My Body is not your Porn! - Stellungnahme zu den "Spannervideos" auf Monis Rache

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Fast täglich erleben wir – Frauen, Lesben, inter und nichtbinäre Personen, Trans* und Queers (FLINT*) Übergriffe, Angriffe, Grenzüberschreitungen. Seit einigen Wochen haben dabei die „Vorfälle“ bei dem linken Festival Monis Rache besondere Aufmerksamkeit erfahren. Durch eine investigative Reportage wurde aufgedeckt, dass dort ein Mitarbeiter des Festivals in mehreren Jahren heimlich Filmaufnahmen auf den Dixi-Klos gemacht hat, wobei die Clips der als Frauen gelesenen Personen im Internet geteilt, getauscht und verkauft wurden. Dass diese Gewalt auf einem linken Szene-Festival ausgeübt wurde, ist auf der einen Seite besonders verletzend, da viele sich in einem saf(er)en Space vermuten, auf Awareness-Strukturen und generelles (antisexistisches) Bewusstsein bauen. Auf der anderes Seite macht es deutlich: auch die linke Szene hat ein massives Sexismus-Problem und ist von patriarchalen Strukturen durchzogen. Für die einen mag dies überraschend wirken, doch wir als FLINT* erfahren dies andauernd! Das Selbstbild der linken Szene als Sexismus-freier Raum ist Teil des Problems.

Sexismus und sexualisierte Gewalt gehören zu unserem Alltag. Fast täglich erleben wir – Frauen, Lesben, inter und nichtbinäre Personen, Trans* und Queers (FLINT*) Übergriffe, Angriffe, Grenzüberschreitungen. Seit einigen Wochen haben dabei die „Vorfälle“ bei dem linken Festival Monis Rache besondere Aufmerksamkeit erfahren. Durch eine investigative Reportage wurde aufgedeckt, dass dort ein Mitarbeiter des Festivals in mehreren Jahren heimlich Filmaufnahmen auf den Dixi-Klos gemacht hat, wobei die Clips der als Frauen gelesenen Personen im Internet geteilt, getauscht und verkauft wurden. Dort werden sie als einem „Fetisch“ oder einer „Neigung“ entsprechenden Porno gelabelt. Der Täter verteidigt sein Handeln sogar als durch seinen „marginalisierten Fetisch“ determiniert. Doch es geht hier nicht um sexuelle Präferenzen, sondern darum, dass wir ohne unser Wissen und ohne unsere Zustimmung zu Protagonist_innen eines Pornos gemacht wurden. Das ist eine gewaltvolle Ausübung von Macht, die unsere Selbstbestimmung und Persönlichkeit zutiefst verletzt. Das ist sexualisierte Gewalt! Und auch, wenn nur einige von uns wirklich auf den Videos zu sehen sind (wie viele wissen wir nicht), ist dies ein misogyner und cissexistischer Angriff, der sich gegen uns alle richtet. Wir könnenalso (auch hier) feststellen: betroffen sind einige, gemeint sind wir alle!

 

Linke Szene: Danke für Nichts!

Dass diese Gewalt auf einem linken Szene-Festival ausgeübt wurde, ist auf der einen Seite besonders verletzend, da viele sich in einem saf(er)en Space vermuten, auf Awareness-Strukturen und generelles (antisexistisches) Bewusstsein bauen. Auf der anderes Seite macht es deutlich: auch die linke Szene hat ein massives Sexismus-Problem und ist von patriarchalen Strukturen durchzogen. Für die einen mag dies überraschend wirken, doch wir als FLINT* erfahren dies andauernd! Das Selbstbild der linken Szene als Sexismus-freier Raum ist Teil des Problems. Regelmäßig wird hier sexualisierte Gewalt verharmlost, Erfahrungen infrage gestellt oder Awareness- und Care-Arbeit abgewertet und/oder auf FLINT* ausgelagert.

Dies spiegelt sich auch im Umgang mit den Taten auf Monis Rache wieder. Nachdem eine Kleingruppe innerhalb der Festivalstrukturen über die Videos informiert wurden, haben sie sich kurzerhand entschlossen, sogenannte „Täterarbeit“ zu machen. Ohne die Taten öffentlich zu machen, irgendjemanden zu informieren oder gar nach den Bedürfnissen der Betroffenen zu fragen, sollten also Maßnahmen eingeleitet werden, die den Täter zur Reflexion anregen und ihn dabei vor einem Ausschluss aus seinen bisherigen Räumen bewahren sollten. Bewusst sollte dabei der Name des Täters verheimlicht werden. Dies hat nichts mit transformativer Gerechtigkeit zu tun, sondern ist aktiver Täterschutz! Es ist ein Skandal, dass (potentiell) Betroffene und dem Täter nahestehende Personen unvorbereitet und wie zufällig durch eine Youtube-Dokumentation von den Übergriffen erfahren haben! Es ist anmaßend und verantwortungslos, solch massive Gewalt im „kleinen Kreis“ klären zu wollen! Und es gefährdet die Sicherheit und das Wohlergehen von FLINT*, die Identität des Täters zu schützen und seine Integration in die Szene als größtes Anliegen zu verfolgen! Wir sind wütend und verurteilen neben den Taten selbst auch diesen täterschützenden Umgang!

