Warum Antifa und linksautoritäre Gruppen nicht zusammenpassen (1): Feminismus

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Immer wieder inszenieren sich autoritäre, sich auf Lenin oder Stalin beziehende linke Gruppen als Speerspitze der Bewegung für die Befreiung von Frauen. Besonders mit dem Label „Frauenkampf“ soll Mädchen und Frauen suggeriert werden: Hier wird nicht nur gelabert, hier wird gemacht. Doch dafür, dass das Etikettenschwindel sein könnte, liefert ein Blick in die Geschichtsbücher erste Hinweise.

Artikelserie: Warum Antifa und linksautoritäre Gruppen nicht zusammenpassen
Teil 1: Feminismus

Die immer weiter fortschreitende Faschisierung in Deutschland hat in den vergangenen Monaten dafür gesorgt, dass auch linke Gruppen verstärkten Zulauf haben. Gerade junge Menschen sammeln zur Zeit ihre ersten aktivistischen und Antifa-Erfahrungen. Gut so! Gleichzeitig sind in den Jahren der Corona-Pandemie viele Verbindungen zu etablierten, erfolgreich arbeitenden antifaschistischen Gruppen und Personen abgebrochen oder nie entstanden. Und damit zu ihren Erfahrungen. Das heißt auch: Zu ihrem Wissen über gemachte Fehler, gelesene Bücher oder zu politisch-theoretischen Bildungsveranstaltungen, die diese Genoss*innen im Rahmen ihrer Antifa-Organisierung besucht haben.

 

Die Lücke indes wird gefüllt – oftmals von fragwürdigen, aus dem Boden sprießenden Gruppen oder Initiativen aus dem autoritär-linken Spektrum, die per Instagram-Account Ideologie und Emotionalisierung transportieren. Diese Gruppierungen verkaufen Antifaschismus – teilweise gar unter dem Label „Antifa“ – an junge Genoss*innen, ohne aber tatsächlich in der Tradition der Antifaschistischen Aktion bzw. der autonomen Antifa zu stehen. Ihnen geht es in Wahrheit um Rekrutierung für politische Netzwerke, die dem Leninismus und – eigentlich – dem Stalinismus nahestehen. So zu tun als ob – das ist hier nicht einfach Programm, sondern historisch vorgedacht und vorgegeben. Die Idee: Man selbst ist die Avantgarde, die Speerspitze nicht nur des Proletariats, sondern jeder im weitesten Sinne linken Bewegung. Sehr deutlich zeigt sich das in Sachsen-Anhalt gegenwärtig in der Instrumentalisierung der queeren CSD-Bewegung, an deren Spitze sich autoritäre Gruppen stellen wollen – meist gegen den ausdrücklichen Willen der eigentlichen CSD-Organisator*innen.

 

Die leninistisch-stalinistische Ideologie aber läuft letztlich auf das Gegenteil des Menschheitstraums einer befreiten Gesellschaft und von Gewalt befreiter Menschen hinaus. Denn in einer solchen Gesellschaft gäbe es, wie sich auch bei Marx nachlesen lässt, keine Benutzung von Menschen durch Menschen – ein Kernmerkmal der autoritären linken Strömungen. Die autoritäre Ideologie lässt sich außerdem – bei genauerem Betrachten – nur schwer mit den politischen Motiven der vielen tollen, jungen Genoss*innen überein bringen. Dazu zählen der (Queer-)Feminismus und Frauenrechte (1), die Rechte von LGBTIQ (2), die Verteidigung demokratischer Errungenschaften gegen die AfD & eine kritische Haltung gegenüber Zwang & Gewalt (3) sowie Antinationalismus & Antirassismus (4).

 

Zu jedem dieser vier Motive wird in den kommenden Wochen jeweils ein Artikel auf dieser Instagram-Seite erscheinen. Angefangen beim Thema Feminismus wird jeder Post mit ausgesuchten Beispielen – möglichst aus Sachsen-Anhalt oder Ostdeutschland – zeigen: Hinter der revolutionären Fassade autoritärer Gruppen verbirgt sich zumeist Hässliches und wenig revolutionäres, nur einer von vielen neuen Aufgüssen von Kapitalismus und Patriarchat in rot. Das ist kein Zufall, stinkt der Fisch doch für gewöhnlich vom Kopfe her.

 

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Vernunft und Liebe, 6. Juli 2025

 

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Frauenkampf ohne Feminismus, oder:
Jeden Tag nur kämpfen?

