Krieg dem Krieg – Solidarität mit den Betroffenen der Razzien in Berlin – Freitag, Demo, Heinrichplatz

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Kein Zweifel, es herrscht Krieg. Am 15. November wurden bei der jüngsten Operation gegen linksradikale und anarchistische Zusammenhänge Sturmgewehre eingesetzt. Söldner in sandfarbenen Kampfanzügen brachten ihre Laserpunkte auf Stirn und Brust derjenigen, die es wagten, aus dem Fenster zu schauen.

Natürlich wäre es Grund genug, aus Solidarität mit den Betroffenen der Repression eine

gemeinsame Antwort der sozialen und rebellischen Projekte dieser Stadt auf diesen Angriff zu geben. Selbstverständlich sind die Razzien Teil einer Offensive gegen die politischen Individuen und kämpferischen anarchistischen Strukturen, die sich in den letzten Jahren an Konflikten mit dem Staat beteiligt haben oder diese erst gesucht haben.

 

Der Hamburg-Riot gegen die G20, die Häuserkämpfe gegen Verdrängung, die autonome Fluchthilfe, die radikal antikapitalistische Ökologie-Bewegung und der Widerstand gegen den technologischen Angriff sind Beispiele von Ausbrüchen aus einer gesellschaftlichen Starre (vgl. Autonomes Blättchen #34). Deswegen rufen wir in diesem Moment dazu auf, diese Konflikte weiterzuführen und zu intensivieren. Sie durch Solidarität untereinander zu stärken und durch selbstorganisierte Lebensformen und Angriffe auf den Staat zu einer ernsthaften Gefahr für diesen zu machen.

 

Unverkennbar bestätigt die Razzienwelle aber auch die Theorien der Militarisierung gesellschaft-licher Konflikte. Nachdem der Staat es beim G20-Gipfel zumindest teilweise geschafft hat, den Konflikt zu militarisieren, hat er in der Folge die SEK-Teams bei mehreren Gelegenheiten gegen Demonstrationen und Hausbesetzungen eingesetzt. Mit Fokus auf Berlin lässt sich feststellen, dass es bereits wegen Dingen wie dem Zeigen eines Transparentes auf der Bundespressekonferenz, wegen Farbbeutelwürfen auf einer unangemeldeten Fahrraddemo oder Plakatieren zu martialischen Hausdurchsuchungen mit Hubschraubereinsatz und vermummten Kommandos kommt. Was vor kurzer Zeit allgemein noch als ziviler Ungehorsam gewertet wurde, ruft jetzt sogenannte Antiterror-Einheiten auf den Plan. Auf rhetorischer Ebene steht die mediale Reaktion auf den Go-In bei der Senatsverwaltung für Justiz im August dem in nichts nach. Ohne dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommt, werden die Aktivist*innen als Terroristen bezeichnet.

 

Es ist nicht im Interesse der an Kämpfen von unten Beteiligten, die staatliche Kriegsrhetorik und -inszenierung zu tolerieren oder zu übernehmen. Wir als Demonstrant*innen, Hausbesetzer*innen oder Steinewerfer*innen verweigern uns der militärischen Logik um den von oben geführten sozialen Krieg stets von unten zu beantworten. Aufrüstung, Terror, Gesetze und Knäste sind die Wege des Staates zur Kontrolle der Bevölkerung. In diesem Sinne wollen wir nicht über den Einsatz von Kriegswaffen in Wohnhäusern, von Hubschraubern über unseren Dächern und Panzerfahrzeugen in unseren Straßen klagen. Wir wollen diesen Staat, der uns mit dem äußersten droht, zerschlagen.

 

Für die Zukunft militanter und sozialer Kämpfe von unten findet daher am Freitag, den 23. November, eine Demonstration statt. Beteiligt euch in Solidarität mit den von den Razzien Betroffenen und bereitet weitere Gegenschläge vor.

 

Kampf der Smart City!

Wohnraum vergesellschaften!

Bullen und Überwachungsstaat angreifen!

