Berlin: Was ist los in Friedrichshain?

Simon Dach 11.03.2002 01:26 Themen: Soziale Kämpfe
Was ist los in Friedrichshain-Kreuzberg? -

Spaziert mensch in Berlin mal durch den ehemaligen Arbeiterbezirk Friedrichshain, fallen sofort die vielen sanierten Häuser bzw. deren Fassaden auf, die frischgepflanzten Bäume, die schicken Restaurants und Kneipen, das bunte Volk auf der Straße.
Doch das Bild trügt. Es werden Häuser leergewohnt, um sie dann teuer sanieren zu können; andere werden mit Stahlplatten gegen finanziell unattraktive Bevölkerungsgruppen gesichert und verfallen dann einfach. Die direkten Folgen sind höhere Mieten, Bevölkerungsumstrukturierung und bis zu 50 Prozent Leerstand am Boxhagener Platz. So stehen inzwischen mehr Häuser leer als in den Hochzeiten der Ostberliner Hausbesetzerbewegung. Obwohl der Bezirk Vertreibung und ständige Verteuerung verhindern wollte, konnte er das nicht.
Die wenigen Projekte, die sich aus dieser Zeit retten konnten, wie z.B. das Wohn- und Kulturprojekt Rigaer Straße 94/ Kadterschmiede, werden permanent durch Schikanen der BesitzerInnen und einer hilfswilligen Polizei bedroht. Wer die teuren Mieten nicht zahlen kann oder will, hat zu verschwinden.

Und was machen die Herrschenden?
Sie präsentieren uns den neuen Medienstandort Spreegürtel zwischen Friedrichshain und Kreuzberg. Dort soll für zehn Milliarden Euro ein neues Yuppie-Quartier entstehen, größer als der Potsdamer Platz.
Gegenüber der Eastside-Galerie beginnt ab September 2002 ein Bauvorhaben, das 300 Millionen Euro kosten wird: eine riesige Mehrzweckhalle (16.000 ZuschauerInnen) mit danebenliegenden Multiplex-Kino und einigen Hochhäusern (bis zu 100m hoch) soll dort entstehen. Das Projekt der Mehrzweckhalle wird finanziert von dem amerikanischen Multimilliardär Philipp Anschutz, (www.anschutzinvestments.com), der Besitzer mehrerer Sportvereine wie z.B. dem Berliner EHC ist. Realisiert sein soll das folgenreiche Vorhaben bereits im August 2004. Der Berliner Geschäftssitz der "Anschutz Sports and Entertainment Group" (AEG) befindet sich in der Friedrichstraße 171.
Mit von der Partie ist auch die Post AG, die auf dem ihr gehörenden Areal östlich des Ostbahnhofes ein eigenes Stadtquartier mit mehreren Hochhäusern entstehen lassen will. Deswegen musste das Kulturprojekt "Maria am Ostbahnhof" weichen. Es wird über eine Million Quadratmeter Geschoßfläche entstehen, mehr als am Potsdamer Platz. Dass es jetzt schon massenhaft Büroleerstand im fertiggestellten Millionenprojekt "Oberbaumcity" gibt, scheint die Regierenden nicht zu interessieren.
Schräg gegenüber, auf Kreuzberger Seite, entsteht bis 2004 das neue Domizil der neuen Riesengewerkschaft ver.di - mit eigener Bootsanlegestelle. Dort, an der Schillingbrücke, soll durch den Investor "HochTief" und das "Kila Projektmanagment" das "Spreeport-Center" gebaut werden. Dass sich auf diesem Gelände seit vielen Jahren die Wagenburg "Schwarzer Kanal" befindet, spielt bei den Planungen anscheinend keine größere Rolle. Sie ist schon jetzt akut räumungsbedroht.
Auf der Friedrichshainer Seite der Michaelkirchbrücke soll das BSR-Gelände neu bebaut werden. Mit dem Projekt "Spreeurban" soll ein Hotel und - natürlich - Bürogewerbe entstehen. Auch wenn sich an der Schillingbrücke bereits das Hotel "ibis" befindet, plant der Kanzleramtsarchitekt Axel Schultes in Zusammenarbeit mit dem Investor KapHag ein weiteres Hotel namens "Spreesinus". Dieses ist jedoch noch in der Baugenehmigungsphase.
Auch auf dem der Deutschen Bahn AG gehörenden RAW-Gelände (Revaler Str.) soll gebaut werden - natürlich ein Hochhaus und viele neue Geschäfte. Dem Kulturprojekt "RAW Tempel e.V." ist bereits gekündigt worden, diese wollen jedoch Widerstand leisten. Geplant wird im Namen der BahnImmobiliengesellschaft Vivico - in Absprache mit dem Bezirk. Hinter dem Gelände findet gerade die Sanierung der Modersohn-Brücke statt, um später den Anschluss an die Stadtautobahn zu realisieren.
Weitere geplante Projekte sind der "neue Spreespeicher" von der "Wert Konzept GmbH" an der Cuvrystrasse (ex-YAAM) sowie zwei neue Brücken zwischen Schilling- und Oberbaumbrücke. Allerdings ist wahrscheinlich nur Geld für die im Krieg zerstörte Brommybrücke vorhanden.
Ebenfalls saniert, mit 15 Millionen Euro soll die ehmalige "Heeresbäckerei" in Kreuzberg, Köpenickerstraße 16/17, vom neuen Besitzer der "Polaris Immobilienmanagment GmbH". Dahinter steckt der Herz-Clan aus Hamburg (Tchibo), welche die fünf Reichste Familie in Deutschland sein soll (geschätztes Vermögen 13, 69 Mrd Mark).
Bereits gebaut wurden das "Zentrum Zukunftsenergien Berlin/Intern.Solarzentrum" am Ostbahnhof und der "Spreespeicher" für "Universal Music" an der Oberbaumbrücke, der schon teilweise bezugsfertig ist und denen, die es sich leisten können, schöne Lofts mit Spreeblick bietet.
So meint "Mediaspree"-Geschäftsführer Jost Henrici: "Deshalb ist ,Mediaspree? so attraktiv: Wasserlage im Berliner Zentrum mit ICE-Anschluss und den zwei Szene-Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain in Fuss-Nähe." Mediaspree ist ein Zusammenschluß der Großinvestoren.
Was daraus folgt, ist klar: höhere Mieten, nervige Autolawinen, Vertreibung sozial Schwächerer sowie die Gefährdung und Zerstörung alternativer Projekte und Clubs (Köpi 137, Wagenburg "Schwarzer Kanal", RAW-Tempel, Maria, Ostgut usw.).
Friedrichshain und Kreuzberg gehören zu den ärmsten Gegenden in Berlin, viele Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen und Studenten wohnen hier. Um die sich anbahnenden Konflikte abzuschwächen, veranlasste die Bundesregierung nun, mit einem neuen Projekt den oberflächlichen sozialen Frieden zu erhalten: durch die Ausschreibung eines Stadtentwicklungskonzeptes für das Gebiet vom Ostbahnhof entlang der Gleise bis zum Ostkreuz und weiter nach Lichtenberg soll ihre Vorstellung von befriedeten Innenstadtbezirken in Beton gegossen werden. Finanziert werden soll das Vorhaben über das EU-Projekt "Stadtentwicklung URBAN 2" - die negativen Folgen für unsere Kieze liegen auf der Hand. Ähnliches kennen wir bereits von den Befriedungsstrategen des sogenannten "Quartiersmanagments", die nicht viel mehr machen, als sich in Elendsverwaltung zu üben. Hier eine ABM-Stelle einrichten, dort ein Projekt schließen - Zuckerbrot und Peitsche. Wenn das ihr sozialer Friede ist - kündigen wir ihn auf!

