Solidarische Prozessbeobachtung - Verkündungstermin am 19.03.2025 Bundesgerichtshof Karlsruhe in der Strafsache 3 StR 173/24 (Komplex Lina E. u. a.)
Der dritte Strafsenat in Karlsruhe verkündete im Fall Lina E. heute die Änderung des Schuldspruchs im Detail, was jedoch keine Auswirkungen auf die Gesamtfreiheitsstrafe hat. Der BGH verwarf die Revision der Bundesanwaltschaft gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vollumfänglich. Damit bestätigte der Bundesgerichtshof die Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Solidarische Prozessbeobachtung - Verkündungstermin am 19.03.2025 Bundesgerichtshof Karlsruhe in der Strafsache 3 StR 173/24 (Komplex Lina E. u. a.)
Nach einem aufwendigen Akkreditierungsverfahren (Wochen im Voraus) unter der Angabe des Vor- und Zunamens, Geburtsdatum, Handynummer und E-Mail Adresse sowie der ausführlichen Einlasskontrolle vor Ort d.h. zeigen des gültigen Ausweisdokuments mit anschließender einzelner Personenkontrolle (Röntgenkontrolle, Metalldetektor, Abtasten, Ausziehen der Schuhe, etc.) wurde dem Eintritt in den Sitzungssaal stattgegeben.
Während der Wartezeit bis zur Verkündung unterhielten sich einige Presseleute über den letzten Termin in dieser Strafsache. Sie witzelten darüber, dass es beim letzten Mal, im Gegensatz zu heute eine Kundgebung von Antifas gegeben habe und davon auszugehen sei, „dass auch die keinen Bock mehr auf ihre eigenen Leute haben“. Bei dem Gang zur Toilette wurde ich von einem der Presseleute angesprochen, ob ich ihm in 3 Sätzen beschreiben könnte, worum es hier heute geht. Das verneinte ich. Die Presseplätze in den ersten zwei Reihen waren gut gefüllt, wohingegen die Besucher*innenplätze fast leer blieben. Unter den Besucher*innen in Zivil waren vier Sicherheitsleute vom BGH, sowie zahlreiche Beamt*innen.
Der Senat betrat gegen ca. 9:35 Uhr den Sitzungssaal, Lina war nicht anwesend. Kurz darauf begann die Verlesung, welche bis ca. 10:15 Uhr dauerte. Zur Erinnerung: nachdem sowohl die Bundesanwaltschaft, als auch die Verteidigung von Lina gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden Revision einlegte, prüfte der Bundesgerichtshof das Urteil nur auf Rechtsfehler. Das heißt es wurden weder Zeugen gehört, geschweige den neue Beweise erhoben. Der dritte Strafsenat in Karlsruhe änderte den Schuldspruch im Detail, was jedoch keine Auswirkungen auf die Gesamtfreiheitsstrafe hat. Der BGH verwarf die Revision der Bundesanwaltschaft gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vollumfänglich. Damit bestätigte der Bundesgerichtshof die Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Nachdem Lina ca. zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft saß und mit dem Dresdner Urteil 2023 trotz der verhängten Freiheitsstrafe unter Auflagen “frei“ kam, muss sie die Reststrafe nun verbüßen. Dabei soll die Zeit in der Untersuchungshaft angerechnet werden. Wie lange genau die Reststrafe ausfallen wird, muss nun berechnet werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Reststrafe für Lina nach ein paar Monaten in Haft dann zur Bewährung ausgesetzt wird.
Gerade Menschen die in der linken Szene aktiv sind, sind mehrheitlich in Sozialen Berufen tätig und daher (zwangsläufig) besonders sensibilisiert, was Repression betrifft. Denn wer z. B. mit Schutzbefohlenen arbeitet, kann durch die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die eigene Person zur Konsequenz ein Berufsverbot erhalten. Trotzdem müssen wir nach diesem Urteil umso mehr Schulter an Schulter stehen. Denn Fakt ist: der Rechtsstaat misst mit zweierlei Maß! Während linke Gruppen massiver staatlicher Repression ausgesetzt sind, bleiben rechtsextreme Netzwerke oft ungestört. Nach der heutigen Urteilsverkündung, müssen wir, stärker denn je zuvor, die Debatte um die asymmetrische Strafverfolgung erneut eröffnen. Denn dieses Urteil kann und wird schwere Folgen in den laufenden Prozessen im Budapest-Verfahren nach sich ziehen. Der Fall um Lina ist nicht nur das größte Verfahren seit ca. 20 Jahren, sondern auch eine der härtesten Verurteilungen gegen linke Strukturen innerhalb dieses Zeitraums. Es ist offensichtlich, dass die unausgewogenen Ermittlungen von vorneherein auf diese unverhältnismäßig harte Verurteilung ausgerichtet waren und das dieses Verfahren politisch gewünscht war! Auch wenn Lina aufgrund von öffentlicher Diffamierung der Strafrabatt gewährt wurde und ihr keine Rädelsführerinnenschaft nachgewiesen werden konnte, ist das nun bestätigte Urteil wegen der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach §129 StGB ein gefährlicher Präzedenzfall.
Dies kann zur Folge haben, dass für die Konstruktion einer kriminellen Vereinigung zukünftig keine harten Kriterien mehr erforderlich sind. Es könnten gemeinsame politische Ausrichtungen und eine beliebige strafbare Handlung zur Verurteilung führen.
Bitte stellt euch weiterhin gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus. Lasst euch von der Repression nicht einschüchtern, sondern mit anderen vernetzen und weiterkämpfen.
Antifa ist und bleibt Handarbeit! Freiheit für alle Antifaschist*innen weltweit!
