[Recherche] Dritter Weg Mittelsachsen/Hammerleubsdorf- ein starkes Stück Erzgebirge. Hier wird Tradition groß geschrieben.
Wir wohnen im Freiberger Umkreis, wir beobachten die Nazis hier und wir berichten über sie
Dieser Text möchte über Aktivitäten der rechtsextremen Partei „Der dritte Weg“ (DW) informieren, speziell über ihren Stützpunkt Mittelsachen.Ein weiterer Fokus wird auf das Fehlverhalten von Behörden und bürgerlicher Kräfte gelegt. Im Gesamten haben wir diesen über eineinhalb Jahre beobachtet. In der Darstellung unserer gesammelten Erkenntnisse über ihre Strukturen, möchten wir auf eine theoriegeleitete, mit Fachbegriffen überlaufende Sprache verzichten, um den Bericht so transparent wie möglich darzustellen und ihn somit für einen breiten Teil der Bevölkerung zugänglich zu machen. Mit diesem Bericht wenden wir uns von einem üblichen Outing einzelner Akteure ab, da es uns vordergründig um Aufklärung über die Aktivitäten dieser Gruppe extremer Rechter geht. Weiter wollen wir den Versuch einer Einordnung wagen, warum es trotz hoher medialer Aufmerksamkeit für die extreme Rechte einfach ist, in Sachsen zu agieren. Auf dieser Basis werden wir lediglich einzelne Akteure beleuchten, deren Aktionen in einen gesellschaftlichen Kontext setzen und damit verbunden die Missstände im Verständnis von Demokratie in der ansässigen Bevölkerung beschreiben.
2. Was ist der Dritte Weg?
Oft wurde die Partei in politischen Zeitschriften, Medien und von Politikern/Politikwissenschaftlern beschrieben bzw. charakterisiert. Wir beschränken uns an dieser Stelle auf eine kurze Übersicht um darzustellen, über welchen Typus von politischen Akteuren wir schreiben.
Der DW wurde am 23.09.2013 in Heidelberg gegründet. Der Parteivorsitzende ist Klaus Armstroff. Ihr Hauptsitz befindet sich in Bad Dürkheim und aktuell gehören ca. 350 Mitglieder zur Partei. Gegründet wurde die Partei vorwiegend unter der Führung von ehemaligen NPD-Funktionären und damaligen Aktivisten des mittlerweile verbotenen Freien Netz Süd (FNS). Da das FNS zur damaligen Zeit lediglich über eine vereinsähnliche Struktur verfügte, war die Gründung der Partei in Anbetracht der drohenden Verbotsverfügung für das FNS von großer Bedeutung. Unter dem Schutz des Parteigesetzes können deren Aktivitäten im Deckmantel der Legalität bis heute ausgeübt werden.
Die Partei fordert nach eigener Darstellung einen sogenannten „deutschen Sozialismus“, als angeblichen „dritten Weg“ abseits von Kommunismus und Kapitalismus. Festgeschrieben wird dies in ihrem Zehn-Punkte Programm in Anlehnung an ein historisches Programm der NSDAP. Der DW basiert im Allgemeinen auf einem extrem völkischen Menschenbild und greift Elemente der militanten Kameradschaftsszene auf. Er versteht sich ideologisch als „nationalrevolutionär“ und knüpft parteipolitisch an einen angeblich „linken“ Flügels der NSDAP um die Brüder Strasser an. Deshalb wird als Leitspruch die Parole “national, revolutionär, sozialistisch“ gewählt. Häufig ist dieser auf der Kleidung oder auf Transparenten zu lesen.
