(B) [Fotos und Bericht] Kundgebung gegen das evangelikale Café Mandelzweig am 30.10.2021

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Am Samstag, den 30 Oktober 2021 fand vor dem evangelikalen Café Mandelzweig in der Seestraße 101 in Berlin Wedding eine Kundgebung gegen den rechten Treffpunkt, den in der Querdenken-Bewegung bekannten Betreiber des Cafes, den rassistischen Prediger Christian Stockmann, sowie gegen die Nutzung des Cafes als Treffpunkt für zahlreiche Gruppen aus dem rechtsoffenen Pandemieleugner*innen-Spektrum statt. Organisiert wurde die Kundgebung von der Initiative „Weg mit dem Cafe Mandelzweig!“. Es beteiligten sich zahlreiche lokale Gruppen, Parteien und Einzelpersonen aus dem Kiez, sowie Anwohner*innen des rechten Treffpunkts. Redebeiträge hielten die Initiative „Weg mit dem Cafe Mandelzweig!“, die North East Antifa, Anwohner*innen, die von ihren Erfahrungen mit den teilweise aggressiven Besucher*innen des Café Mandelzweig berichteten, sowie ein Pfarrer aus dem Kiez.

 

Vor dem Cafe Mandelzweig hatten sich ca. 30 Unterstützer*innen Stockmanns eingefunden. Sie beklatschten die Redebeiträge, in denen immer wieder auf Stockmanns rechte Verbindungen und seine offen rassistischen, antifeministischen und homo- und transfeindlichen Ansichten hingewiesen wurde. Unter den Personen vor dem rechten Treffpunkt waren Mitglieder der evangelikalen Mandelzweig Sekte, der verschwörungsideologischen Partei „Die Basis“ und Aktivisten der Berliner Coronaleugner-Szene, wie Samuel Gfrörer oder Volkmar Zimmermann. Gfrörer ist ein Aktivist aus dem Umfeld der sogenannten „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ um Anselm Lenz und Henrik Sodenkamp. Außerdem schreibt Samuel Gfrörer für die rechtsradikale, verschwörungsideologische Zeitung „Demokratischer Widerstand“, die auch Texte von neofaschistischen und neurechten Autor*innen wie Benedikt Kaiser und Ellen Kositza veröffentlicht. Volkmar Zimmermann war bis zu seinem Rauswurf durch Michael Ballweg der Kopf der Berliner Querdenken-30 Gruppe. Danach gründete Zimmermann die Gruppe „Berlin steht auf“ und betreibt bis heute den gleichnamigen Youtube-Kanal, in dem auch Christian Stockmann zu Wort kommt. Während der Kundgebung gegen das Cafe Mandelzweig, versuchte Volkmar Zimmermann mehrfach Teilnehmer*innen des Protests sowie anwesende Journalist*innen zu filmen.

 

Abschließend dokumentieren wir an dieser Stelle die Redebeiträge von Anwohner*innen aus der Nachbarschaft des rechten Cafe Mandelzweig und den kurzen, spontanen Beitrag des Pfarrers Alexander Tschernig von der benachbarten Kirchengemeinde Kapernaum:

Mein Name ist Alexander Tschernig, ich arbeite dort drüben als evangelischer Pfarrer der Kapernaum Gemeinde. Vor achteinhalb Jahren bin ich hierher gekommen und habe in der Anfangszeit das Cafe Mandelzweig erfolgreich ignorieren können. Seit Corona ist es allerdings so, dass auch andere kirchliche Quellen darauf aufmerksam geworden sind, was hier passiert. Inhaltlich finde ich die Auseinandersetzung total uninteressant. Coronaleugnung ist inhaltlich total uninteressant, ist aber absolut gefährlich. Rechte Hetze hat mit dem Geist Jesu gar nichts zu tun. Das möchte ich euch mal sagen, da drüben im Cafe Mandelzweig: Mit Nazis machen Christinnen und Christen keine gemeinsame Sache!
Viel mehr möchte ich gar nicht sagen. Ich finde es gut, was hier stattfindet. Ich stehe hier als Privatperson, nicht als Repräsentant meiner Kirche. Aber auch als Repräsentant der Kirche würde ich hier wahrscheinlich stehen. Es ist toll was ihr hier macht!“