 

Immer wieder inszenieren sich autoritäre, sich auf Lenin oder Stalin beziehende linke Gruppen als Speerspitze der Bewegung für die Befreiung von Frauen. Besonders mit dem Label „Frauenkampf“ soll Mädchen und Frauen suggeriert werden: Hier wird nicht nur gelabert, hier wird gemacht. Doch dafür, dass das Etikettenschwindel sein könnte, liefert ein Blick in die Geschichtsbücher erste Hinweise. So wurden unter Stalin die Rechte von Frauen nicht ausgeweitet, sondern radikal eingeschränkt. Nach den Aufbrüchen der Anfangszeit der sowjetischen Revolution verordnete Stalin dem Land ein konservatives Frauenbild.

 

Im Jahre 1936 etwa drehte der 1924 an die Macht gekommene Diktator die Uhren zurück. Die 1917 und 1918 deutlich erleichterte Scheidung von Ehepartner*innen wurde wieder erschwert. Wer sich „leichtfertig“ schied, der bzw. dem wurde „bürgerliche Verantwortungslosigkeit“ vorgeworfen. Die 1920 erstmals in der Sowjetunion erfolgte Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wurde unter Stalin ebenfalls wieder einkassiert. Frauen sollten nun heldenhafte Mütter sein und durch die Geburt von Kindern die Macht der „Diktatur des Proletariats“ – die tatsächlich eine Diktatur Stalins und seines bürokratischen Apparates war – stützen. Noch beliebter waren Söhne, denn die konnten ja nicht nur kräftige Arbeiter, sondern auch Soldaten werden.

 

Dann aber kam alles anders: Erst ermordeten Stalin und seine Leute systematisch die Führungs- und Offiziersriege der Roten Armee auf der Jagd nach und zur Abschreckung von angeblichen Verrätern. Dann standen sie beim Überfall durch die Wehrmacht plötzlich ohne verteidigungsfähige Armee da. Notlösungen mussten her. So entschied das Regime, auch Frauen im großen Stil einberufen zu lassen. Die Rotarmistinnen dienten zum Beispiel als Sanitäterinnen, Funkerinnen oder Pilotinnen, wie etwa im berühmten, nur aus Frauen bestehenden 588. Nachtbomberregiment. Die Deutschen prägten für diese Pilotinnen den Spitznamen „Nachthexen“. Frauen als Kämpferinnen, die den „Großen Sieg“ im „Großen Vaterländischen Krieg“ errungen hatten? Das entsprach nicht den erwünschten Geschlechterrollen und dem Ehrverständnis patriarchaler Sozialist*innen. Und so sorgten die Spitzen des Regimes nach dem Krieg dafür, dass die Erinnerung an die kämpfenden Frauen schleunigst getilgt wurde. Zu Jahresfeiern des Sieges ließ man männliche Veteranen aufmarschieren. Rotarmistinnen aber, die unter Einsatz ihres Lebens und, wie die Männer, nicht selten gegen den Preis schwerster Traumatisierung an der Front gestanden hatten, durften nicht an den Paraden teilnehmen. Und sie wurden kaum in der Propaganda abgebildet.

 

Es ist gar nicht so lange her, da setzten autoritäre linke Gruppen ihre jungen weiblichen Mitglieder unter Druck, auch ja nicht das Label des Feminismus für sich zu entdecken. Frauenkampf ja, Feminismus nein? Die feministische Bewegung speiste sich eben nicht, wie das die sowjetkommunistischen Parteien sicher gern gesehen hätten, einzig aus den schließlich aus Moskau gesteuerten Parteibewegungen. Stattdessen gingen viele Einflüsse des Anarchismus, des Linkskommunismus sowie des Liberalismus in den Kampf um Frauenrechte ein – vom Wahlrecht, über das Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis hin zum Kampf gegen häusliche, sexuelle und sexualisierte Gewalt. Diese Frauen kämpften, um das Leben der Frauen im Hier und Jetzt zu verbessern – und nicht für eine Sowjet-Revolution, nach der dann angeblich alles besser werden würde.