 

auch nur ein Spiegel der Gesellschaft …

Natürlich sind diese sexistischen Strukturen nicht nur ein Problem der linken Szene. Und auch die Videos von Monis Rache sind kein „krasser Einzelfall“ von einem „schlimmen Typen“. Sie sind Teil der gesamtgesellschaftlichen Scheiße, in der FLINT* objektifiziert, unterdrückt und tagtäglichen Übergriffen ausgesetzt sind.

Es ist fatal, dass diese Ebene in der Youtube-Dokumentation ausgespart bleibt. Dort wird die Recherche als spannende Jagd nach einem Einzeltäter dargestellt, für deren Effekt Informationen zurückgehalten wurden, was die reale Schädigung von tausenden Festival-Besucher_innen in Kauf genommen hat. Sexualisierte Gewalt ist keine spannende Detektivgeschichte, sie ist ein strukturelles gesellschaftliches Problem! Immer wieder versuchen (vor allem) cisMänner, Macht über unsere Körper zu bekommen. Nirgends sollen wir uns sicher fühlen, nicht nachts, nicht im öffentlichen Raum, nicht einmal auf der Toilette. Das kotzt uns an!

 

Was wir fordern:

Wir sind wütend, und wir sind viele! Wir haben alle einen anderen Umgang mit dem, was passiert ist. Genauso unterschiedlich sind unsere Bedürfnisse und Forderungen. Wir respektieren das und schließen uns solidarisch zusammen! Gemeinsam nutzen wir die Aufmerksamkeit, die diesem Thema gerade geschenkt wird, um zu fordern:

 

Kein Mensch soll sexualisierte Gewalt erleben!

Nehmt uns ernst! Immer und überall! In unserem Dasein, unseren Erfahrungen, in unseren Handlungen und Bedürfnissen.

Alle Menschen sollen selbst bestimmen, ob und mit wem sie Sex haben möchten. Alle Menschen sollen selber bestimmen können, ob sie mit dem eigenen Körper oder erotischen Dienstleistungen Geld verdienen wollen. Dazu gehört auch: Für mehr konsensuellen, feministischen Porno!

Wir werden uns nicht aus öffentlichen Räumen zurückziehen, sondern wir wollen, dass diese sich verändern, damit wir uns wohl fühlen können. Wir fordern sichere öffentliche Räume, offline und online!

Wir fordern eine respektvolle und starke Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt! Dazu gehören u.a. mehr niedrigschwellige Angebote zur Unterstützung für Betroffene, genauso wie eine aufklärende, machtkritische Bildungsarbeit.

Wir fordern, die Erziehung innerhalb des binären Geschlechtssystems aufzubrechen! Dieses forciert Entwicklungen hin zu einer gewaltvollen Männlichkeit und einer passiven Weiblichkeit. Keine dieser Rollen tut gut!

Wir fordern eine aktive antisexistische und kritische Männlichkeitsarbeit (nicht nur) in den eigenen Strukturen! Wir fordern von cisMännern, dass sie Verantwortung dafür übernehmen, dass sie prädestiniert dafür sind, übergriffig und raumeinnehmend zu sein. Wir fordern von cisMännern, dass sie zu unseren Verbündeten werden, statt weiter vom Patriarchat zu profitieren. Dazu gehört auch das Aufbrechen männlich dominierter Räume, Netzwerke und Strukturen. Den Müll runterzubringen und das Feminismus-Shirt anzuziehen reicht nicht!

Wir fordern, dass Täter zur Rechenschaft gezogen werden, genau wie Plattformen, auf denen Gewalt normalisiert wird. Dazu gehört auf der einen Seite, dass nicht-konsensuelle Pornografie Teil des Sexualstrafbestands wird und juristische Klageverfahren niedrigschwelliger, sensibler und Betroffenen-fokussiert funktionieren. Dazu gehört aber auch der Auf- und Ausbau transformativer Gerechtigkeitsarbeit. Wir wollen nicht nur auf Gewalt reagieren und Täter_innen bestrafen. Wir wollen die Gesellschaft verändern und Gewalt verhindern!

Wir fordern starke Awareness-Strukturen für jede Party, für jede große Veranstaltung, für alle Festivals. Zu einem guten Konzept gehört dabei eine gute Vor- aber auch Nachbereitung und langfristige, nicht nur akute Ansprechbarkeit. Darüber hinaus fordern wir einen offensiven und transparenten Umgang mit Gewalttaten dieser Art! Und konkret: Es war gut, die solidarischen Statements der einzelnen Festival-Crews zu lesen, aber wir wünschen uns weiterhin mehr Transparenz der gesamten Monis Rache – Struktur.

 

Wir sind viele, wir sind wütend und wir lassen uns nicht einschüchtern!

Lasst uns mit unserer Wut das Patriarchat zertrümmern!

Because Feminism is fucking necessary!

 

Aktions-AG der selbstorganisierten FLINT*-Betroffenen-Gruppe Leipzig
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