 

Kommt zur Demo:

Freitag 23.11.2018 - Heinrichplatz, Berlin-Kreuzberg
Kundgebung: 17 Uhr
Demostart: 18 Uhr

 

 

Links:

Aufruf: „[B] Demonstration gegen Hausdurchsuchungen und Medienhetze“

https://de.indymedia.org/node/26145

Updates:

"Und täglich grüßt das Schweingetier….“:

https://de.indymedia.org/node/25981

„Razzia in der Rigaer94 - Ein Angriff und seine Folgen“:

https://de.indymedia.org/node/26080

„Berichterstattung und Presseschau zu einer unruhigen Nacht in der Rigaer“:

https://de.indymedia.org/node/26144

 

 

 

 

 

 

 

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Ergänzungen

Da Indy den Artikel immer wieder löscht, hier nochmal als Kommentar:

Mit aller Härte für das Patriarchat

Donnerstag, 15.11.2018, kurz vor 6 Uhr morgens. An vier Orten in Berlin stürmen Bullen, geleitet vom Dir 5 K33 in Wohnungen, um sie zu durchsuchen. 560 Bullen, inklusive technischen Einheiten, SEK und Helikopter werden eingesetzt. Schlösser werden aufgebohrt, Türen aufgebrochen oder aber gleich mit Rahmen aus der Wand gerissen. Bewaffnete Vermummte holen Leute aus ihren Betten und fesseln sie am Boden liegend. In der Rigaer Straße nimmt ein SEK, ausgerüstet mit Sturmgewehren, vom Dach aus alles ins Visier was sich bewegt. Gesucht wird nach Kleidung, Schuhen, Handys, Kalendern und Notizbüchern, mitgenommen wird nur sehr wenig. Eine Person wird vorläufig festgenommen und zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach Tempelhof gebracht. Vorgeworfen wird den Beschuldigten gefährliche Körperverletzung & Sachbeschädigung, sowie die Anstiftung dazu.

Anlass war, wie sich herausstellte, ein von den meisten überhaupt nicht beachtetes Ereignis im Mai 2018. Eine der beschuldigten Personen soll die anderen dazu „bestimmt“ haben, einen Spätkaufbetreiber in seinem Laden in der Reichenberger Straße aufzusuchen, „um diesen zu schlagen und zu treten sowie seine Waren zu beschädigen“ - weil die Person ihr Paket von besagtem Spätkaufbetreiber nicht bekommen haben soll, so die Springerpresse. Grundlage dieser Vorwürfe sind die Aufnahmen der Überwachungskameras des Spätkaufs, die bereits in Teilen im Nachgang der Tat von der Bild veröffentlicht wurden. Was also ist auf den zusammengeschnittenen Aufnahmen zu sehen? Eine Frau betritt einen Spätkauf, laut Untertiteln um ein Paket abzuholen. Der Spätkaufbetreiber Mustafa T. möchte der Frau ihr Paket allerdings nicht aushändigen, da sie ihren Personalausweis nicht vorzeigen kann. Es kommt zu einem Streitgespräch, und zu einem Schnitt im Video. Die Frau verlässt daraufhin den Laden, und wirft dabei einige Schokoriegel auf den Boden. Der Spätkaufbetreiber stürmt ihr hinterher, beide verschwinden aus dem Blickfeld der Kamera. Anschließend hört man die Frau schreien, und weinend um Hilfe rufen. Eine während des Streits in den Spätkauf gekommene Person redet auf den Spätkaufbetreiber ein, dass er die Frau loslassen soll. Es gibt einen weiteren Schnitt. Einige Vermummte betreten den Laden. „Du hast eine Frau angefasst. Das ist dafür, das machst du nie wieder!“, rufen die Vermummten laut Untertiteln. Eine Weinflasche und ein Kaugummiregal werden umgeworfen. Der Spätkaufbetreiber kommt hinter der Theke hervor und fängt an Personen zu schlagen. Es kommt zu einer Rangelei, der Spätkaufbetreiber fällt hin, die Vermummten verlassen den Laden. Der Spätkaufbetreiber läuft den Vemummten nach, schreit ihnen „Ihr Hürensöhne!“ hinterher.

Anschließend kam es zu polizeilichen Ermittlungen. DNA-Proben von Blutspritzern an der Tür wurden genommen, die Videoaufnahmen ausgewertet. Ein LKA-Beamter der Abteilung für politisch motivierte Straftaten - links meint, 7 Vermummte erkannt zu haben. Besagter PMS-Beamte hat sich in der Vergangenheit bereits regelmäßig damit hervorgetan, Menschen identifiziert haben zu wollen (so zum Beispiel auch hier: https://de.indymedia.org/node/21679), und die Glaubwürdigkeit von besagtem PMS-Beamten wurde in der Vergangenheit bereits mehrmals infrage gestellt.

