Baskische Linke fordert Waffenruhe der ETA

Ralf Streck 09.01.2007 10:42 Themen: Weltweit
Die baskische Partei Batasuna (Einheit) hat im Namen der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung gestern die ETA aufgefordert, nach dem Anschlag in Madrid zur Waffenruhe zurückzukehren. Ein Dialogprozess müsse sich "unter totaler Abwesenheit jeder Art von Gewalt entwickeln" bekräftigte Parteichef Arnaldo Otegi den Friedensplan von 2004. Die sozialistische Regierung dagegen müsse endlich "demokratische Bedingungen garantieren, welche einen definitiven politischen Lösungsprozess begünstigen". Statt Entspannung brüstete die sich damit,die Repression verstärkt zu haben.

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Die Verhandlungsdelegation von Batasuna hat gestern auf einer Pressekonferenz die ETA aufgefordert, zur Waffenruhe zurückzukehren. Erstmals geht Batasuna damit deutlich auf Distanz zum Vorgehen der ETA. Ein Dialogprozess müsse sich "unter totaler Abwesenheit jeder Art von Gewalt entwickeln" bekräftigte Parteichef Arnaldo Otegi. Er forderte die ETA auf die "Verpflichtungen und Zielen einzuhalten", die sie mit der Erklärung der permanenten Waffenruhe im März ausgeführt hat. Der verheerende Anschlag zum Jahreswechsel in der spanischen Hauptstadt Madrid, der zwei Menschen das Leben kostete, diene dem Friedensprozess nicht, hatte Batasuna schon zuvor kritisiert.

Batasuna bekräftigt so ihren Vorschlag von 2004, der den Prozess mit der sozialistischen Regierung einleitete. Man sei sich der enormen Verantwortung bewußt, sagte Otegi. Schon im Friedensplan hatte Batasuna der ETA nur die Rolle zugewiesen, mit Spanien und Frankreich über Entmilitarisierung, Gefangene und Exilanten zu verhandeln. Die politischen Fragen sollten die Parteien am Runden Tisch lösen, worüber die Bevölkerung das letzte Wort habe.

Die Regierung dagegen müsse endlich "demokratische Bedingungen garantieren, welche einen definitiven politischen Lösungsprozess begünstigen", kritisierte Otegi deren "miserables Vorgehen" bisher. In neun Monaten hat sie nicht einmal Batasuna eine legale Betätigung als Entspannungsgeste ermöglicht. Die Allparteiengespräche wurden nicht eingeleitet, die Situation der Gefangenen hat sich eher sogar verschlechtert und gerade haben die das Kollektiv der Gefangenen Aktionen für den nächsten Monat angekündigt.

Deutlich ist da die neue Anklage und erneute Verurteilung von Juana de Chaos zu 12 Jahren Haft für zwei Artikel in einer Tageszeitung. Otegi und andere Batasuna-Führer wurden während des Friedensprozesses verhaftet, an der Folter wurde festgehalten und die merkwürdigen Todesfälle von Gefangenen im Frühjahr wurden nicht aufgeklärt. Die absurden Massenprozesse gingen weiter, mit der die gesamte baskische Linke illegalisiert werden soll.

Das Ministerium für Staatsanwaltschaft hatte sogar für die Regierung Berufung gegen das Urteil gegen die Jugendorganisationen eingelegt. Es gefiel der Regierung nicht, dass sogar das Sondergericht (Nationaler Gerichtshof) keine Hinweise fand, dass es sich um terroristische Organisationen handelt. Das Sondergericht definierte, dafür müßten „kriminelle Handlungen“ unter Einsatz von „Schusswaffen, Bomben, Granaten, Explosivstoffen oder ähnliches“ ausgeführt werden. Weder wurden Waffen bei den Jugendlichen gefunden, noch konnte man ihnen kriminelle Handlungen nachweisen, wie die angebliche Steuerung der Kale Borroka, wie in der Anklage behauptet wurde. Nun will man sie trotzdem mit allen Mitteln der ETA unterordnen und nun ist die Gefahr groß, dass der Oberste Gerichtshof das auch tut, obwohl es keine neuen Beweise gibt.

