Personalienfeststellung durch Sicherheitsfirma bei Corona-Kontrollen

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Die Stadt Ostbevern/ NRW hat einen privaten Sicherheitsdienst mit Corona-Kontrollen im öffentlichen Raum beauftragt. Dabei agiert die beauftragte Sicherheitsfirma heimlich und nötigt Personen zur Herausgabe ihrer Personalien – ohne Rechtsgrundlage und Eingriffsbefugnis.

Das Ziel dieser rechtswidrigen Praxis ist die Versendung saftiger Bußgeldbescheide an die Bürgerinnen und Bürger; diese Amtsanmaßung des privaten Sicherheitsdienst wird von der Stadtverwaltung Ostbevern gedeckt und verteidigt.

Zurecht muss man sich fragen, wo hier der Einspruch der zuständigen Kommunalaufsicht bleibt: Das staatliche Gewaltmonopol wird im Auftrag der Kommunalbehörde verletzt.

Erst im Januar '20 stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main klar, dass die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf private Dienstleister bei der derzeitigen Rechtslage (Art. 33 Abs. 4 GG) in Deutschland nicht möglich ist (Beschluss vom 3. Januar 2020, Az: 2 Ss-Owi 963/18).

Das Vorgehen des privaten Sicherheitsdienstes und des Ordnungsamtes halten wir in keiner Weise für angemessen“, sagen Tatjana und Raphael Böckenholtunisono. Die Eltern aus Ostbevern sind sauer.

Vor einigen Tagen habe ihre Tochter einen Bußgeldbescheid des Ordnungsamtes der Gemeinde Ostbevern erhalten. Über 250 Euro. „Wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Corona-Auflagen“, sagen die Eltern. Und schildern den Vorfall wie folgt: Sie habe sich mit zwei weiteren Jugendlichen zufällig getroffen. Ein privater Sicherheitsdienst, der im Auftrag des Ordnungsamts tätig sei, habe sie zu dritt angetroffen. „Die beiden Damen der Security saßen wohl versteckt in einem Pkw und warteten darauf, dass jemand, auch unbeabsichtigt, gegen die Auflagen verstößt“, vermuten die Böckenholts. Anschließend seien die Personalien der Jugendlichen aufgenommen und diese direkt an das Ordnungsamt weitergeleitet worden. „Natürlich ohne darauf hinzuweisen, dass ein privater Sicherheitsdienst zur Aufnahme von Personalien gar nicht berechtigt ist“, sagen die Eltern.

Zweifel an der Richtigkeit des Sachverhaltes

Eine der Jugendlichen, die selber eine Maske trug, habe die Security gebeten dies auch zu tun. Dies sei jedoch abgelehnt worden. Das müsse man nicht.

Darüber hinaus haben die Böckenholts Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Security-Dienstes. So sei im Bescheid nicht einmal der „Tatort“ korrekt.

„Wir bestreiten nicht die Notwendigkeit der Corona-Auflagen“, macht die Familie ihre Einstellung deutlich. Dennoch sei es ein Unterschied, ob sich Menschen zu einer Party treffen, oder ob drei Jugendliche zusammen über die Straße gehen. „Während man zum Beispiel auf dem Wochenmarkt in Münster eine freundliche Ermahnung erhält, wird in Ostbevern bei den geringsten Verstößen knallhart ein Bußgeld verhängt. Zumindest, wenn es sich um Jugendliche handelt. Bei Nachfragen versteckt man sich in der Verwaltung dann hinter Paragrafen und tut so, als habe man keinen Ermessensspielraum. Jedes Gespräch mit dem Ordnungsamt zwecklos. Hier wiehert der Amtsschimmel“, sagt Raphael Böckenholt.

„Seit Beginn der Corona-Pandemie werden Kontrollen durch die Mitarbeiter des Ordnungsamtes und an den Wochenenden durch ein Sicherheitsunternehmen zur Einhaltung der Coronaschutzverordnung des Landes NRW durchgeführt, zuletzt auch verstärkt durch die Polizei“, sagte Bürgermeister Karl Piochowiak zu den Vorwürfen. Trotzdem seien immer wieder Verstöße gegen die Vorschriften der Verordnung festzustellen. Insbesondere das Verbot des Zusammentreffens von Personen aus mehreren als den zulässigen Hausständen im öffentlichen Raum sei dabei häufig auch von Jugendlichen missachtet worden.

Das Land NRW hat mit dem Erlass der Schutzvorschriften den örtlichen Ordnungsbehörden mitgeteilt, dass Verstöße gegen die Ge- und Verbote konsequent und energisch zu ahnden seien, so der Bürgermeister weiter. Um die aus Gründen des Infektionsschutzes dringend erforderliche verhaltenslenkende Wirkung der Coronaschutzverordnung tatsächlich zu erreichen und nachhaltig abzusichern, sei diese konsequente Vorgehensweise dringend geboten.

Bußgeldkatalog lässt keinen Ermessensspielraum

Zur Ahndung von Verstößen habe das Land einen Bußgeldkatalog erlassen, der keinen Ermessensspielraum biete, heißt es aus dem Rathaus. Juristisch sei das auch alles in Ordnung, geben die Böckenholts unumwunden zu. Dennoch geben sie zu bedenken: „Seit Wochen sitzen die Kinder im Lockdown und im Homeschooling. Kein Sport, keine Veranstaltungen, sie dürfen keine Freunde treffen, nichts. Viele Eltern sind von Kurzarbeit betroffen, haben jetzt weit weniger Geld zur Verfügung und fühlen sich durch die Bußgelder zusätzlich drangsaliert.“ Deswegen haben die Böckenholts und andere Familien Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt.

Siehe auch: Corona-Virus: Private Sicherheitsdienste sollen Versammlungen auflösen | de.indymedia.org https://de.indymedia.org/node/72936

 

 

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Ergänzungen

In diesem Zusammenhang sei an einen älteren Artikel zur Citystreife in Coesfeld erinnert. In NRW gibt es wohl diesbezüglich ein gravierendes Problem, weil die Kommunalaufsicht untätig bleibt.

https://de.indymedia.org/node/25193

"Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns", so das OLG. Zu "Bußgeldkatalog lässt keinen Ermessensspielraum": Im deutschen Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) gilt das "Opportunitätsprinzip"! Eine mündliche Verwarnung/ Belehrung ist bei Verstößen nach dem OwiG ausdrücklich vorgesehen. Verwaltungsrechtlich gilt: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Wahl der Mittel. Ostbeverns Bürgermeister Karl Piochowiak redet Unsinn.

Bitte diesbezüglich Widerspruch einlegen und mit der o.a. OLG-Entscheidung begründen!