Antwort auf den Fahndungsaufruf der Rigaer94: Drohbriefe vom Polizeistaat

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Am 22. Dezember 2017 gingen in verschiedenen Lokalitäten, die in Veröffentlichungen von Behörden als „linksextremistische Treffpunkte“ bezeichnet werden, anonyme Schreiben ein.
Der neunseitige Brief, doppelseitig kopiert mit jeweils 3 LichtbildernproSeite, enthält Drohungen gegen 42 vollnamentlich erwähnte Menschen. Zu 18 Personen sind Lichtbilder aus erkennungsdienstlichen Behandlungen des Berliner LKA bzw. Personalausweisfotos mit teilweise zutreffenden, meist verleumderischen Kommentaren aus Datenspeicherungen beigefügt, die dem Staatsschutz zugerechnet werden können. Weitere 24 Personen werden namentlich ohne Foto genannt.
Der Brief, der zu Dokumentationszwecken hier veröffentlicht wird (natürlich anonymisiert), ist durch ein fiktives „Zentrum für politische Korrektheit“ unterschrieben. Behauptet wird darin, dass es sich um eine Reaktion auf das Verhalten der Betreffenden im Bereich der Rigaer Straße handeln würde: „Ihr nervt einen ganzen Kiez mit Eurer Anwesenheit.“ Andererseits zeigt sich darin eine direkte Betroffenheit von der Veröffentlichung des Fahndungsaufrufes der Rigaer94. Darin waren 54 Polizeibeamt_innen auf Portraitfotos zu sehen, die sich an der Räumung der Rigaer94 im Sommer 2016 beteiligt hatten.

 

 

Die Drohung besteht darin, dass über die Betroffenen noch mehr Informationen veröffentlicht werden. Außerdem würden die Datensätze möglicherweise an organisierte Nazis weitergegeben. Benannt werden konkret „AN‘s“ (Szenejargon für Autonome Nationalisten) und die „Identitären“ (Identitäre Bewegung). Derzeit ist nicht bekannt, in welchem Umfang diese personenbezogenen Daten bereits verschickt wurden. Der Text droht etwas nebulös mit weiteren Konsequenzen, zum Beispiel gegen Fahrzeuge und Familie oder die Tätigkeit des Ermittlungsausschusses oder von Anwält_innen. Die alibihafte Drohung, die Daten an die Polizei weiterzugeben, belegt die Urheberschaft des Briefes. Eine erste Auswertung durch einen Teil der Betroffenen hat bestätigt, dass die Informationen ohne verleumderischen Inhalt nur den „szenekundigen“ Beamten des Staatsschutzes (LKA 5) zur Verfügung stehen können. Sie beziehen sich auf den ungefähren Zeitraum der letzten zehn Jahre. Wir sind sicher, dass das Schreiben von der Berliner Polizei erstellt und verschickt wurde, da niemand sonst Zugang zu entsprechenden Fotos von ED-Behandlungen und Ermittlungsakten haben dürfte.

 

Das fiktive Synonym verrät noch mehr über die Urheberschaft. „Zentrum für politische Korrektheit“ ist eine Anspielung auf das „Zentrum für politische Schönheit“. Genau jene politische Gruppe, die durch öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen Rassismus und Faschismus kämpft. Ihre letzte Aktion richtete sich gegen den AfDler Björn Höcke. Dieser hatte sich mit profaschistischen Äußerungen zum Holocaust-Mahnmal im Berliner Zentrum hervorgetan: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Zudem beklagte er die "dämliche" Bewältigungspolitik und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Um ihn und die AfD dafür zu brandmarken, hat das Zentrum für politische Schönheit unentdeckt das Nachbargrundstück von Höckes Heim angemietet und dort Betonstelen nach Berliner Vorbild aufgestellt. Zudem drohten sie öffentlich, Observationsergebnisse über Höcke zu veröffentlichen, die sie in den zehn Monaten gesammelt haben. Es ist also davon auszugehen, dass von den Urhebern des gegen uns gerichteten Drohbriefes in den Reihen der Berliner Polizei faschistische Umtriebe mindestens wohlwollend registriert werden.