 

Darum wurde und wird der Feminismus in autoritären linken Kreisen – wenigstens im Geheimen, manchmal auch öffentlich – als „kleinbürgerlich“ beschimpft und bekämpft. Insbesondere dann, wenn Mädchen und Frauen keine Lust hatten, immer nur zu „kämpfen“. Wenn die Genossinnen trotz der vorgegebenen Linie die Wahrung ihrer Rechte auch in den eigenen Kreisen verlangten, ging das den autoritären Gruppen gegen den Strich. Tatsächlich herrscht in diesen Kreisen ein Frauenbild und Ideal vor, das Mädchen und Frauen unter Druck setzt, den männlichen Genossen gegenüber „gleichwertige“ Mitstreiterinnen zu sein – natürlich in der hier vorherrschenden, patriarchalen Logik. Frauen sollen durchsetzungs- und meinungsstark sowie im Idealfall physisch wehrhaft sein. Sie sollen, in anderen Worten, die selben Eigenschaften verkörpern, wie sie Männer im kapitalistischen Patriarchat verkörpern (müssen). Statt das jedoch als kapitalistisch-patriarchales Ideal des Kampfes aller gegen aller, der Durchsetzung des eigenen Interesses auf dem Markt, zu kritisieren, geschieht hier das Gegenteil. Kampfeshaltung und Stärke werden als gute, angeblich proletarische, natürliche und angeblich der Wesensart der Bourgeoisie entgegengesetzte Tugenden glorifiziert.

 

Wer aber Frauen nur als kämpfende Frauen akzeptieren kann, der braucht Feind*innen für diese Frauen. Autoritäre Strömungen entdecken in diesem Kontext zum Beispiel gern den Kampf gegen Femizide für sich. Das ist deshalb so praktisch, weil Femizide stark emotionalisieren und ein Feindbild bedienen, in dem der zu bekämpfende Mann ultimativ böse ist. Und: Er ist praktischerweise außerhalb der eigenen Gruppen verortet, ein äußerer Feind. Auffallend wenig Lust am Kämpfen entwickeln (nicht nur) autoritäre linke Gruppen aber immer dann, wenn es darum ginge, dem Patriarchat innerhalb der eigenen Kreise entgegen zu treten. „Frauenkampf“ ist hier immer nur der Durchlauferhitzer, der Anlass zur Emotionalisierung von Frauen und Mädchen, um sie dann für etwas anderes zu rekrutieren. Der „Kommunistische Aufbau“ rief etwa zum 8. März 2022 unter dem Motto „Ohne Frauen keine Revolution“ zur Demo auf. Den selben Spruch machten sich 2024 autoritäre Gruppen anlässlich des Tags gegen Gewalt gegen Frauen in Leipzig zu eigen.

 

Das Motto zeigt das instrumentelle Verhältnis gegenüber Frauen: Sie werden gebraucht, weil es ohne sie keine Revolution gegen den kapitalistischen oder imperialistischen Staat gibt. Das eigene Befreiungsinteresse der Frauen im Patriarchat und in ihren Gruppen ist egal, nur Mittel zu einem anderen, „höheren“ Zweck. Es ist die berechnende Benutzung von Frauen und ihren Erfahrungen mit patriarchalen Verletzungen. Das hat Konsequenzen. Seit Dezember 2024 berichten ehemalige Genoss*innen der „Föderation Klassenkämpferischer Organisationen“ (FKO) auf der Instagram-Seite „stoppt_taeter“ von den vielen Fällen sexueller Gewalt, Belästigung und Vergewaltigungen in diesen überregional organisierten Kreisen. Ihren ehemaligen Gruppen werfen sie vor, systematisch Täter und mit ihnen die eigenen Strukturen zu schützen, Druck auf Betroffene auszuüben und ihnen zum Beispiel zu verbieten, sich Therapeut*innen, der Familie oder in der Notaufnahme zu öffnen: „Es wurde ihnen untersagt, Vergewaltigungen zu melden, da dies als ‚Arbeit mit dem Klassenfeind‘ galt.“ (16. Dezember 2024) Als Mittäter*innen dieses Systems benannt werden der Kommunistische Aufbau, die Kommunistischen Frauen und die Kommunistische Jugend, das Frauenkollektiv, die Internationale Jugend, das Solidaritätsnetzwerk, das Studierendenkollektiv und einige mehr.

 

Am 15. Januar 2025 berichtete eine anonyme Betroffene wiederum auf die Reaktion der autoritären Gruppen auf diese Veröffentlichungen: „Die Entwicklungen der letzten Tage haben mich zutiefst erschüttert. Ich wurde aus dem Frauenkollektiv ausgeschlossen – nicht, weil ich etwas falsches getan hatte, sondern weil ich es gewagt habe, Kritik zu üben und die bestehenden Strukturen zu hinterfragen. Auch eine andere Genossin wurde aus demselben Grund entfernt. Mein Täter konnte währenddessen in der FKO bleiben.“ Am 17. März 2025 heißt es: „Während die Organisation öffentlich von ‚Frauenrevolution‘, ‚Geschlechtsbewusstsein‘ und dem ‚Kampf gegen patriarchale Gewalt‘ spricht, erleben wir am eigenen Leib, wie diese Worte zu leeren Phrasen verkommen, wenn es um den Schutz und die Unterstützung derjenigen geht, die von patriarchaler Gewalt innerhalb der eigenen Strukturen betroffen sind.“ Für den 1. Mai 2025 wurde den Betroffenen laut eigener Darstellung vorab zugesichert, dass sich die FKO nicht an der DGB-Demo in Leipzig beteiligen würde, um ihnen den Raum zu lassen. Am Demotag selber setzte sich dann ein FKO-Block direkt vor die Betroffenen und rollte seine FKO-Fahnen aus.

