NY und Berlin: Proteste gegen Gentrification

rent_zero 06.07.2002 05:31 Themen: Freiräume
[update 08.07.02]

Wohnungsmieten sind in fast allen Großstädten der Welt ein zentrales soziales Problem - vor allem für die Gruppen in der Stadt, die wenig Geld haben. Gleichzeitig sind Wohnungen, Grundstücke und ganze Stadtteile eine beliebte und einträgliche Geldquelle für SpekulantInnen, InvestorInnen und HausbesitzerInnen. Deshalb gibt es auch in fast allen Städten den Versuch, bisher preiswerte Wohnquartiere aufzuwerten, um die Wohnungen teuer vermieten oder verkaufen zu können. Fast immer sind die bisherigen BewohnerInnen dieser Viertel dabei gezwungen, auszuziehen. Sie werden verdrängt. Dieser Prozess wird auch Gentrification genannt.

Doch nicht überall lassen sich die BewohnerInnen diese Verdrängung einfach gefallen. In Berlin und New York gab es in den letzten Tagen verschiedene Aktivitäten gegen die Verdrängung. Im folgenden Beitrag sind die einzelnen Aktionen und ihre Hintergründe zusammengefasst.

|Berlin Friedrichshain/Kreuzberg | Berlin Prenzlauer Berg | New York Harlem
Wissenswertes zu Gentrification

7.7.2002: Hausbesetzung und Räumung in Moabit! hier
Berlin Friedrichshain/Kreuzberg

Antiumstrukturierung in Friedrichshain: Am Wochende 29/30. Juni 2002 fanden in Berlin Aktionstage gegen die Zerstörung alternativer Projekte unter dem Motto "Olympiade von hinten" statt. An drei Tagen gab's jede Menge Veranstaltungen, Parties, Aktionen, ein Bootsrennen, ....
Am Samstag gab's ein Häuserrennen, welches im Rahmen der Demonstration (an der vielleicht 500 Leute teilnahmen) an der Frankfurter Allee durchgeführt wurde.
|Aufruf und Programm hier
|Bericht und Bilder von der Aktion hier

|Reclaim the Simon-Dach-Strasse! - Umsonst und draussen! Aufruf und Bericht

Freibad in Kreuzberg: Fast zur selben Zeit wie die Aktionen gegen die Aufwertung der Wohngegenden in Friedrichshain wurde in Kreuzberg gegen die sozialen Folgen der rot-roten Sparpolitik protestiert. Statt die steigenden Preise in Berliner Schwimmbäder einfach zu zahlen rief eine Freischwimmer AG zum kostenlosen Baden ins Prinzenbad ein. Beim Versuch von etwa 100 BadefreundInnen ohne Eintrittskarten ins Wasser zu gelangen, kam es zu tumultartigen Szenen. Die anwesenden Wachschützer und Polizeikräfte verhinderten den Badespaß mit ihrer berufstypischen Gewalt. Bericht und Presseecho 1 | 2 | 3 | 4

|frühere und andere Aktionen:
Bereits vor einem Monat gab's eine ähnliche Aktion: "Spreeaktiv vs. Hauptstadtmief" (Berichte und viele Fotos: beim Stressfaktor).
Proteste gegen Kneipenlärm in Friedrichshain hier


|Hintergründe: Die Aufwertung des Quartiers: 1 | 2 | 3 | 4

Von der Umstrukturierung ist die Gegend um die Spree in Friedrichshain-Kreuzberg momentan am heftigsten betroffen hier. Der geplante Ausbau des Spreeufers zur "media-city" bedroht mit den steigenden Bodenpreisen nicht nur Friedrichshain, sondern strahlt mit Projekten wie der "Heeresbäckerei" und den "Cuvry-Höfen" auch nach Kreuzberg ab. Das Hotel Ibis -welches zum "Sklavenhalterkonzern" Accor gehört- hat übrigens höchst "persönlich" dafür gesorgt, daß der Deli-Club an der Schillingbrücke verschwindet. Das Hotel ist so eine Art "Brückenkopf" in der Gegend.