Organisiert ist die Partei in sogenannten „Stützpunkten“ und „Gebietsverbänden“. Mit diesem Konzept expandiert der DW seit 2014 deutschlandweit, vor allem in Süd- und Südwestdeutschland sowie in Ostdeutschland. Viele Strukturen befinden sich in Sachsen. Bezugnehmend auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen greifen wir auf einen Beitrag von Kerstin Koeditz zurück:„Dagegen setzt „Der III. Weg“ seinen zwar langsamen, aber kontinuierlichen Strukturaufbau in Sachsen fort (Drs. 6/11789). Inzwischen hat die Organisation mit ihrem deutlichen neonazistischen Profil rund 90 Mitglieder im Freistaat gewonnen, ein Plus von 50 Prozent binnen Jahresfrist (vgl.2016).“ Zwar ist „Der III. Weg“ nach wie vor schwächer als die hiesige NPD, konzentriert sich aber einstweilen besonders auf lokale Hochburgen, z.B. Plauen. In Sachsen dürfte „Der III. Weg“ ähnlich stark geworden sein wie im Stammland Bayern (1).
3. Der DW Stützpunkt Mittelsachsen
Wir stellen einige Aktivitäten, Strukturen und die Charakteristik des Stützpunkt Mittelsachsens vor.
Beginnend eine, zu diesem Zeitpunkt, nahezu vollständige Übersicht aller relevanten Aktivitäten des Stützpunktes:
‑ Mitte April 2015: Parteivorstellung in Freiberg
‑ Flugblattverteilung in Mittelsachsen
‑ 05.12.2015: Gründung des Stützpunkt Mittelsachsen/Erzgebirge in Chemnitz
‑ 16.01.2016: Demonstration in Oederan
‑ 25.06.2016: Sommersonnenwendfeier
- 24.09.2016 Erntedankfest
- 07.10.2016: „Gedenken“ der Bombardierung Freibergs
- 17.12.2016: Wintersonnenwendfeier
- 24.03.2017: Gründung des Stützpunkt Mittelsachsen (FG-DL-MW)
- 29.04.2017: Frühlingsfest
- 17.06.2017: Sommersonnenwendfeier
- 16.09.2017: Herbstfest
- 07.10.2017: „Gedenken“ der Bombardierung Freibergs
- 6.12.2017: Wintersonnenwendfeier
- Dezember 2017: Teilnahme an der Aktion "Tierfutter statt Böller"- in Freiberg
- 30.03.2018: Besuch des Klein-Erzgebirge Oederan
- 14.04.2018: Frühlingsfest mit anschließender Feier im Freibad Naundorf
- August 2018: - Ausflug Talsperre Kriebstein
- 7.10.2018 „Gedenken“ Bombardierung Freiberg
- Oktober 2018: Gemeinschaftswochende in Mecklenburg- Vorpommern
- 03.12.2018: Aktion am Büro des Zentrums für politische Schönheit in Chemnitz
- 22.12.2018: Wintersonnenwendfeier
Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei der 05.12.2015 ein. An diesem Tag wurde der Stützpunkt Mittelsachsen/Erzgebirge in Chemnitz gegründet. Damals wurde Maik Arnold zum Stützpunktleiter ernannt. Arnold ist eine Multifunktionsperson in der rechten Szene. Er war lange Zeit bei den mittlerweile verbotenen „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ aktiv, ebenso war er im Besitz eines Exemplars der ersten NSU-Bekenner-CD (2). Derzeit ist er Vorsitzender des Vereins „Unsere Heimat - Unsere Zukunft" (3). Mit der Umstrukturierung des Stützpunktes Mittelsachsen/Erzgebirge zum Stützpunkt Mittelsachsen am 24.03.2017 in Plauen, legte Arnold ebenfalls sein Amt als Stützpunktleiter nieder.
Im Gegensatz zu anderen Stützpunkten steht der Stützpunkt Mittelsachen weniger in der Öffentlichkeit und veranstaltet wesentlich seltener öffentlichkeitswirksame Aktionen, als andere Stützpunkte. Die Flugblattverteilung und „Tierfutter statt Böller-Aktion“ in Freiberg ist diesbezüglich eine Ausnahme. Weiterhin betreiben sie „Denkmalpflege“ und „Heldengedenken“ auf Friedhöfen in Freiberg und anderen Orten in Mittelsachsen.
