Genoss*innen demonstrieren nicht mit Tätern! – Kritik am Täterschutz des 1. Mai-Bündnisses
Gemeinsames Statement des Bündnis Feministischer Kampftag 069: Genoss*innen demonstrieren nicht mit Tätern! – Kritik am Täterschutz des 1. Mai-Bündnisses
CN: Täterschutz, psychische und patriarchale Gewalt, sexualisierter Übergriff, Vergew*ltigung
Wir, vom Bündnis Feministischer Kampftag 069, verurteilen den Umgang des 1.Mai-Bündnisses Frankfurt mit dem Kommunistischen Aufbau (KA) und der Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) aufgrund der gemeinsamen Bündnisarbeit, Demonstrationsorganisation und Durchführung dieser. Dieses Vorgehen steht den eindeutigen Forderungen von Betroffenen sexualisierter Gewalt entgegen. Für uns steht klar an erster Stelle: Solidarität mit den Betroffenen! Aufarbeitung muss betroffenenzentriert geschehen!
Was ist passiert?
Ehemalige Mitglieder und Betroffene berichteten bereits im Dezember 2024 auf Instragram (@stoppt_taeter) von systematischen Täterschutz im KA, der Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO), sowie ihren Unterorganisationen. Denn Verantwortliche wussten von Übergriffen und Gewalt, ohne dies mit ihren Mitgliedern transparent zu thematisieren. Es wurde geschwiegen, verschleppt und vertuscht. Außerdem wurden Betroffene gedrängt, über ihre Erlebnisse gegenüber Freund*innen, Eltern oder Ärtzt*innen außerhalb der Organisationen zu schweigen. In einigen Fällen wurden Betroffene gezwungen, die missbräuchlichen Taten ihnen gegenüber detailliert vor der eigenen Gruppe wiederzugeben. Dass all dies zu einer massiven Vertiefung von Traumata oder Retraumatisierung führen kann, sollte klar sein. (Über Monate nach der Veröffentlichung hinweg sich mehrende) Betroffene, die unabhängig voneinander aus unterschiedlichen Städten von patriarchaler Gewalt berichteten, wurden im Stich gelassen, haben Victim-Blaming erfahren und/oder der Kontakt zu ihnen und ihren Unterstützer*innen wurde abgebrochen. Statt die Betroffenen zu schützen und die Täter auszuschließen, wurde auf die eigenen Leitlinien zu patriarchaler Gewalt verwiesen, ohne diese umzusetzen. Für die Täter gibt es frühstens nach Jahren Konsequenzen – das ist Heuchelei und steht jeder feministischen Praxis entgegen!
Was kritisieren wir?
Trotzdem wurde der KA und FKO nicht vom 1.Mai-.Bündnis Frankfurt ausgeschlossen und trotzdem wurde mit ihnen demonstriert. Auch uns ist natürlich bewusst, dass es zu diesem Thema innerhalb des ersten Mai-Bündnisses nicht nur eine Position gibt – was sich beispielhaft an den Posts der ffm.anarchists mit Parolen wie “1. Mai täterfrei!” zeigt (Shoutout an dieser Stelle für eure Beharrlichkeit!) – und dass einzelne Strukturen auf eine Auseinandersetzung mit den Vorfällen und Vorwürfen gedrängt haben.
Ein öffentliches Statement des 1.Mai-Bündnis Frankfurt kam erst wenige Tage vor der Demo. Transparenz über die Auseinandersetzung mit den Vorwürfen erfolgte nicht. Es bleibt bei abstrakten Phrasen: Kritik soll ernstgenommen und Arbeitsweisen verändert werden. “Unsere Kritik an der bisherigen Vorgehensweise der Organisation tragen wir klar vor” – welche Kritik das ist und was genau sie aufgrund dessen fordert, darum geht es in keinem Wort.
Über die Forderungen der Betroffenen wird sich hinweggesetzt (Konsequenzen für Täter, selbstkritische Auseinandersetzung statt Verstecken hinter politischen Floskeln, transparente Struktur zur Aufarbeitung in der Organisation, Verantwortungsübernahme vom KA und FKO, Zusammenarbeit und Bündnisse mit Täterschützer*innen beenden, Solidarität zeigen). Auf die Betroffenen wird nicht mal eingegangen, geschweige denn sich mit ihnen solidarisiert! Lediglich zur “Dokumentation” wird die Seite der Betroffenen stoppt_taeter erwähnt. Wichtiger scheint es, die eigene Struktur und die Täter in den Vordergrund zu stellen – ebenso wie auf der 1.Mai-Demo, bei der der KA präsent in den ersten Reihen laufen konnte. Das hat NICHTS mit Aufarbeitung zu tun, das ist Teil des Problems und widerspricht einer betroffenenzentrierten Aufarbeitung fundamental! Für Betroffene heißt das wieder einmal: Ohnmacht, Schweigen hinnehmen, alleine dastehen!