Berlin Prenzlauer Berg

Der Helmholtzplatz ist seit einigen Jahren ein umkämpfter Raum. Seit der Sanierung des Platzes werden Nutzungskonflikte vor allem gegen soziale Randgruppen gerichtet. Weil der Platz in die aufgewertete Gegend passen soll, müssen Trinker, Punks und Obdachlose verschwinden. Die neuesten Pläne für einen Zaun und Wachschutz haben jedoch Protest hervorgerufen.
Am Dienstag (02.07.02) versammelten sich fast dreihundert AmwohnerInnen zu einer Kiezversammlung unter freiem Himmel. Die geplanten Errichtung eines weiteren Zaunes auf dem Platz und der Einsatz eines Wachschutzdienstes wurde von fast allen auf der Versammlung abgelehnt.

|Bericht von der Versammlung hier
|Bilder von der Aktion hier
|Ältere Artikel zur Verdrängung von Randgruppen am Helmholtzplatz: 1|2|3|4|5|
|Antiverdrängungsaktionen 2001: Aufruf und Bericht
|Hintergründe: Aufwertung des Bezirks hier und hier
|Räumungsversuch am 3.7.2002: Seitenflügel Schliemann 39 bleibt !!! hier

New York Harlem

Während in Berlin VertreterInnen der Subkultur gegen Vertreibung demonstrierten, wurden am selben Tag in New York BewohnerInnen aus Harlem aktiv. Momentan findet in Harlem das statt, was überall stattfindet, wo sich alternative Szene herausbilden: Mit den sog. Bobo's und Yuppies, die sich angezogen fühlen wird der Stadteil umgestaltet, bisherige BewohnerInnen vertrieben.

|Bericht von der Aktion (engl.) Harlem Rally Saturday to Protest Displacement and Gentrification


Wissenswertes zu Gentrification

|Gentrification: Was ist das überhaupt? engl.
|wissenschaftliche Literatur zum Thema hier
|Publikationen gegen die Verdrängung (Berlin): Scheinschlag und Mieterecho
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Ergänzungen

schlechter scherz?

antifa 06.07.2002 - 16:31
gentrification ist das modell eines phänomens, was in kapitalistisch organisierten großstädten anzutreffen ist.

hierbei ist vertreibung nicht immer gleichbedeutend mit gentrification, genauso wie gentrification (die in reinform, also mit allen im modell beschriebenen ausprägungen, in berlin noch nirgendwo festgestellt werden konnte) keine vertreibung nach sich ziehen muß.

gentrification beschreibt die eigendynamik eines (markt-)prozesses, der nach kapitalistischen interessen und "gesetzmäßigkeiten" verläuft.

so gesehen steht gentrification im gleichen verhältnis zum kapitalismus, wie das waldsterben zur luftverschmutzung.

wer also gegen gentrification demonstriert, tut das gleiche, wie jemand, der den wald für sein sterben anklagen will, obwohl er eigentlich gegen die verursacher der luftverschmutzung protestieren müßte.

doch es kommst noch dicker:
genauso, wie viele gegen waldsterben sind und nicht reflektiern, daß sie selber mitverursacher derselben sind, können sich viele, der protestler gegen gentrification nicht davon freimachen, daß sie diesen prozeß erst so richtig in gang gesetzt haben, denn:

in der ersten phase entdecken nämlich die sog. "pioniere" den heruntergekommenen kiez und finden seinen morbieden charme ganz interessant. bei diesen pionieren handelt es sich im weitesten sinne um junge künstler, studenten, hausbesetzer, alternative etc. sie sind (in bezug auf ihre wohnsituation) risikofreudig und lieben die "bunte mischung" und machen den kiez attraktiv (häuser bunt anmalen; "besetzakneipen" errichten, in die mit der zeit immer mehr leute kommen, weil sie den schrillen schick mal erleben wollen - das xb-liebig steht mittlerweile schon in nem französischen reiseführer; straßenfeste und eventuell sogar kiezrandale als erlebniskultur...

