„Anzeige ist raus!“ - Wie eine Kommunikationsguerilla die Bundeswehr-Fans aus Tegel trollte

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Damit hatte in Berlin Tegel niemand gerechnet: Am Wochenende fiel die Kommunikationsguerilla-Truppe „We love Tegel“ in den erzkonservativen Stadtteil ein. „We love Tegel“ feierte mit wilden Aktionen, dass der „Tag der Bundeswehr“ 2022 nicht in Tegel stattfindet. Denn das Militär plant, sich hinter Stacheldraht in der Kaserne im Wedding zu verstecken. Damit den Rückzug des Militärs auch jede* mitbekommt, kaperte „We love Tegel“ knapp 30 Werbevitrinen und verklebte im Lauf des Wochenendes fast 1000 Aufkleber. Stephan Schmidt, CDU-Abgeordneter dazu: „Das ist weder eine Kunst-Aktion noch irgendwie anders gearteter Aktionismus, sondern einfach nur eine Straftat linker Deppen. Anzeige ist raus.“

Zentrales Motiv auf den Adbusting-Postern und den Stickern ist ein pinkes Herz und der Slogan „We love Tegel. Denn hier traut sich die Bundeswehr nicht her!“ Dazu findet sich der erklärende Satz: „Nach kreativem Protest feiern die Militärs den Tag der Bundeswehr lieber in ihrer Kaserne als hier in Berlin-Tegel am See.“

Majestätsbeleidigung?

Doch Herzen öffentlich zu verbreiten, ist in Tegel de facto Majestätsbeleidigung. Denn unter dem Label „I love Tegel“ betreibt die örtliche CDU einen Propaganda-Verein, der sich als Wohltätigkeitsorganisation tarnt. Und genau diese CDU-Clique um den ehemaligen Bürgermeister Frank Balzer plante 2020 und 2021 zusammen mit dem Militär, den „Tag der Bundeswehr“ in aller Öffentlichkeit am Tegeler See zu zelebrieren. Die Pandemie verhinderte das. Trotzdem riefen die finsteren Pläne die Berliner Kommunikationsguerilla auf den Plan, die den Stadtteil mit kreativen und frechen Aktionen heimsuchte.

Sofortfahnung wegen Aufklebern

So ließen auch diesmal die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Bereits am Samstag Abend löste die Polizei wegen des Klebens von Aufklebern eine Sofortfahnung aus, an der sich neben Streifencops des Tegeler Abschnitts auch zivile Kräfte beteiligten. „Wir sind wie Fische im Wasser“, lacht Felix Wunderschönebeck. „Alle Kommunikationsguerillas konnte schnell untertauchen, als sie die Sofortfahndung bemerkten.“

Statement von I love Tegel

Die Bundeswehr-Fans um den Tegeler CDU-Chef Felix Schönebeck und seine Initiative „I love Tegel“ zogen sich den Schuh natürlich sofort an und verkündeten beleidigt: „Wir werden uns im Laufe des Tages zur Aktion gegen die @bundeswehr äußern, die unter dem Slogan 'We love Tegel' mit illegalen Plakaten und Stickern sowie einer Fake-Website in unserem und im Namen @felix.schoenebeck läuft.“ Auf die Stellungnahme wartet Tegel wie so oft bisher vergeblich. „Schönebeck und seinem Verein 'I love Tegel' scheint es die Sprache verschlagen zu haben“, wundert sich Felix Wunderschönebeck, Sprecher*in der Initiative „We love Tegel“.

Statement Stephan Schmidt, MdA

Auch der in Tegelort wohnende Stephan Schmidt, für die CDU im Abgeordnetenhaus, zog sich den Schuh umgehend an. Auf Facebook postete er ein Bild der Herz-Poster in den gekaperten Werbevitrinen: „Unfassbar, was sich ein Haufen Spinner hier in Tegel erlaubt. Schlimm genug, dass hier der Anschein erweckt wird, der Verein I Love Tegel oder der CDU-Bezirksverordnete Felix Schönebeck könnten hier Verfasser und verantwortlich sein. Noch viel schlimmer ist die Tatsache, dass sich diese Kriminellen illegal Zugriff auf Werbeflächen verschafft haben, um ihre kruden Parolen zu verbreiten. Das ist weder eine Kunst-Aktion noch irgendwie anders gearteter Aktionismus, sondern einfach nur eine Straftat linker Deppen. Anzeige ist raus. Natürlich gehört die Bundeswehr als Parlamentsarmee in die Mitte der Gesellschaft und auch in die Öffentlichkeit!“ Das hätte sich die Kommunikationsguerilla nicht besser selber ausdenken können. „Besonders über den Alman-Witz mit 'Anzeige ist raus!' haben wir uns sehr gefreut“, sagt Felix Wunderschönebeck, Sprecher*in der Gruppe We love Tegel. Auch die Zuspitzungen à la „Unfassbar“, „Schlimm“, „Noch schlimmer“, „kriminell“, „illegal“, „Straftat“ seien ganz nach dem Geschmack der Gruppe.

CDU gehackt?

Diese Vorlage nutze die Kommunikationsguerilla. Sie schickte eine Nachricht an örtlichen CDU-Granden und die konservative Presse und behauptete, der Facebook-Post sei gefälscht und die Gruppe hätte Herrn Schmidts Passwort geraten. „Zum einen sorgt das dafür, dass Herr Schmidt noch die ganze Woche Anrufe bekommen wird von Leuten, die ihm zutrauen, dass er wirklich so doof ist. Außerdem bringt es die CDU-Leute dazu, zu hinterfragen, ob so ein dummes Hetzposting voller leerer Schlagwörter wirklich von einem der Ihren stammt oder ob es nicht doch untergeschoben wurde“, erklärt Felix Wunderschönebeck, Sprecher*in der Initiative „We love Tegel“.

Bundeswehr hat keine Lust mehr

Nachdem die Bundeswehr keine Lust mehr auf kreative Aktionen hat und die CDU in Reinickendorf bei den letzten Wahlen die Macht verlor, dürfte das Thema „Tag der Bundeswehr“ bei Stadtfesten in Berlin Vergangenheit sein. „Wir freuen uns sehr, dass sich die Bundeswehr nicht nur aus Kabul, sondern auch aus der Berliner Öffentlichkeit ein Stück zurück ziehen musste“, sagt Felix Wunderschönebeck: „Wir hoffen, dass sich viele Gruppen an den kreativen Protesten ein Beispiel nehmen, und den Tag der Bundeswehr auch dieses Jahr wieder in einen Tag ohne Bundeswehr verwandeln!“

Mehr Infos zu den Protesten zu Tag der Bundeswehr: https://keintagderbundeswehr.dfg-vk.de/

Wie kapert man Werbevitrinen? http://maqui.blogsport.eu/2019/01/03/wie-oeffnet-man-werbevitrinen/

Mehr Infos: https://welovetegel.wordpress.com

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