Unangemeldeter AfD-Protest in Pirna: Initiator ist Polizeibeamter

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In Pirna kam es gestern zu einer unangemeldeten Versammlung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Mobilisiert wurde im AfD-Spektrum, vor Ort stellte sich Steffen Janich als Versammlungsleiter zur Verfügung. Der sitzt für die Partei im Kreistag – und arbeitet für die Polizei. Die musste sich durch Anwesende übel beschimpfen lassen. Jetzt wird ermittelt.

Ohne Anmeldung haben am Mittwochabend am Rathaus in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) insgesamt 180 Menschen demonstriert. Sie folgten einem Aufruf, der unter anderem in AfD-Kreisen verbreitet wurde. Einer der Initiator*innen war offenbar Steffen Janich, der für die AfD im Kreistag sowie im Gemeinderat seines Wohnortes Dohma sitzt.

Anmeldung unterlassen, Auflagen ignoriert

Janich hatte bei Facebook bereits in der vergangenen Woche und später nochmals „meinen Spaziergang“ angekündigt. Mobilisiert wurde auch über Messengerdienste, wo von einem „stillen Spaziergang“ die Rede war, bei dem man „für unsere Grundrechte“ demonstrieren will. Offenbar kritisierte man die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Eine auch in normnalen Zeiten obligatorische Anmeldung lag nicht vor. Vor Ort warteten daher bereits Polizei und Ordnungsamt, um die Lage zu überwachen.

Als sich gegen 19 Uhr tatsächlich Menschen versammelten, ging die Versammlungsbehörde auf Janich zu: Gewähren lassen würde man das Treffen nur, wenn die Anmeldung nachgeholt wird. Dazu erklärte sich Janich bereit, der daraufhin umfangreiche Auflagen akzeptieren und durchsagen musste. So sollte es maximal 50 Beteiligte geben, die namentlich erfasst und mit einem Mundschutz ausgestattet werden müssen. Außerdem durfte nur eine stationäre Kundgebung ohne Marschroute abgehalten werden. Daran hielt sich aber niemand, die Anwesenden umrundeten das Rathaus, kaum jemand trug Mundschutz, Abstandsregeln wurden nicht befolgt, Desinfektionsmittel gab es nicht.

Vielmehr wurden „fortlaufend Verstöße gegen die Beschränkungen“ registriert, teilte die Polizei, die nicht eingeschritten ist, im Nachhinein mit. Durchsagen der Beamt*innen blieben fruchtlos, stattdessen wurden sie beschimpft – nach Angaben der Sächsischen Zeitung unter anderem als „Merkel-Schergen“ und „Wichser“. Auch gegen Janich richtete sich der Unmut, der immer noch damit beschäftigt war, den Auflagenkatalog zu verlesen. Dafür brauchte er eine halbe Stunde, so lange, wie die Versammlung höchstens dauern durfte. Nachdem ihm die zwangsweise Auflösung angekündigt wurde, beendete er die Versammlung selbst. Danach beruhigte sich die Lage.

Namhafte AfD-Anhänger*innen vor Ort

Neben Janich waren weitere Mandaträger und Funktionäre der AfD vor Ort, darunter der Pirnaer Stadtrat Tim Lochner und Lothar Hoffmann, ein Fraktionskollege Janichs im Kreistag. Lochner steht der Gruppe „Pro Patria Pirna“ nahe, die zum neofaschistischen „Ein Prozent“-Netzwerk gehört. Der ehemalige Friedensrichter Hoffmann sprach in der Vergangenheit bereits bei Pegida und arbeitete mit der NPD in der rassistischen Initiative „Demokratischer Aufbruch Sächsische Schweiz“ zusammen. Heute ist er Kreisvorsitzender der AfD, zu seinem Vorstand gehören mit André Barth und Ivo Teichmann gleich zwei Landtagsabgeordnete.

Zu dem „Spaziergang“ in Pirna hatte kaum verklausuliert auch die extrem rechte Initiative „Heidenauer Wellenlänge“ aufgerufen, der zufolge man sich treffen wollte, um „ein Eis essen“ zu gehen. Hinter der Initiative steht Madeleine Feige. Sie war bereits am vergangenen Montag am Rande einer „Pro Chemnitz“-Versammlung aufgefallen, wo sie von der Polizei abgeführt worden ist. Feige, die schon an zahlreichen braunen Protestaktionen beteiligt war, ist eine amtsbekannte Rechtsextremistin. Sie bewegt sich seit Jahren im AfD-Umfeld, in ihrem Verein „Zukunft braucht Bildung“ wurde Thomas Kirste stellvertretender Vorsitzender. Auch er ist ein Landtagsabgeordneter der AfD.

Einen Sitz im Parlament hatte auch Janich angestrebt. Bei der Auswahl der Direktkandidat*innen unterlag der 49-Jährige jedoch gegen Jan Zwerg. Bei der Aufstellung der Landesliste kam er auf Platz 32 und verpasste damit den Einzug in den Landtag. In dessen Wahlprüfungsausschuss ist inzwischen eine Beschwerde Janichs anhängig. Innerparteilich hatte er für sich geworben mit der Idee, „unserer Jugend von Kindheit an ein konservatives Weltbild zu vermitteln, welches sich an den traditionellen deutschen Gepflogenheiten orientiert.“

Ermittlungen gegen Janich

Gehört dazu auch der Rechtsbruch? Die Polizei hat nun von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen Janich eingeleitet. Der Verdacht: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Zudem gibt es ein Disziplinarverfahren der sächsischen Polizei – wo Janich, der gelernte Klempner, als Schutzpolizist tätig ist. Er leitet zudem eine Abteilung des Pirnaer Polizeisportvereins. Außerdem wird geprüft, ob „ein Verbot der Dienstgeschäfte ausgesprochen wird“. idas liegen Unterlagen vor, die zeigen, dass Janich als Zugführer der Bereitschaftspolizei in der Vergangenheit auch an Einsätzen gegen die rechte Szene beteiligt war.

In diesem Spektrum ist er nun selbst gelandet: Er hängt dem verfassungsfeindlichen Flügel an. Zum letzten Kyffhäuser-Treffen der völkisch-nationalistischen Strömung konnte er nur deshalb nicht anreisen, weil er Dienst hatte. Sein paralleles Engamement bei Polizei und AfD ist allerdings schon lange bekannt: Janich, der früher bei der CDU aktiv war, trat der Partei unmittelbar nach ihrer Gründung bei und erhielt die Mitgliedsnummer 235. Er baute die Parteistrukturen im Landkreis mit auf und wurde dort erster Kreisvorsitzender, später Regionalverantwortlicher für Pirna. Anfänglich war er außerdem für die Mitgliederverwaltung der sächsischen AfD mitzuständig. Das war ein eher glückloses Unterfangen, da der komplette Datensatz im Internet landete.

Seine Parteiarbeit stellte Janich damals schon nach kurzer Zeit wieder ein, nach eigenen Angaben, weil er mit dem „Führungsstil der Landeschefin“ Frauke Petry unzufrieden war. Tatsächlich hätte er unter ihr stellvertretender Landesvorsitzender werden können, schlug diese Möglichkeit aber aus. Anfang 2018, nachdem Petry gegangen war, kehrte er in die Arme der AfD zurück.

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