Who the fuck is Simon Dach?
Und was sehen wir hier? An jeder Ecke entstehen Cocktailbars und Schicki-Restaurants - immer überfüllt. Darin arbeiten meist junge hübsche Menschen, die allerdings keineswegs dem Publikumsandrang entsprechend verdienen. Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen kennzeichnen diese Jobs im sogenannten Dienstleistungssektor, soziale Mindeststandards wie Urlaubs- und Krankengeld werden nicht eingehalten. Dieses Phänomen ist kein neues: Als ArbeiterInnen aus den CallCentern versuchten, sich für ihre Rechte einzusetzen, wurden sie mit Kündigungen, Lohnbetrug und polizeilicher Repression schikaniert.
Aber das scheint in der Simon-Dach-Straße niemanden zu interessieren: Alle sagen DU zum Chef, obwohl eigentlich jeder wissen müsste, dass Bosse böse sind. So gibt es nicht etwa Betriebsräte, nein, man trifft sich bei Prosecco oder Caipirinha zum gemeinschaftlichen Austausch, statt für die eigenen Rechte (und gegen den Chef) einzutreten.

Wir wollen aber dieser Auflistung geplanter oder bereits realisierter Monströsitäten auch eine konkrete Möglichkeit, selber aktiv zu werden, anfügen, so daß wir an dieser Stelle auf die Initiative für den Aufbau eines SOZIALEN ZENTRUMS in Berlin verweisen möchten. Wo, wenn nicht da, könnten wir gemeinsam über solche Konflikte reden und unseren Widerstand bündeln?
Gerade aktuell ist zu sehen, dass sich überall auf der Welt Menschen gegen Krieg und Ausbeutung auflehnen, in Argentinien, Indonesien, Korea, Kolumbien der Türkei oder bei den Gipfeln der Mächtigen. Auch hier in Berlin ist es an der Zeit, die verschiedenen Menschen und ihre Kämpfe zusammenzubringen, um sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu organisieren.

