Kritik am Veganen Sommerfest Köln am 13.09.2014

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Mit diesem Brief möchten wir zu einer eine kritischen Auseinandersetzung mit einigen Akteur_innen des Veganen Straßenfests Köln aufrufen, die in die sogenannten Montagsmahnwachen involviert sind.

Wir sind eine Gruppe von Einzelpersonen, denen die Themen Veganismus, Tierrechte und Antispeziesismus, aber auch Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Heterosexismus sehr am Herzen liegen.

Mit diesem Brief möchten wir zu einer eine kritischen Auseinandersetzung mit einigen Akteur_innen des Veganen Straßenfests Köln aufrufen, die in die sogenannten Montagsmahnwachen involviert sind. Diese Mahnwachen stehen wiederholt in der Kritik, weil sie von rechten Gruppierungen wie der NPD als Plattform genutzt werden.

Wir möchten gleich zu Beginn zu betonen, dass wir keine der im weiteren Verlauf des Textes angesprochenen Personen für rechtsextrem halten. Wir sehen jedoch ein Problem darin, wenn Vorzeigeveganer_innen, beziehungsweise in der Szene populäre Veganer_innen, an den genannten Mahnwachen für den Frieden teilnehmen, auf denen auch Rechtsextremist_innen anwesend sind und Außenstehenden das Gefühl vermitteln, es sei in Ordnung gemeinsam mit Neonazis an Veranstaltungen teilzunehmen. Es ist seit langem bekannt, dass eine der von Neonazis angewandten Querfrontstrategien die Themen Tierschutz und vermehrt auch Veganismus sind. Stattdessen ist uns an einer Analyse gelegen, die Strukturen statt Einzelpersonen in den Blick nimmt. Diese existieren nicht in einem luftleeren Raum. Sie existieren, weil Menschen sie aufbauen und nutzen. Genau diese Stelle birgt viel Konfliktpotenzial. Dessen sind wir uns bewusst und deswegen streben wir einen achtsamen Umgang an.

Die Personen, um die es geht, sind Lea Frings, Patrik Baboumian, Marsili Cronberg, sowie die Musiker_innen Kilez More und Morgaine.

Diese Fünf engagieren sich alle auf ihre Art für eine vegane Lebensweise. Das finden wir selbstverständlich unterstützenswert. Zum Beispiel besteht ihr Engagement darin, öffentlichkeitswirksam auf veganen Sommer- und Straßenfesten aufzutreten. Jedoch engagieren sie sich auch bei den Montagsmahnwachen für den Frieden. Die von ihnen dort vertretenen Überzeugungen, sollen hier kein Thema sein. Uns ist vielmehr wichtig, auf die Montagsmahnwachen selbst einzugehen und zu erläutern, warum wir eine Abgrenzung des Themas Tierrechte, von einigen, auf den Montagsmahnwachen vertretenen Inhalten, für notwendig erachten.

Warum stehen wir den Montagsmahnwachen so kritisch gegenüber? Auf den Bühnen, als Redner_innen und im Publikum befindet sich eine bunte Mischung aus „Reichsbürgern“, welche davon überzeugt sind, Deutschland sei seit Ende des Zweiten Weltkriegs eine Kolonie der Vereinigten Staaten von Amerika und diese Überzeugung auf den Mahnwachen auch verbreiten. Ebenso finden sich auf den Montagsmahnwachen zahlreiche Personen, die Verschwörungstheorien anhängen, wie etwa Chemtrails oder, dass die Anschläge vom 11. September 2001 von der Regierung der Vereinigten Staaten selbst initiiert worden seien.

Hinter den Friedensmahnwachen stehen im Großen und Ganzen vier Personen: Lars Mährholz, Ken Jebsen, Jürgen Elsässer und Andreas Popp. Allen Vieren ist gemeinsam, dass sie die Welt aufteilen in „das gute Volk“, welches „von den wenigen Bösen da oben“ ausgebeutet und von „den Medien“ blind gehalten wird. Sie vermitteln ihren Zuhörer_innen, sie hätten die „wahren“ Verhältnisse erkannt. Dieser utopische Wahrheitsanspruch vermischt sich bei allen Vieren mit weiteren Elementen, die sich ebenso bei neu-rechten Bewegungen finden und ganz klar sog. Querfrontstrategien darstellen, nämlich Verschleierung rechter Inhalte.

