Statement der Konsequenzia zum Zukunftsplenum der Gartensia

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Abstract: 
Rückmeldung zum Zukunftsplenum der Gartensia 7 TW/CW: sexuelle Belästigung, häusliche Gewalt, Täter-Opfer-Umkehrung, Vergewaltigung, Trauma

Der Art und Weise des im Zukunftsplenum angestoßenen Neustarts für die Gartensia stehen wir skeptisch gegenüber!

Die Aufarbeitung des sexuellen Übergriffes und der danach folgenden Dynamik von Tone-Policing, Absprechen der Definitionsmacht und letztendlich einem gewaltvoll durchgeführten Rausschmiss, wurde auf dem Zukunftsplenum auf einen privaten Prozess ausgelagert, der zwischen Awareness-Gruppe und den Betroffenen stattfinden soll mit einer etwaigen Zusammenkunft einer Unterstützer*innengruppe der „anderen Konfliktpartei“, wenngleich dies bislang nie Wunsch der Betroffenen war.

In unseren Augen wurde damit eine konsequente Beendigung der genannten Missstände unproportional hinten angestellt zugunsten des pragmatischen Ziels die Gartensia zu retten (Putzen, große neue Gruppe, Veranstaltungen…). Fazit ist jedenfalls, dass die Aufräumaktion scheinbar mehr Befriedigung für das Plenum bereit zu halten schien als eine kollektive Aufräumaktion in Sachen Sexismus, geschweige denn, dass es eine akzeptable kollektive Wahrnehmung der Faktenlage zu geben schien.

Dass eine Betroffene laut und wütend ihre Stimme erhebt und andere Mitbewohner*innen mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert und hartnäckig auf ihren Anspruch auf Definitionsmacht pocht, als übergriffiges Verhalten seitens einer „Konfliktpartei“ gewertet wird, ist schockierend. 

Darüber hinaus wird das Narrativ eines persönlichen Streits dadurch befeuert, was die Zelle und R.O.S.A. in ihrem Statement zum Sexismus-Skandal in der Gartensia treffend folgendermaßen beschreibt: „Betroffene werden pathologisiert, d.h. als krank, verrückt, hysterisch etc. verleumdet. Was hier passiert, ist eine Umkehr des Täter-Opfer-Verhältnisses, die dazu dient sich nicht mit den eigentlichen Problemen (Grenzüberschreitungen und sexistische Strukturen) auseinander zu setzen“. Dies geht in unserem Fall mit fortwährenden falschen Anschuldigungen wie die der rassistischen Äußerung und Ausübung von körperlicher Gewalt etc. einher. 

Dem Sexismus-Skandal in der Gartensia wird so die nötige Brisanz und Eindeutigkeit genommen. Das war auch eindrücklich während des Zukunftsplenum zu erleben, anhand der Stimmen die das Narrativ eines Streits, welcher „hippiesk“ geschlichtet werden könne, während des Zukunftsplenum im Einklang mit den vielen schweigenden Stimmen perpetuierten. Triggerpunkte der Betroffenen wurden trotz mehrfachen Hinweisen wiederholt von denselben Personen überschritten, sodass diese nur bedingt am Plenum teilnehmen konnte. Dabei sollte doch endlich die Betroffenenperspektive als  Dreh- und Angelpunkt für eine Aufarbeitung und einen Neustart dienen.

An Alle, die sich an einem Neustart des Projektes beteiligen möchten, stellen wir den Anspruch sich eingehend mit den untragbaren Beschlüssen und Geschehnissen der letzten Monate und der Gegenwart, aber auch mit Fällen von sexueller Belästigung, die es seit Anfang an gab zu beschäftigen. Durch einen personellen Neustart, eine Aufräumaktion und einen ausgelagerten Prozess der uns bezüglichen Situation ist nichts getan und ihr tragt die oben benannten Dynamiken sowie unser illegitimes Hausverbot mit. 

Wir finden, dass gegenwärtig ein ungünstiger Zeitpunkt ist, um neutral, konfliktscheu oder desinformiert zu agieren. 

Zudem möchten wir eine beim Zukunftsplenum bereits kurz erwähnte Tatsache nochmals wiedergeben: Momentan lebt immer noch ein Cis-Mann in der Gartensia, der seine Frau schlägt. Die Quelle dafür ist ein weiterer cis-männlicher Bewohner, der dieses Verhalten verteidigt. Dies hat nichts in einem linken Projekt zu suchen, wenngleich die Gartensia noch weit davon entfernt ist sich wieder links nennen zu können. Ein weiterer Cis-Mann der während unseres Rauschschmiss körperliche Gewalt gegen uns angewendet hat geht ein und aus und hat ebenfalls immer noch kein Hausverbot erhalten. 

Last but not least leben noch immer Einzelpersonen, die hauptverantwortlich für viele der entscheidenden Fehler in Sachen Antisexismus und unser Hausverbot sind dort. Diese sehen sich jedoch noch immer dazu entitled „Statements“ im Namen des Projektes Gartensia zu verfassen, in denen sie sich mittlerweile rechtfertigen, sich aber nicht angemessen verantworten, was beispielsweise mit einem Auszug hinreichend getan wäre.

