Batasuna-Sprecher aus dem Knast entlassen

Ralf Streck 01.09.2008 12:01 Themen: Repression Weltweit
Etwa 100 Freunde und Angehörige haben am Samstag den Basken Arnaldo Otegi vor dem Knast von Donostia-San Sebastian empfangen, nachdem er seine 15monatige Haftstrafe abgesessen hat. Der Ex-Sprecher der in Spanien verbotenen Partei Batasuna (Einheit) war das Gesicht des 2007 gescheiterten Friedensprozesses. Einst Gesprächspartner der sozialistischen Regierung wurde er sofort inhaftiert, nachdem die Untergrundorganisation ETA die unbefristete Waffenruhe im Juni 2007 abbrach. Dass er nicht sofort in U-Haft genommen wurde, wie die übrigen Genossen aus der Parteiführung hat wohl mit der Sorge in Madrid vor dem anstehenden Verfahren gegen das Verbot vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof zu tun.
Zwei Friedensprozesse trieb Otegi mit der kollektiven Batasuna-Führung voran, als er in die Parteispitze gespült wurde, nachdem die Führung des Vorgängers Herri Batasuna (HB/Volkunion) 1997 inhaftiert wurde. Weder das Verbot von Batasuna 2003 noch die Haft brachten ihn von seiner Linie ab. Den Journalisten, die schon um 7 Uhr den Knast von Martutene belagerten, sagte er, während die Versammelten die Internationale anstimmten: "Auch nach diesen 15 Monaten besteht leider das tiefe, reale und ungelöste politische Problem in diesem Land fort, von dem ich persönlich denke, dass es durch Dialog und Verhandlungen gelöst werden muss". Nur so könne ein Szenario entstehen, in dem das Baskenland "Demokratie und Frieden" erhält und die Bevölkerung frei entscheiden könne.

Ausdruck des Konflikts sind mehr als 700 baskische Gefangene, die anders als Otegi meist weit entfernt einsitzen und das sind deutlich mehr als unter der Franco-Diktatur. Otegi forderte die "Freilassung der politischen Gefangenen", zu denen auch seine Genossen aus der Parteiführung gehören, die nach ihm sukzessive verhaftet wurden. Den vielen Angehörigen, die am Wochenende oft 2000 Kilometer für kurze Besuche zurücklegen müssen, gab er bei seiner Ankunft im Heimatort Elgoibar "eine herzliche Umarmung" auf ihre langen Wege in französische und spanische Knäste mit.

Ob er wieder in die Führung aufrückt, ließ er offen. Viel wurde darüber spekuliert, aber es wäre unüblich. Die zwei Dutzend HB-Führer kehrten nicht in die Parteispitze zurück, nachdem das Verfassungsgericht das Urteil wegen angeblicher Unterstützung der ETA aufhob und die "Mahaikides" nach zwei Jahren aus dem Knast entließ.

Den charismatischen Anführer ohne neue Friedensgespräche zu reaktivieren, wäre auch unklug, weil er stets erneut inhaftiert werden kann. Vier Verfahren laufen, ihm wird sogar die Teilnahme an den Friedensgesprächen zur Last gelegt. Zudem zeigt sein Fall, dass die Justiz oft politischen Vorgaben folgt. In einer Rede sah das Ministerium für Staatsanwaltschaft im Friedensprozess keine "Verherrlichung des Terrorismus", um ihn wenige Tage nach dem Scheitern des Dialogs dafür in den Kerker zu werfen. Ein gutes Beispiel, dass sich die Justiz als verlängerter Arm der Politik verhält, ist der Fall einer Bürgermeisterin oder die Urteile in den Massenverfahren, wo Jugendorganisationen nach dem Ende der Waffenruhe einfach zu Terrororganisationen umdefiniert werden. (Siehe auch: 1 | 2 | 3)

Derzeit sind neben ihm nur die Mahaikides mit französischem Pass in Freiheit. So absurd wie das Konstrukt, Batasuna sei ein Teil der ETA und damit ihre Führer auch ETA-Führer, ist auch, dass die Partei in Frankreich sich legal an Wahlen beteiligt. Dabei wurde sie von Spanien sogar auf die EU-Liste terroristischer Organisationen gesetzt. Otegi hätte also zu seinen Genossen in Untersuchungshaft wechseln müssen, wenn die Regierung an ihr Konstrukt glauben würde.