 

Kurzer Bericht von Menschen aus dem Kiez, die regelmäßig Menschen im Haus Seestraße 101 besuchen:

Das Erdgeschoss der Seestraße 101 wird vom Café Mandelzweig gemietet. Dort treffen sich seit Pandemiebeginn teilweise jeden Abend kleine bis große Gruppen von Menschen. Sie beten, singen und planen den Sturz der Bundesregierung. Christian Stockmann ist das Gesicht hinter dem „Mandelzweig“ und der Kopf der „Christen im Widerstand“, die regelmäßig auf den Querdenken-Demonstrationen auftreten. Aus der Seestraße 101 heraus verschickt er derzeit mehrere hunderttausend Fake-News-Flugblätter und Broschüren im Rahmen einer Anti-Impfkampagne in die gesamte Bundesrepublik. Auch die Querdenkerpartei „Die Basis“, die aus der 2020 gegründeten Partei „Widerstand2020“ hervorgegangen ist, trifft sich regelmäßig mit vielen Menschen im Café Mandelzweig. Teile der Querdenken-Bewegung werden aufgrund der fortschreitenden Radikalisierung mittlerweile durch den Verfassungsschutz beobachtet.

Die Zusammenkünfte finden von Beginn an ohne Masken und Abstände statt. Während der Ausgangsbeschränkungen waren dabei die Jalousien des Ladenlokals sowie der Haupteingang von der Straße aus geschlossen. Somit strömten die Querdenkenden übers Vorderhaus in das Café. Gruppen von bis zu zehn Personen hielten sich dann, auf dem Höhepunkt der Pandemie, ohne Masken und Abstände im Vorderhaus auf, bevor sie ins Café eingelassen wurden. Gelegentlich wurden Innenhof und Treppenhäuser für Aufenthalte genutzt, beispielsweise, wenn sich die Querdenker*innen vor polizeilichen Durchsuchungen versteckten.

Während 1 km weiter im Virchow-Klinikum der Charité Ärzt*innen und Pflegekräfte weit über ihre eigenen Belastungsgrenzen hinaus gehend um Patient*innenleben kämpfen, und wir alle uns im Rahmen unserer Möglichkeiten solidarisch zu verhalten versuchten, um diesem Spuk ein baldiges Ende zu bereiten, heizten die Fundis das Corona-Fegefeuer immer weiter an. Mit 30 bis 40 Leuten sangen sie bei geschlossenen Fenstern und Rollläden ihre Lieder zu ihrem offensichtlich ziemlich hämischen Gott und beteten gemeinschaftlich gegen alle Parteien (außer der AfD) – in Kauf nehmend, dass sie somit die unsägliche Situation für all ihre Mitmenschen unnötig in die Länge ziehen. Gelegentlich wurde der Umsturz des Systems geplant, Christian Stockmann hat da recht konkrete Vorstellungen, unbequeme Personen „einfach auszuschalten“. Irgendwann wurde jedenfalls nicht mehr nur gebetet, sondern die seltsamen Leute kamen, die aufdringlich nah herankamen und flüsterten, ob man auch „zum Treffen“ wolle. „Die Basis“ war eingezogen.

Die gewaltsamen Ausschreitungen der Pandemieleugner*innen gegenüber Menschen, die sich an die geltenden Regeln und Gesetze halten und sich und ihre Mitmenschen schützen wollen, hatten die Bewohnenden im Hinterkopf, als sie versuchten, den Querdenker*innen im eigenen Haus aus dem Weg zu gehen. Für die Bewohner*innen waren es bedrohliche Spießroutenläufe, sich, selbst eine Maske tragend, durch diese im Hausflur stehenden Menschengruppen und ihre vorwurfsvollen Blicke und Sprüche hindurchzuschieben, um zur eigenen Wohnungen zu gelangen. Dabei nahmen die maskenlosen, sich im Treppenhaus in einem großen Pulk aufhaltenden Virenschleudern erhebliche Gesundheitsrisiken für die Bewohner*innen des Hauses in Kauf - mitleidsvoll erleuchtet lächelnd.

