Der Panzerglaskäfig ist ein Folterinstrument

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Vor aller Augen wird Julian Assange, der Gründer von WikiLeaks, physisch und psychisch vernichtet. Durch eine Verleumdungskampagne zum Unsympat gemacht, sieht die betrogene und belogene Öffentlichkeit nicht mehr seine Verdienste um die Aufdeckung von u.a. schwersten Kriegsverbrechen der USA. Der folgende Text ist meine Übersetzung aus dem Englischen von Craig Murrays Bericht von Julian Assanges Auslieferungsverfahren, den er auf seinem Blog veröffentlicht hat. Wer sehen will, kann sehen. Die Frage ist, wer noch sehen will.

Am Donnerstag bei der separaten Anhörung darüber, ob Assange erlaubt werden könne, den Panzerglaskäfig, den sogenannten 'Dock', zu verlassen und neben seinen AnwältInnen zu sitzen, wurde ich Zeuge, dass Richterin Baraitser ihr Urteil gegen Assange ins Gericht brachte, BEVOR sie die Argumente der Verteidigung hörte, und dieses völlig unbeeindruckt vortrug.

Ich beginne vielleicht damit, euch die Position auf der Zuschauertribüne zu erklären, der Richterin direkt gegenüber. Die ganze Woche hatte ich vorne gesessen, auf dem Platz ganz rechts. Die Galerie ist in Panzerglas eingefasst und befindet sich etwa zwei Meter über dem Gerichtssaal. Sie verläuft entlang der einen Längsseite des Gerichtssaals und ihr Ende ganz rechts befindet sich unmittelbar über der RichterInnenbank. Bemerkenswert daher ist, dass man von den rechten Plätzen der Zuschauertribüne aus einen direkten Blick von ganz oben auf die RichterInnenbank hat und sämtliche Dokumente und den Computerbildschirm der Richterin sehen kann.

Mark Summers für die Verteidigung erklärte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Belousov gegen Russland gegen den russischen Staat urteilte, weil Belousov im Gerichtssaal in einem Glaskäfig saß, der in Konstruktion und Position im Saal praktisch identisch mit dem war, in dem sich Assange jetzt befand. Er verhindere seine Teilnahme am Prozess und seinen freien Zugang zur Beratung mit seinen VerteidigerInnen und beraube ihn seiner Menschenwürde als Beklagter.

Summers fuhr fort, dass es normale Praxis für bestimmte nicht verurteilte Gefangene sei, dass sie den Dock verlassen und bei den AnwältInnen sitzen können. Dem Gericht lägen psychiatrische Gutachten vor über Assanges extreme klinische Depression, und in der Tat wurde im Praxisleitfaden des Justizministeriums für Gerichte erklärt, dass vulnerable Personen erlaubt werden solle, neben ihren VerteidigerInnen zu sitzen. Es würde keine Sonderbehandlung für Assange gefordert, sondern nur dieselbe wie für jede andere vulnerable Person.

Die Verteidigung werde behindert dadurch, dass sie während der Verhandlung nicht vertraulich mit ihrem Mandanten kommunizieren können. In der nächsten Phase des Prozesses, die Zeugenbefragung, sei eine zeitnahe Kommunikation von wesentlicher Bedeutung. Außerdem könnten sie nur durch einen Schlitz in der Glaswand mit ihm sprechen, in Hörweite des Angestellten einer privaten Sicherheitsfirma, der ihn bewachte (es wurde berichtigt, dass es sich um Serco handelt, nicht Group 4, wie Baraitser am Tag zuvor gesagt hatte) und im Vorhandensein von Mikrophonen.