Also: Tut euch zusammen, solidarisiert euch mit anderen, haut den Bossen auf die Flossen und beteiligt euch an der Initiative für ein Soziales Zentrum in Berlin.

contact:
Soziales Zentrum
c/o Stadtteilladen
Grünberger Straße 54
10245 Berlin
 zentrum@so36.net

einige Links zum Sozialen Zentrum:
Nehmen wir uns die StadtMitte:  http://www.de.indymedia.org/2001/11/11410.html
Soziales Zentrum in Mitte zum Leben gebracht:  http://www.de.indymedia.org/2001/12/12520.html
Bilder:  http://www.de.indymedia.org/2001/12/12481.html
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Ergänzungen

meine bisherige erfahrung:

krümelmonster 11.03.2002 - 06:14
wenn du auf deren meetings gehst verlierst du jede hoffnung. meine vorschläge wurden abgeblockt und strittige themen werden nie zu ende debattiert. kritik von mir an ihren treffen wurde auch aus indymedia wegzensuriert.
ich möchte deshalb mal genauer von den macherInnen des "sozialen zentrums" wissen, was sie unter "sozial" verstehen und warum z.b. die "initiative menschliche emanzipation" mit den diversen projekten und vorschlägen darin platz hat. wirklich inhaltliche kritik kam bislang nämlich noch nicht dazu, sondern nur verhaltens- bzw. formkritik.
ferner gibt es auch keine kritik der politik, obwohl doch nachweislich die politik eng mit dem bürgerlichen staatsapparat verbunden ist - weshalb auch das primat des deutschtums und des patriarchalen gestus darin dominiert.

was ist sozialität?

krümel mensch 11.03.2002 - 06:45
ch möchte deshalb mal genauer von den macherInnen des "sozialen zentrums" wissen, was sie unter "sozial" verstehen und warum z.b. die "initiative menschliche emanzipation" mit den diversen projekten und vorschlägen darin keinen platz hat. wirklich inhaltliche kritik kam bislang nämlich noch nicht dazu, sondern nur verhaltens- bzw. formkritik.
ich fordere jetzt eine offene debatte ohne mobbing !!!
dies gerade deshalb, weil ich wegen hochgradiges mobbingopfer bin und mir liegt der "lobbyIsmus", d.h. die verbündelung im kampf um die futtertröge der HERRschenden nicht sonderlich.

Grünberger Str.73

ergänzen 11.03.2002 - 12:27
ist die richtige Adresse des Stadtteilladens, wollte ich nur mal kurz

Anti-Berliner 11.03.2002 - 18:16
Wär das nich auch mal Thema fürn 1. Mai?!

armes kruemelmonster,

Wir 12.03.2002 - 17:27
vielleicht wuerde ja mensch sogar auf dich hoeren, wenn du nicht jeden scheiss personalisierst, kleine egomanin

zum thema anschutz-projekt

mastermindchaos 12.03.2002 - 23:10
hab ich nen artikel in der januar-ausgabe der stadtentwicklngszeitung scheinschlag nen artikel geschrieben (www.scheinschlagonline.de). es ist eine riesen schweinerei, die da unter weitestgehendem ausschluss der öffentlichkeit abläuft. die gentrifizierung des bezirks läuft auf hochtouren, gewachsene, funkionierende strukturen werden zugunsten der kapitalisten wegplaniert. ihr habt recht, das wär ein thema für den ersten mai. leider sehe ich wegen der chronischen lähmung der linken wenig chancen, wirkungsvoll gegenzuhalten. aber einen versuch ist´s allemal wert, sonst haben wir bald ein zweites charlottenburg.

sich regen bringt segen

t.trizeps 13.03.2002 - 15:16
überlegungen, den ersten mai unabhängig des vorhabens des sogenannten personenbündnisses auch und gerade mit direkten und vermittelbaren aktionen wie der besetzung eines sozialen zentrums inhaltlich zu füllen, existieren ja bereits länger. leider ist es aber auch so, daß es, obwohl die umstrukturierungmaßnahmen gerade ein beängstigendes tempo annehmen, kaum interesse an initiativen wie der für ein soziales zentrum gibt. es sind immer wieder dieselben, die sich den arsch aufreißen, es sind immer wieder dieselben verrückten, die das ganze sprengen. same procedure...ganz mal unabhängig davon: schnappt euch eure freunde, geht mal spazieren, guckt euch häuser, plätze, fabriken an und startet den tanz in den mai !!!

30.4. walpurgisnacht am boxhagener platz in friedrichshain und am michelkirchplatz in kreuzberg: schafft 1,2,3,viele soziale zentren !!!
1.5. erst den nazis den marsch blasen - ab 18uhr den krieg zurück in die amtszimmer tragen !!!
ab dem 1.5.: die zentren und häuser halten und schmücken !!!
22.+23.5.: george w. bush begrüßen, begleiten, verabschieden!!! und vorher die gute stube aufräumen !!!

Drecklocken sind uncool !!!

jan tenner 15.03.2002 - 21:10
Ach ja, da regt sich mal wieder eine gruppe von Akademikerkindern darüber auf ,daß Friedrichshain nicht dreckig und abgefuckt genug ist .Und in den Bars und Clubs
im Simon Dach Kiez gehen auch nur Leute ,die nur an sich denken und ansonsten ist eh alles egal.Wen wollt Ihr eigentlich erreichen und wie??? Für eine soziale Welt muß man offener sein und mal über seine Punkeridylle hinaus blicken .