So weit, so klar. Oder auch nicht. Während die Springerpresse von einem Rollkommando schreibt, welches die betroffene Frau aus Rache geschickt habe, weil sie ihr Paket nicht bekommen hat, wird dem Spätibesitzer weitreichend Platz gelassen, um sich als Opfer darzustellen. Er könne ja überhaupt nicht verstehen, warum er so brutal angegriffen wurde. Auch Geisel rechtfertigt die Durchsuchungen mit Ermittlungen im „kriminellen Milieu“. Es handele sich zwar „um Sympathisanten der linken Szene, die auch schon mit politisch motivierten Straftaten auffällig wurden“, bei der Straftat bestehe jedoch kein politischer Hintergrund. Einziges Motiv der Vermummten soll gewesen sein, sich für das nicht bekommene Paket zu rächen, und den Kiez mit Gewalt zu terrorisieren. Sowohl Geisel und die Berliner Bullen als auch die Copy&Paste-Expert*innen aus den Redaktionen zeigen Unverständnis darüber, dass die Verweigerung der Herausgabe des Pakets eine solche Reaktion hervorrufen kann. Keine der über den Vorfall berichtenden Medien gehen auf den mittleren Teil des Videos ein, in den Aufnahmen ist eine Frau zu hören die um Hilfe schreit und Vermummte rufen „Du hast eine Frau angefasst. Das ist dafür, das machst du nie wieder.“ Unserer Meinung nach wurde hier ein Mann mit seinem gewalttätigen Verhalten konfrontiert. Die Reaktionen auf den Vorfall zeigen einmal mehr in ihrer brutalen Ehrlichkeit, wie der Status quo im Umgang mit Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft ist. Sie verdeutlichen die patriarchalen Strukturen der Gesellschaft, die Täter schützen und Frauen unterdrücken.

Frauen, die ihr Leben lang keine verbale, sexualisierte, physische, psychische Gewalt erleben müssen, sind sowohl die mit Glück gesegnete als auch die absolute Minderheit. Mehr als jede dritte Frau in Deutschland wurde Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt, die Hälfte aller Frauen ist betroffen von sexueller Belästigung. Alle zwei bis drei Tage wurde 2017 in Deutschland eine Frau von ihrem aktuellen oder früheren Partner ermordet. Patriarchale Gewalt ist immer noch eine der Hauptursachen für unnatürlichen Tod und Behinderungen von Frauen zwischen 15 und 44 Jahren weltweit.

Das alles ist nicht neu. Es ist vielmehr alltägliche Praxis, dass Politiker*innen und Medien die Seite der Täter einnehmen, und patriarchales Verhalten unsichtbar machen. Genauso ist es nichts Spektakuläres oder Ungewöhnliches, dass ein Innensenator und seine Bullen versuchen, Menschen aus der linksradikalen Szene als gesellschaftsschädigend darzustellen, um sie zu isolieren. Vielmehr sollte es uns darin bestärken, uns selbst zu organisieren und unsere Probleme gemeinsam und solidarisch zu lösen. Es muss uns darin bestärken, nicht auf bürgerlich-reaktionäre Medien und aufmerksamkeitshaschende Politiker*innen reinzufallen, sondern handlungsfähige Strukturen aufzubauen, in denen wir unsere Belange und Probleme kollektiv lösen können. Strukturen, die in der Lage sind, sich selber und andere zu verteidigen.

In diesem Sinne: Den anti-patriarchalen Selbstschutz aufbauen!
Kommt zur FLTI-Demonstration „Unser Leben, unser Widerstand! Brecht das Schweigen, nieder mit dem System!“ zum Internationalen Tag für das Ende der Gewalt gegen Frauen!
Sonntag, 25.11. | 15 Uhr | Hermannplatz

Kommt zur Demonstration gegen Hausdurchsuchungen und Medienhetze!
Freitag, 23.11. | 17 Uhr | Heinrichplatz

Für ein Leben ohne Angst – für ein Leben in Freiheit!

Einige Beschuldigte