Alle Vier nutzen strukturellen und sekundären Antisemitismus in ihren Argumentationen, der für Menschen, die sich wenig mit der Thematik befassen, nicht immer einfach zu enttarnen ist. Als Beispiel sei genannt, dass von den vier Protagonisten die FED, die Federeal Reserve Bank, für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht wird. Mährholz meint sogar, dass es nur einer einzigen Gesetzesänderung bedürfe um Frieden auf der Welt herzustellen: Der FED das Recht zu nehmen, Geld zu drucken. Die FED ist laut Mährholz seit 100 Jahren für alle Kriege auf der Welt verantwortlich. Mährholz ist davon überzeugt, dass die FED seit Jahrhunderten der jüdischen Familie Rothshild „gehört“. An dieser Stelle offenbart sich das antisemitische Konstrukt. Hier wird eine jüdische Familie, bezehungsweise ein jüdisches „Kartell“ für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht. Die drei anderen Redner, Jebsen, Popp und Elsässer, unterfüttern diese Argumentation mit weiteren antisemitischen Aussagen. Der RBB trennte sich 2011 von Jebsen, nach der Veröffentlichung einer e-Mail, in der Jebsen angab zu wissen, wer „wirklich“ am Holocaust Schuld sei. Zudem zweifelt er die Demokratie an, in dem er Menschen mit Zugvögeln vergleicht, die seiner Meinung nach nur deswegen an ihre Ziele kommen, weil sie eben keine demokratische Struktur hätten. Andreas Popp hat einen „Plan B“ entworfen, in dem er sich auf den NS-Ökonomen Gottfried Feder und dessen Werk „Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes“ beruft, mit welchem Feder zum Aufstieg der NSDAP beitrug (und die Hitler in „Mein Kampf“ zur Begründung seiner antisemitischen Hetze herbeizog). Diese Inhalte verkündet er ebenfalls auf seinen Reden während der Mahnwachen. Jürgen Elsässer verunglimpft gleichermaßen verschiedene jüdische Familien, unter anderem „die Rothschilds“. Gemeinsam mit anderen jüdischen Familien würden diese die FED benutzen, um die ganze Welt ins Chaos zu stürzen. Er bezeichnet seine Zuhörer_innen als „die wahren Antifaschisten“ – und schließt damit auch den bei mindesetens einer Mahnwache anwesenden Berliner NDP-Vorsitzenden Sebastian Schmitdke ein. Zudem hetzt er in seinem Magazin „Compact“ gegen „die Vermischung der Völker“, sowie gegen Roma, Homosexuelle und bekennt sich zu Sarrazins menschenfeindlichen und rassistischen Thesen.

Dabei grenzen sich alle vier mittels Lippenbekenntnissen von anwesenden Neonazis ab. Wer rechte Strukturen aber ernsthaft bekämpfen und aus seinen Reihen ausschließen möchte, muss sich mit ihren Inhalten und Vorgehensweisen auseinandersetzen. Ein einfaches „Ich bin gegen rechts.“ reicht leider nicht aus, schon gar nicht dann, wenn Neonazis bereits anwesend sind, Flugblätter verteilen, sich mit Anwesenden unterhalten und diesen erklären, was sie unter Nationsozialismus verstehen. Vereinzelt ist es zwar zu einem direkten Ausschluss der Neonazis gekommen. Diese Ausnahmen sollten jedoch nicht überbewertet werden und ersetzen keine eindeutige Positionierung gegen Rechts und bleiben unglaubwürdig, so lange die Protagonisen Mährholz, Jebsen, Elsässer und Popp offen und unwidersprochen ihre antisemitischen Thesen verbreiten. Neonazis nutzen solche Events für sich und ihre Propaganda. Wir finden es höchst fragwürdig, für sein Friedensengagement eine solche Plattform zu nutzen.

Frings, Cronberg, Baboumian, Kilez More und Morgaine treten auch auf eben diesen Mahnwachen auf. Auch wenn wir in vielen Punkten nicht einer Meinung mit ihnen sind, unterstellen wir ihnen ausdrücklich nicht mit dem oben dargestellten Gedankengut zu sympathisieren. Wir kritisieren jedoch ihre Teilnahme an den Mahnwachen, da sie durch ihre Teilnahme signalisieren, die Teilnahme an Mahnwachen sei in Ordnung und damit indirekt, wenn auch ungewollt, neu-rechte Inhalte und Agitation unterstützen. Unkritische oder uninformierte Menschen werden dann auf diesen Mahnwachen mit antisemitischem Gedankengut und Neonazis konfrontiert. Gerade ein Sympathieträger wie Patrik Baboumian hat eine Verantwortung. Seine Teilnahme könnte so gedeutet werden, dass die anderen Inhalte, die auf diesen Mahnwachen verbreitet werden, nicht schlimm sind, denn sonst würde Baboumian ja nicht teilnehmen. Daher halten wir es für unbedingt notwendig, sich damit auseinanderzusetzen, welche (Außen)Wirkung eine Teilnahme von Montagsmahnwachenaktivist_innen auf veganen Sommer- und Straßenfesten hat.

Bereits 2011 gab es beim von Mira Riediger organisierten Event „Deine Stimme den Stimmlosen“ eine Kontroverse, da die Veranstalterin, die mit Lea Frings auch das diesjährige Sommerfest in Köln organisiert, Helmut F. Kaplan als Redner eingeladen hatte. Kaplan vergleicht die Massentierhaltung immer wieder mit dem Holocaust und verharmlost diesen damit regelmäßig. Kaplan hatte außerdem kurz vor dem Event dem rechtsradikalem Magazin „Fahnenträger“ ein Interview gegeben. Er sieht es als legitim an, mit Nazis zusammenzuarbeiten, so lange sie sich für die Sache der Tiere einsetzen. Leider haben Versuche, mit der Veranstalterin Frau Riediger zu sprechen, zu keinem Ergebnis geführt.

Uns ist nicht an inhaltslosen Auseinandersetzung und Konfrontationen gelegen. Wir wollen Verhältnisse und Zusammenhänge aufdecken, die unserer Überzeugung nach „für die Sache“ – also für die Befreiung von Mensch und Tier – schädlich sind. Vegane Feste sind unter anderem auch eine Anlaufstelle für Menschen, für die Tierrechte und Veganismus neue Themen sind. Gerade deswegen sind ein seriöses Auftreten und eine klare und unmissverständliche Abgrenzung gegen Rechts notwendig.

Wir stehen einer Diskussion offen gegenüber, freuen uns über Fragen und Rückmeldungen und hoffen auf den Beginn eines respektvollen Dialogs. Leider wurden wir erst im Laufe der letzten Woche auf die genannten Zusammenhänge aufmerksam, so dass unserer Offener Brief nun sehr kurzfristig erscheint.

Viele Grüße
Veganer_innen gegen Querfront

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