Die soziale Revolte im Iran – “Brot, Arbeit, Freiheit” / “Nan, kar, âzadi”

Regionen: 

Die landesweiten Unruhen im November im Iran, bei denen über 300 Menschen vom Regime ermordet wurden, fanden (vielleicht etwas überraschend) in den deutschen Medien nur wenig medialen Widerhall. Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Ursachen zu benennen.

Da wäre als erstes die Klassenzusammensetzung der Akteure. Im Gegensatz zu den vorigen Protesten, den „Bewegungen für mehr Demokratie“, die stark von den städtischen Mittelstandangehörigen getragen wurden, handelte es sich bei der Revolte, die sich Mitte November innerhalb weniger Tage auf über einhundert Städte erstreckte, um eine soziale, proletarische Explosion als Reaktion auf die Ankündigung die Subventionen für Kraftstoff zu streichen.

Zweitens ist die EU stark bemüht, ihren Deal mit dem iranischen Regime über das Atomabkommen, der durch den Alleingang von Trump zur Disposition steht, unter allen Umständen zu retten.

Erst mit der Zuspitzung der Konfrontation zwischen den USA und dem Iran mit der Liquidierung von Qassem Solemaini geriet die innenpolitische Lage im Iran wieder in den Fokus der deutschen Medien. Allerdings wurden hier in Verklärung der realen Situation die vom iranischen Regime inszenierten Aufmärsche als Spiegelung der wirklichen Stimmung unter der Bevölkerung verkauft. Erst mit dem Abschuss der ukrainischen Verkehrsmaschine und den darauffolgenden Protesten gab es wieder eine breitere Berichterstattung in den deutschen Medien, die allerdings weiterhin die soziale Komponente der Unruhen weiter weitgehend ausblendete. Dabei unterscheidet sich die soziale Explosion im Iran gegen ein neoliberales „Reformprogramm“ nicht von den vielen anderen sozialen Revolten, die über den Planeten hinwegfegen. Nur dürfte das iranische Regime vielleicht noch skrupelloser im Abschlachten sein und aufgrund seiner feinmaschigen Kontrollnetze, die sich über die iranische Gesellschaft gelegt haben, in der Lage sein, Informationen über Opposition effektiver zu unterdrücken.

Deshalb an dieser Stelle eine (sinngemäße) Übersetzung eines Beitrages des Kollektivs „La Chapelle debout“, der Ende Januar auf Basta! Magazine veröffentlicht wurde:

„Nach einer kurzen Phase, die von den Spannungen mit den Vereinigten Staaten überschattet war, wurde der Volksaufstand gegen das iranische Regime rasch wieder aufgenommen. Aufgrund der Zensur der Nachrichten beschreiben mehrere Mitglieder des Kollektivs “La Chapelle debout”, die die Situation genau verfolgen, in diesem Text den Stand der Mobilisierung und die aktuelle Situation im Land. Sie rufen zur Solidarität mit den kämpfenden iranischen Männern und Frauen auf.“ (Basta Mag)

Seit der Ausschaltung des iranischen Generals Qassem Solemaini am 3. Januar in Bagdad befürchtete die ganze Welt eine Eskalation des Konflikts zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten. Nach dem Drohnenangriff, der die Nummer eins der Al-Qds-Kräfte der Revolutionsgarde tötete, inszenierte die Islamische Republik eine große Staatstrauer unter dem Motto: “Die Rache wird schrecklich sein”.

Die Bilder dieser Paraden, die von den offiziellen iranischen Medien aufgezeichnet und ausgestrahlt wurden, fanden im Gegensatz zu den Aufständen vom November 2019 in mehr als 130 Städten im gesamten Land, die „hinter verschlossenen Türen“ gewaltsam unterdrückt wurden, einen breiten Widerhall in der weltweiten Medienberichterstattung. Diese Märsche und ihre Rezension in der Medienberichterstattung ermöglichten es dem Regime, für einige Tage die Erinnerung an das Blutvergießen im November zu löschen und ein Bild der nationalen Einheit zu generieren.

Aber der Absturz eines Flugzeugs der Ukrainian Airlines in Teheran in der Nacht zum 8. Januar, während eines Angriffs der Revolutionsgarden auf zwei US-Militärstützpunkte im Irak, hat die Wut der Bevölkerung wieder angefacht. Nach zwei Tagen des Leugnens bestätigten die iranischen Behörden, dass die Revolutionsgarden “irrtümlich” das Flugzeug getroffen und 176 Menschen getötet haben. Dieses Ereignis sollte uns auch vergessen machen, dass am 7. Januar in Kerman bei der Beerdigung von Qassem Soleimani mehr als 50 Menschen bei einer Massenpanik starben.