Diese Nazis leben lieber u.a. in ihrer eingeschworenen Volksgemeinschaft in Hammerleubsdorf, ein kleiner Ort in der Gemeinde Leubsdorf zwischen Freiberg und Chemnitz. Dort fungiert das Grundstück der Lebensgemeinschaft Cathleen Wunderlich und des im Ort hochgeachteten Herrn Münzer an der Gahlenzer Straße 1 als sogenannter Tingplatz für den Stützpunkt Mittelsachsen. Dort werden Frühlingsfest, Sommersonnenwendfeier, Herbstfest, Erntedankfest und auch Wintersonnenwendfeier begangen. Jedoch kommt es auch zu Unregelmäßigkeiten, u.a. fand ihre „Wintersonnenwendenfeier“ am 16.12.2017 auf einem weiteren Grundstück von Herr Münzer, in der Leubsdorfer Straße 4 statt. Harte Nazis-Macker mögen keinen Regen (auch Kruppstahl rostet).
Auf den Festen wird zumeist das selbe Programm geboten: gemeinsames Essen, Appelle, „Kinderprogramm“, Bogenschießen und ein großes Feuer. Problematisch dabei ist die Ignoranz der Dorfbevölkerung, welche sich nicht um die sowohl optisch als auch akustisch auffälligen Tätigkeiten zu kümmern scheint. Niemand aus diesem Ort kann behaupten, dass er nicht die Ansprachen und die weithin sichtbare gehisste Fahne der Partei mitbekommen hat. Auf die Rolle des Dorfes gehen wir im weiteren Verlauf näher ein.
(Die zwei Nadeln markieren den Tingplatz und das Wohnhaus)
4. Wichtige Personen im DW Mittelsachsen
Bemerkenswert ist ein Vorfall vom 25.09.2015 in Freiberg: Etwa 15-20 Personen aus dem Umfeld der Partei „Der III. Weg“ verteilen aus 4 PKW heraus Flyer in Mittelsachsen. Dabei kommt es aus einem PKW mit Freiberger Kennzeichen zu einem Übergriff auf vermeintliche linke Personen. Dass so etwas nicht öfter vorkam, ist lediglich der schwachen strukturellen Ausprägung in dieser Region zu verdanken. In anderen Regionen kommt es daher öfters zu gewalttätigen Übergriffen, beispielsweise im sächsischen Plauen, was unter anderem auf ihre größere Personalkraft zurückzuführen wird.
Als Beispiel für wichtige Akteur*innen nutzten wir den 07.10.2017 und die damit verbundene Gedenkfeier für die Bombardierung Freibergs während des zweiten Weltkriegs. Hier zeigten die lokalen Akteur*innen ihre Präsenz. Ähnlich wie die NPD, legten die DW-Aktivist*innen einen Kranz nieder und entzündeten Grabkerzen mit der Aufschrift der Partei. Dazu wurde ein circa einstündiger „Appell“ (mit ca. 3 bis 4 Personen) abgehalten. Das Pech ihrer Fackeln tropfte auf das Denkmal.
(Auf dem Bild zu sehen: Mary-Ann Radke, Michél Sajovitz, sein Gefährtin Stephanie und eine uns unbekannte Person)
Mary-Ann Radke (verstorben):
Ehemals aus dem „Rechten Plenum“ bekannt, welches einen „Nazikiez“ in Chemnitz, im Stadtteil Sonnenberg etablieren wollte, war sie auch Teil des Dritten Wegs Mittelsachsen.
Während des Gedenkens hielt sie die Rede. In den vergangenen Jahren war sie bei vielen Veranstaltungen der Partei anzutreffen. Bei den lokalen Aktivitäten in Mittelsachsen war sie ebenso oft zugegen. Nach dem Outing des „Rechten Plenums“ im November 2016 war sie umgezogen und hatte auch ihren Job aufgegeben. Sie verunglückte bei einem Autounfall nach einem Arztbesuch.