in der zweiten phase der gentrification kommen dann mehr und mehr leute in den kiez gezogen, die diese alternative mischung anzieht. sie sind weniger risikofreudig, ziehen daher erst nach, als absehbar wird, daß sich der versiffte kiez im umbruch befindet. das ist die erste generation der "gentrifier", keine "yuppies" im "linksradikalen" sinne, eher ikea-liebhaber...
diese phase könnte in friedrichshain etwa ab '97 eingetreten sein, als es auf der simon-dach-str. 5-7 kneipen gab (das ist weniger als die heutigen 34, aber zeigt die entwicklung ab dem "conmux", das ja genau aus diesem "pionier-mileu" kommt)

so, die ganze geschichte geht noch weiter so 4-5 phasen je nach modell.

von gentrification zu reden (egal ob spektrale oder protestpublikum) ist immer sehr heikel, da es ein beschreibendes MODELL ist, was in der realität - zumindest in d'land - schwer anzutreffen ist.

es eignet sich jedoch gut, auch prozesse in der berliner stadtentwicklung zu beschreiben.

was ich nicht verstehe ist, warum ihr euch so über den begriff aufregt und eure (ja auch meine) eigene verwobenheit in den prozeß der gentrification ausklammert.
im klartext: wir linken superaufgeklärten westdeutschen rotznasen haben nicht nur die faschos aus friedrichhain verjagt und tolle häuserkneipen errichtet, wir haben nicht nur den ddr-rentnern so manche nachtruhe geklaut, wir haben auch den prozeß der gentrification in friedrichshain angestoßen.[achtung polemik!]
warum soll ich dann gegen die spektrale rumpöbeln? kunst ist nicht nur schrott-schweißen im supamolly! [achtung polemik!] es gibt kein recht auf einen versifften kiez! yuppies sind auch menschen! [achtung polemik!] ost-rentner wehr euch gegen die westbesatza oder was?[achtung polemik!]

Scherz ohne Poente

Junger Pionier 06.07.2002 - 19:36
Hallo antifa!
Schön, dass Du Dich hier mit deinem Wissen einbringst. Woher Dein leicht überheblicher Unterton kommt bleibt mir jedoch schleierhaft. Das Gentrification was mit kapitalistischer Stadtentwicklung zu tun hat, steht ja gleich im ersten oder zweiten Satz des Textes - kein Grund also für Deine Belehrungen. Dein Argument, Gentrification und Verdrängung seien zwei verschiedene Dinge, ist ein Trick aus der Mottenkiste der bürgerlichen Soziologie. Die akademischen Debatten versuchen seit jeher, die sozialen Konsequenzen der Bodenverwertung auszublenden - Gentrification und Verdrängung soll als irgendwas "natürliches" gelten, etwas unangenehmes aber leider leider nicht zu vermeidendes. Damit werden politische verantwortlichkeiten ausgeblendet - und Stadtentwicklung ist ein hoch politischer Prozess. Zu dieser akademischen Verschleierung kommt es nicht zuletzt, weil viele Soziologen als Hausbesitzer oder Liebhaber von sanierten Altbauten als aktive Verdränger selbst an Gentrificationprozessen teilhaben. Der soziale Kern dieser Stadterneuerungsprozesse ist aber fast überall auf der Welt eine massive Verdrängung der bisherigen BewohnerInnen und bedeutet vor allem für ärmere Leute eine drastische Verschlechterung der Lebensverhältnisse - gerade deshalb ist es mit der Gentrification nicht wie mit dem Waldsterben. Gentrification ist ein Effekt des Kapitalismus, der sich sehr sehr unterschiedlich auswirkt, der GewinnerInnen und VerliererInnen hervorbringt. Deshalb ist es auch ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für soziale Bewegungen in den Großstädten.