An dieser Stelle bekam Baraitser schlechte Laune und ihre Stimme klang verärgert. „Wer sind diese Leute in der Bank hinter Ihnen?“ fragte sie Summers sarkastisch, sie wusste die Antwort ganz genau. Summers antwortete, dass sie zum Team der Verteidigung gehörten. Baraitser sagte, Assange könne sich an diese wenden, wenn er etwas anzubringen hätte. Summers gab zurück, dass sich zwischen ihnen und dem Glaskäfig ein Durchgang und eine niedrige Wand befinden, und alles, was Assange über die Wand hinweg von ihnen sehen könne, seien die oberen Ränder ihrer Hinterköpfe. Baraitser sagte, sie habe gesehen, wie Assange herausgerufen habe. Summers sagte, durch den Gerichtssaal zu rufen, sei weder vertraulich noch zufriedenstellend.

Dies ist das Foto (siehe Original auf dem Blog d.Ü.), das illegal (nicht von mir) von Assange im Gerichtssaal gemacht wurde. Wenn Sie genau hinschauen, können Sie den Durchgang und die niedrige Holzwand zwischen ihm und der hinteren Reihe der AnwältInnen sehen. Sie können einen der beiden Serco Gefängniswärter sehen, die ihn im Glaskäfig bewachen.

Baraitser sagte, Assange könne Notizen weiterreichen, sie habe beobachtet, dass er Notizen herausgereicht habe. Summers antwortete, dass die Sicherheitsbeamten das Weiterreichen von Notizen jetzt untersagt haben. Baraitser sagte, das müssten sie mit Serco ausmachen, das sei Sache der Gefängnisbehörde.

Summers stellte klar, dass die Entscheidung, Assange aus dem Dock zu entlassen, im Gegensatz zu Baraitsers Behauptung am Tag zuvor durchaus in ihren Zuständigkeitsbereich falle. Baraitser unterbrach ihn und sagte, das würde sie nun akzeptieren. Summers sagte darauf, er habe Äußerungen mehrerer Behörden vorgelegt um zu zeigen, dass Baraitser auch darin unrecht gehabt habe, als sie behauptete, dass sich in Gewahrsam zu befinden nur heißen könne, im Dock zu sitzen. Jedoch könne man sich überall im Gericht befinden, während man in Gewahrsam sei, selbst draußen. Baraitser wurde sehr ärgerlich über diese Ausführungen und behauptete, sie habe lediglich gesagt, dass die Übermittlung an das Gericht zur Verwahrung der Verbringung zur Anklagebank gleichkomme.

Darauf Summers denkwürdige Antwort, jetzt sehr ärgerlich: „Das ist ebenfalls falsch, und es ist die ganzen letzten achten Jahre falsch gewesen.“

Um die Argumentation zu beenden, verlas Baraitser ihr Urteil in dieser Sache. Und jetzt wird es interessant, und ich sage das als direkter Augenzeuge. Sie las ihr Urteil vor, das mehrere Seiten lang und von Hand geschrieben war. Sie hatte es in einem Stapel ins Gericht mitgebracht und sie machte keine Veränderungen. Sie hatte ihr Urteil geschrieben, bevor sie von Mark Summers überhaupt nur ein Wort gehört hatte.

Ihre wesentlichen Schlüsselpunkte waren, dass Assange mit seinen VerteidigerInnen kommunizieren könne, indem er aus dem Käfig herausriefe. Sie hatte gesehen, wie er Notizen herausreichte. Sie sei bereit, jederzeit die Verhandlung zu unterbrechen, damit Assange mit seinen AnwältInnen für Gespräche in die Zellen hinuntergehen könnten. Auch wenn das die Dauer der Anhörung von drei auf sechs Wochen verlängere, es könne so lange dauern wie gewünscht.

Baraitser behauptete, dass keines der ihr vorliegenden psychiatrischen Berichte erkläre, dass Assange notwendig den gepanzerten Glaskäfig verlassen müsse. Da keinem der Psychiater diese Frage gestellt worden war, und sehr wahrscheinlich keiner von ihnen wisse, wofür sie im Gerichtssaal gebraucht werden würden, überrasche das kaum.