Wie absurd die gesamten Prozesse sind, hat nun sogar ein Staatsanwalt im Fall der vor vier Jahren verbotenen Zeitung Egunkaria festgestellt, deren Journalisten sogar nach der Verhaftung gefoltert wurden. Gerade hat der zuständig Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens gefordert. Wie der Egin sollte auch Egunkaria angeblich der ETA untergeordnet sein. Es gäbe dafür aber nur "sehr schwache Indizien", die nicht ausreichten um irgendeine Verbindung zur ETA zu sehen, begründete der Staatsanwalt Miguel Angel Carballo seinen Antrag nach fast vier Jahren Verbot einer Tageszeitung, die nun ruiniert ist. Beim Egin gibt es seit fast neun Jahren kein Urteil.

So verwundert es nicht, wenn sich die Regierung sogar damit gebrüstet hat, keine Konzessionen gemacht und den Verfolgungsdruck sogar verstärkt zu haben. Konzessionen hat man aber an anderer gemacht. Die Mitglieder der staatlich finanzierten Todesschwadrone haben die Sozialisten derweil allerdings alle frei gelassen. Die staatlichen Mörder und Entführer mussten nur kurze Zeit in Vorzugshaft absitzen.

Das ist aber sicher kein Weg, damit sich alle Projekte auf "friedlichem und demokratischen Weg" entwickeln können, wie es der Friedensplan von Batasuna vorsah. Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero kann nun, nach dem wichtigen Schritt von Batasuna, dem Friedensprozess und sich selber eine neue Chance geben. Eine verstärkte Repression, wie sie die postfaschistische Volkspartei (PP) von ihm fordert, wird zu nichts führen. Das hat die PP mit ihrer Verbots und Repressionspolitik acht Jahre lang bewiesen. Das würde das beidseitige Leiden nicht nur verlängern, sondern die PP 2008 zurück an die Macht bringen. Darum ging es ihr mit allen Torpedos, die sie auf den Prozess abgefeuert hat. Hier müßte Zapatero nun ähnlichen Mut zeigen, wie einst beim Rückzug der Truppen aus dem Irak nach dem Wahlsieg. Dann ließe sich der Prozess wohl doch noch auf eine konstruktive Bahn bringen.

© Donostia-San Sebastian den 09.01.2007
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Ergänzungen

Umfragen

Ralf 09.01.2007 - 11:09
Das noch nicht alles verloren ist, zeigen auch Umfragen in Spanien. Demnach haben 64,2% der Bevölkerung noch "Hoffnungen", dass der Friedensprozess in Zukunft wieder aufleben kann. 55,2% der befragten Personen meinen, trotz des Anschlags sollte die Regierung weiter versuchen eine Dialoglösung für den Konflikt suchen.

Gora Euskal Herria askatu!

Mix 09.01.2007 - 16:28
Eta hat heute ein Komunique an die Zeitung Gara gesendet ( http://www.gara.net/azkenak/orriak/01/art200121.php), das bislang nur auf baskisch vorliegt. Einerseits wird darin die Verantwortung zu dem Anschlag übernommen, ohne dabei jemanden töten zu wollen. Anderseits solle der Waffenstillstand weiter bestand haben.

Ergän

zung 14.01.2007 - 17:57
Das Komunique der ETA setht auf.
 http://de.indymedia.org/2007/01/165874.shtml

Radiobericht von Ralf Streck

Redaktion Stoffwechsel 17.01.2007 - 00:02
Ralf Streck hat am Tag der ETA-Erklärung für die Freien Radios einen Bericht aus dem Baskenland abgegeben. Das Liveinterview könnt ihr unter folgender URL als Audio downloaden:

 http://stoffwechsel.radio-z.net/component/option,com_jimtawl/task,show_feature/cat,7/id,2951

Terroristisch

Ralf 21.01.2007 - 11:39
Wie vorauszusagen war, wurden vom Obersten Gerichtshof die baskischen Jugenorganisationen nun doch als "terroristisch" eingestuft ( http://de.indymedia.org/2006/11/162121.shtml) Mehrfach hatte der Gerichtshof, der von ultrarechten Richtern dominiert ist, das Urteil verschoben. Unter den neuen Bedingungungen, nach dem Ende der Waffenruhe ( http://de.indymedia.org/2007/01/165256.shtml), haben sie nun ein klares Gesinnungsurteil gesprochen. Terroristisch ist es nun schon, für eine politische Vorstellung einzutreten. Damit wurde Präjudiz für die folgenden Verfahren geschaffen und dürfte Auswirkungen in ganz Europa haben, falls eine solche Definition nicht zurückgedrängt wird. Die ersten vier der 23 nun zu sechs Jahren Haft verurteilten Jugendlichen wurden schon verhaftet.

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@Pablo — Paul

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Bitte — Ralf

Voll logisch — Mr. BBC

Verstehe nicht — Ralf

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