Deine Bemerkungen zur linken Szene, die oftmals Pionierrollen für den Aufwertungsprozess einnehmen, sind wichtig. Doch was ist das Ergebnis einer zu spät erkannten MittäterInnenschaft? Gibt es für KünstlerInnen, HausbesetzerInnen oder ehemalige Kneipenkollektive keine Möglichkeit mehr, sich für eine aktives Handeln gegen die Gentrification zu entscheiden? Ich würde ja denken, es ist nie zu spät. Das soll aber keineswegs bedeuten, dass die Szene damit von einer beständigen Reflektion ihrer Auswirkungen entbunden ist.

die poente liegt tatsächlich im politischen

antifa 06.07.2002 - 21:05
hallo junger pionier!
bitte entschuldige, mein leicht überheblicher unterton entspringt wahrscheinlich meinem akademischen habitus [just kidding, wie der ami sagt :o) ]
ich weiß ja nicht, was du genau mit "trick aus der mottenkiste der bürgerlichen soziologie" meinst, vielleicht bist du ja ein echter revolutionär und somit auf einer -hm, ja- "anderen" geistigen ebene, als ich...
doch zurück zur sache:
ich glaube, dein bild vom "bürgerlichen soziologen", der tricks aus seiner mottenkiste holt, um vertreibung als etwas natürliches zu beschreiben, gar um zu verschleiern, ist deine eigene ideologie - ich brauche sie nicht.

als soziologie möchte ich analysieren und aufklären.
und da hier immer alle nach fertigen analysen, aktionsvorschlägen und ähnlichem fragen, fasse ich mich hier mal kurz:

eine kampagne von jungen pionieren gegen die menschen, die sie mit ihrem eigenen handeln erst angezogen haben, halte ich für falsch.
erstens haben die pioniere ja die gentrifier ("juppies") auf den kiez aufmerksam gemacht. sich dann hinzustellen und zu richten, welche kneipe mit welchen preisniveau "erlaubt" oder "verboten" gehört ist ja wohl die allerschlimmste anmaßung und nicht gerade gemeinwohlorientiert.
zweitens behandeln viele "juppies"-raus-argumente eben keine politischen, sondern lediglich lifestyle-argumente.

die von dir so geschmähte "bürgerliche" soziologie möchte die effekte der gentrification gar nicht verschleiern. sie hat sogar ein gegenmittel aus ihrer mottenkiste gekramt, um die negativfolgen der gentrification zu bekämpfen: die soziale stadterneuerung.
bei der "sozialen stadterneuerung" greift die politik ein, indem sie sarnierungsgebiete festlegt (das sind die vom prozeß der gentrification gefährdeten gebiete) und die sarnierungsmaßnahmen dort dann subventioniert, im gegenzug wird der eigentümer verpflichtet, die wohnungen zu gleichbleibenden mieten zu vermieten, er darf keine "luxussarnierung" durchführen und die wohnung nicht in eine eigentumswohnung umwandeln.

so, jetzt wäre die frage, wie mensch sich hier politisch einbringen könnte.
durch die berliner bankenpleite wurde die "soziale stadterneuerung" gestrichen, da der senat sie sich nicht mehr leisten kann. von diesem wegfall werden die jetzigen bewohnerInnen f'hains jedoch härter getroffen (werden), als von dem anblick frisch gewaschener sportwagen in der simon-dach-str.
gegen diese kürzungen gilt es politisch zu intervenieren, ganz zu schweigen davon, daß die subventionen für selbsthilfe natürlich auch gestrichen wurden!

wie du richtig schreibst, gibt es ganz unterschiedliche ausprägungen der genrification. es gibt "harte" kriterien, wie mieterInnenwechsel, zu- und abwanderungen, zunahme von eigentumswohnungen etc.
gerade zu den zu- und abwanderungen läßt sich in f'hain wenig sagen, den gerade im ostberlin der nachwendezeit greifen hier wesentlich mehr faktoren, als beispielsweis in einem gebiet, dessen "niedergang" "nur" vom sterben eines industriezweiges ausgelöst wurde.
eine zunahme von eigentumswohnungen ist beispielsweise nicht zu erkennen, auch "luxussarnierungen" spielten dort, dank der "sozialen stadterneuerung" bisher keine rolle.
was bleibt, sind z.b. "kulturelle effekte", dazu unten mehr...