Ich habe mich gefragt, warum es für die britische Regierung so essentiell wichtig ist, Assange in diesem Käfig zu behalten, wo er weder hören kann, was bei der Anhörung vor sich geht, noch seinen AnwältInnen Hinweise für die Beweisführung geben kann. Selbst die Vertretung der US-Regierung hatten erklärt, dass sie keine Einwände dagegen hätten, wenn Assange in der Verteidigerbank Platz nehme.

Die Antwort liegt in der psychiatrischen Einschätzung Assanges, das dem Gericht von dem sehr distinguierten Professor Michael Kopelman vorgelegt wurde (welcher allen bekannt ist, die "Mord in Samarkand" gelesen haben):

"Herr Assange zeigt quasi alle Risikofaktoren, die Forscher aus Oxford bei Gefangenen beschrieben haben, welche entweder Suizid oder Suizidversuche mit Todesfolge begangen haben... Ich bin so sicher wie ein Psychiater jemals sein kann, dass wenn eine Auslieferung in die USA wahrscheinlich werden wird, Herr Assange einen Weg finden wird, Suizid zu begehen."

Dass Kopelmann den Panzerglaskäfig nicht ausdrücklich als schlecht beurteilt, wie Baraitser sagte, bedeutet nichts anderes, als dass er nicht danach gefragt worden war. Jeder Mensch mit dem geringsten Anstand würde zu diesem Schluss kommen. Baraitsers enge Auslegung, dass kein Psychiater ausdrücklich erklärt habe, er solle aus dem gepanzerten Käfig entlassen werden, ist atemberaubend kaltherzig, unehrlich und unmenschlich. Ganz sicher hätte kein Psychiater sich vorgestellt, dass sie aufgrund der Einschätzung beschließen werde, die Weiterführung solcher Folterung durchzusetzen.

Also warum macht Baraitser das?

Ich glaube, dass diese Verwahrung Assanges, dieses intellektuellen Computerversessenen, im Stil von Hannibal Lector, die nicht die geringste rationale Basis hat, ein vorsätzlicher Versuch ist, Julian in den Selbstmord zu treiben. Dieses Antiterror-Gericht mit höchster Sicherheitsstufe liegt innerhalb des Festungsgeländes, auf dem sich auch das Hochsicherheitsgefängnis befindet. Julian wird in Handschellen und massiv eskortiert aus seiner Isolationshaftzelle durch einen unterirdischen Gang in den gepanzerten Dock und zurück gebracht. Wo liegt unter diesen Umständen die Notwendigkeit, ihn fortwährend nackt auszuziehen, ihn zu durchsuchen, auch in den Körperöffnungen? Warum werden ihm seine Gerichtsunterlagen weggenommen? Für mich höchst bedeutungsvoll ist, dass es ihm nicht einmal erlaubt war, seinen AnwältInnen durch den Schlitz im gepanzerten Käfig die Hand zu geben oder sie zu berühren.

Sie versagen ihm systematisch und unablässig jede grundlegende menschliche Wohltat wie etwa die Berührung von Fingerspitzen eines Freundes, sie blockieren die Erleichterung, die er daraus gewinnen könnte, nur einfach neben einem ihm wohlgesonnenen Menschen zu sitzen. Sie wollen sichergehen, dass die extremen psychologischen Wirkungen der Isolation während eines Jahres in einer Isolationszelle weitergehen. Ein winziges bisschen menschliche Wohltat könnte seiner seelischen Gesundheit und seiner Resilianz enorm gut tun. Das gilt es für sie, mit allen Mitteln zu verhindern. Sie versuchen, ihn dahin zu bringen, dass er sich umbringt. Oder ihn in eine solche Verfassung zu bringen, dass sein schleichender Tod als Selbstmord wegerklärt werden kann.

