KANDEL IST ÜBERALL

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Bericht zu den Vorkomnissen in Kandel am 03.03.2018

Bereits am Karlsruher Hauptbahnhof beginnt sich abzuzeichnen, wie der Demotag in Kandel aussehen wird. Hier greifen das erste Mal an diesem Tag Nazis Gegendemonstranten an, später an diesem Tag wird es am Rand der Demo "Kandel ist überall" zu weiteren Angriffen durch Nazis auf Gegendemonstranten kommen und auch auf der Abreise bleibt es den Nazis nicht verwehrt Gegendemonstranten im Beisein von Polizisten in einem Zug zu attackieren. Bei all diesen Fällen steht die Polizei ersteinmal daneben, ist nicht vorbereitet und schreitet somit fürs Erste auch nicht ein, während Nazis Leute schubsen, schlagen und treten.

Zwischen An- und Abreise marschieren bis zu 4.500 Menschen unter dem Slogan "Kandel ist überall" durch den 9000-Einwohner-Ort. Unter ihnen "normale Bürger", AfD'ler aus Bundes- und Landtag, Identitäre, Mitglieder der NPD und der Partei "Der dritte Weg", Organisatoren der HOGESA-Demo 2014 in Köln, Reichsbürger und massenhaft Nazis, wie mensch sie sonst im Bilderbuch findet. Organisiert wurde die Demo zum Großteil durch Christina Baum, Landtagsabgeordnete der AfD, welche sich in keiner Weise von den Nazis distanziert.

Anlass ist der tragische Mord der 15-jährigen Mia durch einen afghanischen Asylsuchenden am 27.12.2017 in Kandel, welchen die Rechten dafür instrumentalisieren gegen Geflüchtete zu hetzen. Bei der Facebook-Seite der "Kandel ist überall"-Gruppe diskutierten die User zuvor, inwieweit Mia als Märthyrerin "taugt" und "Journalistenwatch.com"[*1] ruft unter dem Titel "Mia! Der Kampf geht weiter!!!" zur Demonstration gegen Migrantengewalt, Vergewaltigung und Antifa Terror.

Während den, laut Polizeiangaben 80 Gegendemonstranten, welche mit dem Zug angereist waren, das Anmelden einer Spontandemo verwehrt wird und die Teilnehmer unter Androhung von "Zwang" dazu aufgefordert werden sich der Kundgebung "Schutz für alle Schutzbedürftigen" anzuschließen, hält Bus um Bus voller Rechter, die vor allem aus Süd- und Westdeutschland, aber auch aus dem Ausland anreisen und zu ihren Auftaktort ziehen.

Die Straßen sind ansonsten leer und die Anwohner haben zum Teil ihre Gardinen zugezogen, oder die Rolladen herunter gelassen. Es ist bereits das vierte Mal in diesem Jahr, das Rechte durch ihren Ort ziehen. Die insgesamt 500 Gegendemonstrant*innen versuchen mit einer kleinen Gegendemo und Protest in Sicht- und Hörweite dem ganzen Spuk etwas entgegen zu setzen, aber es sind vor allem das vereinzelte Zeigen von Hitlergrüßen, das nebeneinander von AfD und Nazis und das Schallen rechter Parolen durch die Stadt, was von dieser Demo in Erinnerung bleiben wird.

Hört mensch sich die Sprechchöre an, ist klar, dass es hier schon lange nicht mehr um ein ermordetes Mädchen geht:
"Heimat, Freiheit, Tradition - Multikulti Endstation", "Jeder hasst die Antifa", "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen", "Wir sind das Volk", "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht", "Europa den Europäern, Antifa noch Nordkorea", "Grenzen dicht, Merkel vor Gericht", "Ob Ost, ob West - nieder mit der roten Pest", "Europa, Jugend, Reconquista"[*2], "Antifa Hurensöhne", "Widerstand", "Frei Sozial National", "Ahu" [*3], "Merkel muss weg", "Volksverräter", "Festung Europa, macht die Grenze dicht", "Lügenpresse", "Wir kriegen euch  alle", "Unsere Fahne, unser Land, Jugend leistet Widerstand", "Heimatliebe ist kein Verbrechen", "Wir Frauen schweigen nicht", "Schutz und Sicherheit", "Wir schweigen nicht mehr", "Nazis raus", "Hasta la vista Antifascista", "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Heimat klaut"

Neben den tätlichen Angriffen auf Gegendemonstranten versuchen Nazis auch an mehreren Stellen den Gegenprotest zu fotografieren und abzufilmen, so dass den ganzen Zeitraum über eine angespannte Stimmung herrschte. Die rechte Bewegung profitiert von diesem Wochenende immens und selbst AfD-Politiker, die uns mitregieren freuen sich über gewalttätigen Nazihools, die ihre Demo vor der bösen Antifa "verteidigen".

Am Ende ihrer Demo folgte der typische Pegida-Sprechchor "Wir kommen wieder". Wahrscheinlich werden sie wieder kommen und wahrscheinlich werden sie nach so einen immensen Erfolg mehr werden. Redner sprechen in Kandel davon, dass Kandel wie eine Fackel brenne und die Teilnehmer für den Flächenbrand zu sorgen hätten, lasst uns nicht länger tatenlos zusehen, nun liegt es an couragierten und solidarischen Menschen ebenfalls am 24.03. und 07.04. nach Kandel zu kommen, um sich diesem braunen Treiben entschlossen entgegenzustellen.

Es gibt kein ruhiges Hinterland!

[*1]: Journalistenwatch ist ein seit 2012 betriebener Blog, der rechtspopulistisch Berichte anderer Medien kommentiert.
[*2]: Reconquista ist die "Rückeroberung" Deutschlands und Europas und lehnt sich an die historischen Ereignisse an, unter welchen Spanien von seiner muslimischen Herrschaft "befreit" wurde, während Jüd*innen entweder konvertieren mussten, oder das Land zu verlassen hatten.
[*3]: Ahu ist ein von Hooligans verwendeter Schlachtruf, wie er z.B. in Köln bei HOGESA gerufen wurde.

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