18 JAHRE ANTIFA-NETZWERK - ANTIFASCHISMUS IM BASKENLAND

Sare Antifa

Vor genau 18 Jahren wurde das Antifaschistische Netz “Sare Antifaxista“ gegründet. "Wir haben mit mehr als 250 Gruppen und Medien Kontakt aufgenommen und zusammengearbeitet. Ich glaube nicht, dass es in diesem Land ein Kollektiv gibt, das mit einer so großen pluralen Bandbreite gearbeitet hat", sagt Edu Bilbao, ein Aktivist von Sare Antifa. Bis heute ist der Kreis der Aufarbeitung, Wahrheit, Gerechtigkeit gegenüber den Opfern der Diktatur und vor allem der Wiedergutmachung noch nicht geschlossen.

Die Einhaltung der genannten Prinzipien hatten die UN-Berichterstatter 85 Jahre nach dem faschistischen Putsch von 1936 und der Unterdrückung durch das Franco-Regime gefordert. Nach Edu Bilbaos Meinung sind "das falsch benannte Gesetz der Demokratischen Erinnerung und seine Kopie in Euskadi nur weitere Flickenteppiche, der nicht den Vorstellungen der UN-Verantwortlichen entsprechen" (1). Er weist darauf hin, dass "die Institutionen in ihrem Bemühen, einer würdigen Erinnerungsarbeit den Wind aus den Segeln zu nehmen, die Historische Erinnerung in ein weiteres Nebenprodukt ihrer Politik verwandelt haben" (2). Er erklärt, dass “wir von Sare Antifaxista die Klientel-Politik der Institutionen zur Bearbeitung des Themas Historische Erinnerung nie akzeptiert haben" und fügt hinzu, dass "wir die Arbeit der Memoria Historica fortsetzen werden, das ist eine unverzichtbare Verpflichtung" (Interview: Juantxo Basterra).

Wann wird der 18. Jahrestag der Gründung von Sare Antifaxista begangen?

Die Idee zu Sare Antifaxista (3) wurde bei den Fiestas im Viertel San Ignacio von Bilbao geboren. In den folgenden Monaten nahmen das Projekt Gestalt an, wir nahmen erste Ideen auf, erste Schritte wurden geplant und eine Kampagne zur Kontaktaufnahme mit anderen Kollektiven gestartet, die uns mehrere Monate in Anspruch nahm. Wir können sagen, dass dieses Datum in San Ignacio vor 18 Jahren den Beginn von Sare Antifaxista darstellt. Erste Bewegungen, mit Beiträgen von Einzelpersonen, von Leuten aus anderen Kollektiven, die andere Erfahrungen gemacht haben. Auch mit Leuten, die anonym Beziehungen zu Strukturen der antifaschistischen Bewegung in Katalonien, dem Rest Spaniens, Italien, Deutschland, England, Irland hatten. Das war zu Beginn die Idee, die langsam Gestalt annahm. Im Laufe der Zeit haben wir uns weiterentwickelt und sind an diesem Punkt angelangt, vorläufig.

Worin bestand die Notwendigkeit, Sare Antifaxista zu gründen?

Vor 2005 kam es zu einer Reihe von Ereignissen, die uns dazu veranlassten, das Thema Antifaschismus im Baskenland aufzunehmen. Politische Fragen standen seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung und wir konnten sehen, dass Prozesse in der politischen Bewegung entweder an ihr Ende kommen oder überraschende Wendungen nehmen würden. Was Antifaschismus anbelangt, waren wir nicht vorbereitet. Es gab viele Leute, die nach Euskal Herria kamen und uns sagten, wie gut es uns hier doch ginge, keine Probleme mit Faschisten. Doch unser Problem waren der französische und spanische Staat, die faschistische Gewalt gegen das baskische Volk ausübten. Das Panorama veränderte sich und wir begannen uns mit der Idee zu beschäftigen, uns irgendwie zu organisieren und konsequenter zu agieren. Nicht nur mit einem antifaschistischen Aufruf.

Ein erstes wichtiges Thema, das uns sehr berührte, war der Mord an Aitor Zabaleta (4) in Madrid im Jahr 1998. Das hat vieles geprägt. Aitor wurde in Madrid von Neonazi-Ultras ermordet, für seinen Tod gab es viele Verantwortliche. Sowohl den Verein Atlético de Madrid, der die Anwesenheit von Neonazi-Ultras auf seinen Tribünen duldete; als auch städtische Polizeibeamte, wie später im Prozess bekannt wurde, die die Fans von Real Sociedad San Sebastian, darunter Aitor und seine Freundin, in eine Bar führten, von der sie wussten, dass sie voller Neonazi-Ultras war. Aitor wurde von den einen getötet, die anderen leisteten ihre Beiträge dazu.

Ebenfalls entscheidend war die Recherchearbeit der Zeitschrift "Kale Gorria" (bask: Kalte Straße) (5) im Jahr 2002, über eine faschistische Gruppe, die “Falange Vascongadas“. Die wollte mit Unterstützung von Mitgliedern der Staatssicherheit und der Guardia Civil Kommandogruppen aufstellen, um Angriffe gegen linke Personen und die baskische Linke im Allgemeinen durchzuführen. So wurde deutlich, dass sich im Staat nach den GAL-Todesschwadronen (6) bereits neue faschistische Gruppen gebildet hatten, um in Euskal Herria zu agieren.

Mit der Zeit kamen Ynestrillas und andere Faschisten zu Besuch, fast zehn Jahre lang hatten wir sie jeden zweiten Monat hier. Spanien 2000, die NSR, eine Reihe von faschistischen Gruppen (7) kamen hierher, um ihre Kundgebungen durchzuführen. Wir sahen die Notwendigkeit, auf all dies in organisierter Form zu reagieren. Das ermutigte uns, endgültig mit einer stabilen antifaschistischen Gruppe zu beginnen. Unsere ersten Schritte.

In achtzehn Jahren habt ihr in den sozialen Netzwerken eine große Verbreitung erreicht. Glaubst du, dass es ein großes Interesse gibt, Faschisten anzuprangern und zum Schweigen zu bringen?

