Bullen, Nazis, Bullennazis

Ein Berliner LKA-Beamter heult sich im Zentralorgan der Neuen Rechten über fehlende Mittel im Kampf gegen „Linksextremismus“ aus. Einzelfall ist das keiner, das Team Green pflegt mittlerweile an vielen Stellen enge Kontakte zum Team Brown.

Tränen müssen geflossen sein, als sich ein Beamter des Landeskriminalamts Berlin, der mit dem Kampf gegen links befasst ist, an seine Freunde aus der völkischen rechten Postille Junge Freiheit wandte. Oft schaue er „neidisch“ ein paar Türen im LKA weiter, dorthin, wo die Abteilung gegen Rechtsextremismus sitze. „Die sind gut ausgestattet und können richtig arbeiten“, nölt der anonym bleibende Ordnungshüter. Man selber aber sei unterversorgt: „Wir können kaum noch ermitteln.“ Er bestätigt damit die These des rechten Magazins, dass gegen links nur ein „Scheinkampf“ geführt werde, während durch politische Vorgaben alle Kräfte gen rechts gelenkt würden.

Selbst das sich wechselseitige Vollraunzen zwischen LKA-Kojak und rechtem Redakteur spricht Bände. Gefährlicher noch ist aber, dass hier offenbar intime Kontakte bestehen zwischen denjenigen, die vom Staat mit immensen Mitteln ausgestattet werden, um private Daten linker AktivistInnen auszuspähen und denjenigen, die eine Scharnierfunktion ins gewaltbereite rechte Spektrum erfüllen. Diese Kooperationen sind mittlerweile ein Massenphänomen.

Holocaust-Witze aus dem Staatschutz

Unter dem Titel „Der Polizist, dein Freund und Hetzer“ dokumentierte im Oktober 2015 der Tagesspiegel den Fall des Berliner Bullen Norman Wollenzien. Der war nicht nur Funktionär der Alternative für Deutschland (AfD), sondern hatte sich auch beim Brandenburger PEGIDA-Ableger Bramm engagiert. Dort lief er mit einem Plakat auf, auf dem geschrieben stand: „Antirassismus, weltoffen, bunt, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern.“ Wollenzien war zuvor bereits wegen faschistischer Äußerungen polizeiintern aufgefallen, gleichwohl versah er in Abschnitten Dienst, in denen es zu Kontakt mit Refugees kam.

Generell trennt man sich bei der Polizei offenbar ungern von Nazi-Kollegen. Von nur vier Fällen interner Ermittlungen wegen Volksverhetzung im Zeitraum berichtet der RBB im Zeitraum von 2010 bis 2015 in Berlin. Alle vier wurden eingestellt, bei einer kam es zu einer Geldstrafe. Entlassen wird man aber offenbar nicht einmal, wenn man „Weihnachtsgrüße“ an andere Beamte verschickt, deren Inhalt Neonazi-Symbolik und die Parole „Ho-Ho-Holocaust“ sind. Solches tat der Staatsschutz-Bulle Edmund H. im Dezember 2015. Er musste eine Strafe zahlen und verblieb im Dienst.

Eine schriftliche Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus dokumentiert, in welchem Ausmaß die Zuständigen „ihre“ Beamten zu schützen gedenken, selbst wenn diese offenkundig neonazistisches Gedankengut hegen. Man will im Grunde gar keine Auskunft geben. Das wenige, das dann doch unvermeidlich ist, bezeugt: Der Mann wurde versetzt, nicht gekündigt. Und zuvor war er offenbar im Rahmen seiner Tätigkeit für das LKA damit befasst, „rechtsextreme Straftaten“ zu verfolgen. Der richtige Mann am richtigen Ort also. Ein „rechtsextremer Straftäter“, der „rechtsextreme Straftaten“ verfolgen soll. Lol.

Informationsweitergabe an NPD&Co.

Welche Auswirkungen die neonazistische Verankerung in den Polizeibehörden auf AntifaschistInnen haben kann, zeigte kürzlich ein Fall in Leipzig. Am 11. Januar hielten Bullen AktivistInnen an, die – so Medienberichte – auf dem Weg zu einer Demonstration in Leipzig gewesen seien. Noch bevor irgendeine Pressemeldung öffentlich war, konnte man eine Darstellung des Vorfalls bei der NPD nachlesen. Die Leipziger Polizei gestand ein: „Es ist so, dass wir davon ausgehen müssen, dass interne Informationen von einem Bildschirm abfotografiert und dann weiterverteilt wurden.“ Man ermittle.

Wie diese „Ermittlungen“ ausgehen, zeigen frühere Fälle, etwa die von drei sächsischen Bullen, denen eine Antifa-Recherchegruppe Kontakte zu Neonazis nachweisen konnte. Die Antifas hatten Roger B., Jens K. und Fernando V. direkte Verbindungen ins neonazistische Milieu und die Verbreitung von faschistischem Gedankengut nachgewiesen.

Wie schonungslos die Leipziger Polizei gegen die eigenen Nazi-Kollegen ermittelte, zeigt sich am Fall Roger B.s: Der hatte unter „Deutscher Vater, deutsches Kind, 88″ lautete der Kommentar zu einem Foto seines Neffen (Robert B., ebenfalls Neonazi) kommentiert. Mit welchem Trick kam er aus der Nummer raus? Lesen wir nach, Andreas Loepki von der Polizeidirektion Leipzig erklärt: „Er konnte vorbringen, dass eine Bekannte Zugang hatte und dort diesen Schriftzug hinterlassen hat – warum auch immer.“ Na dann.

Folgenlos für die Nazibullen, folgenschwer für politische Gegner

Compact-Magazine im Bullenwagen, rechte Postings im Internet, Nazi-Sticker im Einsatzfahrzeug, rassistische und nationalistische Sprüche und Übergriffe – Das Repertoire der deutschen Polizei ist groß. Wer sich die Fälle ansieht und wie mit ihnen umgegangen wird, merkt schnell: auch hier schützt der Corpsgeist vor Entlassung. Es wird grundsätzlich ergebnislos ermittelt, nur da, wo es wegen medialen Drucks überhaupt nicht mehr zu vermeiden ist, findet eine „Versetzung“ oder ähnliches aus.

Für den politischen Gegner, also uns und die werten Leser dieser Zeilen, ist das umso folgenschwerer. Staats- und Verfassungsschutz sammeln unheimliche Menge an Daten, die offenbar immer häufiger ihren Weg auch zu jenen finden, die für ihre räudige Knechtstätigkeit nicht bezahlt werden. Mit der zunehmenden Hegemonie rechter Gesinnung, die sich nicht allein im Zuwachs der neoliberal-faschistischen AfD ausdrückt, wird dieses Phänomen nicht abnehmen. Die „demokratischen“ Kontrollorgane der Behörden interessiert das schon jetzt kaum, in Zukunft ist mit keinem gesteigerten Interesse zu rechnen. Die von den Bullen inkriminierte Parole „Staat und Nazis Hand in Hand“ erweist sich einmal mehr als nüchterne Tatsachenbeschreibung.

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