Die vertagte Solidarität: Eine Polemik

 

Die üblichen Pessimisten hatten es schon vorhergesehen und die Zweckoptimisten einmal mehr den Schlag in die Magengrube bekommen. Es wurde (verbal) Anlauf genommen wie ein Löwe zum Sprung um kurz darauf als Bettvorleger der Regierung zu Enden. Es geht um die Silvesterdemo und die Spektren die diesen Anlauf sabotiert haben.

 

 

Vater Staat und seine Helferchen

 

 

 

Offiziell heißt es, die Demo sei auf unbestimmte Zeit verschoben weil Infektionsrisiken ernst genommen würden und eine Klage gegen das Verbot den Coronanazis Vorschub geben würden. Diese Gründe sind wahrscheinlich nur vorgeschoben, es lohnt dennoch sich damit auseinanderzusetzen, symbolisieren sie doch die ganze Falschheit im (Nicht)Umgang der Linken mit der Coronathematik.

 

Erstens die Frage nach dem Infektionsrisiko von Protesten: Die Frage lässt sich klar beantworten, es gibt ein solches Risiko im freien und mit Vermummung nicht! Es gibt keinerlei wissenschaftliche Hinweise hierzu und erst recht keine empirischen. Was wurde dieses Jahr nicht verzapft, der 1. Mai in Berlin, die Antirassismusdemo am Alexanderplatz etc. etc., wie gefährlich das alles sei. Nun, nichts davon ist messbar eingetreten. In Frankreich, wo bis vor kurzem die Zahlen noch viel höher waren, gehen seit 3 Wochen hunderttausende auf die Straßen. Erhöhte Fallzahlen? Kaum erkennbar.

Vielmehr zeigt das unhinterfragte aus der Hand fressen dieser Regierungspropaganda eine grundsätzliche Unfähigkeit zu einer eigenen sachgerechten und kritischen Analyse, auf die ich später nochmal eingehen werde.

 

 

Zweitens eine Klage bzw. Aufhebung des Verbots würde den Querdenkern helfen: Hierhinter verbirgt sich ein solch strammer Glaube an den starken und fürsorglichen Staat dass selbst Kaiser Wilhelm rührig glasige Augen bekäme. Wenn sich eines dieses Jahr gezeigt hat: Demoeinschränkungen treffen in erster Linie Linke, die Coronanazis profitieren hingegen davon. Schon im Frühjahr wurde klar, der Bullenapparat lies die Kundgebungen am Rosa-Luxemburg Platz lange Zeit geschehen, während Gegenprotestler mit Anzeigen überflutet wurden. Einen leichten Kurswechsel hat es erst gegeben als innerhalb der Rot-Rot-Grünen Koalition massive Kritik ob dieser Praxis an Innensenator Geisel gerichtet wurde. Gleiches wiederholte sich im Sommer in Berlin und Herbst in Leipzig und anderswo. Während zum 1. Mai über 5000 Bullen aus der ganzen BRD herangekarrt wurden (schön ohne Maske im Gruppenwagen), wurden zum angekündigten Angriff auf Regierungsgebäude durch den Mob aus Nazis und Wutbürgern gerade mal 2000 Cops aus der zweiten Garde aufgeboten, die sich in weitestgehender Passivität übten. Auch hier änderte sich die Taktik nur Zaghaft nach massivem Druck seitens der Bundesregierung und selbst konservativer Presse. Es zeigt sich, insbesondere die unteren und mittleren Ränge der „Sicherheitsbehörden“ verfolgen längst ihre eigene Agenda und paktieren ungeniert mit Nazis. (Lesenswert in anderem Kontext hierzu auch der Text der Rigaer94 zum diesjährigen Polizeiangriff auf das Haus(1)). Und wenn sie es nicht tun, dann nicht weil sie wollen, sondern weil auf Sie Druck von Oben ausgewirkt wird und sie die Konsequenzen scheuen. Zumal Demoverbote und ein „durchgreifen“ den selbstinszenierten „Widerständlern“ Legitimität verschaffen und eine klar zu beobachtende Radikalisierung beschleunigen.

