Politische Lage in der Türkei und in Europa – Über den steigenden Einfluss der faschistischen MHP auf den türkischen Staat

Wir als europäische Antifaschist_Innen stellen uns Faschisten häufig noch als Europäer mit Glatze und Springerstiefel oder wahlweise auch mit Anzug und Aktenkoffer vor. Doch eine der größten faschistischen Strukturen in Deutschland und Europa sind die Strukturen der türkischen Faschisten. Sie sind die Fußsoldaten des türkischen Diktators Erdogan und seiner Regierung. Sie treiben auch hier in Europa die nationalistische Agenda weiter voran und auch der Rückhalt für Erdogan unter türkisch-stämmigen Menschen in Europa ist auf ihre jahrzehntelange Arbeit zurück zu führen. Das macht sie zu einer reaktionären Kraft, der wir uns stellen müssen und die verstärkt auf die Agenda antifaschistischer Interventionen gesetzt werden muss.

Die MHP vergrößert ihren Einfluss im türkischen Staat immer weiter. Sie setzt sich für Repression gegen fortschrittliche und linke Kräfte ein und bringt ihre Verbindungen mit der organisierten Kriminalität und Geheimdiensten immer weiter in den politischen Alltag der Türkei ein.

 

Sie verfolgt eine extrem nationalistische, frauenfeindliche und autoritäre Agenda.
Auch in Europa verstärken die türkischen Faschisten ihren Einfluss immer weiter, sind Teil geheimdienstlicher Strukturen, verfolgen und bedrohen linke Oppositionelle auch hier.

Zur Geschichte der MHP

Die Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi, kurz MHP) ist ein Produkt des Kalten Krieges. Sie wurde 1969 von einem ehemaligen Offizier namens Alparslan Türkes gegründet – er war Oberst in einer Spezialeinheit, in den USA ausgebildet und hatte wahrscheinlich enge Verbindungen zum amerikanischen Geheimdienst, der CIA. Die Mission der MHP war es, die türkische Linke zu bekämpfen, die damals in den 60er und 70er Jahren erstarkte. Die MHP war im Grunde eine faschistische Kampftruppe, die linke Studenten, Hochschullehrer und Gewerkschafter tötete.
Die MHP ist 1969 aus der Republikanische Bauern-Volkspartei hervorgegangen. Beteiligt an der Gründung waren vor Allem Offiziere, welche beim Miltärputsch 1960 eine entscheidende Rolle gespielt hatten.
Allen voran war Alparslan Türkes, welcher sich nach dem Militärputsch dagegen stellte den Staatsapparat wieder an eine gewählte Regierung zurückzugeben und deshalb vom Kreis der Offiziere, welche den Putsch ausgeführt hatten ins Exil gezwungen wurde. 1963 kehrte er zurück und gründete mit nationalistischen Kräften gemeinsam 1969 die MHP.
Die Jugendorganisation der MHP, bekannt als „graue Wölfe“, erwies sich als kampforganisation auf der Straße. Ihr Symbol ist ein heulender Wolf mit den drei umgedrehten Halbmonden der Kriegsflagge des osmanischen Reichs.
Sie verübten zahlreiche Morde und Anschläge auf linke Organisationen und religiöse und ethnische Minderheiten, durchsetzten den Sicherheitsapparat und beteiligten sich als Soldaten an Militäroperationen.
Die MHP war dabei Teil von Strukturen von Faschisten, Geheimdienstlern und Teilen der organisierten Kriminalität, die in der Türkei als „der tiefe Staat“ bekannt sind.
Alparslan Türkes, der bekennender Verehrer Hitlers war, besetzte in den 70er Jahren mehrfach Ministerposten und war stellvertretender Ministerpräsident der Türkei.
Die MHP nahm für die NATO in den 70er Jahren die Rolle der Frontkämpfer gegen die erstarkende linke Revolutionäre Bewegung ein. Sie wurde auch aus Deutschland unterstützt, so gab es mehrere Treffen zwischen dem Ex-Nazi und bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß. Der die MHP und ihre Vereine in Deutschland mehrfach lobte und sie explizit einlud Arbeiten in Deutschland zu führen.
In den 90er Jahren versuchte die MHP sich scheinbar von ihrer Vergangenheit als Partei des Straßenkampfes zu lösen um weniger angreifbar zu sein. In den Auseinandersetzungen darum spaltete sich ein radikaler Teil der Partei ab und gründete später die BBP (Die große Einheitspartei).
Als Türkes 1997 starb übernahm Devlet Bahçeli seine Position als Führer der MHP.
In der nationalistischen Stimmung in der Türkei 1999, die durch die Verschleppung Abdullah Öcalans ausgelöst wurde, forderte die MHP mehrfach die Todesstrafe für den Sprecher der kurdischen Freiheitsbewegung.
Aufgrund von Zugeständnissen für die Beitrittsverhandlungen in die EU wurde die Todesstrafe damals ausgesetzt und später offiziell abgeschafft.

Ideologie der MHP

Die Ideologie der türkischen Faschisten stützt sich größtenteils auf den sogenannten „Turanismus“ der jungtürkischen Bewegung. Dies ist die Vorstellung von einem türkischen Großreich, welches große Teile des nahen Ostens, dem Balkan und Asiens umfassen soll.
Es wird die Ansicht vertreten, dass das Türkentum eine anderen Völkern überlegene Gruppierung ist, die Zugehörigkeit dazu wird in der Bewegung jedoch unterschiedlich ausgelegt und reicht von dem Bekenntnis zum Türkentum bis zu rassistischen Positionen.
Ethnische und religiöse Minderheiten in der Türkei werden als minderwertig gesehen und verfolgt.
Die Angehörigen des türkischen Faschismus bezeichnen sich selbst als „Idealisten“ oder „Ülkücü-Bewegung“.
Die türkischen Faschismus sind einem streng nationalistischen Etatismus verbunden und halten die Staatsgewalt eines starken türkischen Staates für die überlegene Organisationsform der Gesellschaft.
Offiziell leugnet die „Idealisten-Bewegung“ den Völkermord an den Armeniern, während sich immer wieder Repräsentanten von ihnen dazu äußerten, dass das was den Armenieren passiert ist gerechtfertigt war und für die Überlegenheit des türkischen Volkes „alle Feinde des Türkentums“ vernichtet werden müssen.
Gegen jede Bestrebungen des kurdischen Volkes auf Anerkennung und Unabhängigkeit reagieren die türkischen Faschismus mit Gewalt und mörderischer Repression.
Die Existenz einer kurdischen Kultur wird in vielen türkisch-nationalistischen kreisen vollends abgestritten oder verteufelt.
Sozialistischen und linksgerichteten Ideologien stehen sie feindlich gegenüber.
Außerdem wird ein starker sexistischer Chauvinismus vertreten. Frauen werden als minderwertig begriffen und die Partei und die Bewegung ging wiederholt gegen feministische Bewegungen und Bestrebungen vor. Mitglieder der grauen Wölfe wurden in der Vergangenheit häufiger für Morde an Frauen verurteilt, so zum Beispiel der türkische Mafiaboss Alaattin Cakici, der für den Mord an seiner Ehefrau verurteilt wurde.

„Volksallianz“ mit der AKP

Als 2016 AKP die absolute Mehrheit verlor schloss sie sich in der sogenannten „Volksallianz“ mit der MHP zusammen, seitdem treibt sie ihre faschistische und nationalistische Ideologie immer weiter voran und setzt sie in der Regierung um.
Die BBP wollte sich dem Bündnis anschließen, was von der MHP abgelehnt wurde, deshalb bot die AKP den Abgeordneten an über ihre Wahllisten ins Parlament gewählt zu werden.
Diese Taktik wenden auch immer wieder Abgeordnete der MHP an. Das ist ein weiteres Zeichen für die Verschmelzung der AKP mit den faschistischen Kräften in der Türkei.
Nach dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 sprach sie sich beim Referendum im April 2016 für eine Verfassungsänderung aus und damit zur Überführung der Türkei in ein Präsidialsystem.
Nach den Verhaftungswellen im Zuge des Militärputsches ist zu beobachten, dass die MHP und ihre Verbündeten die Rolle der Gülen-Bewegung als Bündnispartner Erdogans einnehmen. 150.000 Staatsbedienstete wurden entlassen und werden zunehmend mit Personen besetzt, die von der MHP vorgeschlagen werden oder aus ihren Reihen stammen.

Verstärktes Vorgehen gegen die kurdische Bewegung


Die Faschisten festigen ihre Macht im türkischen Staat immer weiter. Innenpolitisch ist das Ergebnis die konsequente Repression gegen die kurdische Bewegung in der Türkei. Mehr als 15.000 Anhänger der kurdischen partei HDP sind in den vergangenen fünf Jahren festgenommen worden, und die Verhaftungswelle rollt weiter.
Parlamentsabgeordneten wurde ihre Immunität abgesprochen, sie wurden eingesperrt; in den HDP-regierten Kommunen wurden die gewählten Bürgermeister durch Zwangsverwalter aus Ankara ersetzt.
Das jüngst angestrebte Verbotsverfahren gegen die HDP und die Verfolgung von zivil-gesellschaftlichen Organisationen, die sich gegen die autoritäre Formierung einsetzen, wird ebenfalls durch die MHP vorangetrieben.
Die Einstufung der YPG als Terrororganisation und das Vorgehen gegen die  HDP erfolgte auf zunehmenden Druck durch die nationalistische Partei.
Die MHP forderte mehrfach die Wiedereinführung der Todesstrafe und übte mit ihrer Anhängerschaft öffentlichen Druck aus, um das Thema auf die Regierungsagenda zu bringen.
Erdogan äußerte sich anschließend, dass er durch ein Referendum die Wiedereinführung voran treiben würde, „wenn es sich dabei um den Willen des Volkes handele“.

Verbindungen der MHP in die organisierte Kriminalität und den „tiefen Staat“

Auch die Verbindungen des Staates mit der organisierten Kriminalität und den Strukturen des tiefen Staates werden seit Regierungsbeteiligung der MHP immer weiter ausgebaut.
Noch während des Wahlkampfs hatte der MHP-Chef den inhaftierten und inzwischen erkrankten Mafiaboss Alaattin Cakici in einer Klinik im zentralanatolischen Karikkale demonstrativ besucht und für dessen „Dienst an der Nation und am Land“ öffentlich gelobt. Mehrfach forderte er Erdogan und die AKP auf, eine Amnestie für Cakici und andere Größen des Organisierten Verbrechens zu verfügen. Er fragte: „Wie gerecht ist es zuzulassen, dass unsere Brüder … im Gefängnis verrotten?“. Ein gemeinsames Foto der beiden wurde über den offiziellen Twitter-Account der MHP geteilt.
Der 65-jährige Mafiaboss Cakici wird in den Kreisen der „Grauen Wölfe“ als Held geheimer Mordkommandos im Auftrag des türkischen Staates gegen Aleviten, Kurden und Linke verehrt. Er verbüßt seit 2004 eine jahrzehntelange Freiheitsstrafe unter anderem wegen Mordes an seiner ersten Ehefrau.
Er wurde auf Druck der AKP unter dem Vorwand der Corona-Krise freigelassen, während Oppositionelle nach wie vor in den Kerkern des Regimes sitzen müssen. Praktisch alle größeren Drogengeschäfte in der Türkei werden mit den Grauen Wölfen in Verbindung gebracht.
So wurde Veysel Filiz im Dezember 2020 bei der Einreise nach Belgien mit mehreren hundert Gramm Heroin erwischt. Veysel Filiz hatte jahrelang Lobbyarbeit für das Erdoğan-Regime in Europa geleistet und trat in AKP/MHP-Kanälen immer wieder als „Außenpolitikexperte“ auf. 2014 wurde er vom türkischen Regimechef Recep Tayyip Erdoğan (AKP) selbst zum Presseverantwortlichen der türkischen Botschaft in Brüssel ernannt. 2017 stellte die belgische Polizei fest, dass Filiz von Fakeaccounts aus in Europa lebende Oppositionelle bedrohte. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und er wurde zur Aussage vorgeladen. Dies führte zu einer politischen Krise zwischen Ankara und Brüssel. Filiz wurde zur „unerwünschten Person“ in Belgien erklärt und er zog sich in die Türkei zurück. Auch nach seiner Rückkehr in die Türkei unterbrach er seine Kontakte nach Europa nicht und organisierte insbesondere die AKP/MHP-nahe Nationalistenszene in Europa. Filiz hatte auch engste Verbindungen in die Drogenmafia. Offensichtlich schmuggelte er systematisch Heroin nach Europa. Am 9. Dezember wurde der türkische Agent an der bulgarischen Grenze durch einen Zufall mit hundert Kilogramm Heroin im Wert von fünf Millionen Euro erwischt. Der Vorgang kam erst jetzt ans Licht, da alles daran gesetzt wurde, das Ereignis vor der Öffentlichkeit zu verschweigen. Die türkischen Behörden verhängten sofort eine Geheimhaltungsverfügung und statt der bei ähnlichen Drogenfunden verbreiteten Erfolgsmeldung herrschte eisernes Schweigen bei der türkischen Zollbehörde.
Die Grauen Wölfe und der türkische Faschismus im Allgemeinen haben eine historische Verbindung zur organisierten Kriminalität. Seit den 70er Jahren ist der Drogenschmuggel der unterschiedlichen türkischen Regime nach Europa immer wieder gut dokumentiert worden. Insbesondere die extralegalen Tätigkeit von Faschisten und Agentennetzwerken werden häufig aus Drogengeldern finanziert.

Der neue Vorsitzende der AKP Lobbyorganisation in Europa, ein bekennender grauer Wolf

Unter dem Namen "Union Internationaler Demokraten" (UID) tritt in Deutschland eine Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP auf. Der im Januar neu gewählte UID-Vorsitzende Köksal Kuş gab sich bis dato keine Mühe, zu verbergen, dass er ideologisch der MHP und den grauen Wölfen verbunden ist.
Er war mehrere Jahre lang aktives Mitglied der „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.“, einem Sammelbecken für Organisationen und Gruppen der Grauen Wölfe. Seit 1979 lebt er in Deutschland, wie es heißt, weil er durch seine Beteiligung an der faschistischen Ülkücu-Bewegung „Bekanntschaft mit der Politik“ gemacht hat. Ende der 70er Jahre gab es viele Angriffe auf, politische Morde und Massaker an Linken, Alevit*innen, Gewerkschafter*innen und allen anderen, die nicht ins Weltbild der Faschisten passten. Viele der damaligen Täter flohen nach Deutschland, so wie auch nach dem Massaker in Sivas 1993, bei dem 34 alevitische Künstler*innen und Intellektuelle ermordet wurden. Die Übergriffe gingen auch in Deutschland weiter, wie der Mord am türkischen Kommunisten Celalattin Kesim durch graue Wölfe 1980 in Berlin zeigte.
Mit der Wahl von Kus zum Vorsitzenden der UID setzt sich eine Tendenz fort, die sich seit einiger Zeit innerhalb der AKP-MHP-Koalition abzeichnete. Wie verschiedene türkische und kurdische Medien berichten, nehmen Personen des organisierten Verbrechens immer mehr politische Machtpositionen an. Viele Mafiosi wurden erst vor kurzem durch eine von Erdogan erlassene Amnestie aus den Gefängnissen entlassen. Unnötig zu erwähnen, dass im Rahmen der Amnestie keinerlei linke oder kurdische Gefangene freigelassen wurden.

Verbindung türkischer Faschisten zu offiziellen Stellen und Parteien in Europa

Bereits 1978 unterstützten Franz-Josef Strauß und der damalige Türkei-Beauftragte des Bundesnachrichtendienstes Alparslan Türkes beim Aufbau der ADÜTDF in Frankfurt am Main. Später äußerte sich Bahceli als Vorsitzender der MHP vor Anhängern der grauen Wölfe in Deutschland, dass Mitglieder der Bewegung sich in deutschen Parteien einbringen sollen, „um die Interessen der Türkei“ in Deutschland zu vertreten.
Diesem Aufruf sind einige Anhänger der „Idealisten Vereine“ gefolgt. In verschiedenen lokalen Verbänden der CDU befinden sich aktive graue Wölfe in Stadtratspositionen oder in lokalen Parlamenten. In Mühlheim an der Ruhr wird der jahrelang in der CDU aktive Sevket Avci den grauen Wölfen zugerechnet. MHP Politiker sprechen im türkischen Staatsfernsehen Wahlempfehlungen für Avci aus. Der CDU Poltiker stellt auch ein Grundstück für den lokalen Verein der Ülkücü-Bewegung zur Verfügung.
Über den „Zentralrat der Muslime“, in dem auch ATIB vertreten ist werden ebenfalls die Interessen der grauen Wölfe in hohe Kreise der deutschen Politik getragen.
Obwohl immer wieder warnend über den Einfluss des AKP-MHP Regimes in Deutschland gesprochen wird unterhalten offizielle Kreise weiter Kontakten zu bekannten Lobbyisten des türkischen Regimes.
In Straßburg unterstützten die französischen Grünen aktuell den islamistisch-nationalistisch ausgerichteten Verband „Milli Görüs“ beim Bau „der größten Moschee Europas“. Das Projekt wird von den lokalen Grünen mit 2 Millionen € ausgestattet.
Der Verband Milli Görüs steht der türkischen Kleinstpartei Saadet nahe, die ideologisch der Ülkücü-Bewegung zugeordnet werden kann. Sie vertritt eine türkisch-nationalistische Ideologie, mit einem sehr konservativ-islamischen Einschlag. Organisatorisch gehört sie nicht zu den MHP Strukturen, doch vertritt eine ähnliche Agenda und unterstützt Erdogan.

Die Morde von Paris und die Beteiligung der grauen Wölfe

Die drei kurdischen Revolutionärinnen Fidan Doğan, Sakine Cansiz und Leyla Şaylemez sind im Januar 2013 vom türkischen Geheimdienst MIT erschossen worden, der Prozess gegen den Attentäter wurde eingestellt, nachdem der Angeklagte kurz vor Prozessbeginn unter zweifelhaften Umständen in Haft verstorben ist. Der Attentäter hatte jahrelang in Deutschland gelebt und sich in Strukturen der faschistischen grauen Wölfe bewegt. Er war als V-Mann des türkischen Geheimdienstes angeworben worden und hat sich jahrelang in kurdische Strukturen in Paris eingeschlichen und die Nähe zu den AktivistInnen gesucht.
Die Ermittlungen der französischen Behörden hatten aufgedeckt, dass es sich bei dem Attentäter Ömer Güney um einen türkischen Faschisten handelt und er Verbindungen zum MIT hatte.
Nach der Verhaftung von mehreren hohen Offizieren des türkischen Geheimdienstes durch eine Aktion der HPG in Südkurdistan sagten diese aus, dass die Mord durch den Geheimdienst geplant wurde und höchste Regierungskreise sie geplant hatten.
Anfang 2021 gab ein AKP/MHP-Lobbyist im türkischen Fernsehen zu, dass die Aktion durch die Strukturen des türkischen Staates befohlen worden. Er sprach davon, dass der Staat Mordanschläge auf führende revolutionäre Persönlichkeiten der kurdischen Bewegung in Europa in der Vergangenheit begangen hätte und sprach sich dafür aus dies wieder zu tun.
Dieser Vorgang zeigt erneut, dass türkische Faschisten und der türkische Geheimdienst eine enge Verbindung haben und zusammen arbeiten.

Strukturen, Vereine und Aktivitäten der grauen Wölfe in Deutschland und Europa

In Deutschland sind die Grauen Wölfe in drei Vereinen organisiert. Der größte dieser Vereine ist die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF), ursprünglich gegründet als Türk Federation. Sie ist direkt mit der MHP verknüpft und pflegt unter anderem Kontakte mit deutschen Offiziellen. Der Hauptsitz der ADÜTDF ist in Frankfurt am Main, insgesamt verfügt sie über mehr als 200 Vereine und Untergruppierungen in Deutschland. Mutmaßlich sind über 10.000 Personen in diesen Vereinen organisiert.
 Während den freundschaftlichen Treffen von Arpaslan Türkes und Franz-Josef Strauß in den 70er Jahren hatte der CSU Politiker die Türk Federation nach Deutschland eingeladen und sie für ihre Aktivitäten gelobt, außerdem hat er sie gegen den Vorwurf des Faschismus verteidigt und sich für sie ausgesprochen.
In den 80er Jahren spaltete sich ein Teil der ADÜTDF ab und gründete den Verband „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ ATIB (Avrupa Türk-İslam Birliği). Die Spaltung geschah aufgrund von Forderungen einer größeren Unabhängigkeit von der MHP. ATIB hat ihren Hauptsitz in Köln und verfügt deutschlandweit über circa 20 Vereine. Außerdem ist ATIB Mitglied im Zentralrat der Muslime eines konservativen Islamverbandes in Deutschland.
Nach der Abspaltung der BBP von der MHP gründete sich in Deutschland der Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB), der der BBP nahe steht.
Häufig sind Vereine der Ülkücü-Bewegung als „Deutsch-Türkische Freundschaftsvereine“ getarnt, außerdem gibt es diejenigen, die offen nach außen auftreten und ATIB, ATB oder der Türk Federasyon angehören.
Auch wenn es unterschiedliche Dachverbände gibt, so eint die Verbände die faschistisch, türkisch-nationalistische Einstellung und die Ablehnung von fortschrittlichen linksgerichteten Kräften. Sie wünschen sich ein Großtürkisches Reich und arbeiten in ihren Strukturen darauf hin diese Interessen in den Regionen in denen sie leben zu verfolgen. Unter anderem durch die Verfolgung türkischer Oppositioneller, der kurdischen Bevölkerung oder anderen linksgerichteten Kräften.
In der Vergangenheit nahmen Vertreter der grauen Wölfen auch an der sogenannten „Demo für Alle“ in Wiesbaden teil, die sich gegen die Rechte von LGBTIQs und für ein konservatives, reaktionäres Frauenbild einsetzte.
Es gibt auch einen regen Austausch zwischen DITIB, dem, durch die türkische Religionsbehörde gesteuerten, türkischen Islam Verband in Deutschland und den verschiedenen Vereinigungen, die der „Ülkücü“-Bewegung zugerechnet werden können. So zum Beispiel in Kassel, wo zu gemeinsamen Veranstaltungen eingeladen wird.
Auch dies ist ein Indiz für die enge Zusammenarbeit von AKP und MHP-Strukturen, auch in Deutschland.

 

Einige Beispiele für Aktivitäten und Angriffe durch türkische Faschisten in Deutschland und Europa:

 

Während einer faschistischen Demonstration im Jahre 2015 in Frankfurt am Main, die den Krieg des türkischen Staates gegen kurdische Städte befürwortete kam es zu einem Angriff von grauen Wölfen auf eine antifaschistische Blockade. Der Angriff konnte durch entschlossene Gegenwehr zurückgeschlagen werden, mindestens ein Faschist wurde dabei verletzt.
Am 10.04.21 kam es im Zuge des Aktionstages gegen den türkischen Faschismus in Hamburg zu Bedrohungen durch türkische Faschisten, die den Wolfsgruß zeigten und mit gezogenem Messer neben der antifaschistischen Demonstration standen.
In Wien Favoriten kam es im Juni 2020 zu mehreren Angriffen türkischer Nationalisten auf das linke Zentrum „Ernst-Kirchweger-Haus“ (EKH). Im EKH wird durch österreichische antifaschistische Organisationen, sowie kurdische und türkische linke Organisationen gemeinsam genutzt und wurde nach einer Kundgebung aufgrund von Angriffen in Rojava erstmals Anfang Juni 2020 angegriffen. In den Tagen danach gab es mehrfach Attacken türkischer Faschisten auf das EKH unter anderem mit Molotow-Cocktails und Eisenstangen. Es kam zu mehreren großen Demonstrationen, bei denen internationalistische, kurdische und türkische Linke zusammen gegen die faschistischen Angriffe Position bezogen. Angriffe auf eine dieser Demonstrationen konnten zurückgeschlagen werden.
Im September 2020 kam es zu einem Brandanschlag auf das EKH, der von den Anwesenden gelöscht werden konnte und keine großen Schäden hinterließ, auch dieser Angriff wird den grauen Wölfen zugerechnet.
Im Nachhinein wurde aufgedeckt, dass die Angriffe durch Kontakt Leute des türkischen Geheimdienstes MIT und den Strukturen der türkischen Faschisten in Österreich organisiert wurden.
Die grauen Wölfe haben in Österreich einen Dachverband die ATF, die „Türkische Föderation in Österreich (Avusturya Türk Federasyon)„. Sie verfügen über Vereinslokale, vor allem in Wien.

In Frankreich treten die grauen Wölfe vermehrt sehr militant auf und verüben Anschläge und Angriffe auf Armenier*Innen und kurdische Vereine. Kurz vor dem Betätigungsverbot der Organisation in Frankreich war in Décines-Charpieu eine Gedenkstätte für die Opfer des Genozids an den Armenierinnen und Armeniern 1915 mit pro-türkischen Parolen beschmiert worden. Neben „RTE“, den Initialen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, stand auch „Loup Gris“, die französische Bezeichnung für die Grauen Wölfe, an dem Gebäude. Außerdem wurden in Lyon Armenier*Innen von einem Mob der grauen Wölfe durch die Stadt gejagt.
Am 3. April kam es in Lyon zu einem Angriff der grauen Wölfe auf das dortige kurdische Kulturzentrum. Circa 20 vermummte und mit Baseballschlägern bewaffnetet Personen stürmten das Zentrum und verletzten die anwesenden Personen teilweise schwer.
Als Antwort antifaschistischer Kräfte gab es eine internationalistische Solidaritätsdemonstration, welche durch Lyon zog und die Angriffe beantwortete. Nach Provokationen türkischer Faschisten kam es zu einer Auseinandersetzung, nach der die Polizei die Demonstration angriff, welche sich kurze Zeit später wieder formierte.
Trotz dem Verbot der grauen Wölfe in Österreich und Frankreich sind ihre Netzwerke dort weiterhin aktiv und organisieren weiterhin Angriffe auf antifaschistische Kräfte und ethnische und religiöse Minderheiten, die nicht in ihr faschistisch nationalistisches Weltbild passen.
Die Antwort darauf müssen wie in Wien und jüngst in Lyon breite, gemeinsame Aktionen von kurdischen, türkischen und nationalsozialistischen Zusammenhängen sein, die Angriffe des langen Arms des türkischen Faschismus dürfen nicht unbeantwortet bleiben.

 

Türkische Faschisten aus der Deckung holen!

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass die faschistische MHP einen immer größeren Einfluss auf den türkischen Staat haben und ihre politische Agenda darin umgesetzt wird. Auch die wachsenden Verbindungen zwischen Geheimdiensten, organisierter Kriminalität und staatlichen Stellen sowie die Repression gegen alle linken und fortschrittlichen Kräfte sind auf den Einfluss der MHP in der Regierung zurück zu führen.
Die Angriffe durch ihre Strukturen in Europa zeigen, dass der türkische Staat seinen Fußtruppen immer größere Freiheiten gibt um seine Gegner auf der ganzen Welt zu verfolgen, ob mit geheimdienstlichen Mitteln oder durch die Straßengewalt der grauen Wölfe.
Die faschistische Gefahr in Europa geht, wie die Strukturen der türkischen Faschisten zeigen, nicht nur durch die rechten Bewegungen der jeweiligen Ländern aus, sondern auch von den transnational agierenden türkischen Faschisten.

 

Die Antwort darauf muss eine internationalistische antifaschistische Offensive sein, die die faschistischen Strukturen benennt und bekämpft!

Antifaschismus international denken! Faschisten bekämpfen!

 

 

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Ergänzungen

Ein Instrument in Erdogans Werkzeugkasten: Die Grauen Wölfe reden von einer türkischen Herrenrasse und wollen in der deutschen Politik Fuss fassen

Manche von ihnen bedrohen Kurden und Armenier, andere geben sich zahm und werden Mitglied in deutschen Parteien. In der Bundesrepublik stellen türkische Nationalisten eines der grössten rechtsextremen Milieus dar, wie eine neue Studie zeigt.