Freiburg: 70 Menschen in Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich

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Am Samstag, den 18. Juni 2016, fanden sich rund 70 Menschen auf dem Freiburger Rathausplatz zu einer Kundgebung ein, um sich mit den Kämpfen und Streiks in Frankreich solidarisch zu zeigen. In Frankreich versucht die sozialdemokratische Regierung derzeit, ein neues Arbeitsgesetz durchzusetzen. Offizielles Ziel ist, mit den Reformen die Konkurrenzfähigkeit des französischen Kapitals zu verbessern, real werden die geplanten Änderungen aber die Situation der Lohnabhängigen entschieden verschlechtern. Dazu zählen die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit, Lockerung des Kündigungsschutzes für Jugendliche und, die Hauptforderung der französischen Unternehmen, eine Aufhebung der Tarifbindung. Insbesondere gegen die letztgenannte Maßnahme richtet sich der gewerkschaftliche Widerstand. Seit März demonstrieren mehrere hunderttausend Menschen regelmäßig gegen das geplante Gesetz, in vielen Branchen wurde und wird gestreikt und es kam zu Blockadeaktionen und Besetzungen.

 

Mehrere Redebeiträge der beteiligten Freiburger Gruppen zeigten auf, wie wichtig es in der aktuellen Situation ist, sich mit den Kämpfenden in Frankreich solidarisch zu zeigen. Es wurde darauf hingewiesen, dass vieles, was gerade in Frankreich passiert, auch als Reaktion auf die Durchsetzung der Agenda 2010 in Deutschland zu verstehen ist. Es bestand Einigkeit, dass es nun umso wichtiger ist, die Lohnabhängigen hierzulande aufzurufen, sich nicht alle Zumutungen von Seiten der Regierung und den Unternehmen gefallen zu lassen und stattdessen eine kämpferische Position einzunehmen. Die fortwährenden Angriffe auf die Rechte und Interessen der Arbeitenden könnten nur mit einer solidarischen und unversöhnlichen Organisierung der Betroffenen abgewehrt werden. Dazu gelte es auch, sich der nationalistischen Illusion einer Interessengleichheit von Unternehmer_innen und Arbeiter_innen zu verwehren.

 

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Anarchistische Gruppe Freiburg:

 

Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich!

 

Non à la loi travail – Nein zum Arbeitsgesetz!

 

Seit März reißt der Widerstand in Frankreich gegen das geplante neue Arbeitsgesetz nicht ab: Es gibt unzählige Massendemonstrationen, Kämpfe mit der Bereitschaftspolizei, Sabotageaktionen, symbolische Sachbeschädigungen, Schul- und Universitätsblockaden, Haus- und Platzbesetzungen (nuit debout). In vielen Sektoren der französischen Wirtschaft wird gestreikt. Die Bewegung ist von verschiedenen Schichten getragen: Beschäftigte, Erwerbslose, Gewerkschafter_innen, Aktivist_innen linker Organisationen, Schüler_innen, Student_innen und Rentner_innen. Laut einer aktuellen Umfrage lehnen über 70% der französischen Bevölkerung das geplante Gesetz ab. Besonders bei den Wähler_innen der regierenden sozialistischen Partei ist die Enttäuschung über den unnachgiebigen Kurs der Regierung groß. Doch warum ist die französische Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit gegen das geplante neue Arbeitsgesetz?

 

Ein Angriff auf alle Lohnabhängigen

 

Im wesentlichen will die Regierung den französischen Unternehmern ermöglichen, ihre Profite zu steigern und sich gegen ihre nationalen wie internationalen Konkurrenten durchzusetzen. Es handelt sich um einen Klassenkonflikt zwischen Lohnabhängigen und Unternehmen; das loi travail soll die Position der letzteren entschieden stärken. Das geplante Gesetz bringt für die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften eine Reihe gravierender Nachteile. Drei Beispiele aus der Vielzahl an Zumutungen: Zukünftig könnten Unternehmen ihren Haustarif gegen andere Regelungen im Arbeitsgesetz oder der Branche durchsetzen, was sich zum Nachteil der Beschäftigen auswirken wird und erkämpfte Branchentarife nichtig macht. Wenn ein Einzelunternehmen den Konkurrenten der gleichen Branche Marktanteile abnehmen will, können nach dem geplanten Gesetz die Beschäftigten zu unbezahlter Mehrarbeit verpflichtet werden – bis zu 60 Stunden pro Woche. Schließlich soll der Kündigungsschutz für die Jugendlichen gelockert werden – ähnliche Pläne konnten 2006 noch von einer Massenbewegung gestoppt werden.