Ein weiterer wichtiger Akteur im Dritten Weg Mittelsachsen ist Michél Sajovitz. Der aus Oederan stammende Sajovitz studiert in Dresden Bauingenieurwesen. Er ist eine umtriebige und immer wiederkehrende Person in der rechten Szene. Hier ein paar Beispiele der von Sajovitz besuchten Demos in den letzten Jahren:
‑ 01.05.2015 Saalfeld (DW-Demo)
- 17.02.2018 Nordhausen (DW-Demo)
- 01.05.2018 Chemnitz (DW-Demo)
Michél Sajovitz spielt in den Rechtsrockbands “Killuminati” und „Heiliges Reich“ Bass bzw. Gitarre (4)(5).Außerdem betreibt er regelmäßig Kampfsport und nahm auch an szeneinternen Turnieren teil, beispielweise kämpfte er am 09.06.2018 beim „Tiwaz“ in Grünhain-Beierfeld im Erzgebirge. Auf dem Weg zum „Tiwaz“-Turnier war er in einem T-Shirt des DW bekleidet (6). Weiterhin spielte er auf dem „Jugend im Sturm“ in Kirchheim am 07.07.2018, einem Fest der Partei mit der Band Killuminati, außerdem stieg er bei dieser Veranstaltung gegen einen Kämpfer aus Frankreich in den Ring.
Michél Sajovitz ganz links am Transparent am 17.02.2018 in Nordhausen)
(Michél Sajovitz links in grauen Shorts am 01.05.2018 in Chemnitz)
5. Wer schweigt, stimmt zu
Kommentar von Franziska Pester aus der Freien Presse vom 06.03.2018
„„Wir schweigen ins Verderben, wenn wir tun, als ob nichts wär'. / Wir können was dafür, wenn wir uns nicht dagegen wehren“ - diese Zeilen des ostfriesischen Sängers Enno Bunger sollten uns allen eine Mahnung sein. Dass Rechtsextreme sich immer wieder in kleinen mittelsächsischen Dörfern treffen, weil sie sich abseits der Städte unbeobachtet fühlen, ist inzwischen erwiesen. Und wenn mehr als 200 Teilnehmer zu einem Treffen in einem kleinen Dorf anreisen, kann niemand sagen, dass er nichts mitbekommen hat. Schon allein die vielen Autos müssen aufgefallen sein.
Die Fakten totzuschweigen oder kleinzureden, ist der falsche Weg. Stattdessen sollten die Frankenauer, Hohenfichtener, Cossener und Gränitzer deutlich machen, dass Rechtsextreme und ihr menschenverachtendes Gedankengut in ihren Dörfern nicht willkommen sind. Protestplakate aufhängen, Vorträge zur politischen Bildung organisieren, Spenden für Opfer rechter Gewalt sammeln oder schlicht und einfach die Polizei rufen, wenn man merkt, dass sich zwielichtige Gestalten in großer Anzahl in einem sonst geschlossenen Gasthof treffen - es gibt viele Möglichkeiten.
Es gilt, klare Kante zu zeigen. So komme ich zurück zu Enno Bunger: Es gibt nur einen Weg: widerlegen, widersetzen, widerstehen." (7)
Ähnliche Kommentare, wie das oben aufgegriffene, eindringlich formulierte Kommentar sind bei der Lokalzeitung „Freie Presse“ in vergleichbarer Form leider selten zu finden. Wir möchten aufzeigen, warum der geforderte Widerspruch von den Einwohnern betroffener Ortschaften ausgeblieben ist und weiterhin wird.
Voraus genommen ist festzuhalten, dass es der extremen Rechten, auch in Sachsen, zumeist nur fernab von größeren Städten möglich ist, sich zu treffen. Exemplarisch dafür kann der kleine Ort Hammerleubsdorf gesehen werden. Der Ort ist strategisch gut gewählt: eine übersichtliche Anbindung, eine geringe Einwohnerzahl und ein großes Grundstück sind optimal für die extremen Rechten und ihre Sympathisanten. Hinzu kommt eine passive Unterstützung durch die örtliche Bevölkerung; Feste und Aktivitäten werden toleriert. Andere Unregelmäßigkeiten im Dorfleben können schnell bemerkt werden, so dass rasch ein Gefühl von Sicherheit und Volksgemeinschaft für ihre Machenschaften entstehen kann.
