Anarchistische Kritik an den Versammlungsgesetz-Demos in NRW

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Kritik von Einzelpersonen an den Demos gegen die Verschärfung des Versammlungsgesetzes im Sommer 2021

Am 28.08.21 fand die zweite Groß-Demonstration gegen die geplante Verschärfung des Versammlungsgesetzes in NRW statt. Wie bei der ersten Demo am 26.06.21 hat ein sehr breit aufgestelltes Bündnis zur Demo aufgerufen, dem folgten bei beiden Demos diverse Gruppen aus bürgerlichem und dem sogenanten "links(radikalen)" Spektrum.

So waren bei beiden Demos diverse "rote" kommunistische Gruppen sowie offen antisemitische Gruppen wie Yung Struggle im "internationalistischen / antikapitalistischen Block". Dem anschließend lief bei beiden Demos die MLPD dahinter.
Bei der Demo am 28.08. durfte Young Struggle eine Rede halten. Auch war in dem internationalistischen / antikapitalistischen Block ein Palästina Fahne vor, während und nach der Demo zu sehen. Wieso sind nun diese zuletzt gennanten Gruppen und Symbole schwierig?

Kritk zur MLPD findet ihr hier: https://antifabochum.noblogs.org/tag/mlpd/
Wir haben auch persönliche Erfahrungen mit der MLPD gemacht, von Versuchen Strukturen zu unterwandern, bis zu persönlichen Drohungen oder öffentlichen Outings von Aktivist*innen.

Kritik zu dem Hammer und Sichel Symbol finder ihr hier: https://barrikade.info/article/4127
Wir schließen uns dem an und sehen die Symbolik von Hammer und Sichel nicht als Freiheitssymbol, auch weil sie von "roten" Kommunisten benutzt wird (siehe folgenden Abschnitt).

Des Weiteren haben wir "rote" Kommunisten in den letzten Jahren immer als männlich (mackerig), sexistisch, autoritär oder antisemitisch wahr genommen. All diese Punkte lehnen wir gänzlich ab und nehmen diese nicht als fortschrittlich und emanzipatorisch wahr, sondern als festgefahrene Ideologie die wir nicht für erstrebenswert halten. Denn oft wird dort die Ideologie des Maoismus-Leninismus verfolgt.
Auch wir sehen den Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaft als einen Klassenkampf an. Die Aufteilung in Proletariat und Bourgeoisie wie es nach Marx getan wurde ist für uns heute überholt. Die heutige Gesellschaft ist zu vielschichtig.

Wieso ist nun auch noch eine Palästina Fahne blöd?
Der einfachste Grund ist, dass Nationalfahnen auf Demos für uns nichts zu suchen haben. Wir lehnen jeden Nationalismus und jede Hierarchie ab. Hierbei müssen wir erwähnen, dass wir auch afghanische Fahnen auf der zweiten Demo wahrgenommen haben. An dieser Stelle halten wir einen Widerspruch angesichts der Lage in Afghanistan aus. Auch afghanische Menschen können sich so auf sogenannten "linken" Demos einen Raum erkämpfen, da sich sonst fast niemensch für sie interessiert.
In der Regel steht eine Palästina-Fahne auf politschen Veranstaltungen nicht für sozial-revolutionäre Bewegungen, die für die Freiheit und den Frieden in der Region stehen. Stattdessen repräsentiert diese Fahne antisemitische, antiisraelische Bewegungen die oft den Positionen der Terrororganistaion Hamas nahe stehen. Diese ist dafür bekannt Israel und alle Jüd*innen vernichten zu wollen und immer wieder, wie zuletzt im Mai, Isreal mit Raketen zu beschießen.
Auch wenn es schwierig ist, ähnlich wie jetzt in Afghanistan, würden wir uns über eine revolutionäre Bewegung innerhalb der palästinensischen Communities freuen. Eine Bewegung welche nicht den (jüdischen) Schutzraum Israel oder Jüd*innen als Feinde sieht, sondern sich gegen den religiösen Fanatismus und Nationalismus islamistischer Terroristen stellt. Leider ist so eine Bewegung nicht präsent. Auch in diesem Fall hätten wir starke Kritik am Festhalten nationalistischer Symboliken.
Young Struggle, SDAJ oder Migrantifa Gruppen haben ähnliche Probleme. Immer wieder fallen diese Gruppen durch "pro-palästina" (nationalistische) und antisemitische, antiisraelische Parolen auf. An dieser Stelle finden wir es wichtig, Probleme bei migrantisch geprägten Strukturen anzusprechen. Denn wir haben das Gefühl, dass andere weiß-sozialisierte Menschen aus Angst vor Rassismus-Vorwürfen vor Kritik an dieser Stelle zurückschrecken.

