Hamburg: Anarchistische Kundgebung und Spontandemo + Poster gegen den Krieg in der Ukraine

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Am Sonntag den 27.02.2022 trafen sich ca. 60 Menschen zu einer anarchistischen Kundgebung im Arivati-Park/Neuer Pferdemarkt Hamburg, um gegen den Krieg in der Ukraine und jeden Militarismus auf die Straße zu gehen.

Es wurden Transparente ("Stop war!(russisch) -Gegen den Krieg in der Ukraine! Gegen jeden Krieg! Gegen jede Militarisierung!) aufgehängt außerdem ein Redebeitrag gehalten. Es wurde ein anarchistisches antimilitaristisches Poster verteilt und ein Solidaritäts-Foto für die anarchistischen Mitstreiter:innen in der Ukraine gemacht. Danach gab es eine Spontan-Demo richtung Sternschanze, die jedoch von den eintreffenden Bullen aufgestoppt wurde und dann angemeldet wurde. Es ist wichtig in diesen Tagen anti-autoritäre und anti-militaristische Positionen sichtbar zu machen und diese der um sich greifenden militaristischen und nationalistischen Hegemonie entgegenzusetzen. Im Anhang dokumentieren wir den Redebeitrag und das Poster:

"Nie wieder Krieg!
Der Krieg ist zurück in Europa. Die Bilder sind grausam, die Perspektive dunkel: Was wird jetzt weiter passieren? Die Eskalation des Konflikts mit dem Dauergeplänkel im Donbass und der Besatzung der Krim ist für die meisten längst zur Normalität geworden, wenn hier im Norden Deutschlands überhaupt jemand was über die Hintergründe, geschweige denn die historischen Zusammenhänge weiß. Jetzt auf einmal Rollen die Panzer über europäische Grenzen und viele wundern sich, was da jetzt eigentlich auf einmal passiert ist. Alle suchen eine Antwort auf die Frage wie es dazu kommen konnte, wer denn verdammt nochmal Schuld ist am Angriffskrieg und an den Millionen zu erwartenden Flüchtenden.
Es scheint wahrscheinlich, dass sich viele Menschen aus der Ukraine ins Ausland absetzten werden und alles zurückgelassen müssen. Dass viele die geblieben sind jeden Tag Angst um ihr Leben haben müssen; Dass in der Ukraine jeden Tag mehr und mehr Menschen getötet werden – ob aus patriotischem Pflichtgefühl, oder weil sie schlicht und einfach gezwungen werden zu kämpfen und nicht zusammen mit ihren Freund*innen und Familien vor dem Krieg abhauen konnten. Es sieht alles danach aus, als dass die ukrainische Regierung gewillt scheint, die Menschen trotz der offensichtlichen Übermacht der russischen Armee bis zum letzten Blutstropfen zum kämpfen und sterben aufzurufen. Ich hoffe inständig, dass alle die sich nicht aus freien Stücken diesem Märtyrertum hingeben wollen, Wege finden um zu flüchten.

Genauso wahrscheinlich scheint es, dass die Ukraine nach langen Gefechten schließlich überrannt werden wird, und ein wahnsinniger russischer Präsident ein paar kremeltreue Marionetten in Kiew einsetzt – in einer Ukraine die Putin dann als erfolgreich reintegrierte Provinz bezeichnen kann.
Wahrscheinlich wird das, was Putin als Hauptargumentation für die Notwendigkeit einer militärischen Intervention verbreitet hat, in absurdem Maß durch genau diesen Einmarsch verstärkt: Die militärische Aufrüstung der Nato-Außengrenzen. Militärstützpunkte, Flugzeugbasen und Raketenschirme entlang der polnischen Grenze, in den baltischen Staaten und entlang der Fronten von zahllosen Stellvertreterkonflikten auf der ganzen Welt. Soldaten werden um die Welt geschifft um die „Freiheit“ und die „Werte“ am anderen Ende der Welt zu verteidigen.

Die Argumente für die Aufrüstung der Grenzen, für die bewaffnete Verteidigung des Friedens werden alt und einleuchtend sein: Die freie Welt wird sich gegen den Aggressor verteidigen müssen, der bewiesen hat, dass er nicht davor zurück schreckt die Weltordnung weit zurück ins 20ste Jahrhundert zu bomben.
Wir werden zuhause sitzen, die alten und neuen Uniformen hässlich, die Natostützpunkte zu eingezäunt und alle ein bisschen komisch finden, die das alles nicht objektiv unausweichlich fanden, seit es losging damals im Februar 2022.

