Interview mit Mensch aus dem HambacherForst

 Ein nicht ganz aktuelles Interview mit einer Aktivist*In aus dem Hambacher Forst. Das meiste ist noch aktuell - bis auf den Teil mit Friedensverhandlungen und Schlichtung, diese Versuche wurden von RWE abgebrochen

 

 

Wir erleben globale und regionale Umwelt- und Naturzerstörung, ökonomisch-ökologische Krisen. Das geplante Freihandelsabkommen TTIP wäre ein weiterer großer Schritt von der Demokratie zur Konzernokratie und brächte massive Rückschritte für Mensch, Natur und Umwelt. Was war für dich der Beweggrund, Widerstand im Wald zu leisten?

 

 

 

Ich hatte bevor ich im Hambacher Forst war nichts mit dem Themenschwerpunkt Ökologie/Klimawandel/Kohleverstromung zu tun sondern komme eher aus einem Antifa/Punk-Kontext. Klar war Umwelt auch wichtig aber so direkt wirst du mit der Zerstörung der Erde durch den Neoliberalen Kapitalismus sonst nicht konfrontiert.

 

 

 

Ist Widerstand mehr als nur Spaß zum Selbstzweck?

 

 

 

Haha. Kann da schon lange nicht mehr drüber lachen. Ich glaube es ist eine Frage wie weit mensch bereit ist dem eigenen Handeln Bedeutung zu geben und politischen Aktivismus nicht als Wohlfühltätigkeit für das eigene Gewissen zu sehen.

 

 

 

Warum und für wen lohnt es sich, den Hambacher Wald zu besetzen?

 

 

 

Die Besetzung schafft eine Basis für widerständige Zusammenschlüsse und einen Austausch über verschiedenste Aktionsformen. Menschen kommen zusammen und diskutieren über die Welt und das System in dem wir leben und über verschiedenste Herrschaftsmechanismen und wie diese miteinander verwoben sind. Viele Menschen blieben nicht beim Reden sondern versuchen die Probleme in ihrem Alltag selbst anzugehen.

 

Hoffentlich lohnt es sich auch für die in dem Wald vor uns lebenden Wesen wenn denn etwas davon übrig bleibt..

 

 

 

Über welche Erfolge konntest du dich freuen?

 

 

 

Oh viele. Jedes Mal wenn ich von gelungenen Aktionen erfahre. Jedes Mal wenn der gemeinsame Camp-Alltag funktioniert. Jedes Mal wenn ich Neues gelernt habe das mich persönlich weiter bringt. Jedes Mal wenn ich mir bewusst mache wie viele Menschen der Hambacher Forst politisiert und aktiviert hat.

 

 

 

Im Winterhalbjahr sollen nach RWE-Angaben 70 Hektar gerodet werden. Es gibt unterschiedliche Aktionsgruppen, die sich gegen die Ausweitung des Braunkohle-Tagebaus engagieren. In der jüngsten Vergangenheit wurde das Konzept der direkten Aktionen evaluiert, das die AktivistInnen von Außen zu Kriminelle stigmatisiert, die mit Gewalt gegen Menschen vorgehen.

 

 

 

Jetzt hab ich erstmal „evaluieren“ nachschlagen müssen um die Frage zu verstehen...

 

Das ist eine altbekannte Strategie um Proteste zu spalten. Im Gegenzug wird Gewalt die dem Wald und den Aktivist*innen von Seiten der Bullen, RWE und Securitys angetan wird stets öffentlich angezweifelt. Viele der im Umfeld Aktiven haben das auf dem Schirm. Nach anfänglichen Distanzierungen und viel Diskussionen über die Spaltungen finden zwar die meisten aus dem eher bürgerlichen Spektrum des Widerstandes Gewalt gegen Menschen nicht gut, können uns aber verstehen. Gewalt gegen Sachen ist aber von ihnen im Großteil mittlerweile gern gesehen oder zumindest akzeptiert.

 

Und wer mal auf einer Polizeiwache misshandelt wurde weis was das für eine Wut der Ohnmacht auslösen kann. Ein fliegender Stein der aus der Sicherheit des Waldes auf ein vorbeifahrendes Polizeiauto geworfen wird kann diese Wut befreien, auch wenn es die Zerstörung des Waldes nicht direkt aufhält. Aber es verschafft etwas mehr Klarheit wo die Fronten verlaufen.

 

Es ist dieses leidige Thema, wo fängt „Gewalt“ an? Für mich ist das unwiederbringliche Zerstören von Lebensraum Gewalt. Diese Zerstörung ist per Gesetz legal. Unsere Besetzungen sind illegal. Unsere Aktionen ob jetzt ne Zugblockade, fliegende Steine oder Brandsätze an RWEs Infrastruktur sind per Gesetz illegal. Mir ist das egal, ich sehe das als legitimen Widerstand an.

 

 

 

Wird es demnach keine Friedensplan-Zugeständnisse mehr geben?