Nachdem in einer ersten Mail „Update Stand G7“ nur unser Hausverbot verkündet wurde mit dem Imperativ, diesen nicht zu hinterfragen und der sexuelle Übergriff, also gelinde gesagt der Ursprung des Desasters noch komplett ausgespart wurde, rudert diese Gruppe inzwischen zurück und macht erste öffentliche Eingeständnisse, die uns persönlich aber bislang nicht im Geringsten weiterhelfen, im Gegenteil! In den letzten Statements manipulieren die Bewohner*innen der Gartensia die LeserInnen emotional, indem sie schreiben, wie schlecht es ihnen ginge. Dass es den Betroffenen schlecht geht, wird als „Vorwurf“ bezeichnet und stark infrage gestellt. Zur Info: die Betroffene des Übergriffs hat schon lange ein Trauma, da sie drei Jahre lang fast täglich vergewaltigt wurde und fast niemand ihr glaubte, sie ernst nahm oder sich vom Täter distanzierte. Dementsprechend wurde sie durch die analogen Abläufe in der Gartensia getriggert und (re-)traumatisiert. Zudem leidet sie seit dem Übergriff und dem Mobbing unter Depression, Angstzuständen, Paranoia, selbstverletzendem Verhalten, Hypervigilanz, dissoziative Amnesie, Flashbacks,  Albträume über Gartensia und Täter*innen etc. und steht kurz vor einem emotionalen Burnout, weswegen sie sich bald in Therapie begeben wird.

Immer noch wird versucht eine Trennlinie zwischen einer angeblich erfolgreichen Bearbeitung des Übergriffes und einer danach stattfinden unabhängigen von uns ausgehenden Eskalation zu konstruieren. Dass es diese Trennlinie nicht gibt liegt auf der Hand, zumal nicht Personen die Dinge wie „Es gab keinen Übergriff“ oder „Wir fühlen uns mit dem Täter wohler als mit Dir“ von sich geben, entscheiden sollten, wann der Übergriff hinreichend bearbeitet war, sondern offensichtlich die Betroffene. 

Angesichts der Veranschaulichung der sehr problematischen Zusammensetzung der momentanen Bewohner*innenschaft der Gartensia eröffnet sich für uns eine Kritik an der Aussage eines Teilnehmers des Zukunftsplenums, dass mensch sich in jeglichen Angelegenheiten und Entscheidungsfragen mit den Bewohner*innen absprechen müsse.

Erstens mutet die Aussage grotesk an in Anbetracht dessen, dass diese Person erst selbst seit wenigen Tagen dort eingezogen ist. Zweitens bedauern wir den Einzug dieser Person schlechthin, da diese in der linken Szene in Tübingen weitläufig berüchtigt als Multiplikator von verschwörungstheoretischen Inhalten ist. 

Drittens hinterfragen wir diese Aussage in dem Sinne, dass wir die momentane Bewohner*innenschaft nicht als eine Autorität des Projektes anerkennen (damit sind viele der nicht deutsch-sprachigen Menschen, die leider durch die Sprachbarriere ohnehin weitestgehend von Plenen exkludiert sind nicht gemeint). Hinsichtlich der Geschehnisse halten wir eine Hinterfragung der Autorität der momentanen Bewoner*innenschaft als bloße Ableitung aus ihrem Status als physische Bewohner*innen für legitim.

Ein Empowerment einer physisch externen Gruppe erachten wir geradezu als notwendig, was mit der Frage nach der Entscheidungsfähigkeit von künftigen Zukunftsplenen unmittelbar zusammenhängt… Nicht zuletzt weil es paradox anmutet, dass Menschen die auf so krasse Art und Weise in antisexistischer Praxis versagt haben das künftige Awareness-Konzept vielmehr als Defensiv-Reaktion auf den von uns verursachten Druck mitentwickeln, um ihren Ruf zu retten. 

Wir möchten ein Plenum das zunächst einmal, wie ursprünglich von der Plenumsvorbereitungsgruppe zugesichert, über das gegen uns verhängte und gewaltvoll durchgesetzte Hausverbot berät und es angesichts der geschilderten Umstände aufhebt.

Wir möchten außerdem ein Plenum, dass sich explizit mit dem Vorfall und erfolgten Nachspiel beschäftigt, auf dem den Betroffenen Raum gegeben wird, sich zum Geschehenen äußern zu können und auf Dinge eingehen zu können und eben kein Plenum, indem man sich zwar äußern darf, aber nicht aufeinander beziehen und dass eine Klärung von vorneherein ausklammert. Einfach darüber hinwegzugehen oder einfach weiterzumachen, ist bei diesem Stand eine Akzeptanz solcher sexistischer Übergriffe, sowie des darauf folgenden Mobbings und der Drohungen.

Wir möchten, dass für ein solches Plenum Standards für die Aufarbeitung sexistischer Übergriffe gemeinsam mit Betroffenen gelten. Um offen sprechen zu können und nicht beständig getriggered und/oder retraumatisiert zu werden benötigt er klare Richtlinien und Mechanismen. In diesem Zusammenhang muss es dann leider auch passieren, dass Personen, welche sich trotz Erklärung und trotz Vorgaben nicht daran halten, gemuted oder des Plenums verwiesen werden. Ein solches Plenum Bedarf der expliziten antisexistischen Vorbereitung und auch des Kontakts und der Rücksprache mit uns beiden.

Unabhängig davon, dass ein über die Vorfälle hinweggehen ein aktives Unterstützen sexistischer Strukturen und Marginalisierung ist, denken wir ist mittlerweile auch klar geworden, dass die Gartensia selbst eine solche Klärung braucht. Ohne eine solche Klärung können wir nicht sehen, wie das Projekt weiterhin von weiteren emanzipativen Projekten in Tübingen aber auch vom Mietshäusersyndikat, aufgrund dessen eigener Standards, unterstützt werden kann und soll.

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