Danach ist die aufgeführte Inszenierung rasch vorbei. Am 11. und 12. Januar versammelten sich die Iraner*innen in Teheran, Isfahan, Babol, Hamedan, Rasht und anderen Städten auf den Straßen, um ihre Wut gegen das Regime, seine Lügen und seine Verbrechen laut heraus zu schreien. Nach dem (niedergeschlagenen) Novemberaufstand rufen sie: “Soleimani ist ein Mörder, sein Führer (Khamenei) ist ein Verräter.“

“Iran, Frankreich, Irak, Chile, Libanon… derselbe Kampf.”

Mitte November 2019 brach im Iran ein Volksaufstand aus, der mit aller Macht unterdrückt wurde. Mindestens 304 Menschen wurden getötet und über 7.000 inhaftiert, wodurch die Proteste eine Zeitlang ein Ende fanden. Doch am 7. Dezember 2019, drei Wochen nach der blutigen Repression, versammelten sich iranische Studenten wieder an mehreren Universitäten, um zu zeigen, dass der Kampf weitergeht. Sie führten in mehreren Städten Transparente mit sich, die sich an alle kämpfenden Völker richteten: “Iran, Frankreich, Irak, Chile, Libanon … derselbe Kampf”.

“Die Treibstoffsubventionen werden Ende 2020, Anfang 2021 völlig abgeschafft” (Erklärung der Delegation der Islamischen Republik Iran beim IWF im Jahr 2018)

Der Aufstand brach als Reaktion auf die jüngste Etappe der “neoliberalen” Wirtschaftsreformen aus, die darauf abzielen, die Kraftstoffsubventionen abzuschaffen, das Rentenbudget (durch Anhebung des Rentenalters und Kürzung der Renten) und die Sozialversicherung zu beschneiden, die Mehrwertsteuer und die Steuern für die Arbeitnehmer zu erhöhen. Sie bieten der Bourgeoisie Steuergeschenke an und fördern Privatisierungsprozesse. Dieses Programm steht im Einklang mit den Empfehlungen des IWF und hat die volle Unterstützung des Obersten Führers Ali Khamenei sowie aller Eliten des Regimes gefunden.

Diese Politik ist nicht neu. Sie wurde von allen aufeinander folgenden Regierungen seit dem Iran/Irak Krieg (1980-1988) angewandt, mit einem absoluten Höhepunkt während der massiven Privatisierungen durch Ahmadinedschad, die bereits unter den Direktiven von Ali Khamenei im Jahr 2006 stattfanden.

Im Jahr 2018 wurden mit dem Ausstieg der Vereinigten Staaten aus der Wiener Vereinbarung über das iranische Atomprogramm die Wirtschaftssanktionen wieder in Kraft gesetzt. In Verbindung mit der Wirtschaftspolitik des Regimes machte dies das Leben für die Mehrheit der Iraner immer teurer und schmerzhafter. Tatsächlich nutzen auch der Staat und die herrschende Bourgeoisie die Sanktionen aus, um diese Politik der “Anpassung” voranzutreiben und noch reicher zu werden

Am 14. November 2019, genau um Mitternacht (!! d. Ü.), kündigte die Regierung von Hasan Rohani eine Erhöhung des Benzinpreises um 300% an. Einige Stunden später versammeln sich die Menschen, besetzen den öffentlichen Raum und schreien ihre Wut heraus. Drei Tage und drei Nächte lang dauert der Aufstand und greift auf mindestens 135 Städte über.

Die armen und peripheren Städte erleben genauso ausgeprägte Aufstände wie die Hauptstadt. In Teheran manifestiert sich der Aufstand eher in den östlichen und südwestlichen Bezirken, die zumeist marginalisierte und arme Gebiete sind. Die Bewegung ist geprägt von der Wut der Demonstranten, die sich mutig der Polizei, den Basij (eine als inoffizielle Hilfspolizei eingesetzte paramilitärische Miliz, die sich aus Freiwilligen rekrutiert d.Ü.) und den Revolutionsgarden entgegenstellen, Banken, Tankstellen, die Büros der Vertreter des Obersten Führers, einige Gerichtsgebäude und Polizeistationen, Basij- Basen und andere staatliche Gebäude in Brand stecken.