 

Die Beispiele zeigen, dass die Beschäftigten verschiedener Unternehmen in einen zunehmenden Konkurrenzkampf gezwungen würden. Dadurch werden die Gewerkschaften aktiv bekämpft, denn diese können nur dann Siege erringen, wenn es gelingt, die Konkurrenz unter den Beschäftigten zurückzudrängen und stattdessen gemeinsame Forderungen gegen die Unternehmen durchzusetzen. Neoliberale Vereinzelungspolitik par excellence.

 

Vorbild Agenda 2010?

 

Im Rahmen der „Agenda 2010“ haben sich deutsche Unternehmer durch Sozialabbau und Lohndumping einen Konkurrenzvorsprung verschafft, der nun das französische Kapital und damit die französische Regierung unter Druck setzt. Jetzt wird die Abwärtsspirale in Frankreich ein Stück weiter gedreht. Während jedoch in Deutschland die Proteste gegen Hartz IV keinen nennenswerten Widerstand entfalten konnten, wird der Abwehrkampf gegen den Angriff auf die Rechte der Lohnabhängigen in Frankreich viel heftiger geführt.

 

Der Widerstand

 

Es gibt große Streiks bei der Eisenbahn und den Raffinerien, Hafenarbeiter_innen und Arbeiter_innen der Müllabfuhr blockieren ihre Arbeitsplätze und Depots. Aktivisten und Streikende blockieren wichtige Infrastruktur wie Treibstoffdepots, Autobahnen und Bahnhöfe. Beschäftigte des französischen Stromversorgers EDF drehten an Wohnsitzen prominenter Politiker gezielt den Saft ab und sorgten dafür, dass für 800.000 bis 1,1 Millionen Haushalte der Strom vorübergehend zum günstigeren Nachttarif geliefert wurde. 450 bis 500 gleichzeitig stattfindende soziale Konflikte und Arbeitskämpfe zählte der linke Arbeitsrechtler und Regierungskritiker Gérard Filoche. Von Amazon über McDonald’s bis zu den Fluglotsen und den Bahnbeschäftigten reichen die Kämpfe.

 

In Frankreich werden bei Streiks, die sich gegen eine drastische Verschlechterung für alle Lohnabhängigen richten, zugleich unternehmens- und branchenspezifische Forderungen erhoben. Der Druck auf die Regierung resultiert nicht daraus, dass alle Forderungen allein an sie gerichtet wären, sondern aus dem gleichzeitigen Stattfinden von Arbeitskämpfen in den unterschiedlichen Sektoren. Zusätzlich soll mit Blockaden die für das Kapital essentiellen Mehrwertproduktion unterbrochen und so der ökonomische Schaden und mit ihm der Druck auf die Regierung erhöht werden.

 

Die Reaktion des Staates

 

Der Staat antwortet auf die sozialen Proteste mit aller Härte und nutzt die seit den islamistischen Terroranschlägen im letzten November verhängte Notstandsverordnung für verstärkte Repression und zur Legitimierung von Polizeigewalt. In verschiedenen Städten kommt es inzwischen auch zu Einsätzen des Militärs zur Verhinderung von Demonstrationen. Auf rechtlicher Ebene gibt es Demonstrationsverbote, monatelange Haftstrafen, Hausarrest und Meldepflicht für Aktivist_innen. Die Polizei verwendet ihr ganzes Arsenal an sogenannten „nicht-tödlichen Waffen“: Knüppel, Wasserwerfer, Tränengas, Gummigeschosse und Schock-Granaten. Die Folge der exzessiven Polizeigewalt: Bis heute über 1000 Verletzte. Ein 28jähriger Fotograf in Paris, der mutmaßlich durch den Splitter einer Polizeigranate an der Schläfe getroffen wurde, lag tagelang im Koma, wie auch ein Streikposten der CGT aus dem südfranzösischen Fos-sur-Mer.