Für das Wohnklima sind sich in den Treppenhäusern versteckende Menschen, die einen Regierungssturz planen und einem narzisstischen Fanatiker mit Hitlergrußaffinität hinterherschlurfen und offenbar willentlich ihre Mitmenschen mit Corona anstecken, nicht förderlich. Die häufige Anwesenheit der Polizei hatte ebenfalls nicht dazu beigetragen, sich sicherer zu fühlen. Die 30-40 Singenden im Café hatten ja alle Atteste, die sie von der Maskenpflicht befreien. Der Widerstand ist lungenkrank.

Gelegentlich beherbergt das Café dann auch die Gäste der Anti-Corona, Anti-Test und Anti-Impf-Krawalle. Zum Beispiel während in Berlin die Hotels noch geschlossen waren. Am 22. April kam es im Rahmen einer Querdenken-Demo zu schweren Ausschreitungen und gewalttätigen Szenen im Tiergarten. 8000 Menschen waren an diesem Tag durch Berlin gezogen, ohne Masken, nur in ihre riesigen Egos gekleidet. Das war zu einer Zeit, als die meisten von uns noch keinen Impfschutz hatten. Da stolzierten dann abends selbstzufrieden zähneputzende Männer im Armylook vor dem Haus entlang, um zu kontrollieren, dass die Jalousien licht- und blickdicht sind, während drinnen massenhaft Leute in Jugendherbergs-Atmosphäre übernachtet haben.
Es stört uns, dass diese Leute sich in unserem Kiez so sicher fühlen. Dass sie ungesehen sind. Wir wünschen uns, dass sie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Sie sollen gesehen werden bei dem, was sie tun. Sie sollen gesehen werden, wenn sie ihre hundertausenden Lügenbroschüren an kleine Omis nach Hinterschweinfurt schicken, damit diese sie ihren Nachbarinnen im Plattenbau zeigen können, weil die so schön glänzen und seriös aussehen. Und die Nachbarin im Plattenbau kennt die kleine Omi schon so lange, nimmt den Schwindel arglos an und verbreitet ihn weiter.

Es ist gut, wichtig und richtig, staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus kritisch zu hinterfragen. Insbesondere der Fokus auf die Reduktion privater sozialer Kontakte mit weitreichenden Folgen für die psychische Gesundheit der Menschen, während Wirtschaft und Arbeit trotz hoher Infektions- und Intensiv-Belegungszahlen unbedingt weiterlaufen mussten; die Doppelt-, Dreifach und Fünffachbelastung von Arbeitnehmer*innen, die plötzlich zeitgleich ihre Kinder versorgen mussten, während sie im Home Office für ihre Werbeagentur arbeiten sollten; dass es keinerlei Konzepte zum Schutz unserer Kinder gab – immer noch nicht gibt – ist absolut und vollkommen inakzeptabel. Aber der Weg aus dieser Situation heraus führt nicht über Lügen und Falschinformation. Er verlängert sich dadurch, und zerstört die Leben weiterer Menschen – körperlich wie seelisch.
Wir wollen, dass diese Leute aufhören, unsere Gesellschaft mit ihren Lügen zu verpesten. Und auf gar keinen Fall soll ihr Hauptstützpunkt unser Kiez sein. Weg mit dem Café Mandelzweig!“

 

 

Fotos: North East Antifa [NEA] und Kim Winkler
Weitere Fotos der Kundgebung von Kim Winkler: https://www.flickr.com/photos/156669795@N08/albums/72157720088246878

 

Weitere Informationen: https://mandelzweig.noblogs.org/

 

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