 

Ach es wird bestimmt weiterhin Menschen geben die sich noch vorstellen können sich das Theater der Verhandlungen anzuhören. Es gibt dazu einen sehr guten Text auf dem Hambacherforst Blog (http://hambacherforst.blogsport.de/2016/01/29/wie-schlichtungen-widersta...) der die Farce dieser Art von Friedensverhandlungen am Beispiel des Widerstandes gegen Stuttgart 21 aufzeigt. Es geht bei diesen einseitigen Verhandlungen nicht um Frieden sondern um Befriedung des Widerstands.

 

Der Wald ist und bleibt nicht verhandelbar.

 

 

 

Das Camp wurde mehrfach geräumt, aber auch wieder besetzt. In der Vergangenheit wurden WaldbesetzerInnen vor Gericht freigesprochen, so wurden 2012 alle Verfahren gegen die AktivistInnen eingestellt. Nach einem aktuellen Urteil des OVG Münster ist das "Wiesencamp" am Hambacher Wald illegal. Was bedeutet dieses Urteil für eure zukünftigen widerständigen Aktionen?

 

 

 

Um auf den Gerichtssprech einzugehen: die wenigsten Verfahren endeten mit Freisprüchen sondern wurden wenn überhaupt eingestellt. Was soviel bedeutet wie wir können euch nicht recht geben sondern stellen das ganze der Schadensbegrenzung wegen lieber ein. Es gab aber auch schon genug Verfahren die für die Aktivisti mit Bewährungsstrafen oder Sozialstunden endeten.

 

Das Wiesencamp hat sich über die Jahre zu einem lebendigen Ort der Vernetzung und als Basis entwickelt. Es wird wohl wenn das Urteil rechtskräftig wird geräumt werden. Das macht wütend und traurig, aber wie in der Frage schon gesagt, wir kommen wieder!

 

 

 

2012 gabe s bei der Räumung des Camps zu einer speziellen, öffentlichkeitswirksam Aktion, als sich XXXXXXXX in seinem selbst gebauten Erdbunker 4 Tage verschanzte. Jede Aktion muss auch inhaltlich stimmig sein und sollte Sinn machen. Gibt es hierzu Beratungsgespräche, ein Strategie- und ein Vernetzungsplenum?

 

 

 

Zuallerst einmal sehe ich die Tunnelaktion des Maulwurfs als sehr sinnvoll an – damit wurde die Räumung massiv verzögert und so zur langwierigsten Räumung einer Beseztung in Deutschland.

 

Es wird hoffentlich ein öffentlich angekündigtes Treffen auf den Besetzungen geben. Doch jede Einzelperson und Gruppe kann sich trotzdem schon überlegen wie sie aktiv werden kann und Aktionen für den Tag X (Räumung) ausarbeiten. In der Vergangenheit wurde stets auf eine Diversität der Taktiken gesetzt. Von Demonstrationen/Kundgebungen, Blockaden von RWE Kundencentern, Sabotage an Klima-Killer-Firmen wie RWE/Vattenfall/Mibrag, Beschwerdebriefen, Aufrufe den Stromanbieter zu wechseln und Beschwerdeanrufe bei verantwortlichen Stellen – die Mischung machts!

 

Als Inspiration kann ich die Direct-Action-Reader aus der Projektwerkstatt (http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/dan/haupt.html), die Zines von Earth First! (http://earthfirstjournal.org/store/product-category/literature/manuals/) und das aktualisierte Direct Action Manual (http://earthfirstjournal.org/store/product-category/literature/books-literature/) empfehlen.

 

 

 

Repressionen, Staatsgewalt, Verhaftungen, Inhaftierung. Welche Art der Schikanen sehen sich die Umwelt-AktivistInnen ausgesetzt?

 

 

 

Puh, wo anfangen? Die Repressalien sind unterschiedlichster Art und zeitlich sehr unterschiedlich.

 

Das kann schon bei der Anreise anfangen. Securitys die dich aus ihrem Auto heraus beschimpfen. Mit einer Kontrolle auf dem Weg vom Bahnhof zur Besetzung die auf einer Polizeiwache endet. Misshandlungen während der ED-Behandlung. Demütigungen durch Polizist*innen. Die Farce einer Verhandlung vor der Haftricht*erin die entscheidet das du für eine Blockadeaktion in U-Haft gehst. Die U-Haft die dir zeigen soll das du auf der falschen Seite stehst. Anklagende Briefe die dir ins Haus fliegen wenn sie deine Identität herausgefunden haben. Unterlassungsklagen die deinen Widerstand verhindern sollen. Ein Gerichtsverfahren das in so einer abstrakten Sprache läuft das du keinen Handlungsspielraum für dich siehst. Aber auch im Alltag auf der Besetzung ist die Polizei gerade in den Herbst und Wintermonaten stehts dabei Kreise auf den Straßen außen herum zu ziehen wie die Geier.