Warum leisten Frankenauer, Hohenfichtener, Cossener und Gränitzer keinen Widerstand? Hier lassen wir eigene Erfahrungen einfließen. In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach ausführlich berichtet, warum Sachsen ein Magnet für die extremen Rechten ist. (8) Die sachlichen und empirisch dargelegten Fakten sind nachvollziehbar, spiegeln aber nicht die empfindbare Situation wieder.
Seit Jahren ist ein immer wiederkehrender Kreislauf im Umgang mit der extremen Rechten zu beobachten: Es gibt einen schwerwiegenden Vorfall, die Politik reagiert entsetzt, die Medien berichten und eine Änderung ist nicht zu bemerken. Das Problem beginnt bereits nach dem ersten Komma. Wer hier aufwächst, lernt von Anbeginn seines Lebens, eine von der Basis aufstrebende rassistische, sexistische und homophobe Umgebung kennen und wird in dieser sozialisiert. Fortlaufend werden von Autoritätspersonen, in Kindergärten, Schulen aber auch Vereinen, genannte Verhaltensmuster vorgelebt. In ländlichen Gegenden ist dies stärker verbreitet. Hier ein Schwulenwitz, in der Grundschule das Kaffeelied, beim nächsten Familientreffen richten die Frauen alles her, da Männer das erwarten. Grundlegend mangelt es vielen Menschen an einem Bewusstsein für die genannten Verhaltensmuster. Eben diese Menschen machen hier auch die Politik. Selbstverständlich müssen sich nicht alle Menschen mit diesen Vorwürfen angesprochen fühlen, aber jeder hat die Möglichkeit, genannte Missstände zu hinterfragen und zu thematisieren. Ein praktisches Beispiel: Am 26.01.2018 fordert der Oberbürgermeister(OB) von Freiberg, Sven Krüger, einen Zuzugsstop für geflüchtete Menschen. (9)Der damalige SPD-Politiker war vorher bereits durch eine populistische Forderung an die Bundesregierung, hinsichtlich der Refinanzierung von Kosten für die Integration von Geflüchteten aufgefallen. (10)Im Folgenden ist ein Screenshot aus dem alten Facebookprofil von Mary-Ann Radke zu sehen:
(Post von Mary-Ann Radke am 29.01.2018 auf Facebook)
Sie teilt, passend zur Forderung des OB, einen Artikel von einem Neurechten Onlineportal. Dabei kommentierte sie den Artikel mit den Worten: “Make Freiberg great again“, eine Anspielung auf eine Aussage des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Auch wenn die Überschrift, sowie der Inhalt des Artikel nicht die exakten Umstände und sachlichen Tatsachen der Diskussion widerspiegeln, so zeigt sich deutlich, warum sich extreme Rechte in Sachsen wohlfühlen. Diese Menschen leben in einem für sie fruchtbaren Umfeld, um ihre Ideologie zu verfolgen. Dieses ist durch eben gezeigte Diskussionen bestimmt. Mit Sorge betrachten wir eine thematisch zunehmende Schnittmenge aus der politischen Mitte und der extremen Rechten. Dieser Konsens bietet die Legitimation eigener Positionen und die Möglichkeit, die eigene rechtsextreme Ideologie zu publizieren. Auf dem Fundament dieses Konsens findet eine gezielte Rekrutierung von Aktivist*innen und Mitgliedern statt. Im Gegensatz zum urbanen Raum der alten Bundesländer, findet sich im strukturell schwächeren Raum der ehemaligen DDR, dass Potential zur Entfaltung und Stärkung der eigenen Rolle. Exemplarisch dazu ein Beispiel aus der Verflechtung von Dortmunder und Chemnitzer Neonazis: Für den Aufbau eines „Nazikiezes“ zogen gut vernetzte Neonazis aus Dortmund nach Chemnitz und gründeten die Gruppe „Rechtes Plenum Chemnitz" (11). In der Zeit ihrer Existenz versuchte die Gruppe im Stadtteil Sonnenberg durch Dominanz im Straßenbild, eine national befreite Zone zu errichten. Dazu gehörte das flächendeckende Anbringen von Naziaufklebern und Nazigraffitis, sowie Angriffe auf linke bzw. alternative Einrichtungen und Einzielpersonen. In vereinzelten Fällen wurden dabei Schusswaffen eingesetzt.
