Kritik an Maßnahmen, Staat und Kapital bleibt notwendig [AB]

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Bereits zwei Kundgebungen wurden 2022 gegen finstere Umtriebe von Maßnahmengegnern und Corona-Leugnern in Aschaffenburg organisiert. Während die erste noch fähig war einen sozialen Konsens zu formulieren, wurde die zweite von den etablierten Parteien wie ÖDP, SPD und CSU gekapert und – mindestens medial – vereinnahmt. Gedanken zu Corona-Politik und den dazugehörigen Protesten findet ihr in diesem Artikel aus der Bewegungsmelder-Redaktion.

Die gesellschaftliche Linke hat in den letzten Jahren viele Fehler begangen. Anstatt sich im anfänglichen Wirrwarr der Anti-Maßnahmen-Proteste zu positionieren, beäugte man die Demonstrationen misstrauisch. So war es nicht überraschend, dass die reaktionären Kräfte, die selbstverständlich von Anfang an massiv beteiligt waren, nicht zurückgedrängt werden konnten. Stattdessen breiteten sie sich unwidersprochen aus. Das wiederum führte zur heutigen Situation, in der wir als fortschrittliche Antikapitalisten keinen Blumenstrauß mehr gewinnen können. Auch in Aschaffenburg gehören Rufe wie „Kein Corona-Kommunismus“ zum normalen Ton der Paraden, die mit Unterstützung echter Neo-Nazis (1) durch die Stadt walzen. Selbst harmloseste Kritik am Verhalten der Maßnahmen-Gegner oder Corona-Leugner wird in den einschlägigen Telegram-Gruppen niedergebrüllt. Meistens werden diejenigen, die es wagen hier Einwände zu äußern, anschließend als „Nestbeschmutzer“ entfernt. So viel zur Bestandsaufnahme.

Doch wie geht man nun damit um? In Aschaffenburg formiert sich langsam Widerstand gegen das Treiben der angeblichen (Corona-)Rebellen. Bereits am 3.1. rief ein schlagkräftiges Bündnis aus der Jugendorganisation der Linkspartei, unabhängigen Antifaschisten (wie die „Freie Fränkische Antifa“), aber auch IG Metall und Fridays for Future zu einer eigenen Kundgebung auf. Die Intention war klar: Sich gegen antisemitische Verschwörungstheorien und die Beteiligung von Nazis aussprechen.

Auf dieser Kundgebung beschritt man zwar auch Irrwege, wie das Fordern von hartem Vorgehen gegen unliebsame Demonstrationen und allgemeinem staatlichen Durchgreifen. Das ist insofern problematisch, da ein Staat, dem Repressions-Instrumente (2) in die Hand gegeben werden, nicht davor scheuen wird sie auch einzusetzen. Treffen würde das vor allem uns als Unbequeme, Antifaschisten und Linke. Positiv hervorzuheben war hingegen das, was mindestens am Rand immer mitschwang: Dass eines unserer Problem unser Wirtschaftssystem ist, der Kapitalismus.

Somit bot die Kundgebung auch einen Ort, an dem man theoretisch darüber diskutieren könnte, wie eine wirkliche und sinnvolle Kritik an Maßnahmen und Staat aussehen müsste. Also eine Gemengelage, in der sich auch diejenigen, die sich mangels sinnvoller Alternativen mit NPD und Konsorten im gleichen Demo-Zug wiederfinden, hätten einbringen können. Denn Kritik an Maßnahmen, Staat und Kapital bleibt selbstredend notwendig. Gerade wenn Konzerne weiterhin ungehindert Profite einfahren, wir aber unser Privatleben bis zur Unkenntlichkeit einschränken sollen.

Dieser wertvolle Grundkonsens wurde nun wohl zerstört. Glaubt man der Berichterstattung des Main-Echo, so wurde die zweite Kundgebung am 26.1. von ÖDP, CSU und SPD gekapert. Anstatt weiterhin darüber zu reden wie wir uns ein gutes Leben für alle vorstellen, forderte Jessica Euler von der CSU mehr „Demut“ angesichts der angeblich guten Verhältnisse, in denen wir leben würden. (3) Die Vereinnahmung fand mindestens medial statt, denn die wohl nach wie vor beteiligten Gewerkschaften, Sozialisten und Antifas blieben im Main Echo komplett unerwähnt.

Nicht einmal für eine nennenswerte Mobilisierung war der Schulterschluss mit den Vertretern dieses Staates und Freunden des Kapitalismus gut. Während sich bei der ersten Kundgebung 150 Personen, trotz kurzer Vorlaufzeit, schneidender Kälte und Regen (!) mobilisieren ließen, folgten am 26.1. nur 200 Menschen dem Aufruf.

Was bleibt: Der schale Beigeschmack, dass ein Zusammenschluss, der vielleicht das Potential hat sich zu einem relevanten Bündnis zu entwickeln, als Bühne missbraucht wurde. Im schlechtesten Fall von denjenigen, die uns die Zumutungen des Alltags als einzigen möglichen Weg verkaufen wollen. Wir, die wir für ein wirklich besseres Morgen stehen, sollten nicht den Fehler eingehen uns den staatstragenden Gruppen, Parteien und Medien an den Hals zu werfen. Klar, strategische Zusammenarbeit darf und soll weiterhin praktiziert werden, doch dann muss etwas für uns dabei herausspringen. Ansonsten bleiben wir unsichtbare Dienstleister für diejenigen, die wir eigentlich kritisieren sollten. Und ein Vorwurf wäre dann nicht ganz unbegründet: Einer „Staats-Antifa“ anzugehören, die nur dafür da wäre berechtigtes Aufbegehren niederzuschlagen.

Von einem Teil des Bewegungsmelder-Teams

Das Bündnis „Mit Courage gegen Querdenker Aschaffenburg“ informiert per eigenem Telegram-Kanal über ihre aktuellen Aktionen. Einzusehen ist er hier: t.me/mitcouragegegenquerdenker

(1) https://de.indymedia.org/node/166344

(2) Was Repressionen sind und was sich dagegen unternehmen lässt, wurde im Interview mit Anti-Rep-AG des Stern e.V. erläutert: https://bewegungsmelderab.wordpress.com/2021/12/01/verstose-und-widerstand/

(3) Achtung, Paywall: https://www.main-echo.de/regional/stadt-kreis-aschaffenburg/neues-buendnis-geht-in-aschaffenburg-gegen-querdenker-auf-die-strasse-art-7471538

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