110% Satire: Podcast der Hauptstadtpolizei

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Wir sind Carlotta, Jonathan und Florian und haben mittlerweile drei Folgen eines Podcasts für die Berliner Polizei aufgenommen: https://www.berlin.de/polizei/verschiedenes/podcast/ Dabei war uns wichtig, die Lächerlichkeit darin hervorzuheben, wenn die Gewalttäter*innen auf nett tun. Wie wir das gemacht haben, wollen wir heute an der dritten Folge des Podcasts, in der wir mit PMK-Rechts-Cops geredet haben, offen legen. In der Öffentlichkeit werden wir aus rein juristischen Gründen selbstverständlich alles abstreiten (vielleicht können wir mit dem Podcast ja sogar weiter machen). Hört aber einfach mal rein und ihr könnt euch selbst von dem Satirepotenzial des Podcasts überzeugen.

Wer sie nicht kennt: Die Beamt*innen des Staatsschutz gegen Rechtsextremismus sind unter anderem dafür bekannt, in ihrer Freizeit mit ihren Nazikumpels Flüchtlinge zu verprügeln [1], auf Hinweise über rechtsextreme Bullen zu reagieren, indem sie die Daten der Hinweisgeber*in an den rechtsextremen Bullen weiterleiten [2] und der Neuköllner Nazi-Szene seit Jahren freies Geleit zu lassen [3]. Die Beamt*innen stehen also diskursiv mächtig unter Druck.

Immer wieder waren wir deshalb überrascht, wie wenig wir die Kolleg*innen mit unseren Fragen auf die „falsche“ Fährte locken mussten. So hat Carlotta bei 4:40 zum Beispiel einfach nur gefragt, warum die Bullen sich eigentlich ausgesucht haben, Bulle zu sein. Nach einem kurz gehaltenen Statement, dass die Gesellschaft dadurch „friedlicher, sicherer, wie auch immer“ werde, kommt der antwortende Kollege schnell zum eigentlichen Punkt und spricht eine Minute lang von der beträchtlichen finanziellen Vergütung und der beruflichen Sicherheit.

Ab 8:06 schildert einer der Polizist*innen, Josef, die Erfahrungen mit Rassismus, die er mit seinem Migrationshintergrund am eigenen Leib erfahren musste. Selbst in seiner Rolle als Polizist ist er vor dem Alltagsrassismus der Deutschen nicht sicher. Hier findet sich also dann doch eine wirklich aufrichtige Motivation, beim Staatsschutz gegen Rechts beruflich tätig zu sein. Doch als wolle sein Kollege Daniel die Unfähigkeit des LKA im sensiblen Umgang mit Rassismus demonstrieren, greift er das Thema prompt auf. Nicht etwa das Thema „Rassismus“ sondern das Thema „persönliche Betroffenheit“. Und so konstruiert er sich bei 11:52 Ruckzuck eine Betroffenenperspektive, die davon geprägt ist, dass die Kritik am Polizeiapparat mit ihm persönlich etwas mache. Aus Betroffenheit wegen Rassismus wird Betroffenheit wegen Kritik am Rassismus. Hier darf dann natürlich die Tränendrückmusik im Hintergrund nicht fehlen.

Nicht zu übertreffen sind aber von den Kolleg*innen getroffene Aussagen, wie „Nazis sind Menschen wie du und ich“ (17:40). Wie wahr! Und über Rechtsextremismus haben die Expert*innen einige kontraintuitive Wissensschätze parat. Zum Beispiel, dass auch ein rechtsextremes Tattoo nicht bedeuten müsse, dass der*die Tattoowierte rechtsextrem sei. Wie sonst soll man sich auch die Tattoos der Kolleg*innen erklären?

Bei 20:09 erklärt Daniel dann, was seine berufliche Aufgabe auf Demos ist. Dort erkläre er dem Polizeiführer (merkt er selbst, komisches Wort, aber so heiße das in deren Sprache halt), welche rechtsextremen Symbole strafbar sind. Hier ist ein bisschen Hintergrundwissen nötig, und zwar, dass da eigentlich gar nicht so viel verboten ist. „HKN KRZ“, die „Schwarze Sonne“, das Logo der Identitären Bewegung, die Reichsflagge und eigentlich alle anderen beliebten Symbole der Neonazi-Szene sind erlaubt. Verboten sind lediglich deutsche Klassiker wie das Hakenkreuz, das Zivilabzeichen der SA, das Abzeichen und der Totenkopf der Waffen-SS und die Reichskriegsflagge. Aber gut, kann ja sein, dass der Polizeiführer da Nachhilfe braucht. Er kann ja nicht ahnen, dass seine Zimmerdeko verfassungsrechtliche Relevanz hat.

