Indymedia Linksunten als linkspluralistisches Medium verteidigen

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Eine Veranstaltung in Berlin zum zweiten Jahrestag des Verbots von Indymedia-linksunten macht deutlich, es gibt durchaus Interesse an einer Solidarität mit dem verbotenen Medium. Das muss auch öffentlich sichtbar werden. 

 

Am 14. August jährte sich zum zweiten Mal das Verbot einer linken Online-Plattform. Es handelt sich um die Indymedia.linksunten. In Berlin diskutierte ( https://perspektive.nostate.net/files/repression_linksunten_2019.pdf) ein Solidaritätsbündnis, wieso die Solidarität doch recht bescheiden ist. Das ist gerade bei einem Medium wie Indymedia-Linksunten schwer verständlich, wo doch dort der Grundsatz gilt, die Trennung von Nutzer*innen und Empfänger*innen aufzuheben. „Wir sind alle Indymedia“ lautete der Slogan, als in den Anfangsjahren der linken Plattform die Repression zuschlug. Das war beispielsweise in Genua im Juli 2001 der Fall, wo während des G8-Gipfels das temporäre Indymedia-Center in der Diaz-Schule gestürmt wurden. Der Ort wurde zum Inbegriff für staatlichen Repression und Folter. Wenige wissen heute noch, dass es dabei auch ein Angriff auf Indymedia gegangen ist. Es war nicht die einzige Repressionsfall gegen Indymedia. Darauf hat der Medienaktivist Matthias Monroy auf der Veranstaltung in seiner kleinen Geschichte von Indymedia hingewiesen. Er betonte, dass er nie Mitglied von Indymedia-Kollektiven war, aber  als jahrelanger Beobachter der Gipfelproteste auch die Geschichte von Indymedia kennt.  

Die Geburtsstunde von Indymedia und einer neuen transnationalen globalisierungskritischen Bewegung fielen zusammen. Es gab auch utopische und  sich schnell als unrealistisch erweisende Vorstellungen, wie eine solche Bewegung ohne den Filter von Zeitungen und Radiosendern zu einer weltweiten Politisierung von Bewegungen beitragen kann. In der Zeit zwischen 1999 und 2001 war ein kurzes Zeitfenster wo die Gipfel der Mächtigen in aller Welt zu Orten des transnationalen Widerstands wurden. Wer nicht hinfahren konnte, organisierte dann Aktion in den jeweiligen Wohnorten. Schließlich sorgte Indymedia für die Vermittlung der Informationen. Doch mit der Krise der globalisierungskritischen Bewegung begann auch die Krise von Indymedia.

 

Indymedia-Linksunten ist kein Bürger*innenjournalismus

 

 Dabei war die Repression nur ein Grund und vielleicht nicht einmal der entscheidende, für den Bedeutungsverlust von Indymedia wie Monroy darlegt. Es gab auch eine zunehmende Integration von Techniken, nicht aber von Inhalten, für die Indymedia stand und steht. Technisch ist es heute möglich, dass alle mit entsprechenden Geräten von Irgendwoher Bilder und Texte schicken können. Das Wort vom Bürger*innenjournalismus war geboren und wird längst auch von großen Verlagen genutzt. Es dient dort aber dazu, die Löhne von Journalist*innen zu drücken und deren Arbeitsverhältnisse zu verschlechtern. Schließlich arbeiten Bürger*innenjournalist*innen oft ohne Geld oder mit wenig Honorar. Auf der Veranstaltung wurde die Meinung geäußert, dass  vielleicht  das Projekt Indymedia durch diesen Bürger*innenjournalismus überflüssig geworden ist. Doch dabei wird das Entscheidende übersehen: Indymedia war Teil einer herrschafts- und kapitalismuskritischen transnationalen Bewegung und wollte diese überwinden. Ein solches Ziel hat der Bürger*innenjournalismus überhaupt nicht. Er ist entweder völlig unpolitisch oder  kritisiert bestenfalls Teilprobleme, aber nie Strukturen. So zeigt sich am Hype des Bürger*innenjournalismus wie Methoden, die innerhalb emanzipativer Bewegungen  vereinnahmt und zur Herrschaftssicherung integriert werden. Das können wir in der Kultur ebenso beobachten, wie in der Umweltbewegung oder im Feminismus. Wie dort werden auch hier bestimmte Methoden übernommen, während gleichzeitig die Menschen, die an den herrschaftskritischen Zielen festhalten kriminalisiert werden. Das können wir jetzt aktuell beim Verbot von Indymedia-Linksunten feststellen. So ist es angesichts des seit zwei Jahren bestehenden Verbots eine Form der Entsolidarisierung, wenn jetzt der Bürger*innenjournalismus als Alternative und angepriesen und nicht als Mittel der Integration gesehen wird. 