In Sadra (Schiraz), im Südwesten des Landes, wurde, nachdem der Oberste Führer zur Unterdrückung der “Ashrar” (Kriminelle) – so die denunzierende Bezeichnung des kämpfenden Volkes – aufgerufen hatte, die Residenz des „Freitags-Imams“ – eine vom Obersten Führer ernannte politische und propagandistisches Institution – angegriffen. Ein Hubschrauber wurde angefordert und zerstreute die Demonstranten unter Einsatz von scharfer Munition. In mehreren Städten, wie z.B. Teheran und Isfahan blockierten die Menschen die Autobahnen.

Von Anfang an zielen die Parolen auf das Regime ab. Die Menschen skandierten: “Das Benzin ist nur der Funke, unser Ziel ist das ganze System“. In mehreren Städten, darunter auch in Schiraz, greifen die Parolen direkt den Obersten Führer und das Prinzip des „Velayat-e Faqih“ (die “Statthalterschaft des Rechtsgelehrten”) an. In Eslamshahr, einer Arbeiterstadt mit einem der größten Slums der Welt, filmt ein Mann ein riesiges brennendes Porträt des Obersten Führer . An der Universität in Teheran, wo die Menschen “Student, Arbeiter, im Kampf vereint!“ rufen, verbarrikadieren sich die Studenten vier Tage lang auf dem Campus. Die Basij dringen dann in Krankenwagen versteckt in die Universität ein und entführen etliche Studenten.

Eine Revolte – Erbe von vier Jahren Protesten

Dies ist die dritte große Volkserhebung innerhalb von zehn Jahren. Im Juni 2009 wurde die “grüne Bewegung” nach der betrügerischen Wiederwahl Ahmadinedschads zum Präsidenten der Islamischen Republik geboren. Es folgte ein Jahr voller Demonstrationen.

Im Jahr 2017 dann sind mehr als 90 Städte für mehr als eine Woche Schauplatz einer Revolte gegen hohe Preise und Arbeitslosigkeit.

Wenn die Bewegung von 2009 vor allem – aber nicht ausschließlich – die Mittelschichten der Großstädte mobilisiert hat, lassen die Aufstände von 2017 und 2019 keinen Raum für Zweifel: Sie gehen vom iranischen Proletariat (Arbeiter, Arbeitslose, Prekäre) aus. Sie sind durch ihr breite Verankerung und durch manchmal gewalttätige Aktionen gekennzeichnet. Im Jahr 2009 hatten die Gewaltverzichterklärungen der Anführer der Revolte die Bewegung gelähmt. Im Jahr 2019 hingegen brach ein „Aufstand in Flammen“ aus. Er untergrub den regulären Ablauf des Alltags: Der Staat schloss am 15. November alle Schulen und einige Verwaltungen.

Tatsächlich erlebt das Land seit mindestens vier Jahren eine regelrechte Protestwelle: Arbeiter gegen die Privatisierung – insbesondere der mutige Kampf der Arbeiter von Haft Tapeh und der Bewohner von Shoush, die Arbeiter des Stahlkomplexes Ahvaz… -, Rentner, Menschen, die ihre Ersparnisse bei den Banken einfordern, Studenten, Lehrer, Lkw-Fahrer, Busfahrer…

Zwei intensive Revolten, die in ihrer Ausdehnung, in den Aktionsformen und in der Radikalität ihrer Parolen beispiellos sind. Die Handlungen werden immer offensiver, immer mutiger.

Ende 2019 wurden nach Angaben des Innenministers mehr als 700 Banken, 140 staatliche Gebäude und 9 „religiöse Orte“(gemeint sind Institutionen des Regimes, die Teil der Infrastruktur der Unterdrückung sind d.Ü.) niedergebrannt. „Dieses Mal bedecken wir unsere Gesichter, wir zerschlagen die Videoüberwachungskameras und diese filmen nun unsere Gesichter nicht. Es ist klar, dass die Angst die Seiten wechselt.“

Nach der Aussage eines Kommandeurs der Revolutionsgarde befürchtete der Oberste Führer sogar den Rücktritt der Führer der drei Repressionsorgane.

Mindestens 304 Menschen durch scharfe Munition getötet

Trotz der staatlichen Bemühungen, das Internet abzuschalten, konnte 2009 der Informationsfluss auf Websites und sozialen Netzwerken nicht blockiert werden. Zehn Jahre später war die Infrastruktur vorhanden, die notwendig ist, um das Internet – wie das Zudrehen eines Wasserhahns – vollständig abzuschalten. Infolgedessen wurden während des Aufstandes Ende 2019 nur sehr wenige Videos, Texte und Informationen veröffentlicht. Es ist jedoch bekannt, dass mindestens 304 Menschen durch scharfe Munition auf der Straße getötet wurden, und nach Angaben der Familien fordern die Polizisten teilweise Geld für die Rückgabe der Leichen. Eine andere Strategie besteht darin, dass das Regime versucht, das Schweigen der Familien der Opfer zu erkaufen.

