Nach gescheitertem Misstrauensvotum im Knast

Ralf Streck 12.05.2008 08:36 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Die baskisch Kleinstadt Arrasate kommt nicht zur Ruhe. Am Donnerstag wurde sie fast komplett bestreikt. Tausende der 23.000 Einwohner streikten und demonstrierten, um die Freiheit der Bürgermeisterin Inocencia Galparsoro zu fordern. Nahezu alle Firmen, Geschäfte und Kneipen blieben aus Protest geschlossen, weil der spanische Nationale Gerichtshof die Bürgermeisterin kürzlich inhaftieren ließ. Angesichts der massiven Repression, Schließung von Parteilokalen etc. ist mit weiteren Verhaftungen von EAE-ANV BürgermeisterInnen und StadträtInnen zu rechnen.
Seit Mai 2007 steht Galparsoro für die antifaschistische Traditionspartei Baskisch Patriotische Aktion (EAE ANV) dem Ort vor, der in Spanien als Mondragon berühmt ist, weil hier die großen baskischen Kooperativen angesiedelt sind. Mit Fagor stellen sie den größten Elektrogerätehersteller im spanischen Staat und zu dem Verbund gehört auch die große Supermarktkette Eroski, die mit Edeka zusammenarbeitet und viele mehr.

Ino, wie die beliebte Bürgermeisterin in Arrasate genannt wird, ist seit Jahrzehnten für die baskische Linke aktiv. Sie war zuvor mehrfach Stadträtin und auch Vize-Bürgermeisterin. Nun wurde sie verhaftet und inhaftiert, nachdem ein Misstrauensvotum zu ihrer Absetzung gescheitert war. Mit dem Antrag sollte sie abgesetzt werden, weil EAE-ANV sich nach einem Anschlag auf einen ehemaligen sozialistischen Stadtrat nicht ausdrücklich von der Untergrundorganisation ETA distanzierte. Die linke Unabhängigkeitsbewegung wirft den Sozialisten (PSOE) vor, über die Justiz das umzusetzen, was sie politisch nicht erreichen konnte, wie es auch mit den Massenprozessen geschieht.

Der Ermittlungsrichter Baltasar Garzón wirft der Bürgermeisterin vor, die ETA zu unterstützen. Sie habe "ausdrücklich" die vorläufige Suspendierung der Parteiaktivitäten gebrochen. Nach dem Ende der Friedensgespräche mit der ETA wurde im Februar auch ein Verbotsverfahren gegen diese Linkspartei eingeleitet, die seit 80 Jahren besteht. Mehr als die hälfte ihrer Listen wurden schon vor den Kommunalwahlen im Mai 2007 ausgeschlossen, weil sie angeblich von der verbotenen Partei Batasuna (Einheit) unterwandert seien.

Konkret wird Galparsoro vorgeworfen, mit anderen Bürgermeistern eine Gegeninitiative zu den Misstrauensanträgen angekündigt zu haben, die in allen Gemeinden gestellt werden, die von EAE-ANV regiert werden. Ihr Anwalt machte deutlich, dass nun alle ihre Vertreter für die Ausübung der Ämter angeklagt werden können, was sogar für das Baskenland eine neue repressive Qualität darstelle. Iñigo Iruin wies auf die Absurdität hin, dass gegen Galparsoro nicht einmal im Rahmen des Verbotverfahrens ermittelt wird.

Repression ist in der Familie nicht unbekannt. Eine ihrer beiden Töchter, die 32jährige Saioa, saß für mehr als zwei Jahre in Untersuchungshaft, weil sie angeblich die ETA unterstützt habe. Nun hat sich die Situation umgedreht, nun muss die Tochter ihre Mutter im Knast besuchen. Alles deutet darauf hin, dass demnächst weitere EAE-ANV Stellvertreter verhaftet werden. Ganz oben auf der Liste dürfte die Bürgermeisterin von Hernani stehen. Marian Beitialarrangoitia war mit Galparsoro auf der Pressekonferenz aufgetreten und auch hier scheiterte das Misstrauensvotum. Erst am Dienstag ließ Garzón erneut ein Parteilokal in Portugalete (Bilbao) schließen.

© Ralf Streck, Donostia den 12.05.2008
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