Auch die CDU verschiebt die Grenzen des Sagbaren nach rechts, besonders in Sachsen und gut sichtbar in Freiberg. Deren Stadtvorsitzende Holger Reuter leitet dann schon mal eine Veranstaltung mit einem evangelikalen Referenten, der gegen Abtreibung, berufstätige Frauen und Homosexuelle hetzt. Reuter postet auf Facebook einen positiven Bezug zu allen drei Strophen des „Deutschlandliedes“ und der von ihm geleitete Ortsverband stellte in der Vergangenheit sogenannte „Freiberger Thesen“ auf, in denen Forderungen von Pegida übernommen wurden (z.B. ein sinngemäßes „Merkel muss weg“). Dadurch werden bisher noch vorhandene Abgrenzungen zwischen dem bürgerlichen und dem rechtsextremen Lager verwischt. Die Freiberger CDU versucht die AfD rechts zu überholen.
Weiterhin möchten wir ein zusätzliches Beispiel für das Vorgehen seitens Vertretern der Kommunalpolitik beim Umgang mit Nazis vorstellen. Dabei beziehen wir uns auf ein Geschehnis aus dem Herbst 2017. Ein Reporter des Spiegel „erdreistete“ sich darüber zu schreiben, dass deutlich erkennbare Nazis auf dem Freiberger Brauhausfest feierten. Freilich waren nicht die Faschisten das Problem - sondern der Bericht darüber. OB Sven Krüger echauffierte sich auf Facebook. Niemand hatte Nazis gesehen, bestätigten ihm zahlreiche Follower. Die Bandbreite der Bestätigenden reichte, vom „typischen“ Freiberger Bürger abgesehen, von Holger Scheich, Geschäftsführer der Freiberg Brauhaus GmbH (ein Unternehmen der Radeberger Gruppe) über „besorgte Bürger“ (über ihre Facebookprofile eindeutig als solche identifizierbar) hin zu gewöhnlichen Neonazis. Gemeinsam war man sich einig das es „sowas“ hier nicht gebe. Der Bericht über die Zustände wurde zum Problem und nicht die Zustände an sich.
Ein weitere entscheidender Faktor für die erfolgreiche Zurückdrängung von Aktivitäten der extremen Rechten, sollten behördliche Arbeitsweisen und Interaktionen sein. Hierbei muss man der Polizei als Exekutive eine besondere Negativfunktion zuschreiben. In Sachsen übt sich die Polizei seit Jahren in der Relativierung der Problematik. Offensichtlich rechtsextreme Straftaten werden gezielt ignoriert oder dementiert. Die Sorge über das Ansehen des Ortes in der Öffentlichkeit ist größer als die Betroffenheit über rechte Übergriffe. Losgelöst von Legislative und Judikative ist mediale Aufmerksamkeit und Berichterstattung vom Tagesgeschäft der polizeilichen Exekutive, nur rudimentär vorhanden. Kritische Berichte und Reportagen werden verleugnet.
Der Hauptkritikpunkt liegt primär im Corpsgeist der sächsischen Einheiten und der damit verbunden individuellen Selbstreflektion einzelner Beamter. Ob fehlgeschlagene Twittermeldungen (12), falsche Lageeinschätzungen (13), SEK-Beamte mit rechten Symbolen auf ihrer Kleidung im Einsatz (14) oder auch öffentliche Verbindungen zu der rechten Szene, welche mit einer Beförderung honoriert werden (15), sächsische Beamte lassen sich keine Gelegenheit entgehen, mit Kameraden des rechten Spektrums zu sympathisieren.