 

Teilerfolge und Befriedungstaktiken

 

Die Regierung rückt bislang trotz alledem nicht von den Plänen ab, Premier Manuel Valls will das Gesetz in autoritärer Manier durchdrücken – unter zuhilfenahme des Paragraphen 49.3 der französischen Verfassung, der es der Regierung ermöglicht, ein Gesetz ohne Parlamentsdiskussion zu verabschieden, solange sie nicht durch ein Vertrauensvotum daran gehindert wird. Als Befriedigungsstrategie versucht die Regierung derzeit, durch gewisse Zugeständnisse an einzelne Branchen den Widerstand zu schwächen.

 

So konnten gewisse Teilerfolge errungen werden: Der Stellenabbau bei den Fluglotsen wurde gestrichen, die Kürzung von Ruhetagen bei den Bahnangestellten sind vom Tisch, die geplanten Kürzung des Forschungsetats wurde zurückgenommen, die Kürzung der vom Staat an die Kommunen zurück verteilten Finanzmittel und die Einsparungen im Bildungsbereich wird es nicht geben und die geplante Ausweitung und „Flexibilisierung“ der wöchentlichen Arbeitszeiten bei LKW-Fahrer_innen wurde zurückgenommen. Den Lehrer_innen gelang es sogar eine Lohnerhöhung durchzusetzen. Freiberufliche Kulturarbeiter_innen, die sogenannten intermittents du spectacle, konnten die geplante Streichung der Arbeitslosenhilfe, die ihnen in der Zeit zwischen zwei verschiedenen Engagements zusteht, abwenden.

 

Es bleibt zu hoffen, dass sich nicht einzelne Branchen oder Gewerkschaftsverbände zufrieden geben und von weiterem Widerstand absehen. Die Großmobilisierungen der letzen Woche stimmen jedeoch hoffnungsvoll.

 

Antirassismus und Kampf gegen Rechts

 

Schließlich spielt auch seit Beginn der Proteste die Solidarität mit Geflüchteten eine wichtige Rolle. In Paris z.B. mobilisierten Initiativen zur Unterstützung der Bewohner_innen der illegalen Camps bei Calais. Dieser breit verankerte Antirassismus war mit ein Grund, warum es von rechter Seite misslang, die Proteste für sich zu vereinnahmen. Obwohl einzelne rechte Gruppierungen versuchten, die Proteste populistisch für sich zu nutzen, steht die französische Rechte mehrheitlich auf der Seite der Regierung. Die massiven Kämpfe entlarven so auch die soziale Demagogie des Front National: Stellten sich die Rechten in der Vergangenheit häufig als „Verteidiger des kleinen Mannes“ dar, fordern sie nun ein Verbot aller Demonstrationen gegen das Arbeitsgesetz – der Front National zeigt sich offen als zutiefst neoliberal und antigewerkschaftlich.

 

Und was passiert hier?

 

Wir denken: Es kommt darauf an, auch hier in Deutschland eine kämpferische Position einzunehmen. Wir müssen die nationale Nestwärme stören, unter der deutsche Lohnabhängige allzu häufig sich auf die Illusion einlassen, dass es ihrem Vorteil diene, wenn sie in gut sozialpartnerschaftlicher Manier die Angriffe auf ihre Rechte und Interessen als vermeintlich notwendig akzeptieren und mittragen. Gerade im Zuge der Europameisterschaft werden in Deutschland die sozialen Kämpfe in Frankreich häufig als bloßer Störfaktor gesehen und ein nationaler Zusammenhalt herbeigeschrieben, der aber immer nur dem Interesse des Kapitals dient!

 

Während sich überall auf der Welt (u.a. in Spanien, Italien, Brasilien, Schweiz, USA und in Belgien) Arbeiter_innen in Solidarität mit der Streikbewegung üben, ist aus Deutschland wenig zu hören – von Seiten des DGB nichtmal eine klare Unterstützungserklärung. Einige erfreuliche Ausnahmen gibt es doch, manche Gewerkschaftsgruppen verfassten Solidaritätserklärungen und es kam zu kleineren Kundgebungen und Aktionen, beispielsweise entrollten am 14. Juni Arbeiter_innen des Mercedes-Werks in Bremen ein zweisprachiges Transparent mit der Botschaft “Wir grüßen die Französischen Arbeiter im Streik gegen die deutschen Verhältnisse.” Was wir Aktive an der Basis zumindest tun sollten, ist den streikenden französischen Kolleg_innen eine Geste der Solidarität zukommen zu lassen. Sei es eine Kundgebung, ein Angriff auf die Symbole des Staates oder das Sammeln von Geld für die Streikkassen.