bitte verstehe mich nicht falsch, aber vielleicht solltest du deine ideologie vom "bürgerlichen soziologen" mal anhand meines gegenargumentes überprüfen, daß die stadtsoziologie schon mittel gegen die gentrification hervorgebracht hat und so sogar junge pioniere lustig pionieren dürfen, ohne befürchten zu müssen, daß die geister, die sie riefen sie verdrängen...

so, nun nochmal ein blick zurück auf die "mikro-ebene":
schaustelle boxhagener platz
dort findet gerade die spektrale02 statt, gegen die sich der aktuelle protest richten soll.
neben den z.b. auf indymedia propagierten argumenten gegen die spektrale (das klassische juppies-raus-argument) gibt es auch eine "weichere" kritik an der ganzen sache, die zwar nicht so spektakulär im hausbesätza-style formuliert werden kann, jedoch durchaus ihre berechtigung findet:

wenn ich es richtig verstanden habe lautet diese kritik (die ich in vielen punkten teile, zumindest würde ich ihr eine solche beachtung schenken, daß es mich wundert, warum sie nicht auch so formuliert wurde), daß die spektrale ein aufgesetztes programm darstellt, was "den kiez" als schön, bunt neu und sauber präsentiert, den "aufschwung" im kiez und die bedeutung der simon-dach-str. im berliner nachtleben hyped. der kern der sache liegt hier darin, daß beispielsweise die spektrale02 vom quartiersmanagement mit getragen wird, was oft seine hauptaufgabe im "quartiersmarketing" sieht. mit "kern" meine ich hier zweierlei: erstens das "abdriften" des quartiersmanagements zur marketing-ag, die nur eine bestimmtes klientel erreichen kann/will und zweitens die verbitterung der "pioniere" darüber, daß sie sich von dieser außendarstellung ausgeschlossen fühlen.
wenn an dieser kritik was drann ist, dann halte ich eine aktion wie "pöbeln gegen juppies" echt für politisch "daneben".
stellt eine "gegenkunstveranstaltung" (von mir aus mit dem zusatz "von unten") eine zu große herausforderung für die pioniere dar? so hätten sie zeigen können, daß f'hain ein bunter(er), kreativer(er) kiez ist und mehr dazu gehört als das, was die spektrale02 ausdrückt...

Das sind ein paar wichtige Punkte, die ....

Me 06.07.2002 - 22:52
ihr hier angesprochen habt. Das "Pöbeln gegen Yuppies" ist für maximal eine nette Nebenbeschäftigung zum Frust-abbau aber wirklich völlig wirkungslos (wie uns die Geschichte von SO36 lehrt) und tatsächlich zu kurz gedacht. Das mit der sozialen stadterneuerung ist wein wichtiger Punkt. Was ich einfach mal allen empfehlen würde: Lest unbedingt was von Bookchin, der sich in den 70ern sehr ausführlich mit dem Thema beschägftigt hat und auch gewisse Lösungsansätze beitet. Dabei klärt er auch auf, was der Unterschied zwischen gesellschaftlicher und politscher Ebene ist und war es nicht genügt, allein auf gesellschaftlicher Ebene aktiv zu werden.
Den besten Überblick bekommt man meiner Meinung nach mit diesem Buch:  http://www.txt.de/trotzdem/titel/likom.htm

schöner wohnen.

el superhombre 07.07.2002 - 23:01
schön, dass sich die westdeutschen immer so viele gedanken ums schöner wohnen im kiez machen! da ist auch schnell der yuppie als feind ausgemacht! solange jedoch die ursachen von spekulation und antisozialer wohnungs- und stadtplanungspolitik nicht beseitigt sind, wird das schöner wohnen immer eine frage des schöner schuftens bleiben, aber das habt ihr ja gelernt, gell. prost!