 

Indymedia linksunten als linkspluralistisches Projekt verteidigen

 

Gegen die Versuche der Entpolitisierung gilt die Forderung, wir wollen Indymedia-Linksumtem als das linkspluralistische Projekt wieder, das es war. Die Jenaer Rechtsanwältin Kirstin Pietrzyk, die auf der Veranstaltung über den Stand des Verfahrens gesprochen hat, regte an, dass mehr Indymedia-Nutzer*innen darüber sprechen sollten, was ihnen fehlt, seit Indymedia-Linksunten verboten ist. Sie brachte gleich als Beispiel, dass sie als Rechtsanwältin, die Opfer rechter Gewalt vertritt, mit Indymedia-Linksunten nachweisen konnte, dass Neonazis weiter aktiv waren, wenn sie das Gegenteil behaupteten. Genau könnten Aktivist*innen verschiedener anderer sozialer Bewegungen ebenfalls erklären, warum ihnen Indymedia-Linksunten fehlt. Das trifft sich mit der Initiative, die der Autor dieser Zeilen gemeinsam mit den Blogger*innen Joachim Schill und Detlef Georgia Schulze bereits im letzten Jahr initiierten (http://systemcrashundtatbeilinksunten.blogsport.eu/2017/08/31/linksunten-solidarisch-zu-sein-heisst-sich-dem-verbot-zu-widersetzen/). Wir haben uns dazu bekannt (http://systemcrashundtatbeilinksunten.blogsport.eu), dass wir auf der Plattform Texte publiziert und zur Diskussion gestellt haben. Diese Texte haben wir dort auch mit unseren Namen gezeichnet, dazu haben wir uns bekannt. Wir haben gesagt, wir wollen die Plattform  Indymedia linksunten zurück, damit wir dort weiter publizieren können, damit wir weiter über andere Texte diskutieren und uns natürlich auch oft genug über bestimmte Texte ärgern können, so wie es andere Indymedia-Nutzer*innen auch über unsere Texte wahrscheinlich getan haben. Wegen diesem Aufruf wird nun von der Justiz auch gegen uns deswegen Unterstützung eines verbotenen Vereins ermittelt. Das ist auch die Folge des vollzogenen Verbots eines Mediums mit dem Vereinsrecht. So kann auch jede Solidarität mit dem verbotenen Medium kriminalisiert werden. Das darf aber kein Anlass sein, sich in vermeintlich unpolitischen Bürger*innenjournalismus zu flüchten oder zu warten, bis die Justiz die Klage der drei Personen terminiert, denen die Justiz die Verantwortung für Indymedia Linksunten zuschreibt und gegen das Verbot klagen. Wenn also Nutzer*innen das Motto, „Wir sind alle Indymedia“ erst nehmen, gäbe dafür sehr unterschiedliche Möglichkeiten, aktiv zu werden. So hat die Bloggerin und Indymedia-Linksunten-Nutzerin Detlef Georgia Schulze eine eigene Klage eingereicht, in der sie die sofortige Aufhebung des Verbots fordert (https://taz.de/indymedia-fordert-Pressefreiheit/!5614659/) , weil ihre Rechte als Nutzerin des Mediums durch das fortdauernde Verbot verletzt werden. Die wesentlichen Argumente ihrer Klage finden sich in einer auch für Nichtjurist*innen verständlichen Sprache hier (http://www.scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=70424&tx_ttnews[backPid]=16&cHash=6d38c5c6fa)

 

 

 

  •  Tag (((i)))

 

Andere, die diesen juristischen Weg nicht beschreiten wollen, können sich an der Kampagne Tag (((i))) (https://de.indymedia.org/sites/default/files/2019/01/31998.png) beteiligen. Das ist der Samstag vor dem Tag, an dem die Klage  über da Verbot von Indymedia-Linksunten vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig terminiert ist. Dann soll  es in der Stadt eine  möglichst große Demonstration geben, wünschenswert wäre, wenn sie transnational wäre, wie das Medien. Mit der Mobilisierung wurde schon begonnen. Banner mit den Tag (((i))) könnten so schon vor der Terminierung der Verhandlung auch ein Mittel der Solidarisierung mit Indymedia-Linksunten werden. In den 1970er und 1980er Jahren, als kritische Zeitungen, beispielsweise aus der Anti-AKW-Bewegung verboten wurden, wurden die inkriminierten Texte in anderen Zeitungen nachgedruckt. Damals beteiligten sich daran auch Linksliberale, die inhaltlich mit den Texten nicht übereinstimmten, die aber dagegen waren, dass sie der Staat verbietet und zensiert. Nun wäre ein Tag (((i)))  Banner im Internet die zeitgemäße Form der Solidarität sein. Dann könnten auch die Projekte, die sich als Bürgerjournalist*innen verstehen, zeigen, wie ernst sie es mit der Solidarität mit einem linkspluralistischen Projekt meinen. 

 

Peter Nowak 

 

 

 

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Ergänzungen

Linksunten.Indymedia ist noch offline. Aber Strafverfahren gegen Betreiber gibt es keine mehr. Die wurden nach knapp 2 Jahren nun alle eingestellt, berichtet die Tageszeitung "neues deutschland". Ein rheinland-pfälzischjer AfD-Politiker aus dem Landesvorstand hatte eine Anzeige nach §129 gestellt, aber vergeblich, wie "nd" berichtet. Auch gut zu wissen: Eine Verschlüsselung von Festplatten und anderen Datenträgern kann sehr hilfreich sein. Alles nachzulesen:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124528.indymedia-linksunten-ve...

Über die Rechtmäßigkeit des Verbots von Linksunten-Indymedia wird Anfang 2020 ein Bundesgericht in Leipzig verhandeln (Tag X). Infos dazu:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124259.indymedia-linksunten-ei...

Was wurde da eigentlich auf Linksunten-Indymedia diskutiert? Ein exemplarisches Beispiel wird hier vorgestellt:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124258.indymedia-linksunten-wa...

Ein Abriss über Verbote und Zensur von unliebsamen Stimmen in der Geschichte:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124260.indymedia-linksunten-ve...