Widerstand gegen die Investorenträume an der Rummelsburger Bucht

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Trotz regnerischen Wetters beteiligten sich am Sonntagnachmittag über 500 Menschen an einer Demonstration, die zu den Orten von Verdrängung und Widerstand an der Rummelsburger Bucht führte

 

Das Areal ist heut eine riesige Baustelle, hohe Kräne stehen dort, wo noch bis vor wenigen Wochen Räume für Menschen waren, die wenig Geld in der kapitalistischen Stadt keinen Platz haben. Am Sonntag kamen diese Menschen zu Wort, dazu gehört die Studentin, deren Wohnwagen bei der Räumung eines Camps auf dem Gelände zerstört wurde und die sich dagegen wehrt, dass immer von Obdachlosen gesprochen würde, wenn es sich um Menschen handelt, die eben anders als in festen Häusern wohnen. Die Frau machte deutlich, dass sie erst obdachlos wurde, als das Camp geräumt wurde. Was mit Kälteschutz begründet wurde, war in der Realität der letzte Schritt, damit die Bagger und Kräne rollen können für Investorenträume, wie sie auf Tafel rund um die Rummelsburger Bucht zu sehen sind. Unter dem Motto „My Bay – My Way“ werden dort teuere Eigentumswohnungen annonciert. Auf den Werbebildern sieht man weder bunte Wände, noch Wagenplätze, noch Menschen mit geringen Einkommen. Sie alle haben in den letzten Jahren auf dem Areal rund um die Rummelsburger Bucht ein Refugium. Sie kamen bei der Demonstration noch mal zu Wort. Ein Mann erzählt, wie seine persönlichen Sachen bei der Räumung vernichtet wurden, obwohl es offiziell hieß, er kenne sie abholen. „Wir haben Rechte, auch wenn wir als Obdachlose gelten“, sagte er. 

 

 

Verfolgung von Marginalisierten gestern und heute am Beispiel der Rummelsburger Bucht

 

 

Auf Zwischenkundgebungen am Paul und Paula-Ufer an Rummelsburger Bucht wurde auch an die 15jähige Frau erinnert, die dort im August 2020 von einen 42jährigen Mann nach einer versuchten Vergewaltigung erwürgt wurde. In dem Medien wurde fälschlicherweise der Mord mit dem Camp in Verbindung gebrach. Dabei wird nicht darüber geredet, dass es sich um Femizid handelt, die gezielte Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Kritisierte die Rednerin. Sie erinnert daran, dass diese Femizide in der gesamten Gesellschaft stattfinden und eben nicht an den sogenannten Rändern, wie das gerne unterstellt wird. Dass es bei der Rummelsburger Bucht um keine Idylle handelt, zeigten auch die Gedenkreden an zwei tote Bewohner*innen. Menschen, die sie gekannt hatten, die mit ihnen in der Nachbarschaft gelebt haben, erinnerten sich an sie. Nach dem Spaziergang ging die Demonstration zum ehemaligen Arbeitshaus Rummelsburg. Der "AK Marginalisierte gestern und heute" hatte sich 2007 gegründet, um die Geschichte dieses Arbeitshauses aufzuarbeiten. Ein Mitglied dieser AK erinnerte daran, dass alle in der Bewegung gegen die Hartz IV-Gesetze aktiv waren und sich über die Geschichte der Verfolgung von Armen und Marginalisierten zu informieren wollten. Die Geschichte des Berliner Arbeitshauses gehört dazu. In den späten 19 Jahrhundert wurden dort Menschen eingeliefert, die auf der Straße lebten und angeblich keiner geregelten Arbeit nachgingen. In der NS-Zeit wurden dort die Opfer der „Asozialen“-Verfolgung eingesperrt, es gab Zwangssterilisationen und es wurden Insassen in Konzentrationslager eingeliefert. Das Mitglied des AK Marginalisierte gestern und heute lieferte in seiner Rede einen guten Einblick und hat vielleicht bei manchen der Demonstrationsteilnehmer*innen die Motivation geweckt, mehr darüber zu erfahren. Am Ende gab er einen Literaturtip: Sozialrassistische Verfolgung im Deutschen Faschismus, herausgegeben von Anne Allex, eine der Mitbegründerin des AK Marginalisierte Gestern und heute war. Der Demonstrationszug vom geräumten Camp zum ehemaligen Arbeitshaus lieferte auch einen Einblick in die Brüche und Kontinuität bei der Verfolgung von Marginalisierten gestern und heute. 

 

Statt günstige Mieten statt teure Eigentumswohnungen

 

Der Endpunkt der Demonstrationen waren die Häuser in der Hauptstraße 1 G – I, in denen sich einige Mieter*innen seit Jahren gegen ihre Verdrängung wehren. Das Grundstück hat sich der berühmt-berüchtigte Investor Padovicz-Gruppe schon vor Jahren gesichert. Er will sie so schnell wie möglich abreißen lassen, um dann auch dort weitere teuere Eigentumswohnungen entstehen zu lassen. Viele Wohnungen sind schon leer und werden mit besonderen Schlössern vor einer Wiederbesetzung gesichert. Ein großes Polizeiaufgebot vor den Häusern hatte am Sonntagnachmittag eben diesen Zweck. Trotzdem machten die noch verbliebenen Mieter*innen deutlich, dass sie sich weiter gegen ihre Vertreibung wehren und dass sie mit anderen Marginalisierten solidarisch sind. Daher wurde die Demonstration mit einem großen Transparent empfangen, auf dem die Parole stand: „Zwangsräumung ist keine Kältehilfe“. Es wurde von einigen Mieter*innen an der Hausfassade angebracht, nachdem das Camp geräumt worden war. Ein Mieter schloss seinen Beitrag mit den Satz: „Ob Boote, Camps, Wägen oder Wohnungen: Wir bleiben alle“. Dass ist genau die Perspektive, um die es an der Bucht geht. Nachdem jetzt seit Jahren über fehlenden bezahlbaren Wohnraum in Berlin geredet wurde, wird die Rummelsburger Bucht ein weiteres Eldorado der Investoren. Neben Padovicz ist das die Groth-Gruppe, die mit ihr verbundene Firma Investa sowie die Streletzki-Gruppe. Die Politik im Bezirk Lichtenberg und im Senat rollt ihnen den roten Teppich aus. 

Ein Offener Brief, in dem sie Anfang Januar ihre Situation schilderten, war der Auslöser für die Demonstration, die ursprünglich als Kiezspaziergang geplant war, weil alle dachten, dass Areal würde niemand mehr interessierten. Im Laufe der Vorbereitung und besonders nach der Räumung des Camps zeigte sich, dass doch mehr Menschen nicht einfach zugucken wollen, wie ein weiteres Areal in Berlin zum Eldorado der Wohlhabenden wird. Die Demonstration an Sonntag und das anschließende Konzert vor dem geräumten Camp machen Mut, dass das Areal Rummelsburger Bucht weiterhin Ziel sozialer Interventionen bleiben wird. Denn hier lässt sich auf engsten Raum zeigen, wie die Stadt der Reichen die Vertreibung der Einkommensarmen bedeutet, seien sie Bewohner*innen von Mietwohnungen, Bauwägen oder Booten. 

 

 

 

 

 

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