Auch in Freiberg waren und sind immer wieder Zwischenfälle, wie im oben beschrieben Bild zu beobachten. Seit ca. zwei Jahren werden gezielt Freiräume für junge Menschen beschränkt, in der jüngeren Vergangenheit ist das Alkoholverbot im Stadtpark nahe der Universität zu erwähnen (16). In den Abendstunden werde Jugendliche, welche nicht Jeans und Hemd tragen grundlos im gesamten Stadtgebiet kontrolliert. Auf der anderen Seite machen Polizisten schon mal einen Handshake mit fragwürdigen rechten Securitys nachts um zwei auf dem Obermarkt. Weiterhin wurden Polizisten an einer Tankstelle bei einer Pause gesehen neben eine Gruppe stadtbekannter Rechter. Sie wirkten vertraut und betrieben eine Konversation. Vermutlich wäre die Situation nicht aufgefallen, wenn nicht besagte Polizisten in der Nacht davor eine Gruppe alternativer Jugendlicher zweimal ohne erkennbaren Grund kontrolliert hätten.
Auf den ersten Blick betrachtet wirken diese Vorfälle nicht erwähnenswert oder könnten als Ausrutscher der Beamten gesehen werden. Dass diese Vorfälle jedoch keine Einzelfälle sind, möchten wir fortlaufend darlegen.
Um im Rahmen der Subjektivität zu bleiben: Wenn man in der sächsischen Provinz aufwächst und im Jugendalter beginnt, alternativ zu denken, kann man Probleme bekommen. Gemeint ist damit die scheinbare Norm vom vorgeschriebenen Weg in dieser Gesellschaft, von welcher man abweicht. Diese Probleme kommen aus der Schule, aus der Ausbildung, aus dem Familienumfeld oder auch aus dem Freundeskreis. Ein Beispiel dafür kann sein: Wenn man sich lockerer kleidet - Jogginghose oder einen Pulli mit politischem Motiv trägt, bekommt man fortlaufend dumme Sprüche zu hören, wird auf der Straße komisch angeschaut oder seit der sogenannten Flüchtlings“krise“ 2015 auch beleidigt. Aus genau dieser Umgebung der Täter kommen die Beamten, die hier aktiv arbeiten. Verdächtig ist ein nicht bürgerlicher Kleidungsstil in Verbindung mit einem alternativen Erscheinungsbild. Seit Sommer 2017 besteht in den Abendstunde eine gesteigerte Kontrollbereitschaft seitens der allgemeinen Polizeikräfte. Durch die erhöhte Aktivität der Einsatzkräfte überlegt man sich als Jugendlicher, wie man sich kleidet um sich von lästigen Kontrollen begleitet von dummen Sprüchen nicht den Abend verderben zu lassen. Es bleibt also festzuhalten, dass eingesetzte Beamte aufgrund ihrer Sozialisierung gar nicht anders sein können und wollen. Sie kennen nur diese Umgebung und nicht den Vergleich zu anderen Lebensmöglichkeiten. Menschen, die nach Leipzig gezogen sind, können von viel entspannteren und objektiveren Beamten berichten. Was wohl daran liegt, dass in Leipzig, im Vergleich zum restlichen Sachsen, Lebensrealitäten ganz anders geschaffen und akzeptiert werden. Zusammenfassend betrachtet stellt die Polizei im ländlichen Raum dieses Bundeslandes nicht unmittelbar eine Regulation für die extreme Rechte dar, was ein entscheidender Faktor für die Vielzahl ihrer Wohlfühlzonen ist.