 

Die dahinterstehende Mentalität das Naziproblem würde sich durch Demoverbote schon von selbst erledigen bzw. ein starker Polizeiapparat dieses eingrenzen ist nicht nur naiv und hundertfach in der Praxis widerlegt, sondern vor dem Hintergrund einer massiven Aufrüstung bei Nazis und Polizei auch unheimlich gefährlich.

 

 

 

Zuhause bleiben ist Solidarität, Grundrechtseinschränkungen retten die Demokratie, Krieg ist Frieden...

 

 

 

Die tiefer liegenden Ursachen dieser Verwirrung, Sprachlosigkeit und Selbsthemmung liegen meines Erachtens schon an der Wurzel jeder Politik, der politischen Analyse. Die meisten Gruppen hierzulande verfügen über keine gesamtgesellschaftlich/politische Analyse, die, sofern sie denn überhaupt eine haben, über den eigenen Teilbereichskampf, das eigene Milieu, den eigenen Tellerrand hinausgeht.

 

Geht es bei der Coronapolitik überhaupt um Corona?

 

Nein! Es geht um die autoritäre Krisenverwaltung, die schamlose Umverteilung von Unten nach Oben, die Verhöhnung all jener die jeden Tag raus müssen um das Land am laufen zu halten, den Versuch von militanten Neonazis und Extremismus der Mitte sich zu verbrüdern.

 

Geht es beim Feuerwerksverbot überhaupt um Feuerwerk?

 

Nein! Die Mehrheit der Argumente gegen Feuerwerk sind ja tatsächlich richtig, darum geht es aber nicht. Es geht um einen vor allem proletarischen Spaß, eine bereits viele Jahre andauernde Verhöhnung und Einschränkung der Späße der unteren Schichten, den einzigen Tag im Jahr wo diese von Sauberkeit und Ordnung besessene Gesellschaft sich mal kollektiv gehen lässt. Wo bleibt die Toleranz für andere Lebens/Spaßformen auch wenn man diese selber nicht teilt? Mal davon abgesehen, wer nicht glaubt dass dieses Verbot selbst zum besten Argument für zukünftige Verbote wird und wir kein Silvester wie bisher mehr erleben werden der/die Werfe den ersten Stein...

 

Geht es bei Ausgangssperren und Demoverboten um Infektionsrisiken?

 

Nein! Es geht um Opportunismus. In den letzten 20 Jahren wurden kontinuierlich die bürgerlichen Rechte, die Freiheit beschnitten und die staatliche Repression und Überwachung ausgebaut. Mal muss Islamismus als Begründung herhalten, mal Rechtsterrorismus, mal die „neue Qualität“™ im „Linksextremismus“ und nun eben Corona.

 

 

Mir scheint als sei ein erheblicher Teil der Linken in diesem Lande, in besonderem die liberale Linke egal ob sie sich nun in Parteien, NGOs oder sich selbst als radikal dünkenden (Klein)Gruppen befindet, grundsätzlich nicht in der Lage derart übergreifende Zusammenhänge zu verstehen.

 

 

 

Das Sein bestimmt das Bewusstsein

 