In diesen 18 Jahren haben wir Aufrufe gemacht, wir haben antifaschistische Alarme gestartet, haben zahllose Initiativen durchgeführt, Vorträge, Buch-Präsentationen, Erinnerungsarbeit ... In dieser Zeit haben wir viele Aktivitäten unternommen, soziale Netzwerke, Webseiten, Zusammenarbeit mit freien Radios ... Werkzeuge zur Verbreitung und für Propaganda. Die Arbeit ist antifaschistisch geprägt. Auf verschiedene Weise auf der Straße sein. Im Vordergrund steht, die faschistische Präsenz in Euskal Herria anzuprangern und sich mit anderen Gruppen zu koordinieren, um diesen antifaschistischen Kampf zu organisieren. Alles andere sind Werkzeuge, die wichtig sind. Relevant ist, dass viele Menschen unseren sozialen Netzwerken folgen. Das Wichtigste ist, auf der Straße präsent zu sein und diesen Raum zu besetzen.

Mehr als 85 Jahre nach dem Militärputsch, seit dem Beginn des Faschismus, fordern wir immer noch Aufarbeitung, Anerkennung und Würde. Was denkst du, warum ist dies nach so vielen Jahren immer noch notwendig?

Da steht vieles im Zusammenhang. Die antifaschistische Antwort, die antifaschistische Bewegung wachsen nicht über Nacht wie Pilze aus dem Boden. Wir haben eben den 101. Jahrestag des Aufstands der Arbeiter und Werktätigen erlebt, die sich in Italien gegen den Faschismus erhoben. In Deutschland war der 90. Jahrestag, an dem innerhalb der Deutschen Kommunistischen Partei die Sektion Antifaschistische Aktion gegründet wurde. Und vor 85 Jahren wurden im spanischen Staat von historischen Organisationen (8) wie der CNT, der PSOE, der UGT und der Kommunistischen Partei antifaschistische Milizen gebildet, innerhalb ihrer eigenen Strukturen, um den faschistischen Aufstand vom 18. Juli 1936 zu bekämpfen.

Seitdem sind mehr als 85 Jahre vergangen, und wir wissen, dass wir uns aufgrund der historischen Ereignisse, die im spanischen Staat bis heute stattfanden, immer noch in einem antifaschistischen Widerstand befinden. Wir gehen davon aus, dass sich der antifaschistische Kampf zeitgemäß entwickelt hat. Gleichzeitig liegen 45 Jahre antifranquistischer und antifaschistischer Kampf hinter uns. Alles, was in den letzten 20 Jahren zum Thema "Historische Erinnerung" in Euskal Herria wie auch außerhalb erarbeitet wurde, ist für uns relevant.

Wir haben viele Ereignisse erlebt, die in diesen fast 20 Jahren der Memoria-Arbeit geschehen sind und wie die Erinnerungs- und die antifaschistische Bewegung durch diese Arbeit gewachsen sind. Wir haben gesehen, wie Institutionen "kleine Monster" geschaffen haben, um diese würdige Erinnerungs-Arbeit zu kleinzureden und die Memoria Historica zu einem institutionellen Nebenprodukt zu machen.

Im Jahr erlebten wir 2007 ein Gesetz zur Historische Erinnerung, danach ein Gesetz zur Historischen Erinnerung in Navarra, das ausgerechnet während der Präsidentschaft der rechten Yolanda Barcina verabschiedet wurde. Demnächst werden wir ein weiteres neues, schlecht benanntes “Gesetz der Demokratischen Erinnerung“ im spanischen Staat haben, ein betrügerisches Gesetz. In der Region Baskenland werden wir bald eine ähnliche Kopie haben, die von der zweifelhaften Praxis des Gogora-Instituts (baskische Erinnerungs-Behörde) (9) begleitet wird. Diesem Prozess gegenüber haben wir eine sehr kritische Haltung eingenommen und haben den Klientelismus der Institutionen zum Thema Memoria Historica nie akzeptiert. Wir haben uns am Rande gehalten, aktiv und selbstbestimmt. Jetzt stehen wir vor einer durch Institutionen und Parteien dominierten Politik der vollendeten Tatsachen. Das sehen wir an den Reaktionen im ganzen Staat auf das zentrale Memoria-Gesetz aus Madrid, das schlecht benannte “Gesetz zur Demokratischen Erinnerung“. Es ist nicht mehr als ein weiterer Flickenteppich, das die von den UN-Berichterstattern gesetzten Ansprüche nicht erfüllt. 2007 hatten wir ein erstes Gesetz mit Rodríguez Zapatero und jetzt 2022 ein zweites mit Pedro Sánchez. So sind wir dazu verdammt, 2035 ein drittes Gesetz zu erhalten, mit wem auch immer. Oder in der Hoffnung, dass es zu jenem künftigen Zeitpunkt eine progressive Regierung oder Koalition gibt, progressiv mit vielen Anführungszeichen, die das Thema der Historischen Erinnerung endgültig abhaken will.

Seit Francos Tod vor fast 47 Jahren bleiben viele Opfer ohne Anerkennung, viele Täter wurden weder vor Gericht gestellt, noch haben sie Reue gezeigt oder sich entschuldigt, wie es in anderen Fällen (bei ETA) verlangt wird. Das haben wir von Pablo Alcántara erfahren. Dieser Historiker und Forscher schrieb das Buch "Francos Geheimdienst. Die Politisch-Soziale Brigade während der Diktatur" (La Secreta de Franco. La Brigada Político-Social durante la dictadura). Wie ist es möglich, dass wir angeblich in einem demokratischen Staat leben, und dass mit dieser faschistischen Vergangenheit nicht gebrochen wird?

Wie das möglich ist? Wir haben unsere Erklärung dafür, in Interviews haben wir es schon gesagt, in sozialen Netzwerken, auf der Website. Ein praktisches Beispiel. Als wir vor einigen Jahren mit UN-Berichterstattern in Gasteiz zusammentrafen, legten sie zehn Punkte fest, die für Institutionen und Staaten verpflichtend sein sollten: Anerkennung, Erinnerung, Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und eine Garantie, dass das Grauen nicht wiederholt wird. Für die Opfer des Franco-Regimes.