Doch vielleicht ist man in Madrid derzeit zu besorgt über die Folgen, die dies auf das Verfahren vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof hätte. Die Batasuna-Klage gegen das Verbot wurde angenommen, weil es deutliche Hinweise auf gravierende Verstöße gibt. Im Sommer sorgte ein Brief für Aufregung in Madrid, weil die zuständige Kammer das Verfahren an die Große Kammer abgeben will. Das ist verständlich, denn es geht um die Legitimität aller Wahlen in einem EU-Mitgliedsland seit 2003. Seither wurden hunderte Parteien und Wählerlisten illegalisiert, weil Batasuna hinter ihnen stehen soll. Sogar in der Sommerpause wird das Verbot der "Kommunistischen Partei der Baskischen Territorien" (EHAK) und die antifranquistische Traditionspartei "Baskisch Patriotische Aktion" (EAE ANV) betrieben, um sie von den Regionalwahlen im Frühjahr auszuschließen.

Folgte Straßburg seiner üblichen Rechtsprechung im Fall von Parteien aus der Türkei, müsste das Verbot fallen. Denn das Kriterium war stets, dass eine Partei Teil einer bewaffneten Gruppe sein muss, um den schwerwiegenden demokratischen Eingriff zu rechtfertigen. Der Nachweis wurde bei Batasuna nie erbracht und stattdessen ein neues Parteiengesetz geschmiedet, um sie zu verbieten. Vor der Großen Kammer wird zudem öffentlich verhandelt und so würde international ein Schlaglicht auf die Vorgänge in Spanien gerichtet, was Madrid nun zu verhindern sucht.

In Straßburg wird derzeit auch zur Kenntnis genommen, dass die spanische Regierung sogar eine unverbindliche Volksbefragung verbieten will, mit der die baskische Regionalregierung eine friedliche Konfliktlösung anstoßen will. Mit der Klage und dem Antrag auf Suspendierung beim Verfassungsgericht haben die Sozialisten (PSOE) die am 25. Oktober geplante Abstimmung faktisch verhindert. Kürzlich ist eine Vorentscheidung gefallen. Das höchste Gericht lehnte es ab, dass die vier Parteien, die das Projekt beschlossen haben, es vor dem Gericht verteidigen können.

Erstaunlich war, dass der Argumentation der Staatsanwaltschaft gefolgt wurde, wonach diese nicht die baskische Gesellschaft vertreten. Zu dem Ergebnis kam das Gericht nach nur vier Stunden. So darf neben der Regierung zwar auch die rechte spanische Volkspartei (PP) gegen das Gesetz klagen, aber baskische Parteien bleiben außen vor. Es wäre ein Wunder, wenn das Gericht, das von PP-Richtern kontrolliert wird, die Volksbefragung erlaubte. Es ist bekannt für seine Haltung zu den Basken. Während Verfahren der baskischen Regierung, wegen der Nichtumsetzung des Autonomiestatuts jahrelang auf Eis liegen, segnet es von der Madrid angestoßene Verfahren im Rekordtempo ab. Der Präsident hatte sich einst sogar öffentlich für das Batasuna-Verbot ausgesprochen. Beim Misstrauensantrag gegen seine Person gab seine Stimme den Ausschlag, ihn nicht vom Amt zu entheben. Die baskische Regierungskoalition hat angekündigt, ebenfalls nach Straßburg zu ziehen, wenn ihre Befragung verboten wird.

