Verfassungsgericht gibt Piusbrüdern recht und billigt Verurteilung wegen Demoblockade

Zehn Jahre nach der Blockade eines Piusbrüder-Aufmarschs im südbadischen Freiburg, und einer entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilung eines Antifaschisten, hat nunmehr das Bundesverfassungsgericht sich an die Seite der Piusbrüder gestellt und die Verurteilung abgesegnet.

Worüber hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden?

Am 10.April 2015 hatten die reaktionären Piusbrüder zu Thema „Schutz des ungeborenen Lebens“ eine Versammlung und eine Demonstration angemeldet. Die Versammlung sollte etwa ab 17 Uhr mit einer Kundgebung in der Humboldtstraße beginnen. Von dort aus war ein Aufzug durch das weniger als 100 Meter von der Humboldtstraße entfernt gelegene Martinstor über die Kaiser-Joseph-Straße durch die Freiburger Innenstadt bis zum Kartoffelmarkt vorgesehen.

Gegen diese Versammlung hatten im Internet vorab verschiedene Gruppierungen zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Ein Aufruf des „(...)“ unter dem Titel „(...) aufmischen, blockieren, abschaffen!“ enthielt unter anderem den Satz: „Trotz der überzogenen Repression und einem großen Polizeiaufgebot werden wir den Aufmarsch der Erzreaktionäre stören und uns nicht von unserem legitimen Protest abbringen lassen!“.

Nach Abschluss der etwa hundert Personen umfassenden Auftaktkundgebung der wollten sich Demonstrantinnen und Demonstranten plangemäß in Richtung Kaiser-Joseph-Straße in Bewegung setzen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich rund siebzig Gegendemonstrantinnen und -demonstranten mehrreihig, teilweise untergehakt, über die gesamte Fahrbahnbreite hinter das Martinstor gesetzt, sodass ein Passieren unter den beiden Torbögen nicht mehr möglich war.

Einzelne Gegendemonstranten hielten Plakate und Transparente, zum Beispiel mit den Aufschriften „Gegen reaktionäre Knetköpfe“, „Mein Bauch gehört mir“ oder „(...) entgegentreten“. Die Gegendemonstranten störten zudem die Gesänge, Gebete und Durchsagen der Demonstranten durch Sprechchöre (zum Beispiel „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“, „Mittelalter, Mittelalter, hey, hey“, „Eure Priester sind so schwul wie wir“ und „Wir sind homo, was seid ihr?“) und durch den Einsatz von Trillerpfeifen sowie einer laut heulenden Sirene. Der später angeklagte und verurteilte Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht, soll sich ab spätestens 18:05 Uhr auf der westlichen Seite des Martinstores in vorderster Reihe unter den sitzenden Gegendemonstranten befunden haben. Er habe dabei gemeinsam mit weiteren Personen ein großformatiges Transparent mit der Aufschrift „Gegen reaktionäre Hetze – (...)“ hochgehalten. Damit wollte er die Demonstration der Piusbrüder stoppen.

Trotz mehrmaliger Aufforderung der Polizei, den Aufzugsweg freizugeben, sollen mindestens 44 Gegendemonstranten sitzen geblieben sein, darunter der jetzige Beschwerdeführer.

Dafür wurde er später vom Amtsgericht verurteilt. Seine Revision blieb erfolglos, weshalb er schon 2020 Verfassungsbeschwerde erhob.

Das Bundesverfassungsgericht lässt sich fünf Jahre Zeit

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, nach rund fünf Jahren Verfahrensdauer, dass eine Sitzblockade, die gezielt eine andere Versammlung störe oder behindere, nicht durch die Versammlungsfreiheit geschützt sei. Zwar sei die Versammlungsfreiheit ein zentrales Grundrecht, sie aber dort ende, wo sie genutzt werde, um die gleichartige Freiheit anderer zu vereiteln.

Eine Blockade, die darauf abziele, so das Gericht, eine andere, ordnungsgemäß angemeldete Versammlung zu verhindern oder erheblich zu behindern, stelle daher keine geschützte Ausübung dieses Grundrechts dar. Vorliegend anerkennt das Gericht zwar, dass die Gegenproteste auch in den Schutzbereich der Versammlunmgsfreiheit falen, dennoch sei die Verurteilung gerechtfertigt.

Die Gegendemonstrant:innen hätten die Versammlung der Pius-Bürder "grob gestört", deshalb sei die strafgerichtliche Verurteilung vereinbar mit dem Grundgesetz.

Bewertung und Ausblick

Indem das Bundesverfassungsgericht den Machtanspruch der reaktionären Piusbrüder auf eine Stufe stellt, mit dem Demonstrationsrecht von Antifaschist:innen welche sich gegen deren menschenverachtenden Forderungen zur Wehr setzen, zeigt es auf, was auch weiterhin mit Menschen passieren wird, die sich gegen solche Aufmärsche wehren. Die Rechtsprechung des Gerichts dürfte zudem die Justizbehörden geradezu ermuntern, noch strikter beispielsweise gegen Antifaschist:innen vorzugehen, die die nicht minder reaktionären Kundgebungen und Demonstrationen der AfD angeblich „erheblich stören“.

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Ergänzungen

Das Bundesverfassungsgericht hat weise geurteilt.

Das Demonstrationsrecht muss für alle gleich gelten. Sonst wäre es kein Demonstrationsrecht mehr, sondern ein Gesinnungsdemonstrationsrecht nur für die „Guten“ - und damit kein Grundrecht für alle.

Aus einer selbsterklärten moralisch-überheblichen angeblichen „Überlegenheit“ heraus sich selbst mehr Rechte als anderen zuzuerkennen und andere an der Ausübung ihrer Grundrechte hindern zu wollen, deutet auf eine totalitäre Gesinnung hin.