 

Wenn die Herrschenden in Frankreich das „Deutsche Modell“ einführen wollen, dann sollten die Beherrschten in Deutschland ihnen mit „französischen Verhältnissen“ antworten!

 

Hoch die antinationale Solidarität! Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich!

 

 

 

FAU Freiburg:

 

Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich!

 

Seit drei Monaten gibt es in Frankreich vielfältige und beharrliche Proteste gegen ein neues Arbeitsgesetz, das Loi Travail. Die Herrschenden versprechen sich von diesem Gesetz eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Sie versprechen sich niedrigere Arbeitslosenzahlen. Dabei ist vollkommen unklar, ob so wirklich mehr Lohnarbeitsbetroffene und Ausbeutungsplätze geschaffen werden. Klar ist nur: in der Sprache der Herrschenden bedeutet „flexibel“ willkürliche Verfügung über Arbeitszeit; „flexibel“ heißt unbezahlte Mehrarbeit; „flexibel“ heißt Erleichterung von Kündigungen. „Flexibel“ heißt: je nach Markt- und Auftragslage, „flexibel“ heißt: durch einfache Betriebsvereinbarungen auferlegt, an allen Gewerkschaften vorbei. Viele Menschen auf Frankreichs Straßen antworten darauf: Diese Flexibilität wollen wir nicht! Eure Ausbeutungsplätze wollen wir nicht!


Niedriglohn, Zwangsarbeit, dafür ham wa keine Zeit!
Hunderttausende antworten Woche für Woche mit wilden Demos, Streiks, Platzbesetzungen und Blockaden von Schul- und Werkstoren. Das sind echte Unruhen. Unruhig sind Arbeiter*innen, Student*innen und Schüler*innen. Unruhig sind aber auch diejenigen, die nicht auf die Straße gehen: drei Viertel der Bevölkerung lehnen diese sogenannte Reform ab. Diese Unruhen sind nicht nur eine Reaktion auf die französische Variante der Hartz-IV-Gesetze. Sie sind auch eine wütende Reaktion auf eine erzwungene Zeit der Ruhe. Sie sind auch eine Reaktion auf massive staatliche Repressionen unter dem Vorwand der Terrorabwehr. Solche Halluzinationen über die nationale Sicherheit, die für Einschränkungen unserer Freiheit sorgen sollen, kennen wir nur zu gut. Die Gefahrengebiete, die Festung Europa, die rassistische Polizeigewalt, die Jobcenter-Maßnahmen wollen wir nicht!

 

Gefahrengebiete abschaffen! Grenzen abschaffen!Polizeigewalt abschaffen! Jobcenter abschaffen! Loi Travail abschaffen!
In den letzten drei Wochen wurde der Druck durch die Arbeiter*innenklasse massiv erhöht: Druck durch Streiks in Atomkraftwerken, bei der Bahn, in der Pariser Metro und auf Flughäfen. Streiks und Blockaden in Ölraffinerien brachten ein Viertel der französischen Tankstellen zum erliegen. Ein Streik in einer Müllverarbeitungsanlage bescherte den Herrschenden das, was ihre Arbeitsmarktreform und ihre ganze repressive Gesetzgebung selbst ist: einen riesigen stinkenden Müllberg. „Wir haben die Macht, die Wirtschaft zu lähmen. Leider ist das die einzige Sprache, die die Politik versteht“ sagte ein Arbeiter bei der Blockade einer Ölraffinerie.


Kampf auf der Straße, Streik in der Fabrik, das ist unsere Antwort auf eure Politik!

Und die Arbeiter*innen verpassen dem Kapital tatsächlich einige Ohrfeigen! Diesmal sind es die Herrschenden, die unruhig werden: „Diese Situation kann unserer Wirtschaft schaden“, jammerte der Premierminister Manuel Valls. Der Energie-Konzern Total überlegt, weniger ins Frankreich-Geschäft zu investieren. Und die konservativen Medien schüren schon Panik, dass ihre geliebte Fußball-Europameisterschaft im Chaos versinkt. Wir freuen uns auf ein hübsches Chaos! Unsere Schwestergewerkschaft CNT und viele andere mobilisierten zum 14. Juni nach Paris, und auch GenossInnen der FAU waren dort anwesend und zeigten ihre Solidarität mit den Kämpfen des manif14juin.