hundescheisse

gentrifier 08.07.2002 - 02:51
ich muß mein schlechtes gewissen erleichtern. ich bin schuld! ich bin an den boxi gezogen und gehöre auch nicht zu den pionieren die sich in der rigaer verschanzen. ich gebe es zu, ich war im fischladen und bin dann zum essen gegenüber gewesen! aber: ich fands scheiße gegenüber mit den geschniegelten möchtegerns obwohl ich selbst im fischladen ein geschniegelter möchtegern war höchstwahrscheinlich!
und: warum bin ich zum boxi gezogen? ich interesseiere mich für anarchismus, bin aber zu alt um ihn einfach zu leben, denn das soll einer mal schaffen von null nach über zwanzig jahren bürgerlicher zwangssozialisation! ich bin seit jahren dabei die schichten dieser abzustreifen und ich hoffe das umfeld färbt auf mich ab. außerdem öden mich die yuppie-kneipen auch an, ich gehe am liebsten in den conmux, wenn überhaupt, aber ich denke konsumzwang nur um im halböffentlichen raum zu sein sollte abgeschafft werden. wie wärs mit "mehr" sozialen zentren.

es gibt einen trick, die hundescheisse, die stört alle sauberkeits-liebhaber am meisten ab. also noch mehr zuscheißen!

das mit dem bemalen der frisch-gestrichenen wände finde ich auch gut.

Miet- und Grundstücksmarkt ist nie sozial

Münchner 10.07.2002 - 14:15
Kern des Problems isr doch nicht, ob es Gentrifikation in Deutschland gibt oder nicht, auch nicht wie man Gentrifikation definiert. Tatsache ist, dass Boden und Mietpreise zu sozialer Segregation führen, dass Übel ist also nicht die Aufwertung innenstadtnaher Bereiche an sich, sondern das der Verkauf bzw. die Vermietung der Wohnungen auf dem Markt geschieht. Dies führt dazu, dass in den attraktiven Vierteln Münchens Mietpreise von bis zu 30 Dm pro qm gezahlt werden, während in Projekten des genossenschaftlichen Wohnungsbau Preise von höchstens 15DM normal sind -die Differenz kommt durch den freien Markt, der für soziale Aspekte naturgemäß blind ist, zustande und genau hier nuß man ganz massiv ansetzten, da offensichtlich ist, dass der Markt hier zum Schaden der Mehrheit der Menschen wirkt. Wohnen ist ein Grundbedürfnis, in München zahlen viele Menschen ca. die Hälfte ihres Lohnes dafür dass sie wohnen können -was sie ja müssen, ein ziemlich unerträglicher Zustand meiner Meinung nach.
Die soziale Stadterneuerung, insbesondere dass Programm "Soziale Stadt" ist schon eine gute Sache, allerdings werden dadurch nur die schlimmsten Auswirkungen des freien Marktes gemildert. Es wäre sehr wichtig, dem Markt mehr und mehr Boden und Wohnungen, durch bspw. genossenschaftlichen Wohnungsbau, den Bau von Sozialwohnungen, möglicherweise auch wie früher durch Werkswohnheime zu entziehen.
Den Pionieren vorzuwerfen sie hätten bei der Gentrifikation mitgewirkt, seien also selbst mit schuld, halt ich für ziemlich unverschämt, denn die Alternative währe gewesen, alles weiter versiffen zu lassen und möglichst kein Leben im Viertel zu haben, um für Besserverdienende uninteressant zu sein. Es ist doch klar, dass jeder sich sein Umfeld möglichst schön und lebenswert gestalten will. Die Studenten, Künstler, Hausbesetzer sind da nur besonders gut drinnen, aber dass darf einem doch nicht zum Nachteil werden, oder?

@ Münchener

Berliner 10.07.2002 - 14:45
Ich gebe Dir im wesentlichen Recht, wollte aber anmerken, daß den Pionieren nichts vorgeworfen wurde. Es wurde ehr etwas zu bedenken gegeben. Wenn wir Strategien entwickeln wollen, dürfen wir nicht die eigene Rolle ausser acht lassen.

wo sind die ossis?

prenlauer-berger 11.07.2002 - 13:37
die veraenderungen irgendwelchen yuppies anzulasten ist tatsaechlich absurd.
die bevoelkerung im kiez um den helmholzplatz wurde bereits mitte der neunziger ausgetauscht. dort wo jetzt (westdeutsche-) studenten, kuenstler und sog. alternative leben, lebte vorher eben auch andere menschen. diese wurden verdraengt, da der wessi-kuenstler/student/alternative eben ein bischen mehr bares auf den tisch legen konnte. ich kann mich nicht entsinnen, aus diesen kreisen deswegen jemals bedauern vernommen zu haben.

