Batasuna denunziert "Schiebung"

Ralf Streck 07.05.2007 14:21 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Wie erwartet hat die Sonderkammer des Obersten Gerichtshofs in Spanien hat am Sonntag die baskische Linke aus den Kommunal- und Regionalwahlen vom 27. Mai verbannt. Auf Antrag der sozialistischen Regierung wurden alle 246 Listen der Partei Abertzale Sozialistak (Patriotische Sozialisten/AS) verboten. Auch 133 Listen der Traditionspartei Eusko Abertzale Ekintza (Baskisch-Patriotische Aktion/EAE-ANV) wurden getilgt, hinter denen ebenfalls die Partei Batasuna (Einheit) stehen soll, die 2003 verboten wurde. Verboten wurde aus dem gleichen Grund auch eine unabhängige Liste.

Aktuell: Verbot baskischer Listen bestätigt
Dass gut die Hälfte der Listen einer Traditionspartei ausgeschlossen werden, ist ein einzigartiger Vorgang. Die Richter waren unsicher, ob dies ohne ein Verbot der Partei möglich ist. Um dies möglich zu machen und die gesetzliche Frist zur Entscheidung um sieben Stunden überschreiten zu können, wurde die fast 80 Jahre alte Partei als Batasuna-Nachfolger behandelt, die allerdings erst 2001 gegründet wurde. Das allein zeigt schon die Absurdität des Vorgangs. Mit dem Vorgehen wurde zudem das Verbot der Traditionspartei angeregt, wie es die ultrarechte Volkspartei (PP) fordert, deren Richter die Sonderkammer dominieren. Sie wirft den Sozialisten (PSOE) vor, sie habe Batasuna die Teilnahme in den Institutionen ermöglicht.

"Rechtsstaatlich" korrekt habe man etwa 70 % der baskischen Wähler einer Option beraubt, die von 10 bis 20 % gewählt wird, erklärte das Ministerium für Staatsanwaltschaft stolz. Allerdings log man bei den Sozialisten wieder einmal. Angekündigt hatte der Generalstaatsanwalt, dass man "nur" bis 1995 zurückgegangen sei, um die fast 12.000 Kandidaten zu überprüfen. Im Fall von Josu Goya heißt es im Urteil aber, er sei bei der Gründung von Herri Batasuna 1978 Führungsmitglied gewesen und dann immer wieder Kandidat, bis zu den Wahlen 1995. Das geht dann durch bis 1999 allerdings waren damals die Listen und Parteien stets legal und das Gesetz noch längst nicht geschaffen, mit denen sie rückwirkend verboten wurden. Auch eine Spezialität spanischer "Rechtsstaatlichkeit".

In einigen Gemeinden, wie Lizarza, wird die PP die absolute Mehrheit erhalten, wenn nur eine Person sie wählt. In Hochburgen der linken Unabhängigkeitsbewegung tritt außer ihr niemand an. Batasuna spricht von "Schiebung", der Friedensprozess sei nun am "Abgrund". Es ist wohl davon auszugehen, dass die ETA alsbald wieder den bewaffneten Kampf aufnimmt.

Es half Batasuna und der linken Unabhängigkeitsbewegung nichts, die ETA zur Rückkehr der Waffenruhe aufzufordern, noch man sich in den Statuten der neuen Partei von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele distanziert. Dass das von der PP ebenfalls dominierte Verfassungsgericht bis Donnerstag substanzielle Änderungen vornimmt, ist nicht zu erwarten. Vorausschauend hat EAE-ANV schon zur Demonstration am Samstag in Bilbao aufgerufen. Wird hier 70 % der Demonstration verboten, weil es sich um eine Unterwanderung von Batasuna handelt. Man darf gespannt sein, schließlich ist in Spanien alles möglich und sogar eine Terrorismusdefinition, die weit über die ohnehin breite EU-Definition hinausgeht. Dazu gehört dann zum Beispiel auch, dass Parteien wie die Falange, die sich positiv auf die Diktatur beziehen und die Verfassung bekämpfen ungeschoren bei Wahlen in Spanien antreten können. Sicher wird der Druck nun auch größer, die baskischen Kommunisten zu verbieten.