© Ralf Streck, den 31.08.2008
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Ergänzungen

Interessantes auch hier

Ralf 01.09.2008 - 15:58
Dazu weitere interessante Texte.

 http://www.info-nordirland.de/

"Nicht oft gibt es die Momente, in denen die Türen des Gefängnisses als Synonym für ein tiefes Gefühl der Freude stehen, schon gar nicht in Euskal Herria (im Baskenland). Trotzdem, auf keine andere Art und Weise kann man das Gefühl derjenigen beschreiben, die sich am frühen Morgen in Donostia (spanisch: San Sebastian) vor dem Gefängnis Martutene versammelt haben. Man benötigt Begriffe wie Aufregung, Euphorie, Extase ... Wie eine der anwesenden Frauen es formuliert: 'wir haben nicht jeden Tag diese Art von Neuigkeit'.", ....

 http://www.info-nordirland.de/euskalherria/comment_otegi_aug2008_d.htm
 http://www.info-nordirland.de/euskalherria/eh_new_115_d.htm
 http://www.mundurat.net/ezdadelitu/
Deutsch  http://www.info-nordirland.de/download/20080519_ezdadelitu_ger.pdf

Basken gefoltert

Ralf Streck 01.09.2008 - 18:02
Erneut Basken gefoltert
diverse 01.09.2008 15:41 Themen: Repression Soziale Kämpfe

Vorletztes Wochende sind in Barañain bei einer von Richter
Fernando Grande-Marlaska geleiteten Polizeioperation die zwei
jungen Basken Luis Goñi und Xabier Sagardoi verhaftet worden.
Laut ihren Angaben wurden sie während der 5 Tage Kontaktsperre
brutal gefoltert ...
 http://de.indymedia.org/2008/09/225889.shtml

Allerdings sind das schon fünf Verhaftete  http://www.gara.net/azkenak/09/94447/es/Grande-Marlaska-envia-prision-quinto-joven-detenido-semana-pasada-cuyo-arresto-no-ha-conocido-hasta-hoy
Bei einem wußte man bis heute nicht einmal, dass er überhaupt verhaftet wurde. Wieder einmal liegt einer der Verhafteten im Krankenhaus.  http://www.gara.net/azkenak/09/94432/es/Noe-Lopez-sigue-ingresado-centro-hospitalario
Erinnert an den Fall:  http://de.indymedia.org/2008/01/204661.shtml



A

Baskische Antifa-Partei »geschlossen«

http://www.jungewelt.de 16.09.2008 - 19:31
Skandalurteil des Obersten Gerichtshofs. Madrid setzt auf weitere Verschärfung der Repression

Die vom Madrider Zentralstaat in Gang gesetzte Repressionsspirale gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung dreht sich schneller denn je. Am gestrigen Dienstag erklärte das Oberste Gericht Spaniens eine der traditionsreichen antifaschistischen Parteien des Baskenlandes für »aufgelöst«. Am Sonntag hatten schwerbewaffnete Polizeikräfte – Augenzeugen sprachen von einem »nie dagewesenen Aufgebot« – in Donostia (span.: San Sebastian) eine seit zwei Jahrzehnten alljährlich im Anschluß an eine traditionsreiche Ruderregatta stattfindende, in diesem Jahr aber erneut verbotene, Demonstration mit brutaler Gewalt unter Einsatz von Gummigeschossen aufgelöst. Die Veranstalter hätten »eine Amnestie für inhaftierte Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA gefordert«, so die Begründung.

Bereits am vergangenen Donnerstag war vom spanischen Verfassungsgericht ein Referendum über das Selbstbestimmungsrecht mit der Begründung verboten worden, Volksbefragungen dürften ausschließlich von Madrid durchgeführt werden. Und schon zu Monatsbeginn hatte der spanische Innenminister Alfredo Rubalcaba (PSOE) durch eine Initiative von sich reden gemacht, die den Beitrag der baskischen Linken an der Beseitigung des Franco-Faschismus 1975 vollständig negiert. Bisher war der Anteil der baskischen Linken, darunter der ETA, am Kampf gegen die Diktatur, unleugbar gewesen. Zu viele antifaschistische Widerstandskämpfer waren unter Franco in spanischen Gefängnissen inhaftiert und gefoltert worden.