 

Jetzt, wo die Regierung selbst unruhig wird, will sie auf Geheiß von Arbeitgeber*innen und Kapital die Proteste eindämmen. Sie setzt auf die Spaltung einer Bewegung, die wie jede lebendige soziale Bewegung innere Widersprüche hat. Sie setzt auf Befriedung durch laue Zugeständnisse gegenüber der intellektuellen Elite. Sie setzt auf die Erschöpfung der Platzbesetzungen und Demonstrationen. Nicht zuletzt setzt sie auf rohe Polizeigewalt. Diese Gewalt richtet sich gegen Arbeiter*innen, die menschenwürdige Arbeitsbedingungen wollen. Diese Gewalt richtet sich gegen Schüler*innen, Auszubildende und Student*innen, die ein Leben ohne Vereinzelung, Prekarität und Leistungsdruck wollen.

 

Mehr Sozi, mehr Rente weg mit der Polente!
Auch unsere Genoss*innen von der CNT mussten Polizeigewalt erleiden. In Lille wurde ein Lokal unserer Schwestergewerkschaft CNT von Cops verwüstet und zwei Genoss*innen festgenommen. Die Bullen stürmten ohne richterlichen Beschluss das Lokal. Sie nahmen die Genoss*innen fest für etwas, was sie nicht getan haben. Die Richter verurteilten später einen von ihnen ohne Beweise zu 6 Monaten Haft auf Bewährung. Dieser illegitime Überfall war im April, dieser unverhohlene Fall von Klassenjustiz im Mai währenddessen sind etliche Genoss*innen in ganz Frankreich verhaftet und verletzt worden oder ihnen wurden Hausarreste und Platzverweise auferlegt. Genug davon! Schluss mit solchen Repressionen gegen kämpferische Gewerkschaften und ihre Unterstützer*innen auf der Straße!


Oh la la, oh le le, Solidarité avec la CNT
Was in Frankreich abgezogen wird, ist in Deutschland längst Normalität geworden. Auch in Deutschland ist das Arbeitsrecht verstümmelt, der Staat unsozial und brutal, das Kapital dreist und skrupellos. Auch in Deutschland dominieren diese Zustände unseren Alltag. Junge Menschen kennen vor allem Zukunftsangst und Leistungsdruck und werden in prekären und sinnlosen Jobs und Praktika ausgebeutet. Familien werden von skrupellosen Hausbesitzer*innen auf die Straße gesetzt. Geflüchtete putzen in entwürdigenden Ein-Euro-Jobs die Turnhallen, in denen sie ohne jegliche Privatsphäre mit hunderten anderen leben müssen. Und die Betreiber streichen vor allen Augen die wenige Kohle ein, die für die Geflüchteten bestimmt ist.

 

Sozialabbau im ganzen Land – unsere Antwort: Widerstand!
Ob in Frankreich oder Deutschland, ob Loi Travail oder Hartz IV, solche Attacken auf die Existenz derer, die Miete zahlen und essen müssen, befördern die Spaltung durch Nationalismus, Homophobie, Rassismus, Sexismus und Klassismus durch die Faschisten. In Frankreich hat der Front National nun sein wahres marktradikales und unsolidarisches Gesicht gezeigt. Er befürwortet die Arbeitsmarktreform und fordert mehr Repressionen gegen die Streikenden. Sorgen wir dafür, dass auch die deutschen Faschisten sich outen! In Deutschland gibt es Wut, aber es gibt kein solidarisches Klassenbewusstsein. In Deutschland sind immer noch viel zu viele der Meinung, die AfD, Pegida und andere Nazis hätten eine Antwort auf die sogenannte soziale Frage. Unsere Antwort ist eine antinationale Solidarität, die denjenigen, die Keile zwischen uns treiben wollen, den Mittelfinger zeigt!
Denn es ist gerade Deutschland, das mit seinem Lohndumping infolge der Agenda2010 alle anderen europäischen Länder niederkonkurriert. Die Kämpfe die dort stattfinden, in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und jetzt in Frankreich sind notwendig geworden weil die sozialen Kämpfe hierzulande nicht stattfanden, aufgrund des Merkantilismus genannten Modells der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitergeberverbänden und Gewerkschaften, die auch im Tarifeinheitsgesetz zum Ausdruck kam. Dieses schränkte das ohnehin marginal Streikrecht in Deutschland weiter ein.
Nicht von ungefähr skandieren die revoltierenden ArbeiterInnen in Frankreich:
Weg mit der Sozialpartnerschaft!