 

Dass linksautoritäre Gruppen immer wieder so heftig an ihrem „feministischen“ Anspruch scheitern, liegt in der Sache. Ideologisch sind diese Strukturen und Personen viel zu tief verstrickt in Ideen von permanentem Kampf sowie Intrige und Verrat durch andere, als dass sie vernünftiges Management von Konfliktsituationen betreiben könnten. Und damit auch von Situationen, in denen Vorwürfe sexueller Gewalt erhoben werden,zu denen grenzverletzende Personen fast immer sofort ihre abweichende Wahrnehmung hinaus posaunen. Hinzu kommt, dass für die feministische Auseinandersetzung mit Vergewaltigung und Belästigung so zentrale Werte wie Konsens oder Einvernehmlichkeit nicht kultiviert werden – und zwar schon auf der Ebene der Organisation und des menschlichen Miteinanders nicht. Dass man glaubt, Recht in der Sache zu haben, rechtfertigt hier immer schon, dieses Recht auch kämpferisch gegen andere durchzusetzen, statt Konsense zu finden – ideologisch vorgegeben bei Lenin & Co. Für ein tieferes Verständnis dieser Unfähigkeit wird der Artikel zu Demokratie & Gewalt (3) noch Material liefern.

 

 Vernunft und Liebe, 12. Juli 2025

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Ergänzungen

liebe vernunft und liebe sachsen-anhalt,

wir begrüßen den inhalt des postings und genau dafür ist indymedia vor 24 jahren auch gestartet: gegenöffentlichkeit aus dem emanzipatorischen widerstand und strömungsübergreifend. von anfang an galt und gilt das vertrauen in die eigenen strukturen und die stärkung derselben.

die andauernde kritk an den kommerziellen/patriarchalen/inzwischen faschstischen und faschismusfreundlichen sog. "sociale media" , die mind. seit 2004 formuliert wird, wird von uns mit getragen und weiter entwickelt.

wir haben den link zu dem instagram-konto entfernt. auch weil es einen anmeldezwang gibt, wenn aus dem tor-browser darauf zugegriffen wird. wir greifen sehr sehr selten in dieser form ein, da nicht vorgesehen ist, daß es einen redaktionellen eingriff gibt. diese seltenen ausnahmen werden gemacht, wenn die inhalte die form "sprengen".

zur zeit diskutieren wir die moderationskriterien in einem größeren kontext neu. die ergebnisse werden demnächst zur disposition gestellt. wir werden mit einer kontaktemailadresse dazu einladen an dem diskurs teilzunehmen (verschlüsselt). bis spätestens ende des jahres soll der diskurs und die ergebnisse veröffentlicht und angewendet werden.

solidarische grüsse

indy-kollektiv

 

https://capulcu.noblogs.org/neue-texte/bandii/

Bilder: 

Vielleicht sind folgende Texte auch hilfreich:

Wie Lenin zu Stalin führte - Workers Solidarity Movement https://panopticon.noblogs.org/post/2025/06/02/wie-lenin-zu-stalin-fuehr...

Hör zu, Marxist! https://anarchistischebibliothek.org/library/murray-bookchin-hor-zu-marx...                    

Marxismus-Leninismus und Trotzkismus https://knack.news/10030

„Partei und Arbeiterklasse“ von Anton Pannekoek und ein Kommentar von Paul Mattick dazu https://panopticon.noblogs.org/post/2023/09/28/partei-und-arbeiterklasse...

Autoritären Sozialismus konfrontieren https://paradox-a.de/texte/autoritaeren-sozialismus-konfrontieren-2/

Zum Charakter der K-Gruppen als Verfallserscheinung https://knack.news/11016

".....daß es einen redaktionellen eingriff gibt. diese seltenen ausnahmen werden gemacht..."

Und das auf Zensurmedia? Guter Witz.