Dies ist auch die einzige Erklärung, die ich habe dafür, dass sie es wagen, so dermaßen offensichtlich fehlerhafte Bedingungen zu schaffen. Tote Menschen können nicht Berufung einlegen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass Julian ein Gefangener in Untersuchungshaft ist, der seine Strafe von noch nie dagewesener Länge wegen Verstoßes gegen Kautionsbedingungen abgesessen hat. Sein gegenwärtiger Status ist angeblich der eines unschuldigen Mannes unter Anklage. Diese Anklage wurde erhoben für nichts anderes als das Publizieren von Chelsea Mannings Enthüllungen von Kriegsverbrechen.

Dass Baraitser auf Anweisung handelt, ist für mich eine Gewissheit. Sie war während der ganzen Verhandlung verzweifelt bemüht, jede Chance zu ergreifen, um die Verantwortung für das, was mit Julian geschieht, von sich zu weisen. Sie hat behauptet, auf seine Bedingungen im Gefängnis keinen Einfluss zu haben. Sogar als die Verteidigung und die Anklage gemeinsam bestätigten, dass es das normale Vorgehen sei, dass RichterInnen der Gefängnisleitung Anweisungen und Forderungen übermittelten, weigerte sie sich, dies zu akzeptieren.

Baraitser versucht schlicht, sich psychologisch von jeder Mitverantwortung für alles was getan wird, zu distanzieren. Bis zum Ende leugnete sie viele Male ihre Zuständigkeit oder ihren Einfluss auf Vorkommnisse. Sie sagte, sie sei nicht zuständig, um gegen die Nacktkörperdurchsuchungen, das Anlegen von Handschellen, die Beschlagnahmung seiner Gerichtsdokumente oder seine Isolationshaft zu intervenieren. Sie sagte, sie sei nicht zuständig dafür, zu verlangen, dass seine VerteidigerInnen mehr Zugang zu ihrem Mandanten bekommen können, um seine Verteidigung vorzubereiten. Sie sagte, sie habe keinen Einfluss auf seine Position im Gerichtssaal. Sie sagte mehrmals, dass die Entscheidung bei Serco läge, ob Assange Notizen an seine AnwältInnen reichen dürfe oder nicht, und an Group4, ob er aus dem Glaskäfig heraus dürfe. Die Momente, in denen sie am zufriedensten aussah, während sie der Beweisführung zuhörte, waren die, als James Lewis für die Anklage argumentierte, dass sie keine Entscheidung zu treffen habe außer über ihre Unterschrift unter die Auslieferung. Diese sei der Form nach korrekt und Artikel 4 des Abkommens sei rechtlich nicht verbindlich.

Ein Mitglied der Familie Assanges bemerkte mir gegenüber am Ende der Woche, dass sie sehr faul zu sein scheine, und froh jedes Argument akzeptierte, welches die Arbeit für sie reduzieren würde. Ich denke, es ist anders. Ich denke, in einem Winkel des Bewusstseins dieser Tochter von Dissidenten der Apartheid wehrt ihre eigene Rolle bei Assanges Folterung ab, und pausenlos beteuert sie daher: "Ich hatte keine Wahl, ich hatte keine Mitverantwortung." Diejenigen, die sich auf das Böse einlassen, müssen jede nur mögliche innere Beruhigung ergreifen, die sie finden können.

 

Mit großem Dank an diejenigen, die gespendet oder unterschrieben haben, um diese Berichterstattung zu ermöglichen. Ich möchte nochmals betonen, dass ich absolut nicht möchte, dass jemand etwas gibt, wenn es sie oder ihn in irgendwelche finanziellen Schwierigkeiten bringt.

Dieser Artikel ist völlig freigegeben für Reproduktion, Publizierung einschließlich Übersetzung, und ich hoffe sehr, dass Menschen dies aktiv tun. Die Wahrheit wird uns befreien.

 

 

Quelle: https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/03/the-armoured-glass-box-i...

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Mathias Bröckers - "Freiheit für Julian Assange" - Westend Verlag

Untergrundblättle - "Wie die schwedischen Behörden die Vergewaltigungsanzeige gegen Julian Assange fälschten"

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