Dann haben wir aufgrund der Merkmale des spanischen Staates festgestellt, dass dieser falsch benannte “Übergang“ (Transition) (10), diese euphemistisch benannte Demokratie über das Regime von 1978 (11) und die politische Gewalt im Laufe der Zeit verlängert wurde. Einer der Punkte des absurden Gesetzes für die Demokratische Erinnerung besteht darin, einen chronologischen Bogen von 1936 bis 1983 zu spannen. Das heißt, auch die Verbrechen der “demokratischen“ Übergangsphase (von 1975 bis 1983) einzubeziehen. Zum Beispiel die Polizeimorde von Gasteiz 1976 (Tres de Marzo), bei den San Fermines 1978, die toten Anwälte von Atocha 1978. Also die Möglichkeit, die ersten Verbrechen des faschistischen “Spanisch-Baskischen Bataillons“, der Gruppe “Triple A“ (12) bis hin zu den GAL-Todesschwadronen einzubeziehen. Zynischerweise werden Verbrechen wie der mörderische Pasaia-Überfall (13) von 1984 und andere spätere Ereignisse nicht berücksichtigt, da das Gesetz bis 1983 limitiert ist.

Wir haben es immer als unzureichend angesehen und darauf hingewiesen, dass es eine direkte Verbindung des Franquismus mit dem 78er Regime gibt, bis in die 90er Jahre in Form der GAL-Todesschwadronen. Und danach mit faschistischer oder neofaschistischer Gewalt auf den Straßen, die zu Verbrechen wie denen von Lucrecia, Carlos Palomino, Jimmy, Aitor Zabaleta und vielen anderen Menschen geführt hat (14).

Wir haben gesehen, was mit einem faschistischen Verbrecher und Folterer wie “Billy el Niño“ (15) geschehen ist. Mit der strafrechtlichen Verfolgung des Franquisten Martín Villa (16) wegen der Ereignisse in Barcelona, Katalonien, San Fermines und anderen Geschichten, in die er verwickelt war. Wie die Verantwortlichen der Franco-Diktatur, sowohl aus den 30er und 40er als auch aus den 50er, 60er und 70er Jahren, friedlich im Bett gestorben sind, ohne je zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die Rede ist von der militärischen Führung, von der polizeilichen Führung, von der politischen Führung des Franquismus und seinen juristischen Tentakeln. Wir sprechen von der Oligarchie, die immer mitschuldig ist, von der katholischen Kirche, die immer Mitschuld trägt. Von Geschäftsleuten, die immer mitschuldig sind. Auch bei der Frage der Arbeits-Sklaven des Franquismus haben wir dies fast vier Jahrzehnte lang gesehen. Es gibt keine Erinnerung, keine Wahrheit, keine Gerechtigkeit, keine Wiedergutmachung, denn nur noch ganz wenige baskische Kämpfer und Milizionäre sind am Leben. Sie sind über hundert Jahre alt, die biologische Uhr läuft ab. Das Gleiche geschieht mit den Kindern, den Anti-Franco-Kämpfer*innen, und mit den Enkeln wird dasselbe geschehen. Wir sehen keine Veränderungen. Solange die internationalen Standards nicht eingehalten werden, solange nicht die Privat-Interessen bestimmter Leute verschwinden, die auf dem Gedenken Trittbrett fahren, bleibt die Lösung des Problems schwierig. Zum Glück existieren eine Memoria-Bewegung und eine antifaschistische Bewegung, die auf die Historische Aufarbeitung des Franquismus pochen. Wir werden uns mit Sicherheit uns weiterhin für die Memoria Historica einsetzen, das ist für uns eine unverzichtbare Verpflichtung.

Wie versteht ihr die Unterstützung von EH Bildu (Baskische Linke) (17) für das Gesetz der Demokratischen Erinnerung, das die geschichtliche Aufarbeitung nicht wirklich garantiert und das von der selbsternannten “fortschrittlichsten Regierung des Postfranquismus“ erarbeitet wurde?

Es ist ein Verzicht, den wir bei EH Bildu, Sortu und Alternativa sehen. Wir gehen davon aus, dass ihre führenden Persönlichkeiten, einschließlich bei der Gewerkschaft LAB (18), eine "Anti-Antifa"-Haltung einnehmen, mit allem, was dazu gehört. Die sind so weit gegangen, sich gegen Mobilisierungen auszusprechen. Das sind politische Rückzüge, die wir auch bei Unidas Podemos, bei Podemos, bei Izquierda Unida, bei der PCE (KPE) erleben. Rückzüge, wie wir sie bei Gewerkschaften wie UGT und CCOO erlebt haben (19). Viele sehen sich heute als Teil des 78er-Regimes, sie werden sich erklären müssen, die Geschichte wird sie für ihre Haltung richten. Sie ziehen die Aufarbeitung hinaus, die nach den UN-Berichterstattern innerhalb bestimmter Parameter erledigt werden müssen. Sie wissen das, ignorieren das Notwendige und werden zu Komplizen. Die Zeit und die Opfer von Faschismus und Franquismus werden über sie richten. Sie werden entlarvt. So ist das eben.

Felipe González und José María Aznar sprachen sich gegen den zusätzlichen Paragrafen aus, den EH Bildu in das Gesetz eingebracht hat, als Voraussetzung für deren Zustimmung: der zu verfolgende Zeitraum der Repression wird bis 1983 ausdehnt. Haben die Politiker Angst vor etwas oder ist dies Teil der Schikane, die sie seit Jahren betreiben, um zu verhindern, dass genau untersucht wird, was wirklich passiert ist? Nicht nur mit dem Franquismus, sondern auch mit den Kindern des Franquismus und denen, die sich diesen “demokratischen Übergang“ ausgedacht oder ihn gebilligt haben.

