Vorläufiges Fazit der Autonomen: Größter Krawall seit 10 Jahren!
Das Zentralkommitee der Berliner Autonomen* fasst den Abend des 1. Mai zusammen und zieht ein vorläufiges Fazit.
Die revolutionäre 1. Mai-Demo lockte wesentlich mehr Leute als erwartet zum Hermannplatz. Am Ende waren es handgezählt über 20.000 Menschen, die gemeinsam durch Neukölln und Kreuzberg ziehen wollten. Nachdem die Bullen die Demo erst stauchten um anschließend Abstände zu bemängeln, griffen sie völlig aus der Luft gegriffen den anarchistischen und den Interkiezionale Block an und trennten beide (mit tausenden anderen Menschen) vom Rest der Demo. Dazu behaupteten sie, dass besonders hier keine Masken getragen wurden - was angesichts der vorbildlichen Vermummung der Blöcke wirklich das letzte ist, was es zu beantstanden gäbe. Die Demonstration war deeskalativ geplant und sollte allen Menschen ein sicherer Ort sein, das konnte sie nach dem Angriffen der Bullen aber nicht mehr sein. Anschließend eskalierte die Situation „kurzfristig“ wie Polizeipräsidentin Slowik zutreffend feststellte. Dabei verloren die Bullen komplett die Kontrolle und mussten sich immer wieder ängstlich von der Sonnenallee zurückziehen. Für mehrere Stunden bekamen sie keinen richtigen Zugriff auf den Kiez aber dafür die stärksten Mai-Krawalle in den letzten 10 Jahren zu spüren. Die Strategie der Polizei ist überhaupt nicht aufgegangen, der neue Einsatzleiter ließ hunderte Bullen in Kreuzberg bei Hamburger Gittern und Leuchtmasten warten. Dazu kamen unfähige und überforderte Hunderschaften aus Baden-Würtemberg, Sachsen-Anhalt und NRW. Wir hoffe, dass sie ihren Ausflug nach Berlin nicht so schnell vergessen werden.
Bereits zu Beginn der Demo kam es an den Neukölln Arcarden zu Polizeigewalt und brutalen Übergriffen durch Bullen. Die Zahl der verletzen Demonstrant*innen liegt im hohen zweistelligen Bereich. Dazu wurden einige Leute festgenommen, vermutlich knapp über 100. Im Vergleich zu den letzten Jahren sieht die Bilanz jedoch wesentlich besser aus, da die Bullen durch Angriffe an Festnahmen gehindert werden konnten. Unter den 20.000 Demonstrant*innen waren knapp 1.000 Autonome im Dienst.
Wir wünschen allen Menschen, die von den Bullen verletzt wurden gute Besserung. Außerdem sitzt zur Stunde eine unbekannte Anzahl von Personen in Gewahrsamzellen. Es bleibt abzuwarten, ob einigen auch eine Untersuchungshaft o.ä. droht. Wir fordern dazu auf, sich mit ihnen zu solidarisieren. Ihr seid nicht allein!
Solange rassistische Polizeigewalt kein Ende hat, solange der Mietenwahnsinn uns auf die Straße treibt, solange linke Freiräume wie die Potse oder die Rigaer 94 geräumt werden sollen, werden wir unsere Wut auf die Straße tragen. Das war nicht der letzte Knall!
Eine unvollständige Chronik der Ereignisse:
18 Uhr – Auf dem Hermannplatz sammeln sich ca. 20.000 Menschen zur revolutionären 1. Mai-Demonstration. Die Blöcke stellen sich auf. Eine ältere Anwohnerin heizt vom Balkon die Massen ein.
19 Uhr – Mit einer Stunde Verspätung geht es los. Immer wieder bremsen die Bullen die Demo, komprimieren die Demo und fordern gleichzeitig Abstände ein. Auf den Lautsprecherwägen laufen Redebeiträge und Musik, die Demo ist stark durchmischt und alle sind vermummt. Vorbildlich. Die Bullen lassen sich am Rand der Demo kaum blicken.
