[FFM] Heraus zum revolutionären 1.Mai

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Gruß an unsere Freunde ...

 

Auch diese Geschichte fängt an, wie alle Geschichten gerade anfangen. Es geht um Krankheit, Betroffenheit, Solidarität, darum, wer arbeitet und wer nicht, alles im Kontext der allgegenwärtigen Pandemie. Es ist jedoch nicht dieselbe Erzählung, wie wir sie auf allen Kanälen hören, die alle gerne nacherzählen und wo jede*r ein wenig mitschreiben möchte, durch Klatschen, Trompeten auf dem Balkon oder das Nähen von Masken. Gemeint ist eine Geschichte, in der wir alle in das gleiche Boot gesetzt werden, im Angesicht des Virus mit den vermeintlich gleichen Problemen zu kämpfen haben. Es ist wie immer mit guten Geschichten, jede*r weiß, dass sie so nicht ganz stimmen, man möchte sie aber trotzdem gerne glauben. Wir sitzen nicht im selben Boot, nicht als Weltgemeinschaft, nicht in Europa oder in der BRD. Die einzigen, die gerade in einem Boot sitzen, ersaufen beim Versuch, nach Europa zu gelangen, um der nie enden wollenden Tragödie ihres Lebens zu entfliehen. Doch diese Menschen sind nicht Teil der Geschichte, die gerade überall erzählt wird, auch wenn sie es sein sollten. 

Wir hingegen sollen uns als Teil der Geschichte fühlen, die wieder nicht von uns selbst, sondern von jenen erzählt wird, die es sich nicht leisten können, dass wir selber unsere Geschichte lautstark in die Welt tragen.Unsere Geschichte ist nicht neu, und es gibt keinen besseren Tag, um sie wieder und wieder zu erzählen, als den 1. Mai. 

 

Der Coronavirus zeigt vor allem wieder einmal, dass wir nicht gleich sind. Zumindest nicht in dem, was wir tun und in dem, wie wir deshalb leben müssen. Während einige - trotz virueller Gefahr - weiter zur Arbeit gehen, um die gesellschaftliche Grundversorgung zu sichern, danken es ihnen andere mit Applaus. Parallel zum fünfminütigen Applaus vom sonnigen Balkon wird die maximale Arbeitszeit auf 12 Stunden erhöht. 

 

Wenn die Tagesschau eine alleinerziehende Krankenpflegerin als Heldin des Alltags vorstellt, kehrt diese zur selben Zeit nach 12 Stunden Arbeit zu ihren drei Kindern in die Zwei-Zimmer-Wohnung am Rande der Stadt zurück. In 9 Stunden beginnt die nächste Schicht. Es ist kein Geheimnis, wer den Löwenanteil zur Bekämpfung der Krise leistet, und wenn wir ehrlich sind, ist es auch kein Geheimnis, wer sie bezahlen wird. Nicht nur die Pfleger*innen in den Wohnheimen, die Reinigungskräfte in den Krankenhäusern oder die Kassierer*innen an der Supermarktkasse, auch jene, die ihre Jobs verloren haben, in Kurzarbeit gezwungen wurden oder auf Teile ihres Gehalts verzichten sollen. Auch die Gefangenen in den Knästen, die keinen Besuch mehr empfangen dürfen oder die, denen das Leben in der Stadt schon zu teuer ist und die so auf die Straße getrieben werden, zahlen: Sozialleistungen werden gekürzt, Hilfseinrichtungen geschlossen, Grundrechte abgebaut. Auch das Kurzarbeiter*innengeld kommt letztlich aus denselben Sozialkassen, in die wir alle seit Jahren zahlen: So bezahlen wir auch dieses noch selbst. 

 

Ihr arbeitet nicht nur in den sogenannten systemrelevanten Berufen, seid täglich der gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt, sondern ihr bezahlt mit eurer Arbeit auch den Rettungsschirm, der über Unternehmen aufgespannt wird, bei denen ihr selbst angestellt seid. 

Wir wissen, dass ihr seit Jahrzehnten um gerechte Löhne und menschenwürdige Arbeitsbedingungen streitet. Nicht alle, die in der Vergangenheit und der Gegenwart am 1. Mai als Tag der Arbeiter*innen für eine andere Gesellschaft streiten, tragen die gleichen Kämpfe aus, stellen sich aber dennoch in verschiedenen Kontexten gegen die gegenwärtige Ungerechtigkeit. Auch wenn wir nicht unter den gleichen Bedingungen arbeiten, leben oder kämpfen, so müssen wir doch erkennen, dass der Kontext unserer Kämpfe der gleiche ist: Wir werden nicht länger hinnehmen, dass die Krise auf unserem Rücken ausgetragen und uns dabei unsere Selbstbestimmung genommen wird. Lasst uns der  hohlen Phrase von "Solidarität", dem Klatschen, dem Läuten der Kirchenglocken, den Konzerten auf dem Balkon usw. wieder ihre eigentliche Bedeutung geben. Lasst uns unsere Solidarität wieder kämpferisch auf die Straße tragen!