 

Die Andeutung, Daten an außerparlamentarische Naziorganisationen wie die Autonomen Nationalisten weitergeben zu wollen, beweist jedoch, dass es nicht bei der Beobachterrolle bleibt. Der Schritt, derart einfach zuzuordnende Drohbriefe zu verschicken, beweist ein großes Selbstbewusstsein und Rückendeckung in der Polizeibehörde. Aber nicht nur die ausgesprochene faschistische Ideologie, sondern auch das Mittel spricht für sich. Das Versenden anonymer Drohbriefe und Verleumdungen ist bekannt aus allen Spannungsgebieten der Erde, in denen Regime ihre Stabilität in die Hände der Sicherheitsbehörden legen. Entwickelt wurden diese Techniken in den 1960er Jahren in den USA, wo das FBI auf diese Art und Weise die Black Panther Party bekämpfte. Das Programm wurde COINTELPRO (1) genannt und in alle Diktaturen exportiert. Das MfS der DDR betrieb unter der Bezeichnung „Zersetzung“ (2) ähnliche Maßnahmen.

 

Nicht zu vergessen ist auch, dass die Kooperation zwischen organisierten Nazistrukturen und Polizei nichts neues für die Rigaer Straße ist. Bereits während der Räumung und Belagerung der Rigaer94 im Sommer 2016 tauchten auf dem Naziblog „Halle-Leaks“ Daten von Personen auf, die vor Ort von der Polizei festgestellt wurden (3). Außerdem wurden von Unbekannten im belagerten Gebiet Flyer verteilt, die mit SS-Symbolen bebildert, die Polizei unterstützten. Immer noch relevant ist auch der Fall des rechten Aktivisten Marcel Göbel, dessen erfundene Aussagen über die Rigaer94 und die Kadterschmiede dazu reichten, dass der Verfassungsschutz diese bis heute als „autonome Hochburgen“ einordnet (4).

 

Letztendlich bestätigt der Drohbrief nur die Aussage der Rigaer94 anlässlich ihres Fahndungsaufrufs (5): in der Polizei, insbesondere natürlich dem mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgestatteten Staatsschutz, sowie den Geheimdiensten und der Gesellschaft, aus der sie sich rekrutieren, lebt die faschistische Ideologie. Dieser gilt es in lokalen und internationalen Kämpfen entgegenzutreten.

 

Wir protestieren ausdrücklich nicht gegen diese Form der staatlichen Repression, weil Protest eine Instanz voraussetzt, die als Korrektiv von uns anerkannt würde. Wir sind nicht empört darüber, dass eine Polizei diese Art von Repression betreibt. Eine Polizei, in deren Gewahrsam Oury Jalloh verbrannte und inzwischen niemand mehr an einem Mord durch Polizeibeamte zweifelt. Eine Polizei, die aufgrund ihrer Kontakte zu neonazistischen Gruppen oder durch Eskapaden einzelner, offen als Nazis auftretender Beamter (6), bundesweit durchgehend in den Schlagzeilen ist. Eine Polizei, die sogar die Tötung einer ihrer Beamt_innen in Kauf nimmt, um die vollständige Aufklärung der NSU Tätigkeiten zu verhindern.

 

Mit dieser Veröffentlichung wollen wir alle interessierten Menschen darauf vorbereiten, dass in nächster Zeit mit weiteren Desinformationen, Verleumdungen, Konstrukten, psychischen und körperlichen Angriffen oder „ungeklärten“ Bränden wie im Oktober 2015 im Eingang der Liebig 34 zu rechnen ist. Verantwortlich dafür sind Personen innerhalb der Berliner Polizei, die seit geraumer Zeit erkannt haben, dass die Anarchie nicht mit rechtlichen Mitteln bekämpft werden kann und die deshalb auf eine offene Eskalation des Konfliktes in der Rigaer Straße hinarbeiten.