Zusätzlich möchten wir auch nochmal auf Extinction Rebellion (XR) aufmerksam machen. Die Struktur ist in den letzen Jahren durch verschiedene, teils antisemitische, Aktionen und Zusammenarbeit mit den Cops, sowie das leichtfertige Aussetzen von Aktivist*innen in Repression aufgefallen. Dadurch haben sich die XR-Strukturen unserer Meinung nach ihre Daseinsberechtigung kaputt gemacht. Unsere Kritik gilt der XR-Struktur, nicht jedoch allen dort organisierten Menschen. Wir würden uns freuen, wenn ihr euch selbst organisiert ;-)

Für uns ist eine Zusammenarbeit mit all diesen Gruppen keine Option. Wir verstehen es nicht wie es für viele sich als "linksradikal" verstehende Gruppen vertretbar ist, mit solchen Menschen zusammen zu arbeiten oder zusammen zu demonstrieren.

Es braucht einen Wandel in der sogenannten "linken Szene"! Es braucht einen neuen aktuellen Diskurs über Problematiken, die mit Sexismus, Hierarchien, "weiß-sein" und vielem mehr weit über den angesprochenen Antisemitismus hinausgeht.
Jahrelang wurden die Bedürfnisse von marginalisierten Gruppen nur im Kleinen behandelt und der Anschluss an diese Gruppen verpasst. Es wurden zu häufig Kämpfe für Betroffene aber nicht mit ihnen geführt.

Wir haben die Schnauze voll von der mangelnden Entwicklung dieser Bewegung. Wir brauchen dringend eine große stabile Bewegung die ALLE mitnimmt und offensiv gegen den Klimawandel, soziale Probleme und jede faschistische Organisierung handelt. Latschdemos und Kundgebungen kratzen nur an der Oberfläche oder werden durch Repression zerschlagen. Wir müssen uns wehren und mehr autonome Zonen schaffen!

Anarchist*innen aus dem Ruhrgebiet im August 2021

"Das gute ist, daß die Anarchisten überall anfangen eigene Schwächen und Fehler zu erkennen und öffentlich zu erörtern. Das bedeutet die unzertörbare Lebenskraft des Anarchismus." - Bart de Light (1922)

Anmerkungen zum Text:
1) Wir haben uns dazu entschieden, die Wörter "Kommunisten" sowie "Terroristen" nicht zu gendern. Das liegt daran, dass wir diese als patriarchale und hierarchische Strukturen/Gruppen wahrnehmen.
2) Wenn wir den Begriff "antiisraelisch" als Kritik benutzen, möchten wir uns dabei nicht positiv auf den Staat Israel beziehen. Auch wir haben viel Kritik am Staat Israel, erkennen den (jüdischen) Schutzraum den er bietet aber an. Damit in der Region Israel eine staatenlose Gesellschaft kreiert werden kann, muss erst Antisemitismus zerschlagen werden.
3) Wir, als weiß sozialisierte Menschen, versuchen mit unseren Privilegien kritisch umzugehen. Wir halten es für wichtig einander zu kritisieren. Oft sehen wir aber, dass weiß sozialisierte Menschen in der sogenannten "linken Szene" nicht kritisch gegenüber von Rassismus betroffenen Menschen sind. Wir denken, dass dort eine Angst vor Rassismusvorwürfen besteht.

Disclaimer: Wir sprechen nur als Einzelpersonen und nicht für eine Gruppe oder anarchistische Strömung in unserer Region. Wir wissen, das nicht alles was wir sagen korrekt ist oder passend formuliert ist, aber wir sehen die Dringlichkeit eines Diskurses und hatten ein großes Bedürfnis unsere Meinung zu sagen.
Ihr wollt mit uns in Kontakt treten oder Kritik äußern? Schreibt uns: a-kritik@riseup.net

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