Auch im aktuellen Urteil gegen die Baskische Nationale Aktion (EAE-ANV) vom Dienstag verwandte Gerichtspräsident Francisco José Hernando das übliche Begründungsschema. Demnach habe die Staatsanwaltschaft Recht mit der Behauptung, die EAE-ANV werde »von der ETA benutzt« und sei zudem »Teil« der seit 2003 verbotenen Linkspartei Batasuna (Einheit). Direkt im Anschluß an die Urteilsverkündung faßte Hernandez sein nächstes Ziel ins Auge: Nun werde das Gericht die Vorwürfe gegen die Kommunistische Partei der Baskischen Länder (EHAK) prüfen. Diese stellt derzeit neun von 75 Abgeordneten des baskischen Parlaments, während die EAE-ANV vor allem auf lokaler Ebene vertreten ist.

Seit den Kommunalwahlen von 2007 verfügt die Partei über 432 gewählte Volksvertreter. Sie regiert in knapp 45 Rathäusern, obwohl über die Hälfte ihrer Wählerlisten verboten worden war. Als Vorwand diente der Justiz damals, daß vereinzelt Aktivisten Batasunas auf den Listen der EAE-ANV angetreten seien. Bei der spanischen Parlamentswahl im Mai durfte sich die Partei auch deswegen gar nicht mehr bewerben. Ungeachtet der Repression kann die EAE-ANV auf die Unterstützung von etwa 180 000 Wählern (15 Prozent) zählen.

Am 26. Januar 2008 war das Verbotsverfahren gegen die beiden letzten verbliebenen legalen Parteien der baskischen Unabhängigkeitsbewegung eingeleitet worden. Die fast 80jährige EAE-ANV war unter Franco verboten gewesen. Vor 70 Jahren stand sie im spanischen Bürgerkrieg an der Seite der Republik gegen den Putsch der Reaktion. Den Kampf gegen die Faschisten, in dem 500 EAE-ANV Mitglieder ihr Leben verloren, führte sie gemeinsam mit Aktivisten der PSOE, derselben Partei, die heute den Repressionskurs im Baskenland trägt.

Das Oberste Gericht sorgt mit diesem Urteil für einen Höhepunkt in der staatlichen Konfrontationsstrategie. Offensichtlich will Madrid mit administrativen, juristischen und militärischen Mitteln versuchen, den spanisch-baskischen Konflikt zu lösen. Von einem »unerklärten Ausnahmezustand« ist die Rede. Und am Sonntag wurden mehrere junge Baskinnen und Basken durch Gummigeschosse zum Teil schwer verletzt.

Autonomer zockt Banken ab

http://www.n-tv.de 18.09.2008 - 17:40
Ein Autonomer hat in Spanien 39 Banken um fast eine halbe Million Euro gebracht. Mit dem Geld gab er eine antikapitalistische Zeitschrift heraus. Das Blatt wurde im Nordosten Spaniens gratis verteilt. Es trägt den Titel: "Krise - Gratis-Publikation zum Überstehen der wirtschaftlichen Turbulenzen". Der Herausgeber rühmt sich, bei den Banken für Scheinfirmen Kleinkredite im Wert von insgesamt 492.000 Euro bekommen zu haben. Zurückzahlen werde er sie nicht.

"Ich habe diejenigen bestohlen, die uns am meisten bestehlen", schreibt der 32-Jährige in seinem Blatt. Die Zeitung "El Mundo" berichtete, der Autonome habe sich mittlerweile aus Spanien ins Ausland abgesetzt.

Die Kleinkredite erhielt der Mann nach eigenen Angaben ohne Bürgschaften oder sonstige Sicherheiten. Der Rückgriff auf Scheinfirmen habe verhindert, dass er namentlich als Schuldner in Erscheinung treten musste. Daher sei er auch dem Schutzsystem der spanischen Banken nicht aufgefallen.

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copyright? — serius