Stattdessen geht es ausschließlich um die Täter-(-schützende)Organisation, und dass sie Teil des Bündnisses bleibt. Die Option, mit diesen Organisationen in Kontakt zu sein, um die Fälle aufzuarbeiten, ohne sie dabei weiter am Bündnis teilhaben zu lassen und ihnen somit weiter Sichtbarkeit zu ermöglichen, scheint nicht in Erwägung gezogen worden sein. Die weitere Zusammenarbeit rechtfertigten sie mit dem generellen Sexismus unserer Gesellschaft: Die Übergriffe im KA und FKO als gesamtgesellschaftliches Problem zu beschreiben, ohne auf die strukturellen Besonderheiten dieser Übergriffe (starke Hierarchien in der Organisation, systematische Verantwortungsablehnung, Verschleppung von Prozessen und die Abwertung der Betroffenen) einzugehen, hat nichts mit einer kritischen Begleitung der Aufarbeitung zu tun und tut die Erfahrungen der Betroffenen als unangenehmen Nebeneffekt der Organisierung ab – Floskeln halt. Es ist kein Zufall, dass Übergriffe sich in diesen Strukturen etabliert haben, die mit autoritärer Organisierung auftreten und für sich mit Macker-Ästhetik werben. Macker-Ästhetik zieht Macker und Mackerverhalten an. Täter häufen sich, wo Täter geduldet und Betroffene ignoriert werden. Diese Dynamik darf nicht geduldet, sondern muss aktiv durchbrochen werden.
Die fehlende Bereitschaft, Betroffenen zuzuhören und einen offenen, selbstkritischen Umgang zu suchen, zeigt sich auch an der Entscheidung, die Kommentare unter dem Bündnisstatement zum KA auszuschalten, um keinen kritischen Stimmen Öffentlichkeit zu geben. Diese haben sich bereits direkt nach dem Posten des Statements in der Kommentarspalte gefunden, wurden jedoch gelöscht.
Statt (interne) Kritik zu thematisieren, welche jedoch ebenfalls keine ausreichende Konsequenz darstellt, wurden einfach weiter Bilder mit Fahnen des KA kommentarlos gepostet. Immerhin kam es aus dem anarchistischen Block zu Forderungen nach einem täterfreien 1. Mai (in der Rede und auf mehreren Transpis), was wir begrüßen! Nichtdestotrotz reicht das nicht, wenn das 1.Mai-Bündnis trotzdem mit täterschützenden Organisationen im Bündnis demonstriert – nach dem 1. Mai gab es auf ihrem Instagram-Account mehrere Fotorückblicke, aber kein einziges Foto der kritischen Transpis zum Thema. Auch im Auswertungstext bei gegenmacht.info kommt das Thema mit keiner Silbe vor, hier wird der anarchistische Block viel monothematischer dargestellt als er war – eben so wie es in die gegenüber Kritik immune Haltung passt. Sich zu kritisieren ist wichtiger Bestandteil feministischer, aber auch linksradikaler Praxis insgesamt.
Was fordern wir?
Das 1. Mai-Bündnis gibt täterschützenden Organisationen und letztlich auch Täterschützer*innen und Tätern eine Bühne und stellt sich gegen die Forderungen der Betroffenen. Was ziehen wir daraus für Konsequenzen? Interne Kritik ist hier offensichtlich nicht genug und ermöglicht lediglich die weitere Sichtbarkeit dieser Organisationen.
Wir fordern, die Zusammenarbeit mit Tätern, Täterschützer*innen und Strukturen, die diese schützen, zu unterbinden. Wir fordern außerdem eine Aufarbeitung in dem Bündnis, wieso nicht bereits im Vorfeld der Demo Konsequenzen gezogen wurden und wie es sein kann, dass sogar selbstkritische Stimmen und Kritik im Nachgang verworfen werden. Das fordern wir als feministischer Zusammenschluss, weil dieses Verhalten nicht nur Täterschutz verstärkt, es entmächtigt auch Betroffene! Die Berichte über Bedrohungen auf Betroffene und Kritiker*innen, selbst auch noch im Nachgang 1.Mai-Demos (Leipzig) zeigen, wie gefährlich dieses Nichts-tun ist. Revolution ohne Solidarität ist nichts als Mackerei. Das ist weder revolutionär noch progressiv. Wir verurteilen den Umgang aufs Schärfste.
Wer hier nichts sagt und tut, ist mitverantwortlich für die Retraumatisierung, die berechtigte Wut und das Entsetzen bei den Betroffenen, die sich dadurch allein gelassen und nicht ernst genommen fühlen. Wir stehen an der Seite der Betroffenen und sprechen ihnen unsere Solidarität aus. Ihr seid nicht alleine – wir stehen und kämpfen mit euch! Wir lassen nicht zu, dass sich Täter und Macker Räume nehmen!
Genoss*innen demonstrieren nicht mit Tätern! Auf einen feministischen revolutionären 1. Mai!
