München: Stadtbilddemo, Antisemitismus und wie man es schafft eine geplante Großdemo in den Sand zu setzen.

Es begann alles recht gut: Genoss*innen aus dem antiimperialistischen Münchner Stadtteilladen Barrio Olga Benario sehen die derzeitige Empörungswelle angesichts der rassistischen Aussagen von Friedrich Merz und prägen einen Bündnisprozess der eine große Aktion am 2.11.2025 planen soll. Was als Versuch einer breiten, antirassistischen Mobilisierung startete, entpuppte sich als aggressiver Versuch antizionistische bis antisemitische Positionen in der Breite Münchner Bewegungen durchzusetzne und geriet zum Lehrstück wie Linke Proteste besser nicht machen sollten.

Doch der Reihe nach. Alles begann mit den gewohnten Maßnahmen, das Anliegen wird bei den einschlägigen Zusammenhängen kommuniziert, erste Treffen abgehalten, Bündnispartner:innen gesucht. Die Idee einer großen antirassistischen Mobilisierung wurde von Vielen für gut befunden, von Antifagruppen bis Gewerkschaften, Antirainitiativen und NGOs. Während die ersten Schritte der Mobi angelaufen waren und sich abzeichnete, dass die Demo groß werden könnte, ließen einige Kader aus dem Barrio Olga Benario die Katze aus dem Sack: Jetzt müsse es darum gehen, dass sich „die Bewegung“ hinter den Münchner Ableger von Palästina Spricht (PSMUC) stelle. Mit Nachdruck wurde dafür gesorgt, dass dieser Zusammenhang nicht nur einen der begehrten Redebeiträge bekommen, sondern auch noch an der Moderation beteiligt werden soll. Triumphierend wird auf Plena von einschlägigen Kadern des Barrios darüber gejubelt, dass „viel geschafft“ sei, sich "viel bewegt habe", weil dieser Zusammenhang nun endlich innerhalb des Münchner Protestzirkus etabliert sei – wohl wissentlich, dass damit für Viele linke und auch bürgerliche Gruppen eine rote Linie überschritten ist. Ob dieser Schritt aus lange geplantem strategischen Kalkül oder aus der Euphorie des anfänglichen Moments einer dynamischen Bündniskonstellation heraus unternommen wurde, ist erstmal unwichtig.

Passenderweise hatte einer der beteiligten Gruppen aus dem Barrio Anfang der Woche bereits argumentativ vorgelegt. Auf 31 Seiten erklärte die Gruppierung AKM warum PSMUC „stabile Genoss:innen“ (AKM in einer Instagramstory) sind. Im Speziellen wendete sich AKM gegen eine Broschüre der etablierten Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (FIRM), die den Antisemitismus von PSMUC und deren Nähe zu islamistischer Ideologie belegen (https://www.feierwerk.de/fileadmin/firm/Analysen___Recherchen/Feierwerk_firm__Analyse_Palaestina_spricht_2024.pdf). Auf die von AKM angebrachten Tatsachenverdrehungen und Scheinargumente lohnt es sich nicht einzugehen. Allzu offensichtlich ist die politische Absicht einer Gruppierung, die in all den Jahren ihres Bestehens keine einzige Aktion oder Veranstaltung zur Kritik des Antisemitismus vollbracht hat, sich wohl aber monatelang mit dem Schreiben einer Broschüre beschäftigen kann, die belegen soll, dass dieses und jenes nicht antisemitisch sei.  Es ist erschreckend, aber nicht neu – auch für Viele Linke wirkt der Vorwurf des Antisemitismus tiefer, als die Motivation sich tatsächlich gegen Antisemitismus zu engagieren.

Es ist vielfach belegt, dass PSMUC oft genug die Nähe zu zweifelhaften Akteur*innen sucht, Aussagen so formuliert, dass sie haarscharf am Antisemitismus vorbeikratzen, oder in bester dog-whistling Art so formuliert sind, dass Eingeweihte das heraushören können, was sie wollen. So verwundert es nicht, dass die Gruppierung am 7. Oktober dieses Jahr ein großes Transparent mitführte, dass sich nicht etwa gegen Antisemitismus, sondern „Gegen die Instrumentalisierung von Antisemitismus“ wendete. Am Jahrestag des antisemitischen Massakers von Hamas und Co ist das eine nicht misszuverstehende Botschaft. So wundert es denn auch nicht, dass (Stand 31.10.2025) unter dem gemeinsamen Posting, dass zur Stadtbilddemo aufruft nicht nur das übliche antizionistische Geraune kommentiert wird. Daneben finden sich Kommentare, die sich über den spalterischen Charakter einer Fahne auf dem Sharepic beschweren. Gemeint ist eine Regenbogenfahne, sie verschrecke religiöse Menschen.

In der Zwischenzeit ist die anfängliche Vorfreude verflogen. Ein Großteil der am Anfang beteiligten Gruppen zog ihre Unterstützung zurück. Gewerkschaften, antirassistische und erinnerungspolitische Gruppierungen sind größtenteils raus. Was bleibt ist eine Mischung roter Sektenstrukturen, Kleinstparteien und Zusammenhängen aus der Palästinasolidarität. Eine breite antirassistische Mobilisierung wurde dem dogmatischen Durchdrücken eines Schulterschlusses mit antizionistischen oder gar schlimmeren Positionen geopfert. Und so steht im Demoaufruf nun auch mehr zu Palästina als zum eigentlichen Anlass, den rassistischen Äußerungen des Bundeskanzlers. Innerhalb einer durchgeknallten Ideologie, in der jegliche Form der Unterdrückung angeblich in Palästina zusammenläuft oder gar ihren höchsten Ausdruck findet, ist das durchaus konsequent. Doch dieser Versuch auch noch jedem Anlass einenrot-weiß-grünen Stempel aufzudrücken dürfte einigen Schaden für eine breite, antirassistische Bewegung in München angerichtet haben. Das Fernbleiben diesen Sonntag ist trotz der Notwendigkeit, gegen den Rassismus von Kanzler und bürgerlicher Gesellschaft vorzugehen, wohl die vernünftigste Wahl.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ergänzungen

Ohne die Münchner Szene zu kennen, stößt es doch übel auf, dass aus dem Barrio derartige Positionen und Verbindungen erwachsen.

Olga Benario wurde im April 1942 im Rahmen der "Aktion 14f13" (auch) aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in Bernburg ermordet, nachdem sie seit 1939 in Ravensbrück interniert war. Ihre Mutter Eugenie wurde 1943 in Theresienstadt ermordet, weil sie Jüdin war. Ihr Bruder Otto wurde 1944 in Auschwitz ermordet, weil er Jude war.

Pfui Deifi Barrio!