. Auf der Taktischen Ebene sind die Antwortoptionen auf die Frage, was wir mit militanter Praxis erreichen wollen und können schon wesentlich vielfältiger. Im eingangs verlesenen Text aus der Prisma von 2010 ist bereits einiges an taktischer Zielsetzung beschrieben worden. In den Raum gestellt aber aus zeit Gründen nicht kontrovers diskutiert war die These, dass es nicht das Ziel militanter Aktionen sein kann, Leute zu Werben, also entgegen dem Konzept der „Propaganda der Tat“ eine Aktion lediglich direkt auf das angegriffene Ziel wirken sollte. Eine Begründung dieser These blieb die Diskussionsgruppe „Ziele“ der Runde allerdings schuldig. Eine weitere im ersten Moment logische These ist das Militanz nicht zum Spaß da ist, sondern wohl überlegt und wohl dosiert, Zielgerichtet gegen etwas eingesetzt werden muss. Verknüpft damit war die Frage mit dem allgemeinen Umgang mit Gewalt, einem Begriff, auf dessen Auseinandersetzung wir in der Definitionsgruppe gehofft hatten. Es wurde angebracht, dass es häufig schwierig ist zum einen gewaltvolle, militante Aktionen zum Lebensalltag zu machen, im sozialen Miteinander dann jedoch die damit verbundene Aggression „ab zu schalten“ hier schließt sich der Kreis zur vorgenannten These. Natürlich wird niemensch behaupten, Militanz sei nur zum Spaß. Allerdings sind soziale und emotionale Faktoren die vielleicht mit „Frustabbau“ zu benennen und der Schaffung kollektiver Momente, oder dem Gefühl der Selbstermächtigung durchaus im Zuge der Auseinandersetzung mit den Zielen militanten Handelns, mit zu diskutieren.

Voraussetzung:

Auch die „Diskussionsgruppe Voraussetzungen „ hat ihre Antworten kategorisiert. Auf Emotionaler/ Persönlicher Ebene wurde fest gestellt, dass ein Bewusstsein über die repressive Folgen einer Aktion sehr wichtig ist, hierzu müssen die persönlichen Grenzen nicht nur für eine*n selber klar sein sondern müssen ggf. auch in der Gruppe klar formuliert werden können. Ebenso das Respektieren dieser persönlichen Grenzen muss ganz klar vorhanden sein. Um sich für militantes Handeln zu entscheiden bedarf es auch eines Unrechtsbewusstsein aus welchem sich nicht häufig eine motivierende Wut speist.Weniger genannt aber nicht weniger Wichtig sehen wir auch die Auseinandersetzung mit den nötigen Sicherheitsmaßnahmen.

In der zweiten Kategorie wurde die Ebene der Organisation bzw. der Struktur, des Kollektivs, der Gruppe oder wie auch immer genannt, betrachtet. Die Frage der Notwendigkeit einer Bezugsgruppe um militant agieren zu können wurde hier nicht gestellt sondern es wurde voraus gesetzt, dazu gibt es sicherlich auch andere Einschätzungen welche es dann zu diskutieren gilt. Weniger Fragwürdig ist die Notwendigkeit des speziellen Wissens um operative Sicherheit, Technik/Methodik und taktische Grundlagen der Aktion, dieser Punkt ist wohl allen klar. Hier raus ergibt sich dann die Notwenigkeit der angemessenen Planung, welche Ressourcen an Wissen, Zeit evtl.. Geld uvm. Beansprucht, welche entweder vorhanden oder Vorher auf getrieben sein müssen. Die dritte Kategorie wurde anhand der Frage nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen aufgemacht. Als gesellschaftliche Voraussetzungen wurden ein Bewusstsein bzw. ein Verständnis der Gesellschaft für das angeprangerte Unrecht bzw. die Unterdrückung genannt woran sich sicherlich die Frage nach der Vermittelbarkeit einer Aktion anschließt, bzw., besser ausgedrückt, die Frage ob eine Aktion für die Masse der Gesellschaft 1. Nach vollziehbar sein muss und 2. von der Masse der Gesellschaft gut geheißen werden muss. Ist es also Notwendig mit einer Aktion gesellschaftliche Akzeptanz zu erlangen, obwohl wir die Gesellschaftlichen Verhältnisse ablehnen? Hier hätten sich sicherlich kontroversen auf gezeigt, leider blieb auch hier keine Zeit zur Diskussion. Eine weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Frage der Voraussetzungen um militant agieren zu können war die Frage nach den Privilegien über die wir jeweils verfügen. Hier standen sich die Ansätze „bestimmte Aktionen bedürfen bestimmter gesellschaftliche Privilegien“ und „Jede*r hat die Möglichkeit militant zu agieren“ gegenüber. Eng verknüpft mit der Diskussion über die Hierarchisierung von Aktionsformen. Es wurde klar dass unterschiedlichen Aktionsformen unterschiedliche Effektivität unterstellt wird, und damit oft auch gewertet wird. Es wurde aber auch diskutiert ob in die Beurteilung einer Aktion nicht auch die Persönlichen Voraussetzungen wie Aufenthaltsstatus, Zeitvermögen, Finanzielle Absicherung und körperliche Verfassung mindestens eben so hoch zu bewerten sind wie der Sachschaden am Ziel z.B.

Insgesamt waren drei Stunden Workshop für die Komplexität des Themas deutlich zu wenig.Allerdings war das Angebot der Tage vielfältig und die Termine eng gesetzt. Wir gehen auf jeden Fall mit einem Positiven Gefühl aus der Veranstaltung und sehen die Diskussion eher als gestartet denn als abgeschlossen an. Gerne hören und lesen wir Kritik zur Methodik des Workshops oder andere Interpretationen der Veranstaltung.

In dieser Auswertung bzw. Zusammenfassung sind einige Fragen bereits auf geworfen die es zu diskutieren gilt. Hierbei hoffen wir in nächster Zeit auf viele Beiträge von Euch.

 

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Ergänzungen

Es sollte eine Mailing Liste geben in die man sich eintragen kann, um auf folgende Termin zu dem Thema hingewiesen zu werden (es gibt Interessierte die nicht immer hier sind / nicht alles lesen)