Die Zahlen sind weder endgültig noch erschöpfend. Am 19. November wurden allein in der Stadt Mahshahr in der Region Khuzestan zwischen 40 und 100 Demonstranten durch Maschinengewehrfeuer der Revolutionsgarden massakriert. Diese Demonstranten hatten seit dem 15. November die Straßen von Mahshar zum petrochemischen Komplex im Hafen Imam-Khomeini blockiert. Im iranischen Kurdistan, wie auch in Khuzestan, wo es eine große arabische Bevölkerungsgruppe gibt, ist die Unterdrückung besonders grausam.

Insgesamt mehr als 7.000 Menschen werden verhaftet, einige werden gezwungen, Geständnisse im Fernsehen abzulegen.

Eine solche Unterdrückung ist seit 1979 nicht mehr beispiellos. In den 1980er Jahren wurde nach der Übernahme der Revolution durch die Mullahs die gesamte Opposition – insbesondere linke revolutionäre Organisationen – vom iranischen Boden vertrieben, ihre Aktivisten in Gefängnisse und dann in Massengräber geworfen, oder ins Exil getrieben. Es wird geschätzt, dass es 10.000 Hinrichtungen gegeben hat, die Hälfte davon im Jahr 1988. In den letzten Wochen haben die Behörden über Hinrichtungen und die Einrichtung von Revolutionsgerichten gesprochen, ein Mittel, das während des schwarzen Jahrzehnts von Khomeini eingesetzt wurde.

“Reformer, Anführer, eure Zeit ist gekommen” / “Eslâh talab osool gara, dige tamoom-e mâjara”

Vier Jahre nach dem Beginn der Bewegung von 2009 haben die meisten reformistischen Parteien zur Stimmabgabe für den zukünftigen Präsidenten Rohani aufgerufen, einen ehemaligen Konservativen, der politisch moderater geworden ist, während er wirtschaftlich ultraliberal ist. Dies war das offizielle Ende der “grünen Bewegung” des Jahres 2009 und der Beginn der so genannten Ära der “Mäßigung”.

Indem er einen Ausweg aus dem Embargo und eine gesellschaftliche Öffnung versprach, erhielt Rohani die Unterstützung eines Teils des städtischen Kleinbürgertums, das während des Aufstands von 2017 schweigend blieb. In den letzten beiden Jahren hat die sich rapide verschlechternde wirtschaftliche Situation die Verarmung dieser Kleinbürger beschleunigt und ihre Unterstützung für die Regierung geschwächt. Gleichzeitig hat sich die reformistische Tendenz aufgrund ihres Widerstands gegen wirtschaftliche Forderungen und gegen jede Veränderung des Systems den Konservativen wieder weiter angenähert. Wenige Monate vor den Parlamentswahlen versuchen die verschiedenen Tendenzen des Regimes nun, die Bevölkerung zur Wahl zu drängen. Diesmal scheint die Waffe der Wahlen nicht wirksam zu sein, um soziale Kämpfe zu ersticken. Die Revolten von 2019 wie auch die von 2017 gehen deutlich über die Begrenzungen des derzeitigen Regimes hinaus.

“Brot, Arbeit, Freiheit” / “Nan, kar, âzadi”

Eine solide Dynamik der Mobilisierung hat sich in der Bevölkerung etabliert. Es sind Formen der lokalen Organisation entstanden, sowohl in den Stadtvierteln – wie bei den Streiks der Händler in den Grenzstädten Kurdistans – als auch an den Arbeitsstätten und den Universitäten. Es gibt auch ein organisiertes Gremium von unabhängigen Gewerkschaftsaktivisten und Feministinnen, die einen intensiven Kampf gegen die Privatisierung von Fabriken, Entlassungen, neoliberale Politik in der nationalen und akademischen Bildung und die Diskriminierung von Frauen führen.

Im Zuge der aktuellen Revolte wurden auch lokale Komitees gegründet. Wie in anderen Ländern, die von spontanen Aufständen geprägt sind, fehlt es jedoch an der Koordination lokaler Gruppen – um Kämpfe zu verbinden, Aktionen und Demonstrationen auf nationaler Ebene zu organisieren. Neben Organisationsformen, die in Ermangelung des Internets und gemeinsamer Kommunikationsmittel Informationen verbreiten können, fehlt es an Methoden und Mitteln, um mit staatlicher Gewalt umzugehen.