 

 

 

Repressionen können zu einer psychischen Belastung werden. Warst du bereits von Repressionen betroffen? Wie bist du damit umgegangen?

 

 

 

Gut das diese Frage der vorherigen folgt. Denn Abschrecken lassen sollten wir uns dadurch nicht! Belastend ist das auf jeden Fall. Für mich ist es gut zu wissen das ich damit nicht alleine bin und das es Leute gibt mit denen ich Erlebtes bereden kann. Auch können Erfahrungen anderer, wie sie mit Repression umgegangen sind, für zukünftige Situationen helfen. Gegenseitige Hilfe ist da unschätzbar wichtig. Auch gibt es Strukturen die Versuchen Aktivist*innen die mit Trauma oder anderen Folgen zu kämpfen haben direkt zu unterstützen – sogenannte „Out of Action“ Gruppen.

 

 

 

Aber bei mir persönlich hat meine Psyche durch Erlebtes trotzdem einen Knacks weg. Schlafprobleme sind bei mir seit längerem ein Problem – aber dadurch habe ich mehr Zeit an Vergeltungsplänen zu feilen...

 

 

 

Was hilft dir, über einen längeren Zeitraum im Camp durchzuhalten?

 

 

 

Mir hilft es ein klares Projekt zu verfolgen an dem ich gemeinsam mit anderen arbeite. Eine gewisse Tagesstruktur, in der Zeit für mich eingeplant ist. Auch eine Art Bezugsgruppensystem, also Menschen denen ich vertraue mit denen ich mich über Gedanken und Geschehnisse des Tages austausche und Pläne für die nächsten schmiede.

 

 

 

DIE GRÜNEN in NRW fordern einen Stopp der Rodungs-Arbeiten. Es sei ohnehin klar, dass die Hambacher Kohle nicht komplett gebraucht werde in Zukunft. RWE setzt aber trotzdem weiter auf Eskalation. Wer sind eure FürsprecherInnen? Wie könnte eine tragbare Lösung umgesetzt werden?

 

 

 

Von Parteien gibt es Einzelpersonen die uns unterstützen. Viele Bürgerinitiativen und lokale Anwohner*innen sprechen sich für uns aus auch wenn wir uns manchmal über einzelne Aktionen nicht einig sind. Der Pfarrer aus Buir hat schon öfter für uns öffentlich Partei ergriffen. Es gibt einige NGOs die sich auf ihre Art für einen Erhalt des Hambacher Forsts stark machen.

 

Für wen soll die Lösung tragbar sein? Für den Kohlebaggerführer der sich im Falle eines Kohleausstiegs einen neuen Job suchen müsste? Für die an Verhandlungen nicht interessierte Haselmaus die sich auf einem Baum das Nest für ihre Nachkommen baut? Für die von Klimawandel betroffenen Menschen die ihre Lebensgrundlagen verlieren? Für mich gilt weiterhin den (fossilen) Kapitalismus zu überwinden und ein Leben in dezentralen Strukturen aufzubauen das nachhaltig mit den vorhanden Recouursen (rechtschreipunk?) umgeht als tragbarer Lösungsansatz.

 

 

 

Welche Maßnahmen/Möglichkeiten ergeben sich aus dem Camp heraus, die Öffentlichkeit auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Braunkohleabbau aufmerksam zu machen? Sind in diesem Kontext Anschlüsse an Bürgerinitiativen notwendig?

 

 

 

In vielen Aktionserklärungen und Statements aus dem Hambacherforst wird immer wieder auf solche Zusammenhänge hingewiesen und je nach Aktionsform eine unterschiedliche Öffentlichkeit erreicht. Die Arbeit in Bürgerinitiativen erachte ich als wertvoll denn sie sprechen auch noch Menschen außerhalb einer linksradikalen Szene an. Auch wenn ich manchmal meine Schwierigkeiten mit so manch einer reformistischen Forderung habe ist es wichtig Widersprüche auszuhalten und sich daran nicht zu spalten sondern das als Bereicherung und Vielfältigkeit des Widerstands gegen die Klimazerstörung zu sehen.

 

 

 

Wie sind Praktisches wie Pressearbeit, Moderation und Rechtliches in eure widerständigen Aktionsformen eingebunden?

 

 

 

Das ist sehr unterschiedlich. Je nachdem wer sich wie viel Aufwand macht. Auch sind unsere Motivationen und Herangehensweisen und Fähigkeiten sehr verschieden. Zu bestimmten Bereichen gibt es mehr oder weniger feste Arbeitsgruppen (AntiRRR, ABC Rheinland, Presse AG, Ausgeco²hlt) die öfter angefragt werden um bestimmte Aufgaben zu übernehmen oder bei Aktionen zu unterstützen. Doch gibt es auch genug Menschen im Widerstand die einfach keinen Bock mehr haben zum hundertsten Male zu erklären warum sie es für richtig erachten RWEs Infrastruktur zu sabotieren sondern es einfach tun und deshalb keine Pressearbeit machen.

 

 

 

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