Wie gesagt, die Dinge ereignen sich nicht über Nacht. Gegen die Aufarbeitung des Franquismus stehen nicht nur José María Aznar und Felipe González, sondern auch Adolfo Suárez, ein Falangist und Politiker, der im Regime geboren wurde. Leopoldo Calvo Sotelo, dann González und Aznar, danach Rodríguez Zapatero, später Mariano Rajoy und jetzt Pedro Sánchez. Und warum? Vor mehr als 40 Jahren akzeptierten sie einen Neuanfang ohne Aufarbeitung, beschlossen die Moncloa-Pakte (20) und stellten mit dem Amnestie-Gesetz von 1978 eine heimtückische Falle. Denn während wir uns darüber freuten, dass die politischen Gefangenen entlassen wurden, haben wir das Kleingedruckte übersehen. Dass fast fünf Generationen von franquistischen Völkermord-Verbrechern begnadigt wurden; dass der gesamte politische, polizeiliche, mediale, juristische Apparat des Franquismus unbestraft blieb. Wir feierten auf der Straße, dass die politischen Gefangenen nach Hause zurückkehrten, und sie feierten ihr Schlussstrich-Gesetz (21). Das ist eines der Themen, die wir seit zehn Jahren mit anderen Kollektiven und historischen Organisationen über die Argentinische Klage (22) zusammen angehen. Die UN-Berichterstatter sagten uns, ein Schlussstrich sei undenkbar. Das hatten wir klar bei unserer Arbeit bei der Historischen Erinnerung. Nicht nur klar, sondern kristallklar. Dass González und Aznar das jetzt kritisieren, gehört zum Drehbuch, zu jener 45 Jahre alten Vereinbarung.

Das sagte auch Rajoy.

Auch Rajoy, richtig, sie gehören alle zur gleichen Bande und zur selben kriminellen Organisation. Jene, die innerhalb des 78er-Regimes mit dieser verlogenen Geschichte der Versöhnung weitergemacht haben. Verträge, die der spanische Staat in internationalen Organismen für Erinnerung, Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Opfer der Verbrechen des Franquismus und des Nazismus unterzeichnet hat, wurden nicht eingehalten. Nicht zu vergessen, dass der spanische Staat mit dem Nazi-Regime kollaboriert hat. Ein Naziregime, das wie das Franco-Regime seit 1946 von den Vereinten Nationen verurteilt wurde. Hunderte von antifaschistischen Republikanerinnen und Republikanern endeten in den Vernichtungslagern der Nazis, weil Francos Regime sie als Nicht-Spanier, als nicht spanische Staatsangehörige bezeichnete und weil das Naziregime mit ihnen machen konnte, was es wollte. Darum geht es.

Der Übergang wurde mit falschen Kriterien beendet?

Es hat nie einen Übergang gegeben. Wie andere historische Organisationen und sozio-politische Bewegungen waren wir der Meinung, dass ein Bruch mit dem Regime notwendig sei, um eine vollständige Demokratie zu erreichen. Das ist nicht geschehen. Vom Staub von früher kommt der Dreck von heute.

Das Memoria-Gesetz der Region Baskenland, von dem du sagtest, dass es den Parametern des spanischen Staates folgt und sogar schlechter ist als das von Navarra, als Barcina Präsidentin der Regionalregierung war … warum war das Leiden im Faschismus hier schlimmer?

Um zu verstehen, was mit dem baskischen Memoria-Gesetz geschieht, müssen wir zum Beginn der Memoria-Bewegung zurückgehen. Eine den ersten Forderungen war die Schaffung einer Institution, die sich mit der gesamten Frage der Aufarbeitung befasst. Die PNV zauberte in Zusammenarbeit mit der PSOE das Memoria-Institut aus dem Hut, investierte viel Geld in das Gebäude in Bilbao, stellte ohne Ausschreibung Leute ein in der Verwaltungs-Struktur. Mit der Behauptung, die Forderungen der Memoria-Bewegung zu berücksichtigen, erfanden PNV und PSOE das Gogora-Institut (gogora = bask: erinnern). Das große Problem beim ersten Memoria-Gesetz in Navarra bestand darin, dass es nicht mit jährlichen Haushaltsmitteln ausgestattet war. Es blieb in der Schwebe. Später wurde das Erinnerungs-Institut Navarras gegründet, da das Memoria-Gesetz über keine jährliche Mittelzuweisung verfügt, um ein Eigenleben zu haben, damit es die Vorgaben aus dem Gesetz klar und deutlich umsetzen sollte.

Die Falle in Euskadi bestand darin, dass zuerst das Memoria-Institut gegründet wurde und danach Gogora. Jetzt soll als dritter Schritt ein Gesetz der Historischen Erinnerung verabschiedet werden, um alles Vorherige abzusegnen. Eine weitere Zweigstelle der regierenden Christdemokraten und ihrer Regierung in Gasteiz, so wie Gogora.

Wir alle kennen diese Pseudo-Institute, die seit mehr als vierzig Jahren in Euskadi aufgemacht werden. Das Thema Erinnerung wird jetzt mit der Gründung von Gogora prostituiert, mit handverlesenen Leuten, die es leiten. Leute aus den eigenen Reihen oder solche, die gut funktionieren. Wir lehnen dieses Modell ab, in Navarra wie hier in Euskadi. Weil wir keine Vettern-Politik akzeptieren, die Teil der Machtabsprache ist, um das Thema zu verwalten. Wir bleiben in Beobachtungs-Haltung. Für uns steht die Würde der Opfer des Faschismus über allem. Insbesondere über dem Geschäftsgebaren von einigen bei Gogora. Wir bleiben auf unserem Weg, folgen keinen Kampagnen und müssen keine Kröten schlucken. Im Laufe der Zeit haben wir gesehen, wie die Struktur von Gogora der eines Unternehmens ähnelte, in dem ein Vorstand die Entscheidungen trifft und danach eine Reihe von Veranstaltungen stattfinden, die wenig oder gar nichts mit dem zu tun haben, was die Memoria-Bewegung und die alten Organisationen aus Zeiten von Krieg und Diktatur ursprünglich vorgeschlagen haben.

Wir haben schmutzige Geschäfte gesehen, wie das, was eldiario.es veröffentlicht hat. Um Aktivitäten von Gogora zu organisieren, wurde auf andere Vetternvereine aus der Nähe der PNV (23) zurückgegriffen. Da wurden Veranstaltungszelte aufgestellt, Rechnung geschrieben und am Ende belief sich das Budget auf Millionen von Euro.