20:20 Uhr – An den Neukölln Akkarden eskalieren die Bullen völlig ohne Not kurz vor dem anarchischen Block. Knapp der Hälfte der Demo inklusive Enteignungsblock und dem Interkiezionale Block wird vorgeworfen, gegen die Maskenpflicht zu verstoßen. Wo sonst die Bullen reinrocken, weil alle vermummt sind, sehen sie jetzt Unvermummte wo alle Maske tragen. Aus der Flughafenstraße kommend kloppen sie sich in die Demo.
20:30 Uhr – Ein paar Leute fangen an die Baustelle in der Fuldastraße auseinanderzunehmen, um weiterlaufen zu können. Kurz darauf greifen die Bullen diese an, erste Flaschen und steine fliegen zurück, Barrikaden werden zum Schutz gebaut.
21:00 Uhr – Eine Straße weiter kommt es zu Spannungen mit den Bullen, die die Hälfte der Demo weiter gefangen halten. Es hagelt Steine, Flaschen und Latten, erste Barrikaden werden in Brand gesetzt.
21:10 Uhr – Die Bullen haben die Kontrolle über die Kreuzung Sonnenallee Weichselstraße völlig verloren. Mehrere Trupps versuchen immer wieder auf die Kreuzung zu kommen, müssen sich unter massivem Bewurf aber zurückziehen. Die Scheiben der BioCompany klirren, in der Nähe fängt ein SUV Flammen.
21:20 Uhr – Die angereisten Bullen aus Baden-Würtemberg und Sachsen-Anhalt tun sich schwer die Kontrolle wieder zu erlangen. Eine Wanne muss Reißaus nehmen. Auf beiden Seiten der Sonnenalle brennen Barrikaden, eine nimmt fast die ganze Straße ein und erinnert ein wenig an die Feuer in der Schanze bei G20. Die ersten Bullen versuchen ranzukommen, werden aber unter Flaschenhagen verjagt.
21:30 Uhr – Immer mehr Bullen kommen aus allen Richtungen und kriegen die Kreuzung langsam wieder unter Kontrolle. Dafür geht es weiter oben Richtung Hermannplatz und in den Nachbarstraßen ab.
21:45 Uhr – Die Straßen sind immer noch voll mit Leuten. Auf der Panier- und auf der Weserstraße brennen Barrikaden. Immer noch kreist der Heli über Neukölln und tausende Menschen sind unterwegs.
22:00 Uhr – Die Ausgangssperre tritt in Kraft, langsam kriegen die Bullen die Lage unter Kontrolle. Die Brücken nach Kreuzberg 36 sind versperrt mit mehreren Ketten, dort warten ohnehin nur Gitter und am Oranienplatz – dem eigentlichen Endpunkt der Demo – zwei dutzend Wannenbesatzungen und Beleuchtungswagen.
22:30 Weiterhin kommt es vereinzelt zu Angriffen auf Wannen und Bullentrupps. In der Hasenheide findet ein kleiner Rave statt. Das Blatt hat sich jedoch wieder zu Gunsten der Bullen gwendet.
23:00 Aus einem Hinterhof am Kottbusser Damm kommen plötzlich massenweise Raketen und Böller. Das badenwürtembergesche BFE traut sich aber nicht rein. Berlin ist nunmal nicht Freiburg.
24:00 1. Mai ist vorbei.
* für alle Journalist*innen, die das hier schon fröhlich abdrucken wollen: Es gibt kein Zentralkommitee der Autonomen. Wer weiß ob es die Autonomen überhaupt noch gibt.
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Ergänzungen
1. Mai 2021 Berlin/Neuköln
Irgendwas stinkt gewaltig zum Himmel... Anfänglich behaupteten die Bullen, daß die Veranstalter selbst angegriffen wurden und daraufhin die Demo für beendet erklärten - diese Version ging bereits am frühen Abend des 1. Mai durch die ganze Presse. Die Verstalter widerum erklärten auf Twitter, daß dies eine Lüge sei - der Kontaktbulle sei schlicht nicht mehr erreichbar gewesen sei.