nun ist es eigentlich logisch, dass genau diese neue bevoelkerung sich an dem letzten rest oeffentlich sichtbarer ur-bevoelkerung reibt. aber wer soll das verurteilen, angesichts der zeitweisen zustaende am hh-platz? ich haette auch keine freude daran, meine kinder in unmittelbarer naehe von sozialen gruppen spielen zu lassen, bei denen alkoholismus regelmaessig zur unkontrollierten gewaltausbruechen fuehrt.

trotzdem ist es falsch, diese menschen zu vertreiben. es kann allerdings nicht sinn und zweck sein, diesen zustand automatisch als etwas schuetzenswertes zu deklarieren.

das lumpenproletariat ist die auspraegung eines symptoms dieser kapitalistischen gesellschaft und keine bedrohte art.

ps: an der stelle wuerde mich mal interessieren, was an den oben erwaehnten kuenstlern eigentlich progressiv oder alternativ sein soll? wenn ich ein bild fuer 600 euro verkaufe, dann ist das kein ausdruck von progressiver/alternativer kunst, sondern elitaerer scheissdreck.

2 sachen

ossi 11.07.2002 - 16:08
a) ich wäre gerne in prenzlauer berg geblieben. meine eltern konnten sich die miete nicht mehr leisten. andere aus meiner klasse wurden von den vermitern rausgemobbt.ich bin weg, weil ich dieses yuppie-gehabe nicht mehr ausgehalten hab.
b) dassind die pseudo-künstler, die nach den ünstlern kommern. die pseudo-küsntler sind eher unternehmer, die versuchen alles zu geld zu machen. ziemlich wiederliche kunden.

Es gibt auch immer wieder das Gegenteil...

elfboi 25.07.2002 - 05:56
... und das genaue Gegenteil heißt Slumbildung. Wenn die Hausbesitzer mehr und mehr das Interesse an ihren Objekten verlieren und sich zunehmend weigern, Geld in die notwendige Instandhaltung zu investieren, weil die Gegend gerade nicht unbedingt die zahlungskräftigsten Mieter anzieht, dann verfallen die Gebäude... in der Folge ziehen viele Mieter weg, abgesehen von denen, die zu arm sind, sich bessere Wohnungen zu leisten. Das wiederum veranlaßt die Vermieter, sich noch weniger um ihre Häuser zu kümmern, und die Gegend verfällt weiter. Schließlich ziehen alle Leute weg, die es sich noch irgendwie leisten können, und die Gegend wird zum Slum...

Gentrifiziert wird für den Profit

Bulldozer 01.08.2002 - 15:37
Und wenn die Bodenspekulanten was von ihrem Geschäft verstehen, wird der Slum irgendwann wieder gentrifiziert.
Wenn man den sogenannten 'Pionieren' irgendweche Schuld für die Veränderung eines Stadtteis zuweisen will, dann ist man an der falschen Adresse. Die Häuser werden doch nicht luxussaniert, um den Yuppies einen Gefallen zu tun, sondern damit der Eigentümer und die Eigentümerin der Immobilie so viel Geld wie möglich aus dem Haus rausziehen kann. Hier geht's um Kapital, Bodenrente und Privatbesitz an Wohnraum. Da bleiben dann die auf der Strecke, die sich die sanierten Wohnungen nicht mehr leisten können, Ossis, Zecken und ähnliche. Wenn die sich mal mit Aktionen bemerkbar machen, dann ist das sicher besser, als wenn alles sang-und-klangos über die Bühne geht
Aber das sich im Kapitalismus an solchen Vedrängungsprozessen nicht viel ändern wird sollte man nicht vergessen
Wer noch immer glaubt, Gentrifizierung sei eine Geschmacksfrage: Neil Smith, Revanchist City lesen