Die monarchistischen Oppositionsmedien dienen der Propaganda des Regimes

In Ermangelung des Internets wurde der gesamte „inoffizielle mediale Raum“ von einigen wenigen Fernsehsendern wie „Iran International“, „ManoTo“, „BBC Persian“ und „VOA“ besetzt, wobei jeweils große Budgets von den Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien und den Briten bereitgestellt werden. In ihren Nachrichtensendungen kommen Menschen, die dem Sohn des Schahs von Iran nahe stehen, sowie Mitglieder der ultraliberalen Farashgard- Gruppe (eine ihrer Handlungen war es, einen Brief an Donald Trump zu schreiben, mit der Bitte die Wirtschaftssanktionen zu verstärken) zu Wort. Diese Medien geben, oh Wunder, selten jene Slogans wieder, die zur internationalen Solidarität aufrufen: “Tod den Unterdrückern, ob in Gaza oder in Teheran! “Vom Libanon bis zum Iran – der Aufstand ist auf der Straße”, “Vom Irak bis zum Iran stecken unsere Gegner uns ins Gefängnis”, “Mein irakischer Bruder, ich gebe dir dein Blut zurück”.

Im Gegenzug versucht das Regime, die Vereinigten Staaten, Israel, die Monarchisten und die Volksmudschaheddin als Anstifter des Aufstandes zu denunzieren, eine infame Taktik. Seit der Revolution von 1979 und dem Sturz des Schahs gibt es eine royalistische Opposition, die jede Protestbewegung ausnutzt, um sich Gehör zu verschaffen, und die über zahlreiche TV Satellitenkanäle verfügt. Die Existenz einer solchen Opposition, die mehr auf die Unterstützung des Westens als auf die der Bevölkerung angewiesen ist, ist für das Regime eher bequem als störend. Sie dient ihrer Propaganda.

2019 wie 2017 gab es pro-monarchistische Slogans. Die Erfahrung früherer Bewegungen hat jedoch gezeigt, dass es keine Verbindung, weder organisatorischer noch ideologischer Art, zwischen den Kämpfern und dieser Opposition gibt, außer vielleicht einigen kleinen Gruppen von Demonstranten. Die bekannten Aktivisten, die vor einigen Wochen verhaftet wurden, wie Sepideh Gholian und Yashar Daroshafa, sind allesamt linke Aktivisten.

Ein Regime, das auf einer rassistischen und sexistischen sozialen Organisation basiert

Im Iran regiert ein Staat, der auf dem Prinzip der “Regierung des Schriftgelehrten” („Velayat-e Faqih“) beruht und perfekt mit einer bestimmten Form des vom Militär organisierten Kapitalismus zusammenlebt. Es ist ein System der Ausbeutung und Diskriminierung, das sich gegen Frauen, Afghanen, Kurden, Aseris, Araber, Belutschen usw. richtet. Eine rassistische und sexistische soziale Organisation. Die Islamische Republik Iran beugt sich trotz der geopolitischen Konflikte, deren große Verlierer stets die unterdrückten Völker der Region sind, wie wir beim Wiener Abkommen von 2016 gesehen haben, der herrschenden internationalen Ordnung, wann immer die Interessen ihrer herrschenden Klasse es erfordern. Es passt sehr gut zu dem von den kapitalistischen Großmächten diktierten neoliberalen Modell. In der Region stößt ihre Interventionspolitik zunehmend auf Feindseligkeiten der Iraner wie auch der betroffenen Bevölkerung – wie wir derzeit im Irak und im Libanon sowie seit 2011 auch in Syrien sehen.

Es ist nun an der Zeit, dass die westliche Linke, die oft zögert, Volksaufstände unter dem Deckmantel des “Pseudo-Antiimperialismus” zu unterstützen, ihre Seite wählt. Sie muss natürlich gegen die Embargos und Drohungen des imperialistischen Krieges vorgehen, die das iranische Volk leiden lassen und die Unterdrückungsmacht des Regimes stärken. Aber der Volksaufstand vom November 2019 zielt auch auf das bestehende politische System in seiner Gesamtheit ab und läutet einen wahrscheinlichen Klassenkrieg ein. Der Aufstand sendet eine klare Botschaft der Unterstützung für die Menschen, die in der ganzen Welt kämpfen. Es ist an der Zeit, die Erfahrungen all dieser anhaltenden Kämpfe auszutauschen, um effektive Verbindungen zwischen ihnen zu schaffen. Dieser Kampf hat keine Grenzen.

“Die Repression beendet nicht den Kampf, Widerstand ist Leben! “Sarkoub pâyân-e râh nist, moqâvemat

Collectif „La Chapelle debou“, Dezember 2019- Januar 2020

Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen