Privater Sicherheitsdienst verletzt Gewaltmonopol und bekommt Rückendeckung

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In Coesfeld/NRW ist ein privater Sicherheitsdienst (Citystreife) gegen einen Hundehalter übergriffig geworden. Eine Stadtsprecherin verteidigt das rechtswidrige Vorgehen der städtischen Citystreife mit abenteuerlichen Begründungen, welche an Recht und Gesetz völlig vorbeigehen. Dieser Fall ist auch ein Beleg dafür, dass “public private security“ (Sicherheitsfirmen im städtischen Auftrag) eine Eigendynamik entwickelt, welche häufig zu lasten von Grund- und Bürgerrechten geht.

In Coesfeld hat ein städtisch beauftragter privater Sicherheitsdienst (Citystreife) wegen eines nicht angeleinten Hundes, was lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, unmittelbaren Zwang (Festhalten) gegen einen Hundehalter angewandt und dessen Personalausweis verlangt, um die Ordnungswidrigkeit verfolgen zu können, berichtet die Allgemeine Zeitung vom 05.10.18. Eine Sprecherin der Stadt Coesfeld hat das Vorgehen des privaten Sicherheitsdienstes verteidigt und mit § 127 (1) Strafprozessordnung (StPO) gerechtfertigt.

 

Durch den sogenannten “Jedermann-Paragraphen“ werden Bürgerinnen und Bürger ermächtigt, auf frischer Tat angetroffene Verdächtige – bis zum eintreffen der Polizei – festzuhalten; die “vorläufige Festnahmen durch Jedermann“. Eine Identitätsfeststellung oder gar eine Durchsuchung eines Verdächtigen, durch Privatpersonen, verbietet das Gesetz. Dieses “allgemeine Festhalterecht“ kann jedoch nicht als Rechtsgrundlage, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch private Sicherheitsdienste, herangezogen werden. Aufgrund des § 127 (1) StPO muss die Tat strafrechtlich relevant sein. Bei Ordnungswidrigkeit findet diese Gesetzesnorm keine Anwendung.

 

Vor über 15 Jahren urteilte ein Berliner Kammergericht: Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist eine “Tätigkeit aus dem Kernbereich staatlichen Handels“. Eine Übertragung dieser Tätigkeit auf private Dienste sieht das Gesetz nicht vor. Zudem verbietet der Artikel 33 (4) Grundgesetz und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch “Private“.

 

Auch im öffentlichen, kommunalen Auftrag haben private Sicherheitsdienste keine hoheitlichen Befugnisse. Sie dürfen auch keinen körperlichen Zwang anwenden um eine Person wegen einer Ordnungswidrigkeit anzuhalten. Eine Identitätsfeststellung verbietet sich ebenfalls, weil selbst dafür die notwendige Befugnis bzw. Gesetzesnorm fehlt. Die Alternative: Im vorliegenden Fall wäre auch eine Belehrung des Hundehalters durch die Citystreife möglich gewesen.

 

Uniformen und Einsatzequipment (z,B. Schlagstock, Handschellen, Pfefferspray) mögen zwar etwas anderes vermitteln: Private Sicherheitsdienste haben nicht mehr Rechte als jeder andere Bürger auch!

 

Die Stadt Coesfeld hat nicht nur hoheitliche Aufgaben auf einen privaten Sicherheitsdienst übertragen, sondern auch - unrechtmäßiger Weise - “Pseudo-Befugnisse“. So dürften manche Bürger sehr verunsichert sein, wenn sie lesen, dass ein privater Sicherheitsdienst – im Auftrag der Stadtverwaltung – als Ordnungsamt oder gar polizeilich auftreten darf.

 

Durch die Gewaltanwendung des privaten Sicherheitsdienstes gegen den Hundehalter wird der eigentliche Auftrag an die Citystreife, die Generierung von Sicherheit im öffentlichen Raum, ad absurdum geführt - es kann nicht sein, dass sich die Coesfelder Bürgerinnen und Bürger vor dieser Citystreife fürchten müssen.

 

Im Falle des Hundehalters steht Amtsanmaßung in Tateinheit mit Nötigung im Raum, die der private Sicherheitsdienst/ die Citystreife begangen haben könnte. Die Sprecherin der Stadt Coesfeld sieht jedoch die Schuld – einseitig - bei dem Hundehalter und verteidigt die illegalen Maßnahmen der beauftragten Sicherheitsfirma mit Fantasie-Argumenten. Damit macht die Stadt Coesfeld deutlich, dass sie keine Kritik an “ihrer Citystreife“ duldet. Anstatt die Bürgerbeschwerde ernst zu nehmen und das Gespräch mit dem privaten Sicherheitsdienst zu suchen, um diesen auf geltendes Recht (begrenzte Befugnisse) hinzuweisen, geht die Stadtsprecherin gegen den Hundehalter in die Offensive – ein fatales Signal und ein bislang einmaliger Vorgang. Es entsteht der Eindruck, dass die Citystreife “Narrenfreiheit“ besitzt und die Stadt Coesfeld, als Ort, ein rechtsfreier Raum ist.

 

Durch diesen Fall wird auch deutlich, dass der Stadt Coesfeld ihre guten (geschäftlichen) Beziehungen zur beauftragten Sicherheitsfirma wichtiger sind als die Grundrechte ihrer Bürger!

 

Was die Security darf (Allgemeine Zeitung, 05.10.18)

 

https://www.azonline.de/Coesfeld/3501431-Coesfeld-Was-die-Security-darf

 

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Ergänzungen

In Bergisch Gladbach, ebenfalls NRW, existiert eine ganz ähnliche Situation wie in Coesfeld. Stadtratsmitglied, Tomas S. Santillan, hat jüngst die Praxis der örtlichen, privaten Citystreife (B.Q Security) öffentlich kritisiert: Er spricht offen vom Straftatbestand der Amtsanmaßung, welche die Sicherheitsfirma im städtischen Auftrag begeht:

 

https://in-gl.de/2018/09/17/stadt-bergisch-gladbach-verteidigt-privaten-sicherheitsdienst/

 

https://www.santillan.de/2018/09/18/widersprüche-und-täuschungen/

 

 

 

Fazit: Im Bundesland NRW sind wohl mindestens zwei “public private security“-Modelle “komplett aus dem Ruder gelaufen“ bzw. - was die Aufgaben und (Pseudo)Befugnisse der öffentlich beauftragten privaten Sicherheitsdienste anbelangt – in die Rechtswidrigkeit abgeglitten; man kann hier ganz klar von ungesetzlichen “Befugniss-Wildwuchs“ reden!

 

Wie bereits im Haupttext beschrieben lassen sich, in unserem Rechtsstaat, nicht einfach hoheitliche Aufgaben - und die dazu notwendigen hoheitlichen Befugnisse –, per Vertrag, auf eine Sicherheitsfirma übertragen. Unser Grundgesetz und das Gewaltmonopol verbieten dies.