Die hier beschriebenen Bruchlinien sind natürlich viel größer als Corona und gehen weit über das hinaus was in einem spontanen Wut Text wie diesem verarbeitet werden kann. Sie zeigen sich auch an der Frage Besetzung vs. DW Enteignen, an Danni-Besetzung vs. Klimalisten, an Nazis angreifen vs. Nazis aussitzen, an soziale Revolution vs. Identitätspolitik etc. etc. Die Verfechter des jeweils letztgenannten haben eine überproportionale Deutungshoheit (hierzulande fast absolut) und damit Einfluss auch auf die Praxis. Es ist ein Milieu, das fast ausschließlich sozialwissenschaftlich/akademisch geprägt ist und bevorzugt in Vierteln großer Städte unter seinesgleichen wohnt. Ein Milieu, das es sich leisten kann Solidarität einfach zu verschieben. Ein Milieu, das etwas finanzielle Reserven hat. Ein Milieu, das sich zu Hause zurückziehen kann weil sie eines haben und nicht mit 6 anderen auf 80qm teilen müssen. Das nicht von rassistischer Polizeigewalt betroffen ist. Das nicht jeden morgen mit 120 Anderen dicht gedrängt im S-Bahn Wagen stehen muss. Ein Milieu, das Nazigewalt einfach durch Maul halten vermeiden kann...

 

 

 

Es ist dieses Milieu, dass durch seine Deutungshoheit und Praxis, die irgendwo zwischen selbstbezogener Arroganz und moralischer Selbstbeweihräucherung a la #Unteilbar oder „Wir sind mehr“ schwankt, dafür sorgt dass sich die Linke global gesehen in einer kontinuierlichen Defensive und Einflussverlust befindet, obwohl die objektiven Bedingungen geradezu nach progressiven Antworten schreien. Dieser Teil der Linken befindet sich auf der Titanic, wir hätten schon gestern abspringen sollen.

 

 

 

Wagen wir den Bruch mit diesem Milieu

 

Im allgemeinen bin ich kein Fan von Spaltungen, da eine Bewegung eine gewisse Vielfalt und Masse braucht um wirkmächtig zu werden. Mit 50 Gleichgesinnten im Bonzen- oder Regierungsviertel für Glasbruch zu sorgen mag für das subjektive Gefühl der Selbstermächtigung ausreichen, ändert an den Verhältnissen aber nichts. Dennoch gibt es Spaltungen die sich langfristig positiv auswirken können. Ein fast immer übersehenes Detail der Mobilisierung zum G20 Gipfel in Hamburg ist dass es dort eine Spaltung im Bündnis gab. Die üblichen Klatschpappenträger und ewigen Systemverbesserer hatten sich abgespalten, weil Sie mit der Mobilisierung gegen Gipfel und Kapital an sich nichts anfangen konnten. Im Endeffekt haben Sie eine Woche vor dem Gipfel demonstriert, sich selbst ins Aus geschossen und keiner kann sich mehr an Sie erinnern. Die Mobilisierung gegen den Gipfel hat dadurch jedoch sogar ein mehr an politischer Klarheit und Zugkraft gewonnen. Auch wenn die Ausgangslage diesmal schlechter sein mag, sollten wir versuchen ein ähnliches Szenario im Rahmen der WerHatderGibt Kampagne zu wiederholen. Das heißt ganz konkret, dass die Bremser das Bündnis verlassen müssen und, wenn dies nicht geht oder Sie nicht gewillt sind, die Gruppen die sich nicht selbst ins Bein schießen wollen austreten und die Kampagne mit eigener Organisierung fortführen!

 

 

 

Von guten und schlechten Bündnissen

 

Sind die politischen Differenzen unüberbrückbar, oder befinden sich Bündnispartner gar auf der ganz anderen Seite der Barrikade, ist es nicht nachteilig ein Bündnis aufzulösen. Stattdessen sollten wir Ausschau halten nach Bündnispartnern mit denen wir etwas zu gewinnen haben. Dieser Tage müssen wir dafür nicht weit suchen: Die arbeitslos gewordenen Mitarbeiter*innen der Eckkneipe, die Krankenpfleger, die migrantischen Jugendlichen, die mit Polizeistaat und Nazigewalt gleich doppelt die Arschkarte gezogen haben, Amazon-Packer im Streik, die Auslieferer, Juden die abgeschreckt sind vom Antisemitismus der Coronademos etc.

 

Es gibt viel zu gewinnen.