Schon lange stellen wir fest, dass bei der Verwaltung von Gogora überaus fragwürdige Praktiken an der Tagesordnung sind. Eldiario.es schrieb von der missbräuchlichen Nutzung von Vettern-Unternehmen bestimmter Leute aus der Politik. Wir haben das weiter beobachtet, fragten nach Informationen, wofür Gogora Geld ausgibt und wie diese Ausgaben gerechtfertigt sind. Die Antwort lautete, es seien keine weiteren Erklärungen erforderlich, da der Jahres- oder Mehrjahres-Haushalt im Parlament von Gasteiz bereits genehmigt worden sei. Wir konnten feststellen, wie Projekte und Initiativen nie öffentlich ausgeschrieben wurden, haben viele dubiose Machenschaften gesehen und sie im Rahmen unserer Möglichkeiten öffentlich gemacht. Gleichzeitig sahen wir, dass Justizbehörden, Staatsanwaltschaft und Parteien die Sache vom Tisch gewischt haben und nichts davon wissen wollten, sicher auch, weil sie im Verwaltungsrat von Gogora vertreten sind, der diese Dinge erlaubt hat oder deckt. Das letzte war kürzlich die Veranstaltung in Urduña (24), mit der Einweihung einer Begräbnisstätte für KZ-Opfer, eine Peinlichkeit mehr.

Sind alle beteiligt?

Alle von ihnen, alle.

Was hältst du vom Museum für die Opfer des Terrorismus in Gasteiz?

Dazu haben wir dieselbe Haltung wie die Opfer des Franco-Regimes, des Übergangs, und Organisationen wie Tres de Marzo in Gasteiz (25). Es ist, was es ist: eine vorgefertigte Gedenkstätte, mit der versucht wird, eine verzerrte, revisionistische Geschichte zu vermitteln, die nicht mit dem übereinstimmt, was wir in der Encyclopaedia Britannica (26) lesen können. Denn es scheint, dass wir in diesem Land keine zusammenhängenden Berichte über die Geschehnisse der letzten 85 Jahre erhalten, dass wir dafür die Encyclopaedia Britannica oder die Bundes-Bibliothek in Washington aufsuchen müssen. Denn hier hat niemand das Rückgrat, zu sagen, was hier in den letzten 85 Jahren geschehen ist. Die Gasteiz-Gedenkstätte entspricht genau dem. Es ist ein komplett verdrehter Bericht, ein Geschichts-Revisionismus, der darauf abzielt, dass bestimmte Leute zufrieden gestellt werden, dass sie viel Kohle für das Management kassieren. Das sind die Fakten. Der widerliche Folterer und Nazifreund Melitón Manzanas (27) ist ein Opfer. Diese Kriterien sagen alles.

Möchtest du noch etwas hinzufügen, noch ist Zeit.

Nach unseren 18 Jahren als Kollektiv werden wir im September ein neues Jahr politischer Aktivitäten beginnen, ein Jahr, das von der politischen Realität unserer Umgebung geprägt sein wird, sowohl in Iparralde als auch in Hegoalde, Nafarroa und Euskadi. Derzeit gibt es ein Problem: die Verhafteten aus Iruñea (Pamplona) und die inhaftierte Person, nachdem in der Curia-Straße gegen die Oligarchie und die extreme Rechte protestiert wurde, weil die Nachbarinnen und Nachbarn kriminalisiert wurden, weil sie sich gegen die Gewalt von Polizei und Medien gewehrt haben. Die Kontroverse in Mutriku (Gipuzkoa) wegen einer Polizistin bei Fiestas und die Festnahmen in Vitoria-Gasteiz wegen einem Polizisten in Zivil ...

Unsere Aktivitäten stehen in großem Gegensatz zu dem, was sonst in Euskal Herria geschieht. Seit Mai stellen wir fest, dass ein breiter Sektor von Personen den aktuellen Ereignissen sehr kritisch gegenübersteht, das wird immer sichtbarer. Mit einer Reihe von Kollektiven zusammen haben wir gerade eine mehr als einmonatige Kampagne gegen die NATO hinter uns gebracht, die wir sehr positiv bewerten, was die Kampagne selbst und das Wissen und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Kollektiven betrifft. Das ist der Weg für die Zukunft. Wir werden nicht aufhören, zur antifaschistischen Einheit und zur Rhetorik dieser Einheit aufzurufen, sie ist möglich und wir werden uns anstrengen, dass wir eine große Einheit bilden, vielfältig und kritisch. Angesichts dessen, was im Baskenland politisch, sozial und wirtschaftlich geschieht, innerhalb dieser Krise, die wir seit 2008 durchmachen. Eine Krise, die sich jetzt fortsetzt durch einen Krieg gegen Russland, in den wir verwickelt wurden. Weil wir in einen Angriff auf Algerien verwickelt sind. Weil Spanien und Frankreich, unsere Unterdrücker-Staaten, gehorsam der grausamen neoliberalen Politik folgen, die in der EU gegen die Menschen und zugunsten der großen multinationalen Konzerne und großen Unternehmen praktiziert wird. Weil wir sehen, dass die beiden Staaten gegenüber der neuen NATO-Strategie gehorsam sind. Zur Welt der Gewerkschaften, zur Arbeiterklasse denken wir, dass seit letztem Jahr ein Generalstreik überfällig ist.

Eins noch, zu Beginn des Interviews hast du erwähnt, dass ihr mehr als 250 Gruppen, Medien, Gewerkschaften, Parteien kontaktiert habt ...

Das stimmt, wir haben mit mehr als 250 Gruppen und Medien Kontakt aufgenommen und zusammengearbeitet. Ich glaube nicht, dass es in diesem Land ein Kollektiv gibt, das mit einer so großen und pluralen Bandbreite arbeitet. Heute könnten wir etwas mit Komite Internazionalistak zusammen organisieren, am Nachmittag mit der CNT, morgen mit der Gewerkschaft ELA, und übermorgen ...

Mit der PNV?