 

Aufruhr Widerstand Klassenkampf statt Vaterland!
Organisiert euch! Auch in Deutschland gibt es Totaltankstellen. Auch in Deutschland gibt es Unternehmen, die von der EM profitieren. Auch in Deutschland gibt es öffentliche Plätze, auf denen wir eine echte Alternative, eine selbstbestimmte und freie Welt kreieren können!

 

Wir zeigen den Verantwortlichen, was wir von den Verhältnissen halten.
Solidarität mit den Kämpfen in Frankreich. Solidarität mit dem Generalstreik von Brüssel. Nieder mit den neoliberalen
Arbeitsmarktreformen in Frankreich, Deutschland und ganz Europa.

 

Nous sommes Nuit debout! One struggle − one fight!

 

 

 

Gruppe Gegenmaßnahme:

 

Nieder mit der Lohnarbeit!

 

Im folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag, den wir auf der Kundgebung „Solidarität mit den Kämpfenden in Frankreich“ am 18. Juni 2016 in Freiburg gehalten haben.

 

In Frankreich soll ein Gesetz zur Arbeitsmarktreform verabschiedet werden, dagegen gibt es massive Proteste. Allein bei dieser simplen Aussage kann einem schon auffallen: Reform ist eine Drohung, es steht von vorne herein fest: Es geht um eine Senkung des allgemeinen Lohnniveaus, eine Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte. Niemand denkt bei „Arbeitsmarktreform“ an Verbesserung des Lebensniveaus.

 

Der Inhalt der Reformen ist auch allgemein bekannt: Lohnarbeit soll sich in Frankreich für die Unternehmen besser rentieren. Verwiesen wird auf den Erfolg der Agenda 2010 in Deutschland. „Deutschland geht es besser als vor 15 Jahren“, „Deutschland ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen“, die Arbeitslosigkeit sinkt, die „Schwarze Null“ steht, Deutschland ist Führungsmacht in der EU. Daran soll und will sich die französische Regierung ein Vorbild nehmen.

 

Mit Hartz IV wurden die Lohnuntergrenze gesenkt, die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds gekürzt, die Zumutbarkeitsregelungen verschärft, der Druck mittels Sanktionen auf Arbeitslose erhöht, der Arbeitsmarkt wurde flexibilisiert und ein Niedriglohnsektor eingeführt. In der Krise wurden deutsche Gewerkschaften für ihre Lohnzurückhaltung gelobt. Die Senkung des Lohnniveaus – also die Armut der Massen – ist der Grund für den ökonomischen Erfolg des deutschen Kapitals.

 

An diesen Erfolgen orientiert sich die französische Regierung und lehnt ihre Reformen bewusst an die deutschen an. Zwei Varianten sind im Moment denkbar: Das Gesetz kann verhindert werden – oder auch nicht. Spielen wir die Fälle durch:

 

→ Wenn sich die Protestierenden mit ihren Forderungen nicht durchsetzen, dann gibt es weniger Kündigungsschutz, härtere Arbeitsbedingungen und das Lohnniveau sinkt.

 

→ Wenn sich die Protestierenden durchsetzten, dann bleibt die französische Wirtschaft weniger konkurrenzfähig, damit sind Arbeitsplätze und der daran hängende Lohn in Gefahr.

 

So oder so – für die Arbeiter*innen sieht es nicht gut aus. Da läge doch ein Schluss nahe: Lohn ist ein schäbiges Mittel zum Leben. Bei der Bezahlung geht es um was ganz anderes als die Bedürfnisbefriedigung der Arbeiter*innen. Diese gehen doch arbeiten, weil sie vom Lohn möglichst gut leben wollen. Aber da kommt gar kein gutes Leben raus, die Existenzangst bleibt, gerade eher in der Tendenz, dass es schlechter wird – in Deutschland und in Frankreich. Das wissen auch viele, davon zeugt der Satz: „Meine Kinder sollen es einmal besser haben“. Da steckt das Eingeständnis drin, dass man für sich schon gar kein gutes Leben mehr erwartet.