 

 

 

Querdenker und Schwurbler: Die nützlichen Idioten der Regierung

 

Denn die Zustimmung zur Coronapolitik der Regierung ist keineswegs so groß wie es einem im Homeoffice erscheinen mag. Zunächst gibt es eine Minderheit unter diesen „Coronarebellen“ die für eine linke Demo gegen die aktuelle Politik zu haben wäre.(2) Zweitens, und das ist noch entscheidender, gaben in den vergangenen Monaten in Umfragen 14-30% der Bevölkerung an gegen die Coronapolitik zu sein. Das heißt mindestens 10 Millionen Menschen. Bei 50.000 Schwurblern. Wer sich hinauswagt aus der eigenen Blase der wird Sie treffen diese Leute und hören was nicht wenige sagen. „Eigentlich müsste man ja gegen diese Grundrechtseinschränkungen auf die Straße gehen“, „ich hab mein Restaurant trotz Hygienekonzept schließen müssen, Miete durfte ich weiterzahlen, jetzt bin ich Pleite während die Regierung Geld an die Konzerne verteilt“...

 

Dass diese Leute nicht auf die Straße gehen liegt daran, dass Sie abgeschreckt sind von den auf Coronademos vertretenen Thesen, der Irrationalität und Antisemitismus. Den Nazis und Aluhüten.

 

Und so schließt sich der Kreis: Die Covidioten verhindern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik auf der Straße. Sie verhindern, das über die Milliarden für einen Klimaverpesterkonzern wie Lufthansa, der kurz darauf 30.000 Leute feuert, geredet wird. Sie verhindern, dass über die Krise im Pflegesytem geredet wird. Sie verhindern, dass darüber geredet wird, warum wir Privat alles absagen müssen während die Pendlerzüge jeden Tag voll sind. Sie verhindern die Debatte über die Zustände in der Paketauslieferbranche, während Amazon Boss Jeff Bezos in wenigen Monaten ein dutzend Milliarden eingestrichen hat. Ob sich das Virus wirklich bevorzugt Nachts verbreitet oder die Ausgangssperre nicht vielmehr mit Kontrollwahn und Ängsten vor Kontrollverlust dieser Regierung zu tun hat.

 

 

 

Wo Schatten ist muss auch irgendwo Licht sein

 

Es ist ja nicht so das es nicht zu Beginn Ansätze einer eigenen linksradikalen Politik in der Krise gegeben hätte. Die Kundgebung am Kottbusser Tor am ersten Wochenende der Kontaktverbote, die übrigens mit 200 Leuten viermal so viele Leute anzog wie die allererste Hygienedemo am RLP. Die Aktion gegen das Heinrich-Herz-Institut als Entwickler der Corona App. Den 1. Mai. Der Streik migrantischer Beschäftigter bei Spargel Ritter. Alles Dinge mit denen weiter hätte experimentiert werden können. Stattdessen haben wir uns einmal mehr einlullen lassen, von den immer gleichen Bewegungsmanagern, die uns schon seit Jahren erklären das Protest möglichst harmlos zu sein hat. Die jetzt sogar hinter diese Aktionen im Frühjahr zurückfallen wollen, die sich nichtmal eine verdammte fucking KLAGE vor Gericht vorstellen können, das harmloseste und rechtstreueste Mittel das es gibt.

 

Hören wir auf uns unsere Praxis von Gruppen diktieren zu lassen, deren Handeln erkennbar darauf ausgelegt ist ihre (zukünftige) Partizipation im System nicht zu gefährden.

 

Hören wir auf uns unsere Praxis von Gruppen diktieren zu lassen, die radikal dahin schwafeln, aber stets 100 Gründe präsentieren können warum wir nicht jetzt loslegen können.

 

Hören wir auf uns unsere Praxis von Gruppen diktieren zu lassen, die behaupten Solidarität fände Zuhause statt. Ja von dieser Dynamik, eine Demo im September und die nächste Demo, ganz vielleicht, wenn Papa Staat es erlaubt, irgendwann im Frühjahr, davon werden sich Staat, Nazis und Kapital sicherlich beeindruckt zeigen...