Nun, wir haben auch schon mit der PNV und der Stiftung Sabino Arana (28) zusammengearbeitet. Wir sind offen. Wir markieren sehr genau, wo wir beginnen und wo wir enden wollen. Wenn wir uns auf dem Weg treffen, dann ist das eine Tatsache. Es gab Jahre, in denen wir aus Respekt vor den historischen Organisationen aus der Kriegszeit am 19. Juni beim Gedenken an die Milizionäre und Gudari-Soldaten in der Gedenkstätte Artxanda (29) waren. Doch als wir die Mindestbedingungen dafür nicht mehr erfüllt sahen, waren wir nicht mehr präsent.

Im ersten Jahr, als der “Fingerabdruck“ (bask: Aterpe, span: Huella) in Artxanda eingeweiht wurde, waren wir mit der Memoria-Gruppe Ahaztuak (Die Vergessenen) (30) mit einem Transparent dabei. Darauf stand, dass wir diesen Weg nicht gehen können, dass wir von den Parteien auf diesen Weg gezwungen werden, die Erinnerung auf ihre Art durchzuführen, ohne andere nach ihrer Meinung zu fragen. Dagegen haben wir uns schon gewehrt, als der “Fingerabdruck“ eingeweiht wurde. Jahrelang haben wir uns nicht beteiligt, weil Iñaki Azkuna, früher Bürgermeister von Bilbao, gegen die Historische Erinnerung Stellung bezog, wegen all der Konflikte, die wir 13 Jahre lang mit ihm hatten: franquistische Gemälde im Rathaus, das Memoria-Gesetz, die Entfernung franquistischer Symbole, franquistische Straßennamen in Bilbao ...

Azkuna starb. Zum 80. Jahrestag entstand eine Möglichkeit, um mehrere Jahre lang ehrlich und offen an der Historischen Erinnerung zu arbeiten. Doch mit dem derzeitigen Bürgermeister Juan María Aburto haben wir aufgehört, in Artxanda teilzunehmen, weil die Bedingungen nicht mehr erfüllt waren und weil wir nichts mit der politisch-medialen Show zu tun haben wollten, die da abgezogen wird. Wir wollten uns auch nicht mit Politikern fotografieren lassen, die für den Tod des Fußballfans Iñigo Cabacas (31) verantwortlich sind. Gemeint sind sowohl Rodolfo Ares als auch Patxi López (32), die plötzlich bei der Gedenkfeier auftauchten. So sehr die PSOE-Stiftung Ramón Rubial und die PSOE sich von denen gerne vertreten lassen wollen, wir werden kein Foto mit denjenigen machen, die für den Tod von Iñigo Cabacas verantwortlich sind, in der Verlängerung jener historischen Straflosigkeit der staatlichen Polizei- und Sicherheitskräfte.

Erst-Veröffentlichung des Artikels bei BASKULTUR.INFO:

www.baskultur.info/politik/antifa/842-sare-antifa-18

ANMERKUNGEN:

(1) Das Interview mit Edu Bilbao, einem Mitglied von Sare Antifaxista in spanischer Sprache führte Juantxo Basterra, Journalist und politischer Aktivist (LINK). Übersetzung durch Baskultur.info.

https://sareantifaxista.blogspot.com/2022/07/sare-antifaxista-la-mal-llamada-ley-de.html

(2) “Memoria Historica“ ist der zentrale Begriff (auf Spanisch) in diesem Artikel, er ist gleichbedeutend mit den deutschen Übersetzungen “Historische Erinnerung“, manchmal auch “Historisches Gedächtnis“. Die entsprechende Memoria-Bewegung hat einen antifaschistischen, nicht unbedingt linken Charakter, dazu zählen sich auch Sozialdemokraten und Teile der christdemokratischen PNV. Die Gesetze “Memoria Historica“ und “Memoria Democrática“ sind erste vorsichtige, aber unzureichende Antworten auf die Forderung der Memoria-Bewegung, die Gräuel von franquistischem Krieg und Diktatur aufzuarbeiten.

(3) “Sare Antifaxista“ ist Baskisch und bedeutet Antifaschistisches Netz

(4) Aitor Zabaleta (1970-1998) war ein Fan von Real Sociedad San Sebastian, er wurde vor einem Spiel bei Atlético Madrid von faschistischen Ultras aus Madrid erstochen.

(5) "Kale Gorria" ist Baskisch und bedeutet “Rote Straße oder “Kalte Straße“. Es handelte sich um ein linkes Magazin, das auf intensiver Recherchearbeit basierte, nicht im Kiosk verkauft wurde und nur über Abos verteilt wurde. Das Magazin wie sein Vorgänger-Projekt “Ardi Beltza“ – Schwarzes Schaf“ wurden verboten. Chefredakteur Pepe Rey war jahrelang von Repression und Bedrohungen betroffen.

(6) GAL-Todesschwadronen (Grupos Antiterroristas de Liberación – Antiterroristische Befreiungs-Gruppen): eine aus Neonazis, Militärs und Zivilgardisten bestehende Terrortruppe, die im französischen Baskenland linke Flüchtlinge und vermeintliche ETA-Leute ermordete, zwischen 1983 und 1987. Mit dieser Mordserie sollte die französische Regierung gezwungen werden, ihre liberale Aufnahmepolitik gegenüber den baskischen politischen Flüchtlingen zu beenden. Dass PSOE-Chef Felipe Gonzalez der Mister X im Hintergrund war, ist allgemein bekannt, wurde aber nie juristische bewiesen. Bekannteste Aktion war die Entführung, Folter, Ermordung und Verschwindenlassen von Josean Lasa und Xose Zabala im Jahr 1983, nur dieser Fall kam vor Gericht.

(7) Ricardo Saenz de Ynestrillas (*1965): spanischer Faschist, Sohn eines Militärs, der 1986 von ETA getötet wurde. “España 2000“ (Spanien 2000): ultrarechte spanische Partei, 2002 gegründet.

(8) Unter “Historischen Organisationen“ aus der Zeit von Krieg 1936 und Diktatur sind folgende Organisationen zu verstehen, die bis heute existieren, wenn auch mit anderen politischen Richtungen: die anarcho-syndikalistische CNT (Confederación Nacional de Trabajo), die PSOE als sozialistische Arbeiterpartei, die UGT als ihre Gewerkschaft, die Kommunistische Partei Spaniens (PCE). Auf baskischer Seite die ANV (Acción Nacional Vasca) als erste Partei der baskischen Linken sowie die christdemokratische PNV (Partido Nacional Vasco), die sich ebenfalls der Republik angeschlossen hatte.