 

Und doch sollen wir jetzt alle darauf verzichten, diese andere, unsere Geschichte zu erzählen. Jeder emanzipatorische Protest, der sich weiter als einen Meter vom heimischen Bildschirm entfernt, wird als Gefahr gebrandmarkt. Als Gefahr durch den Virus, aber auch und vor allem, weil wir am 1. Mai in historischer Kontinuität die Harmonie jener angreifen, die sich erdreisten, dieses Boot steuern zu wollen, in dem wir alle in Eintracht sitzen sollen. Die Krise war schon immer eine Methode um zu regieren. In deren Schatten Fakten geschaffen werden, in deren Rahmen die dünne Schicht der bürgerlichen Grundrechte, getarnt als Soforthilfen, durchbrochen werden können: Der Datenschutz wird ausgehebelt, die Arbeitsrechte aufgeweicht und die Bundeswehr ist im Inland im  Einsatz. 

 

In der Anwendung des Abstandsgebots zeigen sich deutlicher denn je die Gesetze der gesellschaftlichen Selektion: Home Office für das Management, ungeschützte Maloche auf Baustellen, in Lagerhallen, den Pflegeheimen, in Geschäften für arbeitende Klasse sowie die Zwangsinternierung von Geflüchteten. Während Protest sanktioniert wird, sollen wir auf engstem Raum zusammen arbeiten. Diese Priorisierung spricht Bände darüber, welche Position uns innerhalb der Gesellschaft zugestanden wird. 

So ist die Krise für die einen ein Moment der Möglichkeiten und für die anderen eine Existenzbedrohung. Und für uns sollte sie nur ein Grund sein, lauter zu sprechen - uns nicht beirren zu lassen, echte Solidarität zu zeigen und weiter zu kämpfen!

 

Der 1. Mai ist der beste Tag, um unsere eigene Geschichte zu erzählen, und wir sind die einzigen, die darüber entscheiden, wie und wann wir sie erzählen. 

 

Fangen wir an: Klassenkampf kennt keinen Shutdown!

 

Eure Krise: Nicht auf unserem Rücken!

Gegen Prekarität, Privatisierung und Zwei-Klassen-Medizin

Tragt Mundschutz und Handschuhe! Schützt euch!

 

revolutionäre 1.Mai Demonstration

11 Uhr, Braubachstraße zwischen Römer und Paulsplatz, Frankfurt 

 

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Ergänzungen

Den Südhessischen AWO-Skandal um persönliche Bereicherungen, Luxus Autos und andere Annehmlichkeiten haben viele noch gut in Erinnerung; nun machen neue Fälle ungerechtfertigter Bereicherung – auf Kosten der Allgemeinheit – die Runde. Ein evangelischer Verein “Wohnraumhilfe“ (12 Mitglieder, hundert Angestellte) der Kirche soll winzige Bruchbuden (8 Quadratmeter) für 900(!) Euro pro Zimmer, im Auftrag der Stadt Frankfurt/ Main, an Obdachlose vermieteten.

 

https://www.hessenschau.de/gesellschaft/suendhaft-teure-bruchbuden-fuer-...

 

Die Tochter des Wiesbadener CDU-Politiker Wolfgang Gores soll jahrelang von der AWO Geld bekommen haben; für was genau ist völlig unklar.

 

https://www.hessenschau.de/gesellschaft/gutes-gehalt-von-der-awo---fuer-...

 

Auch an die persönlichen Bereicherungen des Führungspersonals im Bereich karitativer Einrichtungen, Organisationen und Vereine – den AWO-Skandal - in Südhessen muss aus aktuellem Anlass am revolutionären Frankfurter 1. Mai erinnert werden; bspw. an den “Selbstbedienungsladen der Genossen“: Die AWO-Südhessen mit den Ortsverbänden Frankfurt/ Main und Wiesbaden.

 

Das Phänomen der Raffgier betrifft oftmals MitarbeiterInnen im mittleren und gehobenen Management von sozialen Organisationen und Vereinen. Die monetären Versorgungsleitungen reichen diesbezüglich über Juristen, Notare bis in die Politik. Karitatives Führungspersonal, dass den ehrenamtlichen (welche oftmals keinerlei Aufwandsentschädigungen erhalten) MitarbeiterInnen auf die Schultern klopft und vom eigenen Personal Bescheidenheit einfordert während gleichzeitig persönliche Arbeitseinkünfte von mehreren hunderttausend Euro recht angenehme Gedanken erzeugen. Diese “Maden im Speck“ haben kein Interesse daran, dass sich die herrschenden Verhältnisse ändern, weil davon hervorragend profitieren!

 

Solidarische Grüße

 

Eat the Rich