 

 

 

Der globale Rechtsruck ist nur möglich weil wir uns in eine selbstverschuldete Sackgasse der Ohnmacht begeben haben. Die USA machen es vor, ein halbes Jahr Randale und die Trump Regierung geht über den Jordan. So geht Widerstand, nicht Zuhause, nicht per Online-Klimastreik und nicht per Unterschriftensammlung.

 

 

 

In diesem Sinne, lasst uns organisieren ohne die ewigen Zweifler, Bremser und Integrierer und eine eigene Dynamik entwickeln die kreativ und offensiv ist!

 

 

 

Ein glüh(ender)weintrinkender Autonomer

 

 

 

 

Der Text ist jetzt viel länger und weniger polemischer geworden als ich wollte, musste mal raus das alles. Jetzt noch schnell zum Späti was zu trinken besorgen, in 3 Stunden darf Mensch ja nichtmehr, weil sich das Virus bei Alkohol und Nacht besonders verbreitet. Sagt Drosten, oder Merkel, oder so...

 

 

(1)https://rigaer94.squat.net/2020/10/21/rigaer94-zum-putschversuch-innerha...

(2)https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-12/querdenken-bewegu...

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Ergänzungen

Kritik kann ich mich anschließen.

Nur der gegenübersetzung von Besetzen und DW enteignen nicht. Denn DW enteignen wird nicht einfach abgesetzt....

Silvester zum Knast ist auf 30.12. vorgezogen.

Das hätte WerHatDerGibt auch machen können.

Leider haben da wieder einige Bewegungsmanager:innen mal wieder zuviel Angst vor der eigenen Courage...

Und den Rechten wird am 30.12. das Feld leider fast komplett überlassen...

.. und das ist genau die Haltung, die uns von der anderen Straßenseite in die gleiche Sackgasse führt. Wir können uns gern am Kneipentisch mal zusammen aufregen, wenn die wieder aufhaben, aber eine sinnvolle Analyse - wie von dir selbst gefordert - erkenne ich bei dir nicht.

War nicht die Stärke der Gelbwesten, dass sie Differenzen aushalten? War nicht die Stärke der - autonom so gelobten 80'er - genau die - ebenso gelobten 'Kreuzberger Mischung'? Ich kenne die Beweggründe des Bündnis ja nicht im Einzelnen, aber wenn verschoben wurde, kann das gut sein, um einen harten Bruch dieser vielversprechenden Initiative zu vermeiden. Wenn im Frühjahr Antifa und Seebrücke, Danni, Ende Gelände (und meinetwegen sogar FFF), FAU und Verdi, WHDG und Autonome zusammen auf die Straße gehen. Dann ist  doch etwas gewonnen, oder?

Und übrigens, nur über langfristiger Organisierung sind Krankenpfleger*in und Paketzusteller*in, Migrant*in und Mieter*in in überzeugender Zahl zu mobilisieren. Klar hätte ich auch gerne eine revolutionäre Gewerkschaft.. aber zu warten, bis es die gibt und sich bis dahin in die Szene einzuigeln... das ist ja genau das gleiche 'Tee trinken bis alles besser wird'  was du den sog. 'Hochschullinken' vorwirfst. 

Statt dessen muss es heißen: zusammen organisieren und breite Bündnisse aufbauen um den Druck zu erhöhen. Gleichzeitig nachbarschaftliche/betriebliche Strukturen der Selbstverwaltung aufbauen, um wirkliche - und nicht nur diskursive - Verankerung in der Gesellschaft zu erreichen. Das schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich!