 

Noch etwas wollen wir hinzufügen: Die Briefe wurden im Post-Verteilzentrum 10, des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg bearbeitet, in welchem sich das Polizeipräsidium befindet. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass Bullen so einem Dilettantismus verfallen können, haben aber trotzdem versucht Spuren der Absender_innen zu sichern. Dabei machten wir, wie auf den Bildern zu sehen, mehrere Fingerabdrücke sichtbar. Für das Verfahren nutzten wir eine eigens hergestellte Ninhydrin-Lösung, welche sich aus Ninhydrin, Ethanol und Essigsäure zusammensetzt. Mit einer Sprühreagenz füllten wir das Blatt und hingen es im Trockenschrank bei 80 Grad Celcius auf. Nach ungefähr 5-10 Minuten entstand das vorliegende Ergebnis.

(Drohbrief1.jpeg: erste Seite des Briefes mit gut sichtbaren Finger- und Handabdrücken;

Fotoseite.jpeg: eine von mehreren Seiten mit je 3 Bildern;

DrohbriefEnde.jpeg: letzte Seite des Briefes mit 24 aufgelisteten Namen

Finger.jpgs: Details einiger Abdrücke, die durch das chemische Verfahren lila erscheinen)

 

 

Einige Betroffene des Drohbriefes

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/COINTELPRO

 

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Zersetzung_(Ministerium_f%C3%BCr_Staatssicherheit) (3)https://www.antifa-berlin.info/node/1193

 

(4) https://rigaer94.squat.net/2015/12/24/rigaer94-aeussert-sich-zur-neuen-spitzelaffaire/ https://www.taz.de/!5316740/ https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/rigaer-strasse-festgenommener-brandstifter-arbeitete-angeblich-mit-der-polizei-zusammen-24352724

 

(5) http://rigaer94.squat.net

 

(6) http://www.fr.de/politik/rechtsextremismus/rechter-terror-plante-polizist-mordanschlaege-gegen-linke-a-1340376

 

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Ergänzungen

Letztes Jahr, das Lower Class Magazin berichtete, bedauerte ein LKA 5-Bulle der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit gegenüber noch die ihnen im Kampf gegen Links fehlenden Mittel und beneidete die Abteilung Rechtsextremismus einige Türen weiter um ihre Ressourcen. Der Artikel handelte hauptsächlich um die Konflikte rund um die Rigaer Straße nach der Polizeirazzia im Januar 2016. Ein Zusamenhang ist also nicht unwahrscheinlich, zumindest zeigt der Zeitungsartikel welche Seilschaften die Schweine beim LKA bereit sind einzugehen.

Bilder: 

diese meldung klingt unglaublich, wird aber durch den spiegel bestätigt: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/g20-autonome-erhalten-hochbrisante...

Seht euch das Papier nochmal genauer an und nicht nur die Fingerabdrücke. Drucker hinterlassen tracking dots, durch die eine sehr genaue Identifizierung vom Drucker, Druckerstandort und Drucker_in möglich ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Machine_Identification_Code

Das hört sich krude an, es gibt keine weiteren Quellen, keine Projekte die Ihr beispielhaft benennt.

Keine Verifizierung durch den EA und andere.

Ein Glück bedeutet so ein Spiegel-Artikel auch nichts, die schreiben immerhin auch Hörensagen auf ohne sowas geprüft zu haben... oder was? http://www.spiegel.de/panorama/justiz/g20-autonome-erhalten-hochbrisante...

Jetzt auch ein artikel in der vice: https://www.vice.com/de/article/3k5agj/berliner-polizisten-sollen-anonym-drohbriefe-an-linksautonome-verschickt-haben

und was die quellen angeht: unter dem artikel ist doch ein link zur R94 (die Bestätigen den vorfall)

Bei der Staatsanwaltschaft Leipzig scheint man besonderen Haß auf ALG-II- Empfänger zu haben ( http://netzwerk-gegen-rechts.org/2016/12/29/csu-darf-hartz-iv-bezieher-a... ) und auch ( https://www.jungewelt.de/artikel/299437.ein-sechsmillionstel-hass-f%C3%B... ). Daraus ist die meschenverachtende Handlungsweise dieser Staatsbüttel eindeutig zu erkennen.

Fand die Kritik sehr gut, weil sie linke Maßstäbe anlegt. 

 

Linke fotografieren die Polizei

 

weiteresen:

https://www.heise.de/tp/features/Linke-fotografieren-die-Polizei-3924941...