6. Rückzugsräume streitig machen - Aufforderung an emanzipatorische Gruppen und die Kommunalpolitik
Trotz vieler negativer Tendenzen gibt es nach subjektivem Empfinden auch Erfolge zu verzeichnen. Aktuell gibt es noch diverse Freie Kameradschaften, Parteistrukturen oder auch viele Musikgruppen im extremen rechten Spektrum. Wie im vorangehenden Zitat von Franziska Pester erwähnt, ist es zumeist lediglich möglich für die extreme Rechte sich in Provinzen jenseits größerer Städte zu etablieren. In Kleinstädten Sachsens gibt es immer noch flächendeckend zivilgesellschaftliche Projekte, emanzipatorische Gruppen oder soziokulturelle Zentren. Teilweise führen diese seit über zwanzig Jahren eine kontinuierliche Arbeit. Eben diese Zusammenschlüsse organisieren Widerstand: in Form von Demonstrationen, Vorträgen zur Aufklärung, Soli-Konzerten oder auch einfach Kulturangebote unterschiedlicher Facetten um Jugendlichen Perspektiven zu bieten. Allein diesen Organisationen ist es zu verdanken, dass sich die extreme Rechte in vielen Gebieten in die Provinz, nur unter Widerspruch treffen und organisieren kann. In den wenigsten Fällen sind dafür die Stadtpolitiker oder Kommunalpolitiker betreffender Gemeinden verantwortlich, jedoch bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. Ein erster Ansatz wäre es, die Relevanz des Problems zu erkennen, wahrzunehmen und adäquat zu reagieren. Relativierungen von Aktionen aus dem rechten Spektrum schaffen Akzeptanz in der ansässigen Bevölkerung und tragen zu einem Sicherheitsgefühl der faschistischen Aktivisten*innen bei.
Um konkreter zu werden, steht an diese Stelle unsere Forderung sich auch auf die kleinen Dörfer zu fokussieren und den extremen Rechten diesen Rückzugsraum streitig zu machen. Selbstverständlich ist klar, dass nicht überall ein neues soziokulturelles Zentrum entstehen kann. Um zu beginnen, stellt Recherche und Aufklärungsarbeit einen ersten, entscheidenden Schritt dar, wofür jedoch materielle und personelle Aufwendungen nötig sind. Diese Aufwendungen sollten von emanzipatorischen Gruppen getragen werden, wobei es egal ist, ob es sich dabei um einen Zusammenschluss von Antifaschist*innen aus dem hippen Leipzig oder einer kleinen Gruppe aus dem Dorf handelt. Zumeist jedoch, bleibt die Arbeit bei den kleineren Gruppen, obwohl Unterstützung aus dem zahlenstarken Leipzig zu einer beträchtlichen Verbesserung führen könnte.
Wie für alle anderen Bereiche linker Arbeit gilt also: Solidarität ist alles!
An den Dritten Weg Mittelsachsen: Natürlich haben wir viel mehr Informationen über euch gesammelt und könnten weiter personalisieren, falls die Art und Weise eures weiteren Vorgehens das erforderlich werden lässt.
Es gibt kein ruhiges Hinterland! Auch nicht in Hammerleubsdorf!
Wenn ihr noch mehr Informationen zu den extremen Rechten im Artikel habt oder als Pressevertreter Fragen habt, schreibt uns an: karlstuelpnersrache@riseup.net
6.Quellen
[1]http://kerstin-koeditz.de/?p=2192
[2]http://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-weitere-nazi-cd-in-sachsen-aufgetaucht-a- 1001494.html
[3] http://www.mdr.de/sachsen/chemnitz/theater-um-rechten-verein-100.html
[4] https://www.inventati.org/leipzig/?p=3687
[8]https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus-in-ostdeutschland-...
[9]https://www.sueddeutsche.de/news/politik/kommunen---freiberg-freiberg-wi...
[10]https://rp-online.de/politik/deutschland/kosten-fuer-integration-von-flu...
[11]http://www.spiegel.de/video/chemnitz-gegen-neonazis-sonnenberg-video-990...
[12]https://www.taz.de/!5449016/
[16]https://www.freiepresse.de/mittelsachsen/freiberg/studenten-kritisieren-...
Bilder
Unsere Bilder stammen sowohl aus allgemein öffentlich zugänglichen Quellen als auch aus Eigenrecherche.
Ergänzungen
Technische Probleme
Aufgrund technischer Probleme ist unsere angebotene E-Mail-Adresse nicht mehr verwendebar. Deshlab bitten wir darum Kommentare, Anregungen und Komplimente an unsere offizielle Häsinnen-E-Mail zu senden: diehaesinnenvomfloehatal@riseup.net
Häsinnen-Grüße
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