Indymedia ist weit weg von Linksunten

Nach der Zerschlagung von linksunten.indymedia.org wechselte die radikale Linke ihre zentrale Austauschplattform nach de.indymedia.org und zahlte dafür den Preis, sich einer kleinen Elite von Zensoren auszuliefern, die zwischen der Durchsetzung ihrer privaten politischen Weltsicht und hoffnungsloser Überforderung beim Umgang mit Beiträgen und Kommentaren changieren, und die es nach inzwischen acht Jahren nicht hinbekommen haben, ihre "Moderationskriterien" auf einen Stand weiter zu entwickeln, der emanzipatorischen linken Ansprüchen ausreichend genügt und gedanklichen Austausch zwischen verschiedenen Standpunkten und Strömungen linksradikaler Politik ermöglicht. Stattdessen wird dieser permanent in elitärer Art auf autoritärste Weise behindert, worüber gelegentlich stehen gelassene Diskussionsreste (und damit verstümmelte Diskurse) auch nicht hinweg täuschen können. Inzwischen eskaliert dieses Desaster nur noch.

Einzig der selbstverschuldete desolate Zustand der Linken entschuldigt die Mods ein Stück weit für dieses Scheitern, sind sie doch ein Teil dieser Entwicklung, doch sollten Medien-Interessierten eigentlich klar sein, dass binäres Schubladendenken Gift für jeglichen aufgeklärten Diskurs ist, daher sind alle Versuche in die konterrevolutionäre Posaunen der Polarisationen bei den letzten großen Konfliktlinien einzustimmen, von Corona-Notstandsregime über Ukraine- bis hin zum Gaza-Krieg, ebenso konterrevolutionär.

Die Entwicklung von einem Linksunten zu einem elitären Linksoben wird dann durch einen Move nach Mitte-Rechts-Oben getoppt, wo ein Artikel aus der extrem konservativen Jüdischen Allgemeinen hier als vorgeblicher Szene-Text stehen gelassen wird. Die Kopie https://de.indymedia.org/node/538106 des JA-Artikels https://www.juedische-allgemeine.de/politik/ausweg-palaestina/ beinhaltet einen Text, der eine korrekte, aber (wie von der JA durchgehend gewohnt) extrem einseitige Kritik extremer pro-palästinensischer Positionen formuliert, um ein im gesamten Artikel durchgehend destruktives und rechtsgerichtetes Linken-Bashing zu begründen. An die Empfehlung in Richtung der Linken, aus „der Logik des »Entweder-oder« auszusteigen und in die des »Sowohl-als-auch« einzutreten“, halten sich die Autor*innen aber selber nicht, was ihr Anliegen komplett entwertet.

Bevor jetzt jemand die inzwischen auch von der extremen Rechten liebend gerne genutzte Antisemitismuskeule zückt, sei gesagt, dass ich bei allen Polarisationen zwischen den Stühlen sitze und mich strikt weigere, popularisierende und simplifizierende Positionen in den Schubladen binär denkender Reproduzenten des herrschenden Systems einzunehmen. Für mich gehört die islamistische Hamas genauso entmachtet, wie die rechtsextreme israelische Regierung abgesetzt und meine Solidarität gilt allen Opfern dieses über einhundertjährigen Konflikts. "Nie wieder" kann nur universell gelten!

Zudem bin ich zutiefst besorgt, wie durch die Polarisation – von beiden (!) Seiten – zu diesem Konflikt der Antisemitismus global gefördert wird. Mit Polarisation meine ich an dieser Stelle, dass der ungerechtfertigte Gebrauch der Antisemitismuskeule durch seinen permanenten Alarmismus den Antisemiten in die Hände spielt, denn wer dauernd ungerechtfertigt "Feuer" ruft, dem glaubt mensch irgendwann nicht mehr. Mit Differenzierungen, wie sie die aufgeklärte wissenschaftliche Methode und ein darauf basierendes linkes revolutionäres Denken es erfordern, hat das alles nichts mehr zu tun.

Wer hier nach wie vor Artikel veröffentlicht um Reichweite zu erlangen, sollte sich ebenso wie die Nutzer*innen von US-amerikanischen Nazi-Tech Konzernen bewusst machen, sich an der Verschärfung der nahenden Katastrophen mit schuldig zu machen.

Den Mods sei noch einmal dringend der Ratschlag nahegelegt, sich ihres Elitismus zu entledigen und ein neues emanzipatorisches Regelwerk auszuarbeiten, bei dem Zensur-Entscheidungen auch der linken Basis überantwortet werden, um deren Schwarm-Intelligenz zu nutzen.

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Ergänzungen

Danke an dieser Stelle für den Text.

Ich bin bei dem ganzem löschen auch sehr irritiert und hab eigentlich kein Bock mehr zu kommentieren bzw. zu ergänzen.

Geht wahrscheinlich vielen so. Da geht viel kollektive Intelligenz verloren.

Auf Dauer kommt man so als Autonome Bewegung überhaupt nicht (dialektisch) vom Fleck. 

Vllt sollten interessante Kommentare gesammelt und gespiegelt werden auf kontrapolis zb ...

...oder ein Forum aufgebaut werden wo indy (und andere ) Beiträge gespiegelt werden und es die Möglichkeit gibt zu kommentieren. 

Gerade gibt es wenig ----Bewegung----, damit sich freier und wilder bewegt werden kann, braucht es, denke ich, offene Debatten, das heißt, Räume mit anonymer Kommentarfunktion...

Die Hürde einen eigenen Text zu schreiben und zu veröffentlichen ist zu groß und bildet nur einen Teil der Menschen ab.