© Ralf Streck, den 07.05.2007
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Ergänzungen

spanisch denunciar heißt anzeigen

nonmarcdi 07.05.2007 - 19:23
denunzieren auf deutsch heißt jemanden verpfeifen, durch die nazizeit hat es einen sehr üblen beigeschmack.

a la merda

Simson 08.05.2007 - 08:10
naja der Beigeschmack ist schon sehr übel, wenn man bedenkt, dass in durch und durch baskischen Gemeinden die PP mit nur einer einzigen Stimme die absolute Mehrheit erhält.
Aber ich finde die Überschrift auch nicht so sonderlich passend,irgendwie lapidar, dabei ist es mit Sicherheit auch das Ende eines Friedensprozesses der nie stattgefunden hat.

ANV

egal 09.05.2007 - 15:01
ANV (Acción Nacionalista Vasca) mit "Baskisch-Patriotische Aktion" zu uebersetzen finde ich komisch da es doch eigentlich Baskisch-Nationalistische Aktion heissen muesste. Des weiteren sind nicht alle "links" die sich selbst so bezeichnen, und die baskischen Nationalisten sind mit ihrer einschuechterungspolitik gegen politisch andersdenkende irgendwie im stalino-zeitalter haengengeblieben; also von einer progressiven politik meilenweit entfernt.

@ egal

ich 10.05.2007 - 11:20
Acción Nacionalista Vasca (EAE-ANV), Eusko Abertzale Ekintza en euskera, es un histórico partido político vasco de ideología nacionalista y socialista.

 http://es.wikipedia.org/wiki/ANV

1-Errandonea komandantea (erdian) Rosa Luxenburgo "Arrosa" Bataloikoa - El comandante Errandonea (en el centro) del Batallón Rosa Luxemburgo "Arrosa"

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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ANV und Titel

Baske 10.05.2007 - 23:36
Ja, ich find den Titel des Artikels auch ganz schön peinlich, viel besser wäre "Batasuna erklärt/beklagt sich über/protestiert gegen/...".
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes soll im übrigen noch vor Mitternacht erfolgen.

Und die ANV mit Baskisch-Patriotische Aktion zu übersetzen, ist vollkommen in Ordnung, da hier im Baskenland Euskal Herria (das Baskenland) als politische Einheit/Heimat betrachtet wird, in Castellano der Begriff des Patriotismus, welchen die baskischen "Nationalisten" aber mit ihrem Begriff nacionalista meinen, nicht existiert!
Und dass die PP hier in einigen Dörfern mit auch nur einer Stimme gewinnen würde, ist populistisch-reißerischer Quatsch, denn denn erstens tritt mehr oder weniger überall auch die tendenziell konservativere PNV (Partido Nacionalista Vasco) an und zweitens hat die PP hier im Baskenland eh nur einen Rückhalt bei ca 15-20% der Bevölkerung! Also mal ganz tranquilo,

empfiehlt L. aus Donostia.

@ich

egal 13.05.2007 - 13:26
"La violencia callejera también ha dejado huella esta noche en Azpeitia (Guipúzcoa), donde grupos de desconocidos radicales han dejado pintadas amenazantes en la fachada del domicilio de un concejal del PSE-EE; y en la localidad vizcaína de Mundana, donde han lanzado pintura contra el batzoki (sede del PNV)."

Claro, hay que luchar contra el PSE, el "Partido Socialista de Euskadi - Euskadiko Ezkerra" por cierto es un partido fascista, no? Es importante lucharlo...


( http://www.elpais.com/articulo/espana/detenidos/menores/violencia/callejera/Vitoria/elpepuesp/20070513elpepunac_2/Tes)

Danke

Sympathisant 17.05.2007 - 11:39
Vielen Dank für Deine informativen und gut recherchierten Artikel, Ralf.

Peinlich

druqqs 21.05.2007 - 19:34
Schon ganz schoen peinlich, wenn Mensch einer Partei hilft, die als Ziele Nationalismus und Sozialismus vermengt. Hatten wir das nicht schon einmal irgendwo? Die rechtliche Aktion ist natuerlich auch peinlich.