Der Schreibenden sei für diesen Text gedankt. Der groben Analyse kann sich nur angeschlossen werden; Spaltung als Selbstverständigung. Machen wir uns nichts vor...viele unserer "Bündnispartnerinnen" würden uns mit Freuden an die Wand stellen (bzw. im Knast verrecken lassen), würden sie jemals die Gelegenheit bekommen. Was für eine Vorstellung, eine klimabewegte Justitzministerin von der IL bemüht sich zu erklären, warum wilde Streiks syndikalistischer Arbeiterinnen im bundesdeutschen "enteigneten" Amazonlager von der Polizei niedergeschlagen werden mussten; aber genug der Polemik.

Eine Sache aber: als Krankenpflegerin, welche diese Zeilen hier schreibt: setzt nichts in diese Berufsgruppe. Marx' Lumpenproletariat würde Augen machen ob jener Menschenfeinlichkeit, Staatshörigkeit, Konformität und Entsolidarisierung seinesgleichen gegenüber, die hier so anzutreffen ist. Der Pflegekraft liebste Nummer nach 110 ist zur Zeit die des Ordnungsamtes, um in bester deutscher Tradition Sozialhygiene von den Schlägern in Uniform erledigen zu lassen. Unter den gegebenen Bedingungen ist dieser Berufsstand emanzipatorischer Politik verlustig gegangen, die wenigen anarchistischen U-Boote in diesem Bereich haben schon seid langem keine Luft mehr gesehen. Die Tage auf den Covid-Stationen sind nicht ob des Workloades besonders schlimm zur Zeit, sondern ob der Kolleginnen. Aus dem deutschen Gesundheitssystem kann nichts Progressives erwachsen, im Gegenteil: die einzelne Pflegekraft suhlt sich in den peripheren Diskursen des medizinischen Totalitarismus, kann doch somit die Einzelne sich endlich einmal von der Masse der Verachteten abheben und Überlegenheit beanspruchen, mensch stehe ja schließlich an "vorderster Front" und wähnt sich unendlich viel wichtiger als die Arbeiterin bei Amazon, oder die Obdachlose in der U-Bahn.

Lange Rede, kurzer Sinn: Spaltung als Prozess der Selbstfindung, ja bitte! Wer sind unsere Freunde, wer unsere Feinde? Welche Räume können wir dadurch gewinnen, wenn mal keine "linksradikalen" Kader auf einem Plenum anwesend sind? Aber bitte bitte bitte, werdet euch darüber im klaren: aus dem Gesundheitssektor erwachsen uns keine Blüten des Aufstandes, das absolute Gegenteil ist der Fall (btw, da das wohl noch kein Konsens ist: Anna und Arthur halten auch im Krankenhaus das Maul...sie lassen die Verletzungen schön dokumentieren, aber sie halten verdammt nochmal das Maul, bei "Assis" wird das mit der Schweigepflicht nicht so ernst genommen und zuviele "Schwestern" haben ihre Bullenpartnerinnen auf sog. "Blaulichtparties" kennengelernt...just saying)

MsG und RIP linksunten, dort gehört diese Debatte eigentlich hin

 

"Ein fast immer übersehenes Detail der Mobilisierung zum G20 Gipfel in Hamburg ist dass es dort eine Spaltung im Bündnis gab. Die üblichen Klatschpappenträger und ewigen Systemverbesserer hatten sich abgespalten, weil Sie mit der Mobilisierung gegen Gipfel und Kapital an sich nichts anfangen konnten. Im Endeffekt haben Sie eine Woche vor dem Gipfel demonstriert, sich selbst ins Aus geschossen und keiner kann sich mehr an Sie erinnern."

Genau genommen hatte daran aber nicht zuletzt die Stärke der eigenständigen, unterschiedlichen  Mobilisierungen aus autonomen Spektren einen Anteil, Welcome to Hell als größtes Bündnis hiervon mit eigener Großdemo, bei gleichzeitiger Verankerung in stadtpolitischen Kämpfen. Gemeinsame Demonstration im Vorfeld von Esso-Mieter*innen, sich selbst organisierenden Geflüchteten aus Lampedusa und Unverträglichkeit der Flora war ein schönes Beispiel dafür. Forderungen nach einem Aktionsbild oder Konsens wurde konnte wurde von diesem Spektrum widersprochen mit Verweis auf die Autonomie der Teilnehmenden.