(9) Gogora-Institut: der baskischen Regierung unterstelltes Institut zur Verwaltung von Fragen der Memoria und Opferbetreuung, 2015 in Bilbao gegründet, “Gogora“ ist baskisch und bedeutet “Erinnern“.

(10) Als “Transition“ (Übergang) oder “Transición Española“ oder auch “Transición Democrática” wird die historische Etappe nach dem Tod Francos (1975) und dem formalen Ende der Diktatur bezeichnet, in der politische Parteien wieder zugelassen, Verfassungen und Autonomie-Statute ausgearbeitet wurden. Ihre Zeitdauer wird unterschiedlich angesetzt, manche sprechen von der Phase bis 1979 (Verfassung), andere definieren die Zeit bis zum versuchten Militärputsch von 1982. Von der offiziellen Geschichtsschreibung in Spanien, auch Europa, wird die “spanische Transition“ als modellhaft dargestellt, dabei wird unterschlagen, dass sämtliche staatlichen Machtelemente (Politik, Militär, Polizei, Jurisdiktion) damals weiter uneingeschränkt in den Händen der Franquisten und Falangisten lag und auf den Straßen Hunderte von Menschen bei Streiks und Protesten erschossen wurden. Heute wird die “Transition von vielen politischen Kräften als “gescheitert“ oder “nicht zu Ende gebracht“ definiert, weil die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen dun Diktatur nie erfolgte. Kritisiert vor allem von links, im Baskenland und in Katalonien aber auch aus christdemokratisch-rechten Kreisen. Gesprochen wird stattdessen vom “Regime von 1978“, das dringend reformiert werden müsse. Die “nicht erfolgte Transition“ war für die baskische Untergrund-Organisation ETA der Grund, den bewaffneten Kampf nicht zu beenden.

(11) “Regime von 1978“: Begriff für die gescheiterten “demokratischen Übergang“ nach dem Franquismus.

(12)“Batalión Vasco-Español“ (BVE), “Spanisch-Baskisches Bataillon“: paramilitärische spanische Terrortruppe, die von 1975 bis 1981 Anschläge und Morde gegen linke Personen beging. Bekannt auch unter dem Namen “Triple A“ (Alianza Apostólica Anticomunista). Im Hintergrund standen staatliche Instanzen, Zivilgarden, Militär.

(13) “Emboscada de Pasaia“, der “Pasaia-Hinterhalt“: In der Nacht des 22. März 1984 bereitete die spanische Polizei in der Bucht von Pasaia einen Hinterhalt gegen vier Mitglieder der Autonomen Antikapitalistischen Kommandos (CAA), die alle erschossen wurden. Zuvor war ein weibliches Mitglied des Kommandos festgenommen und unter Folter zur Preisgabe des Treffpunkts gezwungen worden, wo dann das Massaker erfolgte. Ein Augenzeuge lebt noch.

(14) Lucrecia Perez Matos: dominikanische Migrantin, die in Madrid von Rassisten erschossen wurde; der junge Antifaschist Carlos Palomino wurde 2007 von einem Ultrarechten in der Metro erstochen; der Fußballfan Jimmy aus A Coruña wurde bei einer Auseinandersetzung zwischen faschistischen Fans von Atlético und linken Fans von A Coruña in Madrid getötet.

(15) Der Polizist Juan Antonio Gonzalez Pacheco (1946-2020) war ein berüchtigter Folterer und bekannt unter dem Namen “Billy el Niño“ (Billy the Kid). Er folterte in Zeiten der Diktatur ebenso wie danach unter “demokratischen Vorzeichen“.

(16) Rodolfo Martín Villa (1934): faschistisch-franquistischer Politiker und Minister, wichtige Figur im “demokratischen Übergang, Transition“, wo er als Innen-Minister und Polizeichef für den Tod vieler Demonstrantinnen verantwortlich war. Bis heute läuft ein Verfahren der Memoria-Bewegung gegen ihn, er ist jedoch juristisch abgedeckt durch das Amnestie-Gesetz von 1977, das alle Verbrechen des Franquismus ungestraft ließ und somit gegen die Internationale Menschenrechts-Vereinbarung verstößt.

(17) EH Bildu: “Euskal Herria Bildu“ (Baskenland Zusammenbringen), linksliberales Wahlbündnis der Parteien Sortu (offizielle baskische Linke), Eusko Alkartasuna (Baskische Solidarität, baskisch-nationalistische Sozialdemokratie) und Alternatiba PCE-Abspaltung; anfangs auch die Batasuna-Abspaltung Aralar. Wurde 2012 gegründet nach dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETA, stellt heute 25 bis 30% der Wahlstimmen und regiert in vielen Rathäusern, vor allem in Gipuzkoa.

(18) LAB – “Langile Abertzaleen Batzordeak“ (bask: Abertzale Arbeiter-Komitees: Gewerkschaft der baskischen unabhängigkeits-Bewegung, 45.000 Mitglieder, stellt 20% der Betriebsräte und -rätinnen; bildet neben der Jugendorganisation Ernai die Partei Sortu.

(19) Unidas Podemos, Podemos, Izquierda Unida, PCE: Organisationen aus der Protest-Bewegung von 2010 und der alten Kommunistischen Partei Spaniens. Erstere derzeit in der Regierung Sanchez (PSOE) vertreten. UGT und CCOO sind die größten spanischen Gewerkschaften, die auf Sozialpakte setzen und den eher auf Kampf setzenden baskischen Gewerkschaften entgegenstehen.

(20) Moncloa-Pakt: Der Pakt von Moncloa (spanisch: Pactos de la Moncloa) war ein 1977 unterzeichneter Vertrag des ersten demokratisch gewählten postfranquistischen Ministerpräsidenten Adolfo Suárez und den wichtigsten Parteiführern im Abgeordnetenhaus. Die Vereinbarung wurde vom Arbeitgeber-Verband CEOE und den Gewerkschaften CCOO und UGT unterstützt und sicherte dem Staat eine kapitalistische Wirtschaftsform.