Wenn du dir sagst, dass du das alles ja schon irgendwie kennst und dich komisch fühlst; dass du es jetzt wo der Krieg so nah gekommen ist mit der Angst zu tun bekommst, obwohl du das Geschehen in den zahllosen Kriegsgebieten der Welt seit Jahren aufmerksam verfolgst? Dann kann ich dir sagen: Mir geht’s genauso. Der Krieg macht Angst und das soll er auch. Der Krieg macht passiv und lässt die Menschen nach schnellen Lösungen und einfachen Erklärungen suchen, damit er nicht noch näherkommt, auch wenn man auf einmal denen zuhört und hinterherläuft, die man eigentlich aus den besten Gründen immer abgelehnt hat.

In Fall des russischen Einmarschs in der Ukraine werden es die sozialdemokratischsten und grünsten Politiker*innen sein, die ein starkes und souveränes Auftreten der westlichen Welt gegen die russische Aggression am schlüssigsten erklären. Genauso wird es viele Rechte geben, die sich am souveränen und entschlossenen Auftreten Russlands aufgeilen werden. Einfach nur weil Putin hier den ersten Angriffskrieg seit dem zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hat.
Die Weltwirtschaft wird schwanken, sich neu orientieren und an die neue und alte politische Ordnung anpassen. Die Gewinner heißen jetzt schon Rheinmetall, Thyssen und alle die etwas mit Waffen- und Militärtechnik zu tun haben.

Ich denke wir sollten uns klar machen, dass dies in der Welt der Nationalstaaten und des kapitalistischen Wettlaufs nach dem größten Stück vom Kuchen nicht der letzte Krieg sein wird:

So lange eine Rüstungsindustrie mit zehntausenden Arbeitsplätzen und Milliarden an Steuereinnahmen als wirtschaftliches Zugpferd auf Trab gehalten wird, werden die Kriege auf dieser Welt weitergehen.

Solange wir in dem Glauben leben, unseren Reichtum gegen die Interessen der anderen verteidigen zu müssen, anstatt den Kapitalismus und die viel betrauerte Weltordnung ein für alle Mal hinter uns zu lassen, werden die Kriege auch immer wieder näher an die eigene Haustür kommen.

Wenn wir als Kriegsgegner*innen und Antimilitarist*innen das Freund-Feind denken aus einer Angst machenden Situation heraus übernehmen, dann vergessen wir, dass wir nur dann eine Chance haben diesen Kreislauf aus Krieg und Aufrüstung zu durchbrechen, wenn sich die Menschen an allen Orten dieser Welt gegen den Krieg, die Rüstungskonzerne, den Kapitalismus und jede Staatsideologie zur Wehr setzen.

Der Überfall der Ukraine ist furchtbar. Ich verstehe jede:n, die:der unglaublichen Hass verspürt, wenn ihr:sein Zuhause angegriffen, zerbombt und soziale Zusammenhänge auseinandergerissen werden. Die Menschen in der Ukraine werden aus den unterschiedlichsten Gründen zur Waffe greifen um sich und ihren Lebensraum gegen russische Soldaten zu verteidigen. Es liegt nicht an mir, diese Gründe hier heute nebeneinander zu stellen und zu bewerten.

Ich glaube allerdings, dass es besonders jetzt wichtig ist, diesen Krieg und die zu erwartenden militärischen Eskalationen im Kontext einer wirklichen revolutionären Perspektive zu betrachten.
Denn was ist unsere Chance auf eine wirklich friedliche Welt? Eine souveräne Ukraine? Ein autoritär-stabiles Russland? Ein kalkulierbarer Gazprom Konzern? Eine furchtlose Nato? Demokratische Atomwaffen?!...

Was uns bleibt ist ein konsequenter Antimilitarismus, gemeinsam mit allen, die jeden Patriotismus, jeden Nationalismus und jede Ungleichheit auf dieser Welt überwinden wollen. Angefangen bei denen, die am Krieg verdienen. Bei den Rüstungsunternehmen und den Politiker*innen die sich nach den Steuereinnahmen aus Kriegsgütern die Finger lecken. Die ganz faktisch von den Kriegen dieser Welt – sei es nach innen gegen die eigene Bevölkerung oder gegen einen äußeren Feind – profitieren.

Was uns bleibt ist für eine Welt zu Kämpfen in der es keine Nato, kein Russland und keine Ukraine – überhaupt keine Staaten mehr gibt. Genau wie keine Grenzen um diese im ewigen Kreislauf aus Krieg und Abschreckung wahlweise zu expandieren oder zu verteidigen.

Solidarität mit allen Saboteuren des Krieges, mit allen Deserteur*innen und Betroffenen des Angriffs der russischen Armee gegen das ukrainische Territorium.

Nie wieder Krieg, nie wieder kapitalistischer Scheinfrieden!"

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