Was damit gesagt sein soll: Es ist eine Frage der eigenen Stärke. Im Zweifel auch mal selber große Demos zu organisieren, durchaus offen zu sein für andere Milieus und Kämpfe und Bündnisse mit diesen nicht nur am Tag der Demo zu suchen, sondern bei ihren Kämpfen im Alltag. Uninteressant sind hingegen Verbände, Lobbyorganisationen und Vertreter*innen von Parteien. Diese vertreten nicht sich Selbst sondern betreiben häufig Stellvertreter*innenpolitik.

Ihre Stärke und Bedeutung wird häufig größer eingeschätzt als ihre tatsächliche Bewegungsrelevanz. Gleichzeitig dringen sie oft auf bürgerliche Anerkennungsformen, wie z.B. dem anerkennen des polizeilichen Gewaltmonopols als Dogma politischer Auseinandersetzung. Diese Verlängerung etablierter Politik in den Bereich sozialer Bewegungen braucht in Wirklichkeit kein mensch und ist Teil der Gouvernementalität. Radikalere Aktivist*innen erfahren bei diesem Geschäft vermeintlich Anerkennung und größere Bedeutung aus den Institutionen der Mitte, für den Preis einer Domestizierung und Abgrenzung nach links.

Die Frage des Bruches mit dieser Politik ist also keine der Spaltung, sondern wie gehen große Mobilisierungen und Bündnisse ohne herrschende Spaltungen zu reproduzieren. Gleichzeitig ohne in autonome Selbstbezüglichkeiten und Militanzfetisch zu verfallen. Die Antwort wäre eine größeres Interesse aneinander, Interesse für Alltagskämpfe von anderen ohne taktisches Interesse, die Anerkennung unterschiedlicher Praktiken ohne Avantgardismus (Nicht nur Forderungen nach Gewaltverzicht, sondern auch Militanz kann dabei ein solcher Avantgardismus sein) und das Vertrauen und die Erfahrung eigene Mobilisierungen und Großdemos zu machen. Sich aus autonomer Perspektive nicht nur als Wurstzipfel von Großdemos zu betrachten, die im wesentlichen andere organisieren. Eben raus aus der Nischen- oder wie es neuderdings genannt wird Affinitätspolitik.

Glaubt ihr nicht langsam, dass die Zeit der Autonomen vorüber ist? Vielleicht brauchen wir zeitgemäßere Ansätze, welche es schaffen die Klasse anzusprechen? Die einzigen die sich irgendwie autonom verordnen würden sind doch ums ganze und IL, dies ist das traurige Ende einer großen Bewegung. Die einen haben ihr Zenit schon lange überschritten, die anderne sind auf dem Weg ins System und bringen schon ihre Schäfchen ins trockene. Während IL noch Protest simulieren kann, schaft es ums ganze nicht mal mehr wahrgenommen zu werden. 
Wir brauche neue Strategiedisskusionen und Kongresse, so wie es läuft, läuft es nicht...

 

Nö, "die Autonomen" haben ihren Zenith nicht überschritten. Die linksradikale autonome Bewegung zeigt seit Beginn, dass sie in der Lage ist, sich stets zu erneuern. Es gibt Downs und Ups, aber das Prinzip funktioniert nach wie vor, weil es auch mit Illegalisierung klar kommt. Wenn in der BRD überhaupt ab und an von revolutionären (umstürzlerischen) Momenten die Rede sein konnte/kann, dann kamen diese immer/hauptsächlich aus der autonomen Szene. Das selbe gilt für den aktiven Kontakt mit revolutionären Bewegungen/Gruppen usw. weltweit. Wie auch für das Durchbrechen staatlicher Gewaltmonopole.