Spannend wird es dann bei der Frage um Rechte „Tendenzen“ in der Polizei. Auch der Kollege vom LKA findet in diesem Kontext „Tendenzen“ ein schwieriges Wort, allerdings aus anderen Gründen als wir (35:24). Er erzählt trotzdem, dass es auch schon mal Verfahren gegeben habe, die bis zur Entlassung führten. Doch prompt übernimmt bei 37:15 seine Kollegin Maria das Wort. In perfektem Beamtendeutsch erklärt sie, wie bestimmte „Bilder“ im Berufsleben halt bestärkt werden können. Und sie fände es voll wichtig, dass man sich über diese Bilder dann auch frei äußern könne und es eine offene Gesprächskultur dazu gebe: „Dass man Dinge aussprechen darf, wo ein anderer Kollege oder Kollegin vielleicht sagt: 'Hmm, wie kommst du denn darauf?'“ Eine Grenze zieht sie da, wo die Kolleg*innen nicht mehr „auf dem Boden der Demokratie“ stehen. Diese würden nämlich den Ruf der normal-demokratisch-rassistischen Cops „beschmutzen“ und das will sie sich nicht gefallen lassen.

Auch die Ansprache der jüngsten Black Lives Matter Proteste ist aufschlussreich. Da weiß dann ein Beamter beim Staatsschutz gegen Rechts den Namen „George Floyd“ nicht und spricht stattdessen vom „Tod des Schwarzen in Amerika“ als Auslöser der Proteste (39:27). Zu Racial Profiling haben die Beamt*innen bei 42:28 folgendes zu sagen: Natürlich gebe es auch Kolleg*innen, die das aus rassenideologischer Überzeugung (in Beamtendeutsch „ideologische Ansätze“ genannt) machen. Aber die Mehrzahl mache das einfach wegen ganz normaler bürgerlich-rassistischer Stereotype (genannt „Erfahrungswissen“). Die Unterscheidung zwischen Erfahrungswerten und Rassismus sei höchst kompliziert. Mit diesen Aussagen bestärkt Daniel, was seine Kollegin schon kurz vorher bei 41:34 gesagt hat: „Natürlich haben wir auch Kolleginnen und Kollegen, die mit bestimmten Bildern im Kopf, wie wir alle, auch ihren Dienst versehen und dann vielleicht manchmal auch diese Reflektion nicht stattfinden lassen […] und ihr Handeln von diesen Bildern leiten lassen, sich selber aber nicht als Rassisten empfinden. Aber beim Gegenüber genau dieses Gefühl trotz alledem auslösen“. Tja, ein Rassist, der sich nicht als Rassist fühlt, kann natürlich keiner sein. Wenn die andere Seite das so wahrnimmt, dann ist das nur so ein abstraktes Gefühl.

Wir finden, dass die Kolleg*innen in den fast 54 Minuten Podcast ihre Unfähigkeit im Umgang mit rechter Gewalt ganz hervorragend demonstriert haben. Dass die Polizei als staatlich legitimierter Gewaltmonopol niemals eine gute Antwort zur Auflösung der gesellschaftlich legitimierten Gewaltformen sein wird, erkennen zum Glück immer mehr Menschen. Deswegen: Fight the police und bis zur nächsten Folge!

[1] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/08/polizei-berlin-rechtsextrem...
[2] https://twitter.com/Storch_i/status/1340186899529539586
[3] https://taz.de/Rechte-Anschlaege-in-Berlin-Neukoelln/!5564024/

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Ergänzungen

Wie die Berliner Landesbeauftragte für Datenschutz (LfD) der Polizei half erfolgreich in den eigenen Reihen zu ermitteln. 

https://taz.de/Datenschuetzer-ueber-Drohbriefe-an-Linke/!5584671/