(21) “Ley de Punto Final“ (Schlussstrich-Gesetz) ist ein Begriff aus der jüngeren lateinamerikanischen Geschichte, als sich unterschiedliche Diktaturen (Argentinien, Uruguay, Chile) mit Amnestie-gesetzen straflos verabschieden wollten. Solche Gesetze widersprechen den allgemein anerkannten Menschenrechten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit können nicht als verjährt deklariert oder amnestiert werden. Die Versuche in LA scheiterten allesamt, das Amnestie-Gesetz in Spanien ist bis heute in Kraft, nie wurde auch nur ein einziger Kriegsverbrecher oder Folterer vor Gericht gestellt. Insofern ein zentraler Punkt der Memoria-Bewegung.

(22) “Argentinische Klage“: Bei der “argentinischen Klage“ gegen die Verbrechen Francos handelt es sich um eine Klage vor einem argentinischen Strafgericht wegen der Verbrechen des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während der Diktatur Francos zwischen dem 17. Juli 1936 und dem 15. Juni 1977 in Spanien begangen wurden. Das Verfahren wurde von der argentinischen Richterin Maria Servini auf der Grundlage des Prinzips der universellen Zuständigkeit für die Verurteilung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit eröffnet; es begann mit zwei Klagen, die 2010 von verschiedenen argentinischen und spanischen humanitären Organisationen zusammen mit dem Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, Inés García Holgado und dem Sohn eines 1937 von Falangisten ermordeten sozialistischen Bürgermeisters eingereicht wurden.

(23) PNV - EAJ (bask: Eusko Alderdi Jeltzalea, span: Partido Nacionalista Vasco). Die 1895 gegründete Baskische Nationalistische Partei ist Organisation von großer regionaler Bedeutung in der Autonomen Region Baskenland. Neben der nationalistischen Orientierung ist die Partei konservativ-christlich ausgerichtet. EAJ/PNV setzt sich für eine stark ausgeweitete Autonomie bzw. Unabhängigkeit des Baskenlandes ein. Hierzu beruft sie sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und will im Konsens mit der Zentralregierung eine Volksabstimmung durchführen, in der die Bevölkerung des Baskenlandes frei über ihre politische Zukunft entscheiden kann. Seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 war EAJ-PNV durchgehend die stärkste politische Kraft in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland.

(24) Urduña (span: Orduña): Kleinstadt im Süden der baskischen Provinz Bizkaia. Von 1937 bis 1939 existierte hier ein Konzentrationslager der Franquisten. Im Gegensatz zu anderen KZs wurden hier keine Gefangenen umgebracht. Allerdings starben mehr als 140 an Unterernährung, Krankheiten und Unterkühlung. Die Lagerleiter führten genau Buch, insofern ist die Geschichte der Ereignisse im KZ transparent.

(25) “Tres de Marzo”, “Martxoak Hiru”, “Dritter März” in Vitoria-Gasteiz. Das “Massaker von Vitoria“, im spanischen Staat auch bekannt als “Ereignisse von Vitoria“ und als “Massaker vom 3. März“ fand am 3. März 1976 statt. Die franquistische Polizei (des Faschisten Martin Villa) griff während eines Generalstreiks eine Arbeiterversammlung in einer Kirche an, durch Schüsse wurden fünf Männer getötet, hunderte von Menschen verletzt.

(26) Encyclopaedia Britannica: Die kurz auch Britannica genannte Enzyklopädie wurde 1768 in englischer Sprache begründet. Sie beansprucht für sich, das menschliche Wissen in möglichst großer Breite zusammenfassend darzustellen. Sie steht insbesondere im Ruf, in wissenschaftlicher Hinsicht zuverlässige Angaben zu enthalten. Die Autoren sind in vielen Fällen namhafte Wissenschaftler oder bekannte Publizisten; ihre Urheberschaft wird jeweils nachgewiesen. Seit 1911 wird das Werk in den USA herausgegeben. Seit 2012 erscheint die Enzyklopädie in digitaler Form.

(27) Melitón Manzanas González (1909-1968) war ein spanischer Polizist während der Diktatur Francisco Francos, ein Kollaborateur der Gestapo während des Zweiten Weltkriegs und Leiter der Politisch-Sozialen Brigade in Gipuzkoa, wo er zahlreiche Regimegegner folterte. Er wurde von ETA beim ersten geplanten Attentat am 2. August 1968 ermordet.

(28) Stiftung Sabino Arana: Parteistiftung der PNV-EAJ, benannt nach dem Parteigründer Sabino Arana Goiri (1865-1903).

(29) Die Memoria-Gedenkstätte Artxanda trägt die Namen Huella (spanisch, Abdruck) und Aterpe (baskisch, Herberge). Tatsächlich besteht sie aus einem überdimensionalen Fingerabdruck, der aus Roheisen im Halbrund auf die Stadt Bilbao blickt. Der Artxanda-Berg war einer der Punkte, über die am 19. Juni 1937 die Faschisten in Bilbo einmarschierten. Aterpe-Huella erinnert seit 2006 an die baskisch-republikanischen Verteidiger der baskischen Stadt, auf einer Tafel sind die Namen aller Bataillone verzeichnet, die von Parteien und Gewerkschaften zusammengestellt worden waren.

(30) Die Memoria-Gruppe “Ahaztuak 1936-1977“ (Die Vergessenen 1936-1977) organisiert regelmäßig Gedenkakte im Zusammenhang mit dem Spanienkrieg im Baskenland und Asturien.

(31) Iñigo Cabacas: Fußballfan von Athletic Bilbao, der am 5. April 2012 nach einem Europacup-Spiel gegen Schalke 04 von einem Gummigeschoss der baskischen Ertzaintza-Polizei getötet wurde. Untersuchung und Verfahren des von vielen als Polizeimord bezeichneten Vorfalls brachten zahlreiche skandalöse Details zu Tage.

(32) Rodolfo Ares / Patxi López: Innen-Minister und Ministerpräsident der damals von der PSE geführten Regional-Regierung im Baskenland. Politisch verantwortlich für den Tod von Iñigo Cabacas.

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