[S] An Silvester zum Knast: Freiheit für alle politischen Gefangenen – Klassenjustiz zurückschlagen!

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2. Juli 2020, 6:00 Uhr morgens: In verschieden Städten in ganz Baden-Württemberg werden bei insgesamt neun AntifaschistInnen Wohnungen durchsucht und der Antifaschist Jo verhaftet. Einige Monate später, wird mit Dy ein weiterer Antifaschist in U-Haft in Stuttgart Stammheim gesteckt. Den beiden wird vorgeworfen an einer Auseinandersetzung mit Faschisten der rechten Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“ beteiligt gewesen zu sein. Am 05. November 2020 schlugen die Bullen wieder zu, dieses mal in Leipzig. Mit Hilfe des Gesinnungsparagraphen §129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) werden die Wohnungen von mehreren AntifaschistInnen durchsucht und die Antifaschistin Lina ebenfalls verhaftet. Auch ihr wird die Beteiligung an verschiedenen Auseinandersetzungen mit Faschisten vorgeworfen.

 

 

 

Die Drei GenossInnen in U-Haft bilden einen vorläufigen Höhepunkt der sich aktuell zuspitzenden Repression gegen AntifaschistInnen und RevolutionärInnen. Lange Zeit war das Thema Knast in der revolutionären Linken Deutschlands eher ein Randthema. Die wenigsten Strukturen oder Personen waren davon betroffen, außerhalb der türkischen und kurdischen Linken – gegen die der deutsche Staat mit dem §129b besonders hart vorgeht und regelmäßig AktivistInnen zu Haftstrafen verurteilt – gibt es wenig Erfahrungen mit Knastaufenthalten und dem politischen Umgang damit. Seit einigen Jahren lässt sich allerdings ein zunehmend härteres Vorgehen des Justizapparates beobachten. Die vor dem G20 Gipfel 2017 durchgesetzte Verschärfungen bestehender Gesetze - der sogenannte Bullenschubspargraph §114 mit einer Mindeststrafe von 6 Monaten - und insbesondere die schärfere Auslegung bestehender Gesetze sorgen dafür, dass das Thema Haft immer präsenter in der Bewegung wird. Neben AntifaschistInnen, denen konkrete Auseinandersetzungen mit Faschisten vorgeworfen werden, kommt vor allem die Klimagerechtigkeitsbewegung immer öfter in Berührung mit dem Knast. Während Aktionen wie das Abseilen von Autobahnbrücken über längere Zeit wenig geahndet wurden, wenn die AktivistInnen ihre Identität nicht preis gaben, führten sie in den letzten Fällen zu Untersuchungshaft für neun AktivistInnen. Das §129 Verfahren gegen den Roten Aufbau Hamburg, in dem erstmals seit über 20 Jahren wieder eine offen auftretende linke revolutionäre Gruppe als „kriminell“ oder „terroristisch“ verfolgt werden soll, die diversen konstruierten §129 Verfahren in Berlin, Leipzig und Frankfurt, sowie der aktuell startende Schauprozess im Rondenbarg-Verfahren gegen G20 GegnerInnen, zeigen eine Zuspitzung der staatlichen Repression gegen Links.

 

Auch wenn es nicht explizit gegen politische AktivistInnen geht, fahren die Verantwortlichen in Politik und Justiz immer öfter eine harte „Law and Order“ Linie. Im Rahmen der sogenannten „Krawallnacht“ in Stuttgart – tatsächlich waren die „Krawalle“ Ausdruck der Wut und der Frust von Jugendlichen und jungen Erwachsenen über strukturellen Rassismus, soziale Benachteiligung und Polizeischikanen und Polizeigewalt – wurden etliche Beschuldigte wegen eher geringfügigen Vergehen monatelang in U-Haft gesteckt und in den ersten Prozessen zu langen Haftstrafen verurteilt. Für zwei eingeschlagene Scheiben einer Bullenkarre wurde ein Jugendlicher zu 2,5 Jahren Haft verurteilt – das gleiche Strafmaß das der Nazi Andre Emminger für die Unterstützung des NSU bekommen hat, der mindestens 9 Menschen hingerichtet hat...

 

Ein Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Zustände zeigt, warum die Herrschenden und ihr Staat die Repression gegen linke Kräfte und gegen alle, die gegen die bestehenden Verhältnisse rebellieren, anziehen: Der Kapitalismus steht am Beginn einer Wirtschaftskrise, die die Chance hat, die Finanzkrise von 2008/2009 zu übertreffen. In ganz Deutschland werden Entlassungen und Einsparungen angekündigt und verstärkt durch die Corona-Pandemie sind jetzt schon unzählige ArbeiterInnen in Kurzarbeit. Die herrschende Klasse, die der Kapitalisten, hat wenig Lust auf ihre Profite zu verzichten und wehrt sich erbost gegen alle, die es wagen sich gegen die kapitalistischen Zustände zu organisieren. Sozusagen präventiv werden schon heute die gesellschaftlichen Kräfte angegriffen, die auf die Krise eben nicht mit Rassismus und Spaltung, sondern mit Solidarität und Klassenkampf reagieren. Die deutsche Justiz ist keine neutrale Institution, von der wir Gerechtigkeit erwarten können. Sie ist eine Klassenjustiz, die in letzter Instanz immer den Interessen der Kapitalisten dienen wird.

 

Der Knast ist das aktuell härteste Mittel der Repressionsorgane, er soll einschüchtern und isolieren, im „besten“ Fall nicht nur die Personen die direkt betroffen sind, sondern eine ganze Bewegung. Die vermehrten Knasturteile in der letzten Zeit sind eine klare Kampfansage der Klassenjustiz: Bis hier hin und nicht weiter! Diese Kampfansage gilt es aufzunehmen und zu beantworten. Sich im Angesicht von Knast und Repression zurückzuziehen und auf bessere Zeiten zu hoffen, wäre ein Fehler, der uns zu Passivität verdammt. Gerade im Angesicht härterer Repression müssen wir in die Offensive gehen und den Knast zu einem politischen Kampffeld machen. „Gemeint sind wir alle!“ ist eben keine hohle Phrase sondern eine Aufgabe: wir alle sind gefragt uns der Repression zu widersetzen. In dieser Tradition stehen die alljährlichen Knastspaziergänge in Stammheim. Auch dieses Jahr wollen wir dort die Isolation der Gefangenen durchbrechen.

 

Freiheit für alle politischen Gefangenen – Klassenjustiz zurückschlagen!

 

Kommt zum Knastspaziergang: 31. Dezember, 17:00 Uhr, U-Bahn Haltestelle Stammheim

 

 

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