 

Der Schluss „Lohn ist kein gutes Mittel für mich“ wird aber in der überwiegenden Mehrheit gar nicht gemacht: In „Meinen Kindern soll’s mal besser“ gehen steckt nämlich auch drin: Der Lohn sollte doch eigentlich ein Mittel zum guten – oder besseren – Leben sein. Die Hoffnung wird aufrechterhalten, in der eigentümlichen Weise: „Eigentlich sollte es doch um uns gehen“. An der Vorstellung, dass es sich beim Lohn irgendwie doch um ein taugliches Mittel handelt wird also festgehalten, obwohl die Erfahrung ja gerade dagegen spricht. Das ist eine Art, sich mit den beschissenen Bedingungen abzufinden und die Frage abzuwehren, worum es denn beim Lohn wirklich geht. Wir haben da eine Erklärung anzubieten:

 

Unternehmen lassen Waren oder Dienstleistungen herstellen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Dafür kaufen sie Rohstoffe, Werkzeuge, Maschine, mieten Fabrikhallen usw. und stellen Arbeiter ein. Diese Einkaufs-Kosten sollen möglichst niedrig sein, die Verkaufserlöse dagegen möglichst hoch. Beim kapitalistischen Produzieren kommt es einzig und allein auf eine Sache an: Möglichst hohen Gewinn. Damit steht auch schon fest, welche Rolle der Lohn spielt: Für die Unternehmer ist der Lohn einer der Kostenfaktoren. Für die Gewinnrechnung müssen die Löhne möglichst gering sein.

 

Der Staat will, dass auf seinem Territorium möglichst erfolgreich Kapitalakkumulation stattfindet. Jeder Politiker*innenrede ist zu entnehmen, dass in der kapitalistischen Gesellschaft so ziemlich alles am Wirtschaftswachstum hängt. Der Staat schlägt sich daher sachgemäß auf die Seite der Unternehmen, von denen er ja will, dass die Geschäfte nach der gerade dargestellten Erfolgsrechnung massenhaft florieren.

 

Und die Arbeiter*innen – die sind vom Lohn abhängig, sind darauf angewiesen, dass die Geschäfte laufen und dass Unternehmen sie brauchen. Sie müssen ihre eigenen Interessen – möglichst viel Geld für möglichst wenig Arbeit – den Interessen von Staat und Kapital unterordnen – denn Jobs gibt es nur, wenn sie sich für Unternehmen lohnen. Das System der Lohnarbeit schadet ihnen permanent, um jeden Euro müssen sie kämpfen; und am Ende entwickeln sie noch selbst das Interesse, schlecht bezahlt zu werden: Der Seufzer „Hauptsache Arbeit!“ zeugt davon.

 

Wir raten davon ab, sich mit dem System der Lohnarbeit abzufinden, sich die Frage abzuschminken, ob denn nicht durch eine andere Politik im Kapitalismus doch ein besseres Leben gehen könnte, und der Idee eine Absage zu erteilen, dass die Welt halt so ist, weil der Mensch so ist. Der Grund für die schäbige Lage der Massen – in Deutschland, Frankreich und dem Rest der Welt – liegt im durchgesetzten Prinzip des Kapitals.

 

Damit wollen wir nicht sagen, dass es sich nicht lohnt, gegen Verschlechterungen im Arbeitsrecht und bei der Lohnhöhe zu kämpfen. Umgekehrt: Jeder Euro mehr in der Tasche, jede Stunde weniger Arbeit sind gut! Das ändert aber nichts an dem soeben ausgeführten Dilemma: Ein Kapitalstandort ist nur dann erfolgreich, wenn die Arbeitskosten niedrig sind – und wenn der Standort nicht erfolgreich ist, dann gibt’s auf Dauer weniger Arbeit und die Löhne sind erst recht niedrig. So oder so, die Arbeiter*innen tragen den Schaden.

 

Denn solange der Kampf ein Kampf um’s Zurechtkommen mit der Lohnarbeit bleibt, hört auch das Kämpfen nicht auf und die Perspektive bleibt beschissen.

 

Darum sagen wir es geht um mehr:

 

Nämlich in- und außerhalb der sozialen Kämpfe diese Gründe klarzukriegen und gegen Verhältnisse zu kämpfen, die den Arbeiter*innen massenhaft und systematisch schaden. Es geht darum, die Loyalität zum „eigenen“ Staat aufzukündigen. Die Forderung darf also nicht heißen „für einen gerechten Lohn“ sondern „nieder mit dem Lohnsystem“!

 

 

 

 

 

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