Auf dem Berliner Bullen-Ticker liest man nun, daß eben dieser Kontaktbulle angegriffen worden sein soll:
Zitat: Polizeimeldung vom 02.05.2021,Tempelhof-Schöneberg Nr. 0960:
"Diese griffen jedoch unvermittelt und massiv die Einsatzkräfte an, indem sie den Verbindungsbeamten zur Versammlungsleitung und die Polizistinnen und Polizisten mit Steinen- und Flaschen bewarfen sowie Gegenstände, wie beispielweise Mülltonnen in Brand setzten."
Kann hierzu jemand was berichten, was Hand und Fuß hat? Die Presseerklärung der "Revolutionären 1. Mai-Macher" fällt leider extrem unprofessionell aus und erklärt gar nichts.
Meine eigene Bewertung: Wer als Veranstalter glaubt, er könne eine Revolutionäre 1. Mai Demo zu einer Latschdemo reduzieren, ohne daß die Bullen ihr dreckiges Spiel abziehen, dem ist krankhafte Naivität vorzuwerfen. 354 Festnahmen, eine unbekannte Zahl an zum Teil schwer Verletzten... und am nächsten Tag die Straßen wie geleckt.
1. Mai 2021 Berlin/Neuköln
Nachtrag: Screenshot https://twitter.com/potse_berlin?lang=de
Antisemitische Vorfälle auf der Demo
Laut Beobachter*innen hat es mehrere antisemitische Vorfälle gegeben. Das Jüdische Forum dokumentiert folgendes: "Bereits kurz nach Beginn der Versammlung riefen Demonstrant:innen “From the river to the sea, Palestine will be free”. Der Slogan richtet sich gegen Israel, das als “Besatzungsmacht” angesehen wird und das in der von Antizionist:innen angestrebten Neuordnung der Region nicht mehr vorkommt. Die Forderung jedoch nach einer Zerstörung Israels, dem Zentrum des heutigen jüdischen Lebens, ist antisemitisch.
Auch riefen Teilnehmer:innen der 1. Mai-Demonstration “Apartheid Israel”. Sie äußerten sich damit ebenfalls antisemitisch, denn der Vorwurf, dass Israel ein Apartheidsstaat sei - wie das ehemalige Regime in Südafrika - zielt auf die Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates. Auch die Gruppe “Queers* for a free Palastine” erklärte auf einem Transparent ihren Kampf gegen Apartheid, Rassismus und Islamophobie, erwähnte Israel dabei jedoch nicht explizit. Außerdem waren auf der traditionsreichen linken Demonstration BDS-Sprechchöre zu hören. Die Teilnehmer:innen solidarisierten sich damit also mit einer antisemitischen Bewegung, die für einen Boykott und die Zerstörung des jüdischen Staates Israel eintritt und dabei immer wieder auf klassische antisemitische Stereotype zurückgreift."Quelle: https://www.jfda.de/post/antisemitische-parolen-auf-revolution%C3%A4rer-... es weitere Beobachtungen in diesem Zusammenhang oder Stellungnahmen der Nachbereitung?
Die Lügen der Polizei
Die Veranstalter haben sich nun endlich mit einer offiziellen Gegendarstellung zu den Abläufen geäußert:
https://1mai.blackblogs.org/?p=1010
Da die Bullen mit derartig platten Lügengeschichten und gezielten Falschinformationen durchkommen, sollte eigentlich jedem klar werden, mit was man es zu tun hat.
Ob die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden?
english translation
@03.05.
https://r1mb.noblogs.org/post/2021/05/statement-zur-institutionellen-pol...
https://r1mb.noblogs.org/post/2021/05/rote-hilfe-verurteilt-angriff-auf-...
https://www.klassegegenklasse.org/staatliches-kalkuel-polizei-greift-bun...
@ 05.05.
Die Erklärungen sehen alle sehr konsistent aus, aber leider kommen diese viel zu spät.
Und daß die Linke insgesamt liqudidiert werden sollen, pfeifen die Spatzen auch schon seit Jahrzehnten von den Dächern.
Neu ist lediglich, daß die Bullen Elemente der psychologischen Kriegsführung einsetzen, um nicht ihr Gesicht zu verlieren.
Das war noch nicht mal 87 und 89 zu beobachten.