[S] Trauer zu Wut, Wut zu Widerstand – Silvester zum Knast!

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Wir haben die Nacht auf den 13.12, den ACAB-Tag dazu genutzt um großflächig Menschen zu gedenken, die aus rassistischen Gründen von Bullen ermordet wurden. Alleine im letzten Jahr sind mindestens sechs von Rassismus betroffene Menschen in Deutschland ermordet worden, seit 1990 sind 203 Fälle bekannt. Wir haben stellvertretend für die vielen Opfer rassistischer Bullengewalt die Bilder von fünf in Deutschland und den USA ermordeten in der Stuttgarter Innenstadt plakatiert. Wir sagen „Trauer zu Wut, Wut zu Widerstand“ und wollen deshalb nicht beim bloßen Gedenken stehenbleiben. Diese Morde sind keine Zufälle oder das Werk von einzelnen Bullen. Sie sind das Ergebnis eines durch und durch rassistischen Polizei- und Justizapparates der die Täter:innen systematisch schützt.

Dieser Rassismus kommt nicht von außen in irgendwelche Behörden, er ist mit der Struktur des deutschen Staates und der deutschen Gesellschaft verbunden. Dieser Staat ist die gepanzerte Faust einer Wirtschaftsordnung die auf Ausbeutung basiert. Diese Ausbeutung trifft alle die arbeiten, aber besonders migrantische Menschen. Denn während er für gewisse Bereiche der Arbeiter:innen ein paar Zugeständnisse bereit hält, schafft er in anderen Bereichen, Räume, in denen die Ausbeutung fröhlich wüten kann. Leiharbeit, Putz- und Hauswirtschaftskräfte, Gastronomie, Paket- und Lieferdienste, Baubranche, Pflege und Altenpflege. Die dreckigste, anstrengendste, schlecht bezahlteste Arbeit wird von geflüchteten und migrantischen Menschen verrichtet. Rassismus ist die Ideologie dieses Verhältnisses: Einerseits werden so Menschengruppen „erzeugt“, deren besondere Ausbeutung rassistisch „gerechtfertigt“ wird, die von anderen Teilen der Bevölkerung diskriminiert werden und auf die man einprügeln kann, wenn irgendetwas schlecht läuft. Andererseits erzeugt eben jene besondere Ausbeutung ganz direkt eine besonders ausgebeutete Sektion der Arbeiter:innen und auch alles was mit dieser besonderen Ausbeutung einhergeht: Das abdrängen in Armut und Kriminalität. Rassismus erzeugt besondere Ausbeutung und besondere Ausbeutung erzeugt Rassismus.Diese Menschengruppen, an den Rand gedrängt, von „den Deutschen“ abgrenzbar gehalten, können dann krasser kontrolliert, brutalisiert und mit Gewalt überzogen werden:

 

Die Bullenmorde an George Floyd in den USA und Halim Dener, Oury Jalloh, Qosay K., Giórgos Zantiotis und vielen anderen in Deutschland sind nur die Spitze des Eisberges, dieses rassistischen Systems. Die Polizei kontrolliert ganz bewusst hauptsächlich Menschen die sie für Migrant:innen hält und überdurchschnittlich viele migrantisch gelesene Menschen sitzen in den Knästen ein. Der Knast ist in Deutschland das stärkste „offizielle“ Mittel der Repressionsbehörden und ist damit das Symbol dieses Systems. Knäste dienen nämlich auch als ständige Warnung des Staates: Wehr dich gegen dieses System und du bekommst es mit uns zu tun!

Der jährliche Silvesterspaziergang an der JVA Stammheim dient nicht nur dazu, die politischen und sozialen Gefangenen dort zu Grüßen und ihnen Kraft zu schicken. Er steht auch für den Kampf gegen den kapitalistischen Staat und seinen strukturellen Rassismus. Wir lassen uns nicht von Repression und Knast abschrecken, sondern nehmen den Kampf kollektiv auf:

Trauer zu Wut, Wut zu Widerstand – Silvester zum Knast!

31. Dezember, 23:15 Uhr, U-Bahn Haltestelle Stammheim

 

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Halim Dener:

 

„Wir gedenken Halim Dener, der am 30. Juni 1994 in Hannover von einem Polizeibeamten von hinten erschossen wurde. Er war 16 Jahre alt. Halim Dener musste 1994 vor Krieg, Verfolgung und Zerstörung durch den türkischen Staat aus Kurdistan fliehen. Vor seiner Flucht wurde er von der türkischen Polizei inhaftiert und gefoltert. In Deutschland stellte er einen Asylantrag. Doch auch hier war er nicht sicher. 1993 waren nach einer beispiellosen Hetzkampagne gegen die kurdische Bewegung die PKK und alle ihr nahestehenden Organisationen verboten worden. Es kam zu einer Welle von Durchsuchungen und Verhaftungen, in der Öffentlichkeit wurden Kurd:innen mit „Terrorist:innen“ gleichgesetzt.

Trotz der Repressionen blieb Halim Dener auch nach seiner Flucht in der kurdischen Bewegung aktiv. Wenige Wochen nach seiner Ankunft in Deutschland klebte er Plakate mit dem Emblem der ERNK, des damaligen politischen Arms der PKK. Dabei wurde er von SEK-Polizist:innen in Zivil überrascht und vermutlich aus nächster Nähe von hinten erschossen. Weil der Todesschütze von seinen Kolleg:innen gedeckt wurde, konnte die Tat nie aufgeklärt werden. Das Landgericht Hannover sprach den Schützen am 27. Juni 1997 vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei.“

 

Oury Jalloh:

 

„Wir gedenken Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 an Händen und Füßen gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Er wurde 36 Jahre alt. Bis heute ist die offizielle Darstellung der Justiz, Oury Jalloh habe sich selbst angezündet. Diverse unabhängige Gutachten zeigen jedoch, dass das nicht stimmen kann. Sie legen vielmehr nahe, dass Polizist:innen Oury Jalloh ermordeten und seinen Leichnam verbrannten, um schwere Misshandlungen an ihm zu vertuschen. Auch der langjährig zuständige Oberstaatsanwalt vermutete zuletzt einen Vertuschungsmord - woraufhin ihm der Fall entzogen wurde. Im Oktober 2019 wurde das Verfahren endgültig eingestellt.“

 

George Floyd:

„ Wir gedenken Georg Floyd, der am 25. Mai 2020 in Minneapolis (USA) während einer gewaltsamen Festnahme durch die Polizei ums Leben kam. Er wurde 46 Jahre alt. Georg Floyd wurde von drei Polizisten ohne Nennung von Gründen aus seinem Auto gezogen und ihm wurden Handschellen angezogen. Während der Festnahme üben mehrer Polizisten massiven Druck auf Georg Floyds Körper aus, ein Beamter drückt sein Knie auf Floyds Hals. Georg Floyd sagt mehrmals, dass er Angst habe und nicht mehr atmen könne, was die Polizeibeamten ignorieren. Auch nachdem Georg Floyd bewusstlos wird und kein Puls mehr zu spüren ist, üben die Polizisten weiter Druck auf seinen Körper aus. Selbst nach Ankunft eines Krankenwagens bleibt das Knie eines Polizisten noch mindestens eine Minute auf Floyds Hals. Georg Floyd verstarb wenig später im Krankenhaus, er hatte fast 30 mal angegeben, dass er nicht mehr atmen könnte.“

 

Qosay K.:

 

„Wir gedenken Qosay Sadam Khalaf, der am 6. März 2021 in Delmenhorst nach einer gewaltsamen Festnahme durch die Polizei starb. Er wurde 19 Jahre alt. Qosay Sadam Khalaf wurde am 5. März unter Einsatz von Pfefferspray und Schlägen inhaftiert, nachdem er sich gegen eine Drogenkontrolle gewehrt hatte. In Gewahrsam brach er zusammen und wurde in ein Krankenhaus verlegt, wo er einen Tag später starb. Unter den Jugendlichen in Delmenhorst ist bekannt, dass Festgenommene in Gewahrsam verprügelt werden. Qosays Freunde vermuten, dass dies zu seinem Tod führte.“

 

Giórgos Zantiotis:

 

„Wir gedenken Giórgos Zantiotis, der am 1. November 2021 infolge eines Polizeieinsatzes in Wuppertal gestorben ist. Er war 24 Jahre alt. Am frühen Morgen des 1. Novembers verständigte ein Taxifahrer die Polizei. Nach Angaben der Polizei ging es um eine Auseinandersetzung zwischen vorherigen Fahrgästen, zu denen Giórgos Zantiotis und seine Schwester gehörten. Mehrere Polizeibeamte brachten Giórgos brutal zu Boden und hielten ihn für längere Zeit in Bauchlage fest. In einem Video von dem Vorfall ist zu hören, dass die Schwester von Giórgos laut gegen dieses Vorgehen protestierte. Die Polizei gibt an, Giórgos Zantiotis sei bei einer Blutentnahme auf der Polizeiwache kollabiert und konnte nicht wiederbelebt werden.

Erst am 6. November 2021 und auf vielfache Nachfrage hin wurde die Öffentlichkeit über diesen Todesfall informiert. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal gibt an, sie habe das Geschehen nicht für "medienrelevant" gehalten. Die Polizei Hagen ist mit den Ermittlungen zur Todesursache beauftragt worden. Die Schwester von Giórgos Zantiotis bestreitet die polizeiliche Darstellung der Todesumstände ihres Bruders und hat Strafanzeige gegen die diensthabenden Beamt:innen der Polizei Wuppertal erstattet.“

 

Mehr Informationen zur Silvester-Mobilisierung findet ihr unter: http://silvestermobi.blogsport.eu/

Link zum Video: https://vimeo.com/656201452

Die Informationen zu den Ermordeten haben wir von der Kampagne „Death in Custody“. Mehr Informationen findet ihr unter: https://doku.deathincustody.info/

 

 

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