Verbot von linksunten – Update und Ausblick
Auf Basis der Veranstaltung „Pressefreiheit ausgehebelt – Zum Verbot von linksunten.indymedia“ mit Rechtanwältin Kristin Pietrzyk wird ein Update und Ausblick zum Verbot von linksunten gegeben. Linksunten wurde im August 2017 als Reaktion auf die G20-Proteste vom Bundesinnenministerium verboten und daraufhin diverse Gebäude durchsucht. Gegen das Verbot wurde Klage eingericht. Die Verhandlungstermine stehen nun fest.
Der arbeitskreis kritischer jurist*innen an der Humboldt-Universität Berlin lud am 5. Juni 2018 zur Veranstaltung mit dem Titel „Pressefreiheit ausgehebelt – Zum Verbot von linksunten.indymedia“ ein. Der Vortrag ist Teil der akj-Veranstaltungsreihe im Juni „Und wer schützt die Freiheit?“ Eine der Rechtsanwält*innen der Betroffenen, Kristin Pietrzyk, berichtete über das Verbot und den aktuellen Verfahrensstand. Im Wesentlichen orientierte sich die Veranstaltung an dem informativen und gut dokumentierten Vortrag von Kristin Pietrzyk All Computers Are Beschlagnahmt auf dem CCC-Kongress im Dezember 2017. Dieser Beitrag soll daher lediglich ein Update zu dem ursprünglichen Vortrag darstellen, in dem auf den aktuellen Stand des rechtlichen Verfahrens gegen linksunten eingegangen und ein Ausblick auf die kommende Zeit gegeben werden soll.
Kurz zur Erinnerung: Das Verbot von linksunten.indymedia durch das Bundesinnenministerium (BMI) war eine offensichtlich vorbereitete Reaktion auf die Proteste in Hamburg im Juli 2017. Am 25. August 2017 wurde das Verbot bekanntgegeben und Razzien bei den mutmaßlichen Unterstützer*innen der Plattform und in dem linken Freiburger Kulturzentrum KTS durchgeführt. Drei Tage später ging linksunten offline. Anlass dieser Maßnahmen war die rechtliche Konstruktion des Nachrichtenportals linksunten als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes und das gleichzeitige Verbot des Portals als Verein, da dieser dem Zweck und der Tätigkeit nach den Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Dies zieht insbesondere die Strafbarkeit der Wiederbetätigung nach sich sowie die Strafbarkeit des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB.
Im April 2018 reichten die Anwält*innen der Betroffenen ihre Klagebegründung beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Leipzig ein. Dass die Verwendung des Vereinsgesetzes zu solchen Zwecken nicht intendiert gewesen sein kann, wird schon an den Voraussetzungen deutlich an denen das Gericht entscheiden muss, ob es überhaupt in der Sache entscheiden darf. So kann ein Verein nur als Verein, vertreten durch ihren Geschäftsführer, oder mit allen Vereinsmitgliedern klagen. Damit die Betroffenen gegen das Verbot von linksunten vorgehen können, müssten sie sich daher entweder als Verein behandeln lassen, was einem Geständnis im Strafverfahren als kriminelle bzw. terroristische Vereinigung gem. § 129 bzw. § 129a StGB gleich käme oder die Betroffenen würden als die Gesamtheit der Vereinsmitglieder klagen, dann wäre die Klage jedoch jederzeit angreifbar in dem das BMI weitere Mitbetreiber von linksunten aus dem Hut zieht und behauptet, es hätten nicht alle Vereinsmitglieder geklagt und die Klage sei somit unzulässig. Der Ausweg aus dieser Situation liegt im Grundgesetz: Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes gebietet den effektiven Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen der öffentlichen Gewalt. Effektiv kann dieser Schutz nur sein, wenn eine die Betroffenen klagen können ohne gleichzeitig vor Folgen im Strafprozess bedroht zu sein.
Bezüglich der Rechtswidrigkeit des Verbots selbst weisen die Anwält*innen zunächst darauf hin, dass das Nachrichtenportal linksunten Presse ist. In der Verbotsbegründung des BMI finden sich zum Thema Pressefreiheit ganze drei Sätze. Das Bundesverfassungsgericht 1988 in seiner Presse-Grosso Entscheidung stellte allerdings fest, dass nicht nur die Herstellung von Presseerzeugnissen von der Pressefreiheit gemäß Art. 5 des Grundgesetzes geschützt ist, sondern auch das Verbreiten von Presseerzeugnissen. Für die Aufsicht der Medien wäre jedoch nicht der sich im Wahlkampf befindende Bundesinnenminister zuständig, sondern die einzelnen Medienanstalten der Bundesländer. Dies bestimmt das Telemediengesetz, das für verfassungs- und strafrechtswidrige Medieninhalte geschaffenen wurde. Dieses Telemediengesetz sieht für host-provider wie linksunten ein abgestuftes Verfahren vor, welches es einem Presseportal zunächst ermöglicht hätte, die in Frage stehenden Inhalte selbst zu entfernen. Erst bei Nichtfolgeleistung wäre die URL auf die fraglichen Inhalte gesperrt worden: Keine komplettes Abschalten, keine Durchsuchungen, keine Festnahmen, keine Beschlagnahmung von „Vereinsvermögen“.
Falls diesen Gründen durch das BVerwG nicht Folge geleistet wird, führen die Anwält*innen weiter aus, dass selbst bei Zugrundelegung des Vereinsgesetzes, keine ausreichenden Verbotsgründe vorgelegen hätten. So basiert die Verbotsverfügung auf lediglich 60 linksunten-Artikeln, was für ein notwendiges Urteil über das Gesamtgepräge des „Vereins“ nicht ausreichend sein dürfte. Aus diesen 60 Artikel geht auch hervor, dass sich die Betroffenen oder Benutzer*innen von linksunten diese Artikel sich nicht zu eigen gemacht haben, sondern vieles kritisch diskutiert und moderiert wurde. So wurde es Menschen ermöglicht ihre Meinung zu politischen Themen ohne Filter und ohne die Gefahr der Repression zu äußern. Eben dies stellte einen Schutz und eine Möglichkeit der Teilnahme am politischen Prozess da, welche die freiheitliche demokratische Grundordnung voraussetzt. Gegen welche gerichtet zu sein linksunten paradoxerweise unterstellt wird.
Linksunten wird zudem vorgeworfen, dass sie keine IP-Adressen von Besucher*innen der Website speichern würden und dies zu strafbaren Verhalten einladen würde. Die zur Zeit viel diskutierte europäische Datenschutzgrundverordnung sieht aber genau das neuerdings vor: IP-Adressen von Nutzer*innen dürfen nur mit Einwilligung gespeichert werden. Linksunten folgte dem Grundgedanken des europäischen Gesetzgebers lange bevor dies die Bundesregierung für nötig erachtete.
Des Weiteren ist aus den Akten erkennbar, dass mindestens eine Person des Verfassungsschutzes im Umfeld von linksunten aktiv war und an offenen Treffen teilgenommen hat. Somit lässt sich nicht klar feststellen, inwiefern einer oder mehrere der 60 verbotsbegründenen Artikel von Verfassungsschutzmitarbeiter*innen verfasst wurden. Es stellt sich ein ähnliches Problem wie im ersten NPD-Verbotsverfahren: Wenn sich nicht mehr feststellen lässt, welche Aktivitäten durch den Staatvorgenommen wurden und welche Bürger*innen zugeordnet werden können, kann die Organisation auch nicht verboten werden. Neben der menschlichen Quelle wurden Observationen, Stille SMS, Kameraüberwachung, (geheime) Beschlagnahmung von E-Mails und Post (auch von Anwält*innenpost) sowie Autowanzen durch die Behörden benutzt.
Kann das Verbot von linksunten nicht erfolgreich abgewendet werden verliert die linke Szene nicht nur eine wichtige Informations- und Austauschmöglichkeit endgültig, sondern der Staat gewinnt eine Möglichkeit unliebsame politische Gegner auf Basis von – auch im Verfahren - geheimen Verfassungsschutzinformationen in ein Vereinskorsett zu zwängen und mit dem scharfen Schwert des Vereinsgesetzes zu verbieten. Um einen Verein zu sein, braucht es nur mehr als zwei Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen: Verbotene Vereine können so auch das nächste Demo-Bündnis oder ein linksradikales Hausprojekt sein.
Die schriftliche Erwiderung der eingereichten Klagebegründung der Anwält*innen durch das BMI steht noch aus. Es wurden allerdings durch das BVerwG schon drei Sitzungstage einberaumt: 15., 16. und 17. Januar 2019. Dies stimmt einerseits verhalten optimistisch, dass die Klage nicht gleich abgewiesen wird und ermöglicht andererseits allen solidarischen Personen eine breite Mobilisierung für Prozessbeobachtungen, begleitenden Demonstrationen und Aktionen.
Insgesamt haben die Betroffenen 40 Klagen gegen weitere Maßnahmen eingereicht, die in engem Zusammenhang mit dem Verbot stehen, wie beispielsweise die Beschlagnahmung von Computern und Mobiltelefonen. Allein die Gerichtskosten jeder Klage belaufen sich auf 485 Euro pro Klage